Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes


Sechsundzwanzigstes Kapitel

Im Ravenclaw-Turm


Eigentlich wollte sich Remus am nächsten Nachmittag noch einmal das Buch über Somnambulismus ansehen, doch sie hatten so viele Hausaufgaben (auch noch vom Vortag) auf, dass sie dieses Vorhaben kurzfristig auf Mittwoch nach dem Abendessen verschoben.

»Müssen wir jetzt wirklich zu dieser blöden Pince gehen? Die schmeißt uns eh hochkant wieder raus«, maulte Sirius den ganzen Weg lang. »Und außerdem… wir wissen doch schon alles, was in diesem Buch stand – nur Unsinn!«

»Du musst ja nicht mit hineingehen, kannst ja auch vor der Bibliothek auf uns warten«, erwiderte Remus leicht gereizt, der wohl nichts auf seine geliebte Bibliothek kommen lassen wollte, als sie den Runenkorridor passierten.

Sirius' Antwort darauf bestand aus einem Grummeln, wofür James ihn verstehend angrinste.

»Ja… also, ich weiß nicht… ich dachte, Sirius wandelt sowieso nicht mehr nachts im Schloss rum, weil… ich denk, Pilers Therapie hat angeschlagen…«, mischte sich nun Peter leise mit ein.

»Ja! Endlich hat's einer begriffen! Und das sag jetzt mal Remus, bitte! Remus, hör auf ihn, er hat nämlich vollkommen… Remus!« Sirius drehte sich verwundert um, wo denn ihr Freund abgeblieben war, der eben noch neben ihnen gelaufen war. Remus stand stocksteif und bleich vor einer geschlossenen Tür.

»Alles klar, Mann?«, hakte James gleich besorgt nach.

»Habt ihr das gehört?«, hakte Remus ungläubig und geschockt nach.

»Was?«, wollten Sirius, James und sogar Peter gleichzeitig wissen. Alle drei gingen vorsichtig zurück zu Remus, der sich nicht von der Stelle rührte.

»Da hat einer einen Vergessenszauber angewandt«, erklärte Remus fachkundig.

»Du spinnst ja«, meinte Sirius gleich, während James nur fragte: »Hä?«

»Ich schwör euch, in diesem Zimmer hat gerade einer ›Oblivate‹ gerufen!«, wiederholte Remus, wobei er auf die verschlossene Tür zeigte – die sich in diesem Moment öffnete.

Erschrocken wichen die vier Jungs zurück, als Jones und Specter nach draußen traten.

»Was machst du denn hier, Andrew!«, konnte es sich Sirius in seiner Verblüffung nicht verkneifen.

»Ach, ich habe Mr Specter nur etwas Nachhilfe gegeben, Jungs. Also dann, schönen Abend noch! Begleiten Sie mich noch bis zum Lehrerzimmer, Mr Specter, damit ich Ihnen noch das Runenlexikon geben kann«, antwortete Jones souverän.

Specter nickte, leicht lächelnd, und verschwand schon im nächsten Augenblick mit dem Lehrer um eine Ecke.

Ungläubig starrte Remus ihnen immer noch nach, während sich die anderen drei schon wieder in Bewegung setzten.

»Kommst du jetzt endlich?«, rief James zu ihm zurück.

»Aber… da hat wirklich gerade… Ich meine… was hat denn der Oblivate-Fluch mit Alten Runen zu tun!«, beharrte Remus baff, folgte ihnen jedoch trotzdem langsam.

»Du hast vielleicht Wahnvorstellungen! Oh, das könnte der Fluch sein, der auf Hogwarts lastet – er greift jetzt auch dich an«, spottete Sirius sehr sarkastisch.

»So ein Quatsch! Ich weiß doch, was ich gehört habe«, verteidigte sich Remus.

»Genauso ein Quatsch wie als hätte mein Schlafwandeln etwas damit zu tun«, argumentierte Sirius.

»Der Unterschied ist nur, dass dein Schlafwandeln wirklich was damit zu tun hat!«

»Jetzt hört doch endlich mal auf mit dem Mist, wir werden's ja eh gleich sehen«, unterbrach James das Gekabbel der Zwei lautstark, womit sie die Bibliothek betraten.

Fast noch in derselben Sekunde rauschte Madam Pince wütend auf sie zu, die Hände in die Hüften gestemmt, und schnauzte sie an: »Wenn Sie schon so lärmend hier reinkommen, dann können Sie gleich wieder gehen! Ich will Sie eine Woche lang nicht mehr in meiner Bibliothek sehen!«

Damit scheuchte sie die vier raus und warf die Tür hinter ihnen knallend zu.

»Toll, danke Jungs, das hab ich jetzt gerade noch gebraucht, vor den Prüfungen eine ganze Woche lang nicht in die Bibliothek zu dürfen«, raunzte Remus beleidigt, bevor er im nächsten Gang verschwand, ohne auf sie zu warten.

Betreten sahen sich die verbliebenen drei an, um sich dann schweigend in den Gryffindor-Turm zurückzuziehen.

Sie sahen Remus zwar hinter seinen unzähligen Büchern sitzen, doch da er sie nicht weiter beachtete, flogen sie gleich in ihren Schlafsaal, wo sie noch Rachepläne gegen Madam Pince schmiedeten, bis auch die übrigen Schlafsaalbewohner zu Bett gingen.


Am nächsten Morgen stellte Sirius erleichtert fest, dass Remus wieder mit ihnen redete. Er verhielt sich, im Gegensatz zum Vortag, ausgesprochen freundlich, wahrscheinlich um seinen gestrigen Wutanfall wieder gutzumachen.

Er stimmte sogar zu, als sie nach dem Abendessen anstatt zu lernen auf die Ländereien gehen wollten, weil das Wetter angenehm war. Doch diesmal wehrte sich Sirius gegen diese Idee, da fast ganz Hogwarts auf denselben Einfall gekommen war:

Als sie aus dem Eingangstor spitzten saßen überall schnatternde und teilweise sogar lernende Schüler, weshalb sie beschlossen, doch in den hoffentlich leeren Gryffindor-Turm zu gehen.

Leider hatten zwei angestrengt lernende Mädchen aus der Dritten, die Sirius nur vom Sehen her kannte (Er glaubte, dass sie zwei der Jägerinnen in der Gryffindor-Quidditchmannschaft gewesen waren, als diese noch existierte) ebenfalls die Ruhe gesucht, welche die vier Jungs allerdings nicht weiter störten.

»Oh Mann, ich glaub nicht, dass ich mich jemals dazu überwinden werde, für Zaubereigeschichte zu lernen, das ödet mich so dermaßen an«, meinte James, der sich eben in seinen roten Lieblingssessel fallen ließ.

»Ich glaub, ich geh mir mal 'ne Jacke holen, ich friere!«, beschloss Peter in diesem Moment.

Doch gerade als er sich einen Besen nahm, um in den Schlafsaal zu fliegen, blieb er mit offenem Mund und nach oben starrenden Augen stehen.

»Was ist denn nun schon wieder?«, hakte Sirius genervt nach und trat doch etwas neugierig an seine Seite – um ebenfalls seinen Augen nicht zu trauen.

»Jetzt hat's die Schlafsäle auch noch erwischt«, stellte er baff fest.

»Nicht nur die«, erwiderte Remus nun fast hysterisch und deutete auf eine weitere Wand, die eben verschwunden war.

Inzwischen waren auch die beiden Drittklassmädchen darauf aufmerksam geworden und sprangen alarmiert auf, wobei die eine rief: »Los, raus hier, schnell!«, und die andere wortlos den starrenden Sirius und Peter packte, um sie zum Porträtloch zu ziehen, als sich gerade ein Stück des Fußbodens auflöste und einige Schreibtische ins Leere stürzten, die sich nach einem Blinzeln ebenfalls in Nichts auflösten.

Kurz bevor die letzte Wand und der restliche Fußboden verschwanden, hechteten die verbleibenden Gryffindors durchs Porträtloch in Sicherheit.

Die beiden Mädchen fassten sich als erste wieder, beratschlagten sich kurz flüsternd und daraufhin eilte die Blonde den Korridor hinab, wahrscheinlich um einen Lehrer zu informieren, während die braunhaarige bei den Jungen blieb.

»Alles okay?«, fragte diese indessen die Jungs, die sich mühevoll aufrichteten.

»Ja, danke… geht schon«, antwortete Remus höflich, was Sirius völlig ignorierte, denn er stürmte geschockt zurück zum aufgeklappten Porträt (Nigellus war gerade nicht da, weshalb ausnahmsweise mal kein bissiger Kommentar kam), um in die Tiefe zu starren, des Sprechens nicht mehr mächtig vor Entsetzen.

Einen Augenblick später schlossen sich ihm auch die anderen drei Jungs an.

»Meine Bücher! Wie soll ich denn dann die Prüfungen bestehen!«, jammerte Remus sogleich.

»Vergiss die Bücher«, ereiferte sich James aufgewühlt. »Das Ding hat meinen nagelneuen Nimbus 1001 geschluckt!«

»Und meinen Verwandlungsaufsatz!«, lamentierte Peter ebenso. »McGonagall war sowieso schon so wütend auf mich! – Jetzt muss ich den noch mal schreiben!«

»Fragt sich nur, womit schreiben, was?«, grinste das Mädchen amüsiert und fuhr ironisch fort: »Ach, wie schade. Jetzt kann ich ja nicht mal mehr für Arithmantik lernen.«

»Mein Ersatzbett«, würgte Sirius nur noch heraus

Im selben Moment vernahmen sie hinter sich schon Schritte, als Piler mit dem anderen Mädchen zurückkam.

»Lydia, stimmt das, was Nancy mir erzählt hat?«, hakte Piler ungläubig nach.

»Glauben Sie, ich lüg hier zum Spaß!«, empörte sich Nancy.

»Hey, unsere Arithmantiksachen sind weg«, erinnerte Lydia sie begeistert.

»Cool!«, jubelte Nancy daraufhin los.

Sirius runzelte leicht die Stirn über ihre seltsame Konversation, schließlich gab es momentan Wichtigeres: Zum Beispiel sein Bett!

Alle ihre Sachen waren mit einem Mal verschwunden. Die Schulsachen ebenso, wie die Koffer samt Kleidung, Sirius' Geld genauso, wie sein Denkarium…

In der Zwischenzeit blickte Piler durch das Porträtloch ins Nichts hinaus, wo ehemals der Gryffindor-Turm gestanden hatte.

»Das stellt in der Tat ein Problem dar«, erkannte der Lehrer trocken. »Und außer euch sechs war sonst keiner im Turm?«

»Na ja, das wird man ja spätestens beim Durchzählen merken, oder?«, konnte sich Sirius nicht verkneifen, sodass Piler die Mädchen fragend ansah, die synchron den Kopf schüttelten.

Überraschenderweise kamen in dem Augenblick Dumbledore und McGonagall herbeigeeilt.

»Glaubt es oder glaubt es nicht…«, begann Piler schon, doch Dumbledore unterbrach ihn: »Phineas hat mir bereits alles berichtet.«

Der Schulleiter besah sich seinerseits den Schaden, während die Schreckschraube sich bei den Schülern versicherte, ob auch alle in Ordnung wären.

Schließlich wollte sie die Gryffindors sogar vorsichtshalber in den Krankenflügel schicken, als schon die ersten Schüler von draußen hereinkamen, um in ihren Turm zurückzukehren, da es bereits auf acht Uhr zuging.

Noch ehe die sechs den Korridor Richtung Krankenflügel einschlagen konnten, war dieser rappelvoll von Gryffindors, die verwirrt stehen blieben, als sie den Direktor und ihre Hauslehrerin erblickten.

Die ersten schrieen auf, sobald sie die Lage realisierten, sodass bald auch die in den hinteren Reihen, die sich auf Zehenspitzen stellen mussten, um irgendetwas sehen zu können, auf dem Laufenden waren.

– Allerdings war die Wahrheit leicht verfremdet worden; viele schienen zu glauben, dass der Gryffindor-Turm vor Dumbledores Augen abgebrannt sei (Pernilla kreischte sogar auf: »Was! Feuerspeiende Drachen!«) und manche waren felsenfest überzeugt davon, dass Sirius und James ihn abgefackelt hätten.

Endlich sorgte McGonagall mit roten Funken, die sie aus ihrem Zauberstab sprühen ließ für Ruhe und befahl ihnen allen, sich in der Großen Halle zu versammeln, wo sie diese Nacht aushilfsweise untergebracht werden sollten.

Murrend und aufgeregt miteinander flüsternd zogen sich die Schüler also in die Halle zurück (nicht ohne Lydia, Nancy und die vier Jungs mit Fragen zu bombardieren).

Kurz darauf erschien Flitwick, um die Tische an die Wand und Schlafsäcke auf den Boden zu zaubern, woraufhin sie es sich bequem machten, um noch bis spät in die Nacht hinein Mutmaßungen anzustellen.

Die vier Jungs dagegen debattierten darüber, ob sie die Lehrer von dem möglichen Fluch unterrichten sollten, was Sirius natürlich strikt ablehnte (»Es gibt keinen Fluch, wie oft denn noch, Remus!« Von der anderen Seite der Großen Halle rief der ÜV: »Pssst! Ihr sollt schlafen!«).

Sirius war froh, dieser Unterhaltung entgehen zu können, als Peter mal wieder fragte, wer ihn zum nächsten Klo begleiten würde.

Kaum waren sie an der Tür zur Eingangshalle angekommen, hielt Sirius Peter zurück. Er hatte Stimmen von draußen gehört, die sich erregt über irgendetwas unterhielten.

Langsam schob er die Tür einen kleinen Spalt auf, sodass er Dumbledore und einen mittelgroßen, gutgebauten Mann mit lichtem Haar, den Zaubereiminister, erkannte.

»Fergus, ich finde Ihren Vorschlag doch etwas übereilt. Es ist nun wirklich keine Option, die Schule zu schließen«, erklärte Dumbledore eben seinen Standpunkt.

»Aber so kann es doch nicht weitergehen, Dumbledore. Irgendwann wird noch jemand zu Schaden kommen. Denken Sie nur mal, was passiert wäre, wenn die Kinder nicht rechtzeitig hinausgekommen wären«, erwiderte Wanderon, der Minister, erregt.

»Aber das sind sie nun mal. Beruhigen Sie sich, ich werde nie zulassen, dass einem meiner Schüler etwas passiert.«

Bevor Sirius noch irgendetwas Wichtiges mitbekommen konnte, tauchte der ÜV neben ihnen aus der Dunkelheit auf und pflaumte sie an: »Jetzt hab ich aber genug! Wenn ihr euch nicht sofort wieder hinlegt, werde ich Professor McGonagall Bescheid geben!«

Notgedrungen mussten Sirius und Peter zu den anderen beiden zurückkehren, wobei Peter sich leise bei Sirius beschwerte, dass er nun doch nicht auf die Toilette gehen konnte.

Doch Sirius war viel zu sehr in seinen Gedanken, als dass er dem hätte Beachtung schenken können und erzählte James und Remus sogleich von dem belauschten Gespräch.

Besorgt blickten sie sich schließlich an, alle in der stillen Hoffnung, dass es keinen weiteren Anlass für den Zaubereiminister geben würde, Hogwarts doch zu schließen.


Am nächsten Morgen wurden sie von den eintreffenden Ravenclaws, Slytherins und Hufflepuffs geweckt, die nach und nach zum Frühstück in der Großen Halle eintrafen und die sehr erstaunt über die dort schlafenden Gryffindors schienen.

Diejenigen, die als erste aufwachten, erzählten den verwirrten Schülern der anderen Häuser, was am vergangenen Abend noch passiert war, sodass bald die heißesten Gerüchte umgingen, dass nur noch die Slytherin-Kerker existierten und so mancher panische Hufflepuff in seinen Gemeinschaftsraum zurückrannte, um zu überprüfen, ob der noch vorhanden war.

Immerhin hatten die Hogwarts-Schüler somit ein neues Gerücht, das sie das alte vonwegen der Gewalttätigkeit der vier Freunde bezüglich Daveys Auge vergessen ließ.

Erst, als Dumbledore persönlich die Große Halle betrat, kehrte augenblicklich Ruhe ein, auf Grund der Spannung, was der Schulleiter zu sagen hatte.

Dumbledore wirkte recht müde, als er die Situation schilderte, die allen mittlerweile schon (mehr oder weniger wahrheitsgetreu) bekannt war.

Er erwähnte allerdings mit keiner Silbe die mögliche Schließung der Schule. Allem Anschein nach hatte er Wanderon doch noch davon überzeugt, die Schule nicht zu schließen oder er wollte einfach nur keine unnötige Aufregung verursachen.

Sobald er mit seiner Ansprache geendet hatte, trat McGonagall mit einer langen Pergamentrolle vor die Schüler und knöpfte nahtlos an Dumbledores Rede an: »Demnach sehen wir uns gezwungen, die betroffenen Schüler und Schülerinnen auf die drei verbliebenen Häuser aufzuteilen! –«

Sie räusperte sich und blickte durch ihre eckigen Brillengläser auf ihre Pergamentrolle.

»–Von den Erstklässlern werden fortan Mr Potter und Mr Lupin den Ravenclaw-Schlafsaal der Jungen teilen, Miss Evans den der Mädchen. Mr Gudgeon, Mr Pettigrew und Mr Sparks kommen nach Hufflepuff, ebenso wie Miss Stebbins und Miss Parnew. Mr Black und Miss Callux nach Slytherin. Die Zweitklässler…«

Sirius' Blick suchte unwillkürlich den James'. Wie konnten die nur die Frechheit besitzen, ihn und James zu trennen! Und obendrein noch ihn nach Slytherin schicken! James sah ihn ebenso entrüstet an; anscheinend konnte er diese Ungerechtigkeit genauso wenig verstehen, geschweige denn hinnehmen, wie Sirius.

Sirius realisierte gar nicht, wie die Zweit- bis Siebtklässler eingeteilt wurden und es interessierte ihn auch gar nicht, schließlich musste er sich überlegen, was er nun machen sollte. Er könnte natürlich einfach mit James und Remus nach Ravenclaw gehen…

Es blieb zwar ohnehin die Frage, wie lange Hogwarts überhaupt noch existieren würde – sei es, dass sich das ganze Schloss auflöste, oder dass das Zaubereiministerium es schließen ließ –, aber dennoch würden sie Sirius nicht in das selbe Haus wie Bellatrix und Malfoy bringen.

Endlich war die Schreckschraube mit Vorlesen fertig und beendete ihren Vortrag zum Entsetzen der Schüler mit der Ansage, dass sie sich dennoch in einer halben Stunde zum Unterricht einfinden sollten, der wie gewöhnlich stattfinden werde, obwohl kaum ein Gryffindor mehr seine Schulsachen besaß, da sich die am Vorabend zum Zeitpunkt der Katastrophe im Gryffindor-Turm befunden haben.

Als Specter, der zu seinem Missfallen nach Hufflepuff gekommen war, die Schreckschraube aber darauf aufmerksam machte, schnauzte die ihn nur schlecht gelaunt an, sodass sich niemand mehr etwas zu sagen traute.

So langsam hoben jedoch die Gespräche und ein ungläubiges Gemurmel derer, die den verschwundenen Gryffindor-Turm noch nicht mit eigenen Augen gesehen hatten, wieder an.

»Dann müssen wir heute das Essen wohl mal ausfallen lassen«, meinte Remus wie selbstverständlich.

»Was?« Sirius sah ihn irritiert an. »Die Lehrer stellen doch die Tische wieder auf und wir haben noch 'ne halbe Stunde!«

Tatsächlich wischte McGonagall die Schlafsäcke mit einer eleganten Bewegung des Zauberstabs weg und Flitwick sorgte mit einem Aufrufezauber dafür, dass die zwei Haustische, die an der Wand standen, sich wieder in die Mitte der Großen Halle stellten.

»Ja, aber die sollten wir dafür nutzen, unseren Eltern zu schreiben und um die nötigsten Sachen zu bitten«, erwiderte Remus, wobei er bereits auf die Eingangshalle zuhielt.

Mit knurrenden Magen folgten die anderen drei ihm murrend.

Sirius war es ganz recht, dass Oxbow momentan jagen war, denn so hatte er einen guten Vorwand, seinen Eltern nicht schreiben zu müssen, die das sowieso nur als guten Anlass gesehen hätten, ihm unter die Nase zu reiben, dass er nach Slytherin hätte wechseln sollen und nun eben die Konsequenzen tragen müsste.

Allerdings suchte Remus ihm sogleich eine Schuleule, die den Auftrag gerne übernehmen würde.

»Lass mal, ich glaub, ich warte lieber, bis Oxbow wieder zurück ist«, wehrte Sirius nur ab.

»Soll ich meine Eltern fragen, ob die dir was mitbesorgen?«, fragte James in dem Moment völlig unvermittelt, der eben eine kleine Notiz an seine Eltern kritzelte.

Peter unterdessen nahm dankbar die Eule an, die Remus zuerst Sirius ausgesucht hatte und nun ihm anbot. Er selbst hatte einer großen Schleiereule seinen Brief übergeben und hatte diese bereits losgeschickt.

Sirius, der sich von James durchschaut fühlte, ließ seinen Blick unbewusst durch die Eulerei irren, ohne sofort zu antworten. Er könnte behaupten, seine Eltern wären auf Geschäftsreise…

Als er wieder James ansah, um ihm das zu erläutern, hatte der ihn noch immer fixiert und feixte amüsiert: »Na, schon eine Ausrede gefunden?«

Damit beugte er sich über sein Stück Pergament und erklärte beim Schreiben: »So, dann schicken meine Eltern dir eben auch das Wichtigste mit. Wenn die eh schon in die Winkelgasse müssen, ist es ja egal, ob sie für mich oder für uns beide einkaufen gehen. Ist ja eh dasselbe. Ein paar Umhänge, Schulsachen…«

Sirius konnte nicht anders, als ihm dankbar zuzulächeln und obwohl er nichts weiter sagte, hatte James ihn eindeutig verstanden, denn er erwiderte sein Lächeln aufrichtig.

Der Schultag zog sich in die Länge, besonders, da Sirius mit James ausgemacht hatte, dass er Piler fragen würde, ob er nicht auch zu James und Remus nach Ravenclaw gehen könnte, weil Remus es strikt ablehnte, dass Sirius sich einfach so ihnen anschloss.

So konnte es Sirius wenigstens bis zur letzten Stunde rauszögern und außerdem war er froh, dass James nicht McGonagall als ihre Hauslehrerin vorgeschlagen hatte. Endlich entließ Piler die Klasse (nachdem er schon versehentlich zehn Minuten überzogen hatte, da der Gong noch immer nicht ersetzt war) und während alle Schüler nach draußen ins Wochenende stürmten, begab sich Sirius von James motiviert zum Lehrerpult.

Kaum hatte Piler ihn erblickt, fing er schon an: »Du bist wieder schlafgewandelt! – Ich könnte mir heute Abend freinehmen…«

»Nein, nein! Ich bin eigentlich… Ich wollte fragen, ob ich nicht auch nach Ravenclaw kann?«

Piler, der offenbar überzeugt gewesen war, dass es sich um Sirius' Somnambulismus handelte, wirkte ein wenig zerstreut.

»Hmm… Ich kann schon verstehen, dass du nicht unbedingt nach Slytherin willst, aber das haben Minerva und Dumbledore so eingeteilt. Ich glaube, da musst du besser einen von den beiden fragen!«

Etwas mitleidig sah er Sirius an, doch in seiner Miene lag auch etwas Entschlossenes, das verriet, dass es nichts brachte, weiter zu diskutieren.

Auch James schien ziemlich enttäuscht, versuchte ihm aber auf dem Weg zur Schreckschraube einzureden, dass diese sicherlich nichts dagegen haben würde, wenn er bei ihnen in Ravenclaw blieb. Schließlich mussten sie sowieso bald eine bessere Lösung finden, da sie ja nicht ewig auf den Gryffindor-Turm verzichten konnten, der schon seit über tausend Jahren stand… vielmehr so lange gestanden hatte.

Sie trafen die Schreckschraube nicht in ihrem Büro an und auch das Lehrerzimmer war bis auf Professor Upperstick verwaist, die ihnen weissagte, dass sie sich zu Dumbledore begeben würden, wenn sie zu McGonagall wollten.

Auf dem Weg zu dem steinernen Wasserspeier regte sich Sirius auf: »Wir sollten jetzt eigentlich nicht zu Dumbledores Büro gehen, dann wäre ihre schöne ›Voraussage‹ im Eimer!«

»Jetzt reg dich nicht so auf«, beschwichtigte ihn Remus. »Du willst doch nach Ravenclaw, oder!«

»Aber müssen wir deshalb gleich zum Schulleiter gehen?«, warf Peter kleinlaut ein, wurde aber nicht weiter beachtet, da James in dem Moment trocken feststellte: »Beißende Bumerangs, wir wissen doch das Passwort gar nicht!«

Doch in dem Augenblick erwachte der Wasserspeier zum Leben und gab den Eingang zum Büro frei. »Beißende Bumerangs!«, wiederholte James ungläubig, betrat aber, wie alle anderen auch die selbstlaufende Treppe.

James wandte sich skeptisch Sirius zu: »Beißende…«

»…Bumerangs, genau!«, bestätigte Sirius trocken und betätigte den Greifenklopfer, woraufhin die Vier ohne eine Antwort abzuwarten eintraten.

Dumbledore und McGonagall waren allem Anschein nach gerade in eine Diskussion vertieft, doch als sie die Jungs wahrnahmen, unterbrachen sie diese abrupt.

»Was machen Sie denn hier?«, wollte die Schreckschraube sofort wissen, die Lippen zu einem kompromisslosen Strich zusammengekniffen.

Dumbledore inzwischen betrachtete sie nur interessiert, gab sich aber offensichtlich mit McGonagalls Frage zufrieden, auf deren Antwort er wohl wartete.

»Wir wollten eigentlich zu Ihnen«, begann James an McGonagall gewandt, woraufhin die Schreckschraube sie fragend ansah.

»Man hat mich nach Slytherin gesteckt«, beschwerte sich Sirius in einem anklagenden Ton, als sei damit alles gesagt.

Die Schreckschraube maß ihn durch ihre Brillengläser hindurch mit einem strengen Blick. »Und!«

Sirius blinzelte die Lehrerin verwirrt an.

»Ich will aber nach Ravenclaw«, entgegnete er, als er sich einigermaßen gefasst hatte ob der Begriffsstutzigkeit der Schreckschraube. Sein Anliegen war doch nur zu offensichtlich.

»Was Sie wollen spielt leider keine allzu große Rolle, Mr Black. Wir haben die Schüler auf die verschiedenen Häuser aufgeteilt, sodass nirgends zu viele sind und Professor Brewpot hat sich dafür eingesetzt, dass Sie nach Slytherin kommen, also…«

»Erst hab ich kein eigenes Bett, dann muss ich auch noch nach Slytherin! Das schreibe ich meinen Eltern…«

Normalerweise war er mit einer solchen Drohung immer recht gut durchgekommen, da niemand den Zorn der Blacks auf sich ziehen wollte, die dank ihres Goldes überall Connections hatten – obwohl Sirius natürlich niemals seinen Eltern geschrieben hätte.

Doch McGonagall erwiderte nur hitzig: »Schön, dann schreiben Sie das Ihren Eltern. Soweit ich das mitbekommen habe, werden die sich bestimmt freuen, das zu hören.«

Hinter ihm stieß James ihn sanft an und flüsterte halblaut: »Okay, Sirius, ich glaub, das war ein ›Nein‹!«

Nun gut, dann musste er eben doch einfach ohne Erlaubnis mit zu den Ravenclaws gehen, überlegte sich Sirius, der es noch immer nicht ganz fassen konnte, dass seine Drohung mit den Eltern nicht gezogen hatte.

Doch in dem Moment erhob Dumbledore erstmals das Wort, der bisher nur ruhig dagesessen und zugehört hatte.

»Ich denke, auf einen mehr oder weniger in Ravenclaw kommt es auch nicht an, Minerva. Bevor Mr Black noch auf den Gedanken kommt, sich der Vorschrift zu widersetzen…«

McGonagall schnaubte auf. »Ach, na schön«, gab sie schließlich nach.

»Okay Sirius«, meinte James hinter ihm erfreut, »ich glaube, das war ein ›Ja‹!«

»Ähm…«, begann Peter leise und verlegen.

»Na, meinetwegen können auch Sie nach Ravenclaw, Mr Pettigrew, aber glauben Sie nicht, dass Sie mit so was immer durchkommen!«

Remus murmelte noch einen Dank und schaffte es dann irgendwie, alle rasch aus dem Büro zu bringen, bevor es sich die Schreckschraube noch anders überlegte.


Der Ravenclaw-Turm lag auf der Westseite des Schlosses, das wusste zum Glück Remus, doch sie mussten dennoch vor dem Porträt eines alten, recht verwirrt wirkenden Zauberers warten, da sie das Passwort nicht wussten.

Der Zauberer, der nur noch ein paar Haare auf dem Kopf und ein Monokel vor dem rechten Auge klemmen hatte, warf ihnen hin und wieder neugierige Blicke zu, sprach sie aber nicht an, sondern wandte sich jedes Mal, wenn ihn Sirius' mürrischer Blick traf, schnell ab und betrachtete interessiert seine Fingernägel.

Nach einer Ewigkeit, in der es sich die vier bereits vor dem Porträt mehr oder weniger bequem gemacht hatten, vernahm Sirius Schritte und Anne kam auf sie zu.

»Na endlich!«, maulte Sirius sogleich, während er sich den Staub von seinem Umhang klopfte. »Man könnte fast denken, dass ihr Ravenclaws nie ein- und ausgeht! Was machst du eigentlich hier!«

Anne blieb bei den Vieren stehen, ohne das Passwort zu nennen und musterte Sirius sinnend. »Weißt du, ich glaube, das sollte ich eher dich fragen. Ich dachte, du wärst nach Slytherin gekommen!«

»Und wo kommst du überhaupt her?«, fragte Sirius unbeirrt weiter.

»Vom Abendessen. Sonst noch Fragen?«

»Ja! Das Passwort!«, fiel jetzt James vehement ein.

Anne warf einen flüchtigen Blick zu dem Porträt, dessen Bewohner eben sein Monokel an seinem Umhang putzte, dann beugte sie sich zu den Jungs vor und flüsterte, sodass der Zauberer sie nicht hören konnte: »Ich weiß es selber nicht!«

Sirius traute seinen Ohren kaum. Jetzt warteten sie hier schon den ganzen Abend lang und wenn dann endlich eine Ravenclaw kam, kannte die noch nicht mal das Passwort zu ihrem eigenen Turm!

Er wollte Anne auch schon anschnauzen, doch in dem Moment wandte sich das Mädchen dem Porträt zu: »Wir wollen rein!«

Sirius verdrehte die Augen. Als ob je ein Porträt in Hogwarts jemanden eingelassen hätte, nur wenn der es schlicht und einfach darum bat!

»Passwort, Milady?«, erkundigte sich der Zauberer mit einer schleppenden, monotonen Stimme.

»Ähm… ›Beefsteak‹!«, antwortete Anne souverän, worauf das Porträt widerstandslos zur Seite klappte und das Loch dahinter freigab, durch welches die fünf in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum kletterten.

»Und was sollte das jetzt!«, wollte James irritiert wissen, als das Porträt hinter ihnen wieder zuklappte.

»Ach, ist mir als erstes eingefallen. Wisst ihr, der hängt hier nur als Ersatz rum. Normalerweise haben wir ein echt nettes Porträt, aber das hat sich letzte Woche aufgelöst. Na ja – und dann haben wir den gekriegt! Ist nicht grad der aller Hellste, wenn ihr wisst, was ich mein… Leidet unter Amnesie und weiß die Passwörter, die er sich ausdenkt, selber nicht mehr… Oh, da hinten sitzt Lily ganz allein rum. Die ist ja als einziges Erstklass-Mädchen nach Ravenclaw gekommen. Ich glaub, ich geh mal ein bisschen zu der!«

Damit wuselte sie auch schon quer durch den Gemeinschaftsraum zu Lily, die vor dem (noch vorhandenen) Kamin saß und in die Flammen starrte.

»Sagt bloß nicht, wir hätten die ganze Zeit hier reingekonnt, wenn wir dem senilen Typen nur irgendein ›Passwort‹ gesagt hätten!«, regte sich Sirius auf, während sie sich auf die Suche nach ihrem zukünftigen Schlafsaal machten.

Im Schlafsaal der Ravenclaw-Erstklässler (zu dem man wenigstens nicht erst hochfliegen musste) war es mit vier Schülern mehr, denen notdürftig etwas kleinere und unbequemere Betten hingestellt worden waren (»Ach, hier kriegen wir auf einmal Betten!«), sehr eng, obwohl außer Nelson nur zwei andere, Finn und Tai dort wohnten.

Auch im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum merkte man deutlich den Neuzugang. Gleich am ersten Abend gab es unter den jüngeren Schülern der verschiedenen Häuser Streit um die Stühle, die ohnehin schon stark reduziert waren, weil einige einfach verschwunden waren, wie Finn ihnen erzählte.

Schließlich sorgten der ÜV – der ebenfalls nach Ravenclaw eingeteilt worden war – und eine Vertrauensschülerin aus Ravenclaw für Ordnung mit der Drohung, sie werden die Schreckschraube informieren und jegliche Unruhestifter umgehend nach Slytherin abkommandieren lassen.

Nelson, Finn und Tai nahmen die Gryffindors zum Glück herzlich in ihrem Reich auf, was man von anderen Häusern nicht gerade behaupten konnte.

Den Slytherins zum Beispiel, zu denen nur sehr wenige Gryffindors geschickt worden waren, war es ganz und gar nicht recht, dass sie ihren Platz mit ihren Feinden teilen sollten und immer öfter mussten die Lehrer in den nächsten Tagen bei Streiten, die in Duelle ausarteten eingreifen.

Selbst Specter beschwerte sich, dass er bei den Hufflepuffs nie die erforderliche Ruhe fand, um für seine UTZe zu lernen, bis er mit einem anderen Siebtklässler aus Ravenclaw das Haus tauschen konnte.

Andrew verhielt sich dieser Zeit etwas seltsam, was Sirius darauf schob, dass er andauernd nur für die Prüfungen lernte, um das Jahr diesmal zu schaffen (na, wenn er schon eigens Nachhilfestunden bei Lehrern nahm…).

Als Sirius ihn einmal fragte, wie es in Alte Runen so lief, schaute er ihn nur reichlich irritiert an, ohne zu antworten.

Auch die Hausgeister schienen aufs Äußerste verwirrt ob der neuen Lage. Sirius sah sogar ein Mal, wie der Blutige Baron Eileen grüßte, obwohl er für gewöhnlich nie das Wort an einen ›unwürdigen Gryffindor‹ richtete; wahrscheinlich hielt er sie für eine Slytherin, seit das Mädchen in die Slytherin-Kerker eingezogen war…

Wenngleich die Häuser gezwungenermaßen immer mehr zusammengeschweißt wurden, indem sie sich erst die Tische und nun auch die Gemeinschaftsräume und Schlafsäle teilen mussten, herrschte im Schloss vermehrt Aggressivität vor.

So ziemlich jeder schnauzte jeden an – Lehrer Schüler, manchmal sogar Schüler Lehrer, natürlich Schüler sich gegenseitig und als Sirius nach dem Wochenende endlich zusammen mit James, Remus und Peter auf dem Weg zu Kräuterkunde war, sah er sogar, wie Highking mit Upperstick in eine heftige Diskussion verstrickt war.

»Es war noch nie der Fall, dass der Mond in irgendeiner Weise Einfluss auf ein Gebäude nehmen konnte!«, hörten sie Highking laut sagen.

Sirius gab schnell James ein Zeichen, sodass sie ihr Tempo etwas verringerten, um hören zu können, worum es da ging.

»Ach ja?«, erwiderte Upperstick schrill. »Und wenn ich Ihnen sage, dass ich gesehen habe, dass der Mond sehr wohl einen Einfluss auf die Geschehnisse haben kann!«

Highking schnaubte verächtlich auf.

»Dann sage ich Ihnen, dass Sie eine miserable Seherin sind. Ihre Aussagen sind astronomisch rein gar nicht zu begründen!«

»Aber der Mond kann durchaus unser Leben beeinflussen, das brauche ich Ihnen ja wohl nicht extra zu erklären!… In ein paar Tagen ist wieder Vollmond. Wir werden ja sehen, ob sich Hogwarts dann noch mehr auflösen wird!«

Mehr bekamen die Jungs von dem Streitgespräch der Lehrer nicht mit, da in dem Moment Remus seine Bücher, die er sich aus der Bibliothek geliehen hatte, fallen ließ und die Professoren wohl bemerkten, dass sie nicht allein in der Eingangshalle waren, denn während Sirius, James und Peter Remus halfen, die Bücher wieder aufzusammeln, zogen sie sich, nachdem sie einen letzten bösen Blick getauscht hatten, zurück.

Der restliche Tag stellte sich, genau wie der vergangene Freitag, als einziger Witz heraus, was den Unterricht betraf, da die meisten Schüler keine Bücher mehr besaßen und so übten sie in fast jedem Fach nur ein wenig praktisches Herumzaubern.

Sie mussten bis Mittwochmorgen warten, bis endlich mit der Morgenpost Akredula und zwei weitere, unbekannte Eulen eintrafen, die große Päckchen trugen, in welchen die überlebenswichtigsten Sachen enthalten waren.

Auch wenn das hieß, dass sie ihre Bücher wieder hatten und somit der Unterricht wieder ordnungsgemäß abgehalten werden konnte, brauchten sie sich wenigstens nicht mehr Sachen von Nelson, Finn oder Tai zu leihen.

Auch Remus und Peter bekamen von Eulen einige Sachen geschickt, sodass es insgesamt im Schlafsaal der Ravenclaw-Erstklässler nochmals um einiges enger wurde…


»Ach, Mr Black, gehen Sie doch mal geschwind runter zu Professor Brewpot. Der weiß bestimmt, in welchem Zeichen Aquila bei Vollmond steht«, riss Aveimperatore Sirius aus seinen Tagträumen, die sich das nahe Unterrichtsende herbeisehnten.

Sirius seufzte innerlich schon kapitulierend auf, da meldete sich Lily.

»Ja, Miss Evans?«, wandte sich der Lehrer ihr zu, sodass Sirius, der sich bereits halb erhoben hatte, wieder zurücksinken ließ, in der Hoffnung, Aveimperatore habe ihn vielleicht vergessen.

»Wir haben doch einen Mondkalender hier!« – Das rothaarige Mädchen wies auf einen großen Kalender, der am anderen Ende des Klassenzimmers an der Wand hing – »Da steht das sicher drin!«

Als Highking irritiert zu dem Kalender schritt, atmete Sirius erleichtert auf und konnte nicht umhin, Lily einen dankenden Blick zuzuwerfen, den die kalt ignorierte.

Allein Anne, die neben Lily saß, schien ihn bemerkt zu haben, denn sie zwinkerte ihm zu und formte mit den Lippen die Worte »Glück gehabt!«

Inzwischen war Highking an der Wand angelangt und studierte aufmerksam den Kalender.

»Oh, natürlich… Man kann Aquila ja von hier aus im April noch gar nicht sehen…«, stellte er schließlich etwas verlegen fest.

»Nun gut, dann… lesen Sie sich bitte das Kapitel über Aquila bis zum nächsten Mal durch und – ich denke, Sie können gehen«, beschloss Aveimperatore damit den Unterricht, wobei er einen schnellen Blick auf seine Uhr warf.

Als sie zusammenpackten, klopfte James Sirius auf den Rücken. »Das war noch mal knapp, was?«

»Stimmt. Eine Strafarbeit bei Brewpot hätte dir gerade noch gefehlt, wo wir doch sowieso zurzeit so viel für die Prüfungen lernen müssen«, mischte sich Remus mit ein, der mit seinem Buch unter dem Arm bereits auf sie wartete.

Sirius ignorierte die Anspielung mit den Prüfungen einfach (er und James hatten noch nicht einen Blick in die Bücher geworfen).

»Wer sagt denn bitte, dass ich eine Strafarbeit bekommen hätte, wenn ich zu Brewpot gegangen wäre!«, empörte sich Sirius stattdessen auf dem Weg nach unten.

Remus zuckte die Schultern. »Na ja, du kriegst ja eigentlich immer eine, wenn du auf Brewpot triffst…«, stellte er nüchtern fest.

»Hey, wo geht ihr denn hin!«

Völlig in ihr Gespräch vertieft hatten die vier gar nicht darauf geachtet, wohin sie gingen, sodass ihre Füße sie automatisch in Richtung Gryffindor-Turm getragen hatten.

Finn machte sie nun darauf aufmerksam, dass es gar keinen Gryffindor-Turm mehr gab und sie somit den Ravenclaws folgen mussten.

Wie immer war der Gemeinschaftsraum der Ravenclaws voll besetzt, sodass sie beschlossen, sich frühzeitig in den Schlafsaal zurückzuziehen, um Stress mit zwei Drittklässlern zu entgehen, die begierige Blicke auf ihre gemütlichen Sessel warfen, die sie ergattert hatten. Vor allem, weil Lewis in der Nähe saß und keiner von ihnen Lust hatte, nach Slytherin umziehen zu müssen, falls der seine Drohung verwirklichen würde.

Remus zufolge war es ganz gut, dass sie mal früher zu Bett gingen nach den ganzen Aufregungen der letzten Tage und außerdem waren sie dann für den nächsten Tag ausgeschlafen, der mit einer Doppelstunde Verwandlung beginnen würde…


Sirius stolperte und fand sich auf dem Boden der Eingangshalle wieder, wo er keuchend liegen blieb. Sein Atem ging unregelmäßig und er spürte Schweiß aus seiner Stirn austreten. Er musste gerannt sein…

Er wusste genau, was er hier tat, auch wenn er sich nicht wirklich an vieles erinnern konnte, was Salazar Slytherin ihm zugeflüstert hatte. Das konnte doch nicht wahr sein! Schon wieder! Sollte er am Ende wirklich verflucht sein!

Er ließ seinen Blick durch die Eingangshalle streifen, um in der Dunkelheit auszumachen, worüber er diesmal wieder gestolpert war.

Halb glaubte er nicht mehr daran, irgendetwas zu sehen – das Phantom zeigte sich schließlich nicht so leicht! Trotzdem versuchte er die Finsternis mit den Augen zu durchdringen…

Sirius keuchte auf und war für einen Moment vor Entsetzen wie erstarrt. Vor ihm stand im Dunkel des Schlosses ein riesiger Hund, dessen leuchtend gelbe Augen ihn gefährlich anfunkelten… der Grimm, schoss es ihm unvermittelt durch den Kopf, das schlimmste Todesomen der Zaubererwelt!

Sirius wollte sich aufrappeln und davonrasen, doch das Ungeheuer war schneller. Mit einem Satz war es heran – und schlabberte ihm das Gesicht ab.

Sirius, dessen Herz noch immer vor Panik raste, stieß ungläubig hervor: »F – Fang!«

Das ›Untier‹, das über ihm stand war eindeutig Hagrids Saurüde Fang – allerdings sah er eher aus wie ein Geisterhund, da sein ganzes Hinterteil – einfach weg war. Dennoch schien er ganz gut laufen zu können und wirkte auch so quietschfidel.

»Mensch… ich dachte, du darfst hier nicht rein…«, begann Sirius erleichtert, sein ›Phantom‹ endlich entlarvt zu haben.

Er kraulte Fang geistesabwesend hinter den Ohren und dachte halb darüber nach, ob er nun Fang nach draußen bringen, Hagrid suchen, oder einfach wieder ins Bett zurückgehen sollte… halb beschäftigte er sich in Gedanken damit, Piler aufzusuchen, wobei er sich an Remus' Worte vor ein paar Wochen erinnerte, dass er auch nachts zu Piler gehen konnte.

Die Entscheidung wurde ihm zum Glück abgenommen (anderenfalls wäre er wahrscheinlich bis zum nächsten Morgen auf dem kalten Boden der Eingangshalle rumgesessen), denn in dem Augenblick kam Hagrid aus der Großen Halle und rief mit gedämpfter Stimme nach Fang.

Als er Sirius und den halb sichtbaren Fang erkannte, erstarrte er eine Sekunde.

»Sirius!« Sein Blick flackerte beim Näherkommen zu Fang, der freudig winselte. »Sag bloß, du wanderst schon wieder im Schloss rum!«

Sirius, der sich schließlich doch bequemte, aufzustehen (da Hagrid nun bei ihm und Fang angelangt war, fühlte er sich im Sitzen doch ein wenig zu klein), ging auf die ohnehin recht sinnlose Frage (was sonst sollte er mitten in der Nacht auf dem Boden der Eingangshalle verloren haben!) gar nicht ein.

»Hagrid – was hat das zu bedeuten!« Sirius wies auf Fang, obwohl er die Antwort bereits ahnte.

»Ach das… muss wohl der Zauber nachlassen. Gut, dass du's entdeckt hast, bevor ihn 'n Lehrer hier drin sieht! – Weißte… war 'n ganz schöner Aufwand, den unsichtbar zu krieg'n…«

»Du hast ihn unsichtbar gezaubert und ins Schloss gelassen, obwohl er eigentlich draußen bleiben soll!«, vergewisserte sich Sirius trocken.

Das war mal wieder typisch für Hagrid! Unter normalen Umständen hätte Sirius das lustig oder sogar aufregend gefunden, aber nachdem er erfahren hatte, dass er allem Anschein nach tatsächlich von bösen Geistern besessen war, aller Wahrscheinlichkeit nach die Schule bald geschlossen werden musste und er dazu noch wieder mal schlafgewandelt war, obwohl er sich so sicher gewesen war, dass die Therapie diesmal angeschlagen hatte, seufzte er nur tief auf, als Hagrid unbekümmert nickte, als wäre es das Normalste der Welt, einen riesigen Hund unsichtbar zu hexen und im Schloss freizulassen.

»Na gut – dann sollten wir ihn lieber mal wieder ganz verschwinden lassen«, meinte Sirius ergeben, womit er seinen Zauberstab aus der Umhangtasche holen wollte, allerdings feststellen musste, dass er seinen Pyjama trug und der Zauberstab noch immer im Ravenclaw-Turm lag.

»Lass ma!«, wehrte Hagrid ab. »Ich mach das schon. Geh du ruhig zurück ins Bett – oder noch besser zu Professor Piler!«

Hagrid sah Sirius streng an, als wäre er derjenige, gewesen, der heimlich einen Hund im Schloss hielt, dann zog er einen rosa Regenschirm aus einer seiner Manteltaschen.

»Regnet's draußen?«, wollte Sirius nebenbei wissen, der vermutete, dass Hagrid Fang spazieren führen würde.

»Nee, aber der is mir 'n bisschen behilflich dabei, Fang wieder ganz unsichtbar zu machen«, zwinkerte Hagrid und holte ein kleines Buch aus einer anderen Tasche, worin er vermutlich etwas nachschlagen wollte.

Sirius zuckte die Schultern und begab sich tatsächlich zurück zum Ravenclaw-Turm, auch wenn er eigentlich ganz gerne noch gesehen hätte, wie Hagrid Fang verschwinden ließ.

Hagrid hatte ihnen ja schon vor einigen Monaten erzählt, dass sein Zauberstab in seinem dritten Schuljahr zerbrochen worden war. Es schien, als hätte Sirius herausgefunden, wo Hagrid dessen Bruchstücke aufbewahrte.

Eins musste er Hagrid lassen: Für Außenstehende sah der rosa Regenschirm bestimmt ziemlich harmlos aus…

tbc...