Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes
Neunundzwanzigstes Kapitel
Wahre Freundschaft
Verdammt noch mal sie hatten frei! Sie hatten endlich frei und was taten diese ganzen Freaks in seiner Umgebung! Sie lernten! Unglaublicherweise lernten sie wirklich für die Prüfungen! Dabei war Wochenende!
Sirius saß genervt in einem Sessel im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum und ließ seinen ungläubigen Blick über die über Bücher und Tabellen gebeugten Köpfe wandern, während er sich bequem in seinen Sessel mümmelte und sich in einer Geste der Langeweile mit seiner Hand die Haare aus dem Gesicht wischte. Einzig und allein James saß neben ihm und spielte mit sich selbst Zaubererschach, weil Sirius darauf keine Lust hatte. Wie auch in einem Raum, in dem aber auch jeder lernte!
»Mann, mir ist langweilig«, maulte er wieder und zwar so laut, damit es auch alle hörten und missbilligend von ihren Büchern aufblickten.
»Spiel mit mir eine Runde Schach, dann hast du wenigstens was zu tun«, meinte James abwesend, wobei er grübelnd auf sein Brett blickte.
»Na hör mal, es ist Samstag Abend, da habe ich ja wohl wesentlich Besseres zu tun«, brummte Sirius.
»So?«, James blickte auf. »Ich seh zumindest nicht, dass du was machst!«
»Könnt ihr denn jetzt nicht endlich mal aufhören zu schwafeln! Wir versuchen, uns auf die Prüfungen vorzubereiten! Euch würde das auch mal ganz gut tun«, regte sich nun der ÜV auf, der vor Wut schon rot anlief.
»Hey, reg dich ab…«, begann Sirius lässig, doch Lewis sprang im Gegenteil zornig auf und brüllte durch den Gemeinschaftsraum: »Ich rege mich nicht auf! Ich will nur, dass ihr endlich die Klappe haltet oder von hier drinnen verschwindet, dass ihr keinen mehr stört!«
Aller Augen hatten sich auf den ausrastenden Jungen gerichtet, der sich allerdings sehr wenig um sein Umfeld zu scheren schien.
Sirius und James blickten sich verständnislos an, doch James stand fast sofort auf, um Sirius mit sich aus dem Raum zu ziehen, wobei er flüsterte: »Ist vielleicht besser, wenn wir wirklich gehen, bis der sich wieder abgeregt hat. – Heute Nacht zahlen wir ihm das heim!«
Sirius grinste widerwillig. Dieser ÜV hatte schon lange mal eine Abreibung verdient! Doch für den Moment gaben sich die Jungs damit zufrieden, den Rückzug anzutreten.
Schließlich trotteten sie leicht gelangweilt durch die Korridore. Sie wussten nicht genau, was sie anstellen sollten, denn zum Rausgehen war es bereits zu spät, zum Schloss erkunden zu früh und das Abendessen war auch schon gelaufen. Zwischen sieben und acht Uhr abends gab es nichts Interessantes, was zwei Unruhestifter der schlimmsten Sorte anstellen konnten.
»Hey, was denkst du, wann Hogwarts endgültig geschlossen wird?«, hakte Sirius nach einer Weile dunklen Brütens nach.
»Wahrscheinlich direkt nach den Prüfungen«, zuckte James bedauernd die Schultern.
»Ja, wahrscheinlich«, echote Sirius, dem nichts anderes dazu einfiel.
Er hätte sich und James gerne Mut gemacht, aber es gelang ihm einfach nicht. Er wusste, dass es keine großen Chancen gab, dass sie so gute Freunde bleiben konnten, wenn Hogwarts geschlossen wurde. Seine Eltern würden ihm niemals den Umgang mit einem reinblütigen Gryffindor erlauben. Und James' Eltern ihm wahrscheinlich nicht den Umgang mit rassistischen Slytherins. Sirius hasste die Welt manchmal.
Vor ihnen im Gang erschallte unvermittelt lautes Mädchengelächter. Irritiert verlangsamten die Jungs ihr Tempo, als auch schon Lydia und Nancy um die Ecke bogen. Sirius seufzte innerlich. Nicht schon wieder diese zwei Verrückten!
»Das war sooo cool! Und du hättest Highkings Blick dazu sehen sollen«, kicherte Lydia eben. Kurz bevor sie die beiden Jungs umrannten, bemerkten sie diese.
»Na, alles klar, ihr Kurzen?«, grinste Nancy sie an.
»Hnnnn«, machte Sirius nur, der sich möglichst weit von den beiden Freaks distanzieren wollte.
»Uuuh, der englischen Sprache richtig mächtig«, spottete Lydia, als die Mädels an ihnen vorbeigingen und wieder auf ihre Highking-Unterhaltung zurückkamen.
James schüttelte den Kopf, als sie außer Reichweite waren und ihren ziellosen Weg durch die Korridore fortsetzten.
»Was es nicht für seltsame Typen in dieser Schule gibt! Ist wahrscheinlich wirklich besser, wenn Hogwarts geschlossen wird, bevor die ihre UTZe bekommen«, meinte er mit einem leicht süffisanten Grinsen.
Sirius wusste, dass sein Kumpel ihn damit aufheitern wollte, aber er erreichte damit genau das Gegenteil. Sie würden immerhin so auch nie ihre UTZe machen…
»Denkst du, ich sollte Dumbledore von Slytherins Fluch erzählen – ich meine, was ich da gesehen hab?« Sirius warf James einen unsicheren Seitenblick zu, doch der schüttelte entschieden den Kopf.
»Der würde doch eh nur sagen, dass das ein Traum war!«
Sirius hätte keine große Lust gehabt, zum Schulleiter zu rennen, um sich dort mehr oder weniger selbst anzuklagen, sodass er James einen erleichterten und dankbaren Blick für seine Worte zuwarf.
Die Jungs hatten seit jener Nacht nicht mehr viele Worte über den Fluch verloren. Insgeheim wussten sie wohl alle, dass sie nicht dazu in der Lage wären, einen solchen Bann zu brechen – schon allein deshalb, weil sie keinerlei Anhaltspunkte hatten, wie sie das anstellen sollten.
Bevor Sirius noch etwas sagen konnte, öffnete sich ein Stück weiter vorne auf dem Gang eine Klassenzimmertür und Piler trat heraus. Doch heute hatte er nicht den sonst so energischen Schritt drauf, sondern schlich mit hängenden Schultern in die Gegenrichtung davon.
»He, Frederic!«, rief James schnell, der anscheinend Sirius' geistigen Kampf spürte, um frischen Wind in den Abend zu bringen.
Ein Gespräch mit Piler half dabei immer viel. Diesmal aber drehte sich der Lehrer für Verteidigung nur widerwillig um, als die Jungs ihn einholten.
»Oh, hallo. Hab euch gar nicht bemerkt«, murmelte er geistesabwesend.
»Was ist denn mit dir los? Hast du einen Trauerfluch abgekriegt, oder was?«, fragte Sirius taktlos, den Pilers Zustand neugierig machte. Er hatte den Lehrer noch nie so gesehen.
»Nein… eine von Professor Uppersticks Vorhersagen ist eingetroffen. Ist nicht weiter wichtig, Jungs«, erklärte er. »Wieso seid ihr noch hier? Geht lieber zurück in euren Turm, bevor Pringle euch erwischt!«
Die beiden Gryffindors wollten eigentlich noch etwas dazu sagen, da es ihnen nun doch ein wenig vage war, was Piler ihnen gestand, doch der Lehrer drehte sich einfach weg und betrat erneut das Klassenzimmer, aus dem er eben erst gekommen war.
Irritiert sahen die beiden Freunde sich an.
»Was ist denn mit dem passiert? Was könnte das für eine Vorhersage gewesen sein, die ihn so mitnimmt!«, fragte Sirius sofort beunruhigt.
»Wir sollten vielleicht mal zur Upperstick gehen und die fragen!«, schlug James vor.
»Als ob die uns was erzählen würde! Komm schon, die ist nicht so locker wie Piler«, erwiderte Sirius.
»Stimmt. Mist! Vielleicht haben wir heute Nacht wirklich noch was zu tun…« James grinste sein Verschwörungsgrinsen.
Gerade wollten sie sich auf zu Uppersticks Büro machen, um dort vielleicht etwas spionieren zu können, da fegte Pringle – heute unglaublich mies gelaunt (sogar noch mieser als sonst) – in den Korridor.
»Es ist zwei Minuten vor acht Uhr. Sie sollten sich beeilen, in Ihren Gemeinschaftsraum zu kommen, bevor Sie sich eine saftige Strafarbeit einfangen«, fauchte er böse.
Sirius hatte eigentlich vor, etwas zu entgegnen, doch da traf er den Blick des Hausmeisters und zum ersten Mal hatte er das Bedürfnis, ihm wirklich zu gehorchen, denn seine Augen funkelten vor zornigem Hass.
Auch James schien den Ernst der Worte erkannt zu haben, denn er packte Sirius gleich am Arm und zog ihn mit sich in Richtung Ravenclaw-Turm.
»Zwei Minuten!«, schrie ihnen Pringle mit grimmigem Vergnügen hinterher.
Sie beschleunigten ihre Schritte, bis sie schon fast rannten, doch bereits im nächsten Korridor kam ihnen McGonagall entgegen, die sie natürlich anhielt.
»Was denken Sie sich eigentlich dabei, in den Korridoren so zu rasen! Fünf Punkte Abzug für Gryffindor! Und jetzt gehen Sie gefälligst in Ihren Gemeinschaftsraum«, fauchte sie die Jungs an.
Wieder wechselten Sirius und James einen wissenden Blick, doch sie nickten nur und verabschiedeten sich artig von ihrer Hauslehrerin, um nicht noch mehr Punkte abgezogen zu bekommen.
Innerhalb einer Rekordzeit erreichten sie den Ravenclaw-Turm und flüchteten sich in seinen überfüllten, muffligen Gemeinschaftsraum.
Anscheinend hatte es Remus inzwischen schon aufgegeben, den Stoff eines ganzen Jahres an einem Abend in sein Hirn zu pauken, denn er saß zusammen mit Peter, der im Koma zu liegen schien, am Kamin und starrte in die Flammen.
»War aber ein kurzer Ausflug«, meinte Remus, als er die beiden Freunde bemerkte, die sich zu ihnen setzten.
»Irgendwas stimmt hier nicht! Alle sind gereizt und Piler ist mit den Nerven völlig runter«, konnte Sirius sich nicht zurückhalten.
»Wie meinst du das?« Remus war sofort interessiert und vor allem alarmiert.
»Wir haben zuerst Piler getroffen«, begann James. »Der hat gar nichts um sich rum wahrgenommen, sondern ist nur geistesabwesend durch die Gegend gelaufen. Schwafelte irgendwas von einer Vorhersage, die eingetroffen sei. Und dann…«
»…Dann kam Pringle. Der hat uns vielleicht angeschnauzt! So einen Hass hab ich noch nie in seinen Augen gesehen – und ich habe ihn schon seeeehr wütend erlebt«, fuhr Sirius aufgeregt fort.
»Und schließlich hat uns die McGonagall Punkte abgezogen, weil wir im Gang gerannt sind. Unglaublich, oder? Die war genauso verärgert wie Pringle. Irgendwie – na ja, ihr kennt doch den bitteren Zug um ihren Mund, den sie manchmal hat, oder?«, erklärte James leicht zerstreut.
»Du meinst den, wenn sie euch angeschnauzt hat, ihr sollt aufpassen und euch bei der nächsten Aufgabe versagen sehen will, ihr sie aber löst und sie enttäuscht drüber ist?«, hakte Remus nach.
»Genau den«, bejahten Sirius und James gleichzeitig.
»Hmmm… Sehr seltsam«, grübelte Remus gleich. »Habt ihr eine Ahnung, warum?«
»Vielleicht wegen der Schulschließung?«, mutmaßte Sirius schulterzuckend.
»Aber dann hätte sie die letzten Wochen auch schon so sein müssen«, entkräftete Remus sein Argument.
»Oder es ist wieder was verschwunden und sie müssen Hogwarts schon viel eher schließen«, überlegte James. »Montag oder so.«
»Aber dann hätten wir davon schon gehört, oder nicht?«, meinte Remus logisch, doch er sah die anderen beiden unsicher an.
»Glaubt ihr, dass Schüler verschwunden sind?«, flüsterte Peter plötzlich.
Alle drei waren verblüfft, dass er doch wach war, da er die ganze restliche Zeit nur leer vor sich hingestarrt hatte.
»Mann, Peter, bist du ein heimlicher Spion oder so?«, fragte James erschrocken.
»Nein…« Peter wurde rot, weil er sich anscheinend über das Lob freute.
Aber Sirius beendete seine Freude sofort wieder mit Genugtuung: »Das war kein Kompliment!«
»Wei… Weiß ich doch«, stotterte der kleine Junge ertappt.
»Lass ihn in Ruhe, Sirius, er kann nichts für deine Enttäuschung«, schnitt Remus in Sirius' sich aufbauende Wut.
Fast erschrocken, aber größtenteils nur erstaunt angesichts Remus' Wissen über Sirius' Gedanken und Gefühlen, blickte er ihn an.
»Woher willst du das denn wissen!«, fauchte er ihn an, um seine Verblüffung zu überspielen, aber Remus lächelte nur nachsichtig.
»Uns geht es allen an die Nieren, dass Hogwarts geschlossen werden soll, Sirius. – Ich will euch auch nicht als Freunde verlieren«, gestand der magere Junge.
Jetzt war es endlich ausgesprochen. Die ganze Zeit hatten sie es alle insgeheim gewusst, aber nun, da es endlich jemand laut sagte, kam es ihnen allen noch schlimmer vor als in ihren geheimsten Gedanken.
»Geht uns allen so«, gab auch James düster zu, wobei er den Boden vor seinen Füßen betrachtete.
»Ihr könntet euch wenigstens noch treffen. Meine Eltern würden das nie zulassen«, sprach Sirius seine Sorgen aus.
»Dann tischst du ihnen irgendeine Lüge auf, Sirius! Ich verspreche dir, dass wir dich irgendwie loseisen!« Remus sah ihm ehrlich in die Augen und Sirius wusste, dass seine Freunde ihn nicht im Stich lassen würden.
Er fühlte sich auf einmal gar nicht mehr so alleine, weshalb er dem dunkelblonden Jungen dankbar, aber mit zusammengekniffenen Lippen zunickte. Wenn er ihm doch nur glauben könnte. Er, der ihnen schon seit fast einem ganzen Jahr verschwieg, wer er wirklich war…
»Der Teppich ist hässlich«, sagte James plötzlich völlig zusammenhangslos.
»Was?« Ungläubig blickten Sirius, Remus und Peter ihn an, wie er noch immer zu Boden starrte.
»Na, die Teppiche in Gryffindor waren viel schöner. Nicht so verschnörkelt…«, meinte James. Schelmisch blickte er auf und sah seine drei Freunde an. Dann mussten alle vier auf einmal loslachen.
Am Sonntag geschah mal wieder rein gar nichts, außer dass Sirius eine neue Beschäftigung fand: Dem ÜV seine längst überfällige Abreibung zu verpassen.
Aber er tat das nicht auf einen Schlag, nein, Sirius ging die ganze Sache subtil an. Zuerst fiel Lewis nur ständig irgendetwas herunter (was Sirius mit Hilfe des Verschiebezaubers machte), dann zersprang ihm sein Tintenfass in der Hand und ruinierte seinen Zaubertränkeaufsatz und schließlich, als er durch Sirius' kleine Gemeinheiten am Abend schon völlig am Ende war, ließ Sirius auch noch sein Bett an die Decke schweben, so dass er zwei Stunden brauchte, um den richtigen Zauber zu finden, es wieder auf die Erde zu holen.
Aber Sirius und James versteckten sich so geschickt, dass Lewis' Verdacht nicht auf sie fallen konnte.
Remus war von dieser Angelegenheit natürlich nicht sehr begeistert, doch als Lewis dem ganzen Gemeinschaftsraum vor Zorn funkelnd damit drohte, McGonagall auf den Plan zu rufen, denn die würde schon den Schuldigen finden, war auch er nicht mehr allzu gut auf Lewis zu sprechen, da sie alle auf irgendeine Art an diesem Wochenende McGonagalls schlechte Laune zu spüren bekommen hatten – und das wusste auch der ÜV ganz genau.
Also ließ Remus seinen beiden Freunden ihren Spaß und sah eben einfach darüber hinweg.
Der Montagmorgen begann damit, dass Sirius sich über zwei leere Plätze am Lehrertisch wunderte. Jones und Piler fehlten.
»Was ist denn mit Fred und Mat?«, fragte er deshalb Remus, der jedoch nur die Schultern zuckte, da er in ein Kräuterkundebuch vertieft war.
»Vielleicht ist Piler krank. Das könnte doch die Vorhersage gewesen sein, oder?«, schlug James kauend vor.
Sirius allerdings rümpfte die Nase: »Dann glaube ich eher, dass Jones krank ist und Piler sich um ihn sorgt. Die sind doch auch so supergute Freunde.«
»Möglich«, gestand James mit einem etwas ratlosen Gesichtsausdruck.
»Ist hier frei?«, fragte nun Specter von hinten, der eben zum Frühstück erschien.
Sirius nickte automatisch und sein älterer Mitschüler ließ sich seufzend neben ihm nieder.
»Was ist denn mit dir? Du siehst genauso gestresst aus wie Piler«, stellte James sachlich fest.
Überrascht blickte Specter sie an. »Wisst ihr etwa auch schon davon?«
»Wovon?«, hakte Sirius misstrauisch nach.
Specter blickte sich unsicher um, dann winkte er die vier Jungs näher zu sich und flüsterte: »Können wir uns in der ersten Pause draußen auf dem Hof treffen? Ich muss es unbedingt jemandem erzählen – und bei euch bin ich sicher, dass ihr es nicht gleich weitertratscht.«
Sirius und James wechselten wie üblich einen schnellen Blick – und nickten.
»Gut. Aber ihr müsst versprechen, es niemandem…«, fuhr Specter fort, doch da ließ sich Anne neben ihm nieder und fragte neugierig: »Was zu erzählen?«
Specter blickte sie irritiert an, dann stand er aber mit einem letzten Nicken zu den Jungs auf und verschwand aus der Großen Halle.
»Toll gemacht, Anne«, fuhr Sirius sie an, doch als sie fragte, was sie schon wieder falsch gemacht habe, ignorierte Sirius sie zur Strafe.
Den ganzen Vormittag lang grübelten Sirius und James über Specters Geheimnis nach, was in Kräuterkunde keine weiteren Schwierigkeiten machte, da sie sich um irgendwelchen seltsamen und sehr langweiligen Rotblattefeu kümmern mussten.
Doch schließlich, als die beiden Jungs schon überaus hibbelig waren (Remus und Peter dagegen ließen sich gar nichts anmerken), beendete Professor Sprout ihre Stunde und die vier Freunde stürmten als erste aus dem Gewächshaus.
Sie rannten so schnell sie ihre Beine trugen zum Innenhof, wo sie nach Specter Ausschau hielten.
Es dauerte noch weitere, nervenzerreißende fünf Minuten, ehe er tatsächlich auftauchte. Er winkte die Jungs zu sich in eine geschützte, gut einsehbare Ecke.
»Also, Andrew, jetzt schieß mal los«, verlangte Sirius gleich wissbegierig.
»Aber ihr dürft es wirklich niemandem…«, begann Specter erneut unbehaglich. Anscheinend schien er seine Entscheidung, sie einzuweihen, schon zu bereuen.
»Ja, ja, wir sagen keinem ein Sterbenswörtchen davon, versprochen«, unterbrach James ihn aufgeregt.
»Gut…« Specter holte tief Luft und begann zu erzählen: »Ich hatte seit einiger Zeit ein Problem: Ich wusste manchmal nicht mehr, was ich an einzelnen Abenden gemacht habe. Das fiel mir erst auf, als Jenny mich fragte, wo ich denn immer gewesen sei…«
»Wer ist Jenny!«, hakte Sirius nach, doch James stieß ihm nur in die Rippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Na ja, als ich näher drüber nachdachte, fiel mir wirklich nicht mehr ein, wo ich gewesen war und was ich gemacht hatte. Und dann hat mich Sirius ja letztens darauf angesprochen, wie meine UTZ-Vorbereitungen in Alte Runen laufen würde, was seltsam war, denn ich habe gar kein Alte Runen. Ich habe es nie gewählt. Das bereitete mir dann doch einiges Kopfzerbrechen und am Ende beschloss ich, dass ich zu Professor Piler gehen sollte. Ich habe ihm alles erzählt…«
»Die Prophezeiung!«, fiel ihm Sirius erneut ins Wort.
»Hältst du vielleicht endlich mal die Klappe!«, motzte ihn James an.
»Piler schlug mir jedenfalls vor, mich zu hypnotisieren. Er sagte, das würde selbst die tiefsten, unergründlichsten, verdrängten Gedanken wieder hervorbringen können – und im Beisein von Professor McGonagall willigte ich ein. Also hat er mich hypnotisiert – und seitdem ist alles wieder klar: Ich erinnerte mich daran, wie ich eines Tages von Professor McGonagall zu Jones' Büro geschickt wurde, weil sie sich ein Buch von ihm leihen wollte, und da sah ich Professor Jones am Kamin stehen und mit einem Mann reden. Das allein wäre an sich nicht schlimm gewesen, wenn er ihn nicht ständig ›mein Lord‹, ›Gebieter‹ oder ›Dunkler Lord‹ genannt hätte. Schließlich bemerkte er mich doch und hängte mir einen Vergessenszauber auf.«
»Ich hab's euch doch gesagt! Es war Jones«, beharrte Remus wieder stolz.
»Das schien mir mehrere Male passiert zu sein. Einmal trafen wir draußen auf euch. Und nun, da ich alles Piler und McGonagall erzählt hatte, mussten sie natürlich was unternehmen. Sie haben Dumbledore alles berichtet und zusammen haben sie Jones vernommen. Er habe angeblich nur einen Cousin gehabt, der in Ihr-wisst-schon-wessen Fänge geraten sei. Am Anfang wollte er ihm nur da wieder raus helfen, aber schließlich wurde er so weit mit reingezogen, dass auch er sich auf die Seite des Dunklen Lord geschlagen habe… Und dann musste er gehen, Dumbledore hat ihn rausgeworfen. Damit ist er noch ziemlich glimpflich davon gekommen, das Ministerium hätte ihn dafür auch nach Askaban schicken können, aber anscheinend hatte er noch niemandem Schaden zugefügt, sondern war nur in dieser Vereinigung… Wie heißen die gleich wieder? Die Walpurgisritter? Ach nein, die sind ja jetzt, glaub ich, die ›Todesser‹, wie sie sich neuestens nennen. Na ja, Piler hat das natürlich schwer getroffen, Jones war seit seiner eigenen Schulzeit sein bester Freund…«
Specter verstummte und die Jungs gafften ihn nur ungläubig an. Sirius konnte das alles nicht fassen. Ein erster Spross von Voldemort schon hier in Hogwarts! Zum Glück hatte das nicht das Ministerium erfahren… sonst hätten sie die Schule wohl augenblicklich geschlossen.
»Ich hoffe, ihr versteht, wie wichtig es ist, dass niemand etwas davon erfährt, kein Wort davon also, Jungs, okay?«, bat Specter noch einmal eindringlich.
Er sah erleichtert aus, nun, da er sein Herz jemandem ausgeschüttet hatte. Sirius fühlte sich seltsam geehrt dabei, dass er zu denjenigen gehört hatte. Alle vier nickten stumm.
»Unfassbar«, murmelte Remus.
»Tut uns Leid, dass wir dir nicht geglaubt haben, Remus«, entschuldigte sich James, als sie den Innenhof verließen, um zu Verteidigung zu gehen.
»Ach was, hat ja keiner wissen können. Schon verziehen«, winkte Remus nachdenklich ab.
Vor sich sahen sie Piler ins Klassenzimmer schlurfen.
»Wir sollten ihn aufmuntern«, schlug Peter überraschend kleinlaut vor, der mit Piler zu leiden schien.
»Ja, auf jeden Fall«, stimmte ihm Sirius sofort zu, der ebenfalls schon mit diesem Gedanken gespielt hatte. James und Remus nickten ebenfalls augenblicklich.
Und das taten sie auch. Sie gaben sich im Unterricht noch viel mehr Mühe beim Zaubern, fragten ihn in der Freizeit nach weiteren Sprüchen und ob er ihnen dies oder jenes erklären könne, baten ihn, mit ihnen nach draußen zu gehen und ihnen etwas über Hogwarts im Allgemeinen zu erzählen… kurz, sie versuchten ihn, so gut es ging, abzulenken.
Auch die anderen Schüler beteiligten sich bald daran, Piler aufzubauen, auch wenn sie nicht den Grund für seine Traurigkeit kannten. Piler ahnte wahrscheinlich, dass die vier Gryffindors bescheid wussten, wollte mit ihnen aber nie darüber reden. Sie waren ausnahmsweise so taktvoll, ihn nicht darauf anzusprechen.
Natürlich merkten auch die anderen Schüler inzwischen, dass Jones unauffindbar verschwunden war und stellten Fragen an die Lehrkräfte und an sich gegenseitig. Dabei kamen die größten Gerüchte zustande, nicht selten in Verbindung mit Voldemort, obwohl sie eher daran glaubten, Jones sei von ihm und seinen Todessern entführt oder getötet worden.
Doch keine Theorie kam der Wirklichkeit auch nur nahe. Und Sirius, James, Remus und Peter taten auch nichts, um das zu ändern.
Eine Woche hielten sie dieses ›Beschäftigt Piler‹-Spiel durch, dann mussten sie sich auf wichtigere Dinge konzentrieren. Denn wenn Sirius' Mondkalender stimmte, würde Remus Freitagabend oder Nacht wieder verschwinden… Vollmond nahte.
»Willst du das wirklich tun, Sirius?«, raunte James seinem besten Freund im Gemeinschaftsraum zu.
»Kneifst du etwa, James?«, stichelte Sirius, wobei er sich selbst ein wenig unfair vorkam. Aber er fand, dass sie das ein für alle Mal aus der Welt schaffen mussten.
»Ich glaube nicht, dass ich mitkommen will, ich habe Angst«, flüsterte Peter in einem Sessel neben ihm.
»Ist ja nichts Neues«, winkte Sirius ab und konzentrierte sich wieder auf James und seine Antwort.
»Gehen wir«, nickte dieses schließlich.
»Und du willst wirklich nicht mitkommen, Peter?«, wollte Sirius wissen, doch dieser schüttelte entschlossen den Kopf.
»Sagt ihm von mir, dass ich ihn auch so akzeptiere, wie er ist, ja?«
Sirius nickte und damit machten sich die beiden auf den Weg in den Schlafsaal.
Remus saß auf seinem Bett und las in einem Buch. Eigentlich las er gar nicht, er sah eher mit starrem Blick aus dem Fenster, ein dickes Buch auf seinem Schoß, und schien tief in Gedanken versunken.
Sirius und James näherten sich leise ihrem Freund und erst, als sie sich zu ihm auf das Bett setzten, sah dieser, aus seinen Tagträumen gerissen, auf.
»Oh, ihr seid's!«, atmete er erleichtert auf, als er seine Freunde erkannte. »Ich les hier nur ein bisschen…«, fügte er überflüssigerweise hinzu. Ein paar Sekunden schauten sie sich verlegen an, dann runzelte Remus leicht die Stirn. Wahrscheinlich fragte er sich, wo Peter war, doch er äußerte die Frage nicht laut. Oder aber er spürte, dass irgendetwas in der Luft lag. Etwas Ernstes.
Sirius' Blick unterdessen schweifte zum Fenster, dorthin, wo Remus eben noch hingeblickt hatte: Der pralle Mond schien an diesem Abend besonders groß und hatte eine tief orangene Farbe.
»Der Mond ist aber schön heute!« Auch James' Blick war aus dem Fenster gerichtet.
»Oh ja, sehr schön…«, erwiderte Remus ohne einen weiteren Blick aus dem Fenster verbittert und Sirius war sich sicher, dass sie den sarkastischen Unterton nicht bemerkt hätten, wenn sie es nicht wüssten. Sirius und James wechselten einen schnellen Blick und Sirius wusste, dass sein bester Freund es ebenfalls bemerkt hatte.
»Du siehst gar nicht gut aus«, mischte sich auch Sirius mit in das Gespräch ein.
»Oh… ich habe nur gerade erfahren, dass mein Großvater sich nicht wohl fühlt. Ich werde gleich losfahren müssen, um ihn zu besuchen. Er freut sich immer, mich zu sehen…«
Sirius wunderte sich, wie schnell die Ausrede von seinen Lippen gekommen war. – Kein Wunder, er hatte schließlich das ganze Jahr über Übung im Lügen und Verheimlichen gehabt. Vielleicht sogar sein ganzes Leben…
»Können sich deine Eltern nicht um ihn kümmern?«, wollte James wie nebenbei wissen.
Remus spannte sich auf einmal etwas an, wie Sirius bemerkte. Panik schien in seinen Augen aufzusteigen, doch er zwang sich, ruhig zu antworten: »Nein, nur ich habe diese besonders beruhigende Wirkung auf ihn.«
»Ah, du hast also sozusagen heilende Kräfte was die alten Menschen in deiner Familie angeht?«
»Red keinen Unsinn, James. Er freut sich einfach, wenn ich da bin und dann beruhigt er sich eben.« Eine gewisse Unruhe war in Remus' Stimme nicht zu überhören, wenngleich er verzweifelt versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
»Das ist sehr seltsam, findest du nicht, Sirius?«
Sirius begnügte sich mit einem Nicken. Er beobachtete noch immer jede kleinste Regung vonseiten Remus. Er musste es hassen, sie die ganze Zeit anzulügen. Das verriet jedenfalls seine angespannte Körperhaltung.
James inzwischen zwang sich bei seinem Kreuzverhör sehr ernst zu bleiben, wofür Sirius ihn innerlich beglückwünschte.
»Was ist denn daran seltsam, wenn es meinen Großvater besänftigt, seinen Enkel um sich zu haben!« Remus hatte lauter gesprochen, was sich als Fehler herausstellte.
James konnte es nicht leiden, wenn man ihn anschrie und so stand er mit einem Ruck von Remus' Bett auf. »Na schön!« Auch James hatte die Stimme erhoben und schritt nun im Schlafsaal auf und ab. »Na schön«, wiederholte er. »Deine Anwesenheit ›besänftigt‹ ihn also! Und du glaubst, das kaufen wir dir ab! Du hast gar keinen kranken Großvater, stimmt's? Und ganz abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, dass Dumbledore dich alle paar Wochen einfach so gehen lässt, damit du deinen persönlichen Vergnügungen nachgehen kannst! Junge, du bist hier in einer Schule!«
Sirius bemerkte, wie Remus etwas zurückwich und dabei das alte Zaubererbuch an sich presste, so als könnte einzig dieses ihm Schutz bieten. Er deutete James an, sich etwas zu beruhigen. Sie hatten ihn schließlich nicht fertigmachen wollen, obgleich Sirius verstand, warum sein bester Freund die Kontrolle verlor: Remus vertraute ihnen immer noch nicht, wollte sie weiterhin anlügen…
James atmete tief durch und ließ sich wieder auf das Bettende sinken. Sie beide sahen Remus einen Moment an, der sich allmählich in die Länge zog. Auch aus James' Blick war der Zorn gewichen und hatte einer gewissen Traurigkeit Platz gemacht.
Sirius war es schließlich, der die Stille brach und mit ungewöhnlich leiser und ruhiger Stimme meinte: »Ich dachte, wir wären deine Freunde.«
»Aber das seid ihr! Das weißt du doch, Sirius. Ich hatte nie bessere Freunde als euch!« Remus' Stimme zitterte leicht und er sah seine Freunde hilflos an. Seine Fingernägel hatten sich in das alte Zaubererbuch gekrallt, sodass die Knöchel weiß hervortraten, und er wirkte fast verzweifelt.
»Du willst also unser Freund bleiben und uns gleichzeitig regelmäßig anlügen?«, erwiderte James mindestens ebenso ruhig wie Sirius.
Remus schien sprachlos. Allem Anschein nach wusste er nicht mehr, was er sagen sollte. Sein Mund öffnete und schloss sich gleich darauf wieder, doch kein Ton war ihm entwichen.
Als Sirius sah, dass er nichts sagen würde, meinte er: »Um genau zu sein jeden Monat, immer bei Vollmond. Hältst du uns für Slytherins oder was? Jeden Vollmond ist deine Mutter krank, oder dein Großvater, oder du selbst… Das ist doch etwas seltsam, oder!«
»Und dazu kommt noch, dass du vorher immer sehr nervös wirkst und wenn du zurückkommst müde bist! Was macht deine Familie mit dir?«
Immer noch blieb Remus reglos. Er war noch etwas bleicher geworden, als er es ohnehin schon gewesen war, doch er erwiderte nichts.
Sirius wusste die Antwort, doch er wollte sie aus Remus' Mund hören. Wenigstens diesen einen Beweis seines Vertrauens wollte er haben. Und so fuhr er fort: »Und das ist ja noch nicht alles. Du hast überall Narben und nach jedem Besuch bei deiner Familie sind es mehr! Schlagen sie dich oder was? Denn wenn es so wäre, dann würden wir dich nie mehr dorthin zurücklassen!«
Remus' Mund war noch immer leicht geöffnet und er zitterte nun merklich. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er wirkte wie versteinert. Seine Augen fixierten Sirius und James abwechselnd; fast hektisch sahen sie vom einen zum anderen. Dann warf er einen schnellen Blick zur Tür, als ob er am liebsten flüchten wollte.
Sirius konnte seinen Freund so nicht sehen. Er wollte nicht länger mit ansehen, wie er sich quälte, doch auf der anderen Seite wusste er auch, dass es jetzt rausmusste. Sie waren kurz vor ihrem Ziel und es war einfach wichtig für ihre Freundschaft, dass Remus es ihnen selbst sagte. »Komm schon, Remus, spuck's einfach aus, okay?«, versuchte Sirius es also in sanftem Ton.
Eine Träne rollte über Remus' Wange und tropfte schließlich auf das Bettlaken, doch der ausgezehrte Junge kümmerte sich nicht darum.
Sirius legte seine Hand auf Remus' Schulter, doch der Junge drehte sich weg. Er wünschte den Kontakt offensichtlich nicht. Noch immer zitterte er.
Sirius bereute es bereits, was sie da mit Remus anstellten, doch andererseits wollte er es nun endlich zu Ende bringen.
»Was wollt ihr?«, meinte Remus schließlich mit rauer Stimme. Es schien ihn einige Anstrengung zu kosten, überhaupt zu sprechen, und leichte Panik schwang in seiner Stimme mit.
»Dass du endlich aufhörst, uns anzulügen!«, erwiderte James ruhig.
»Aber ich kann nicht! Weil…« Remus brach ab und schloss kurz die Augen. Eine weitere Träne rann lautlos seine Wange hinunter.
Sirius konnte ihn plötzlich nur zu gut verstehen und am liebsten hätte er ihn einfach in den Arm genommen und die ganze Aktion abgebrochen. Remus hatte zweifelsohne Angst, sie als Freunde zu verlieren. So wie er selbst Angst gehabt hatte, sie zu verlieren aufgrund seiner schwarzmagischen Familie.
»Ja?«, hakte James nach. »Warum?«
Remus begann erneut leise zu weinen. Doch plötzlich sah Sirius in seinen Augen auch etwas anderes aufblitzen. Zorn. Vielleicht war es der nahende Vollmond, denn somit war auch der Wolf nicht mehr weit… Ein rasender, tobender Wolf, der zum Gegenangriff ansetzte.
Er begann zu schreien: »Warum? – Warum müsst ihr alles verderben! War es nicht gut, so wie es war! Was genau wollt ihr von mir hören? Soll ich euch sagen, dass ich ein Monster bin? Okay, dann habt ihr gewonnen, ich bin eins! Ich bin ein verdammter scheiß Werwolf! Wollt ihr noch mehr? Warum ich euch anlüge? Könnt ihr haben! Weil ich euch nicht verlieren oder verletzen will! Wollt ihr mich sagen hören, dass ich eure Freundschaft nicht verdiene? Na gut, ich…« Remus sank schluchzend in sich zusammen.
Sirius hatte ihn noch nie so außer sich gesehen oder ihn sogar schreien hören. Normalerweise verlor er nie die Kontrolle, er war immer ruhig und ausgeglichen. Endlich konnte Sirius ihn in seine Arme nehmen und fest an sich drücken, doch Remus stieß ihn von sich. »Ich brauch dein Mitleid nicht!« Obwohl er offenbar versucht hatte, abweisend zu klingen, konnte er seine Schluchzer noch immer nicht kontrollieren.
Doch Sirius ließ ihn nicht so einfach los, im Gegenteil, er drückte ihn nur noch fester an sich.
James unterdessen streichelte Remus sanft über den Rücken und hielt ihm ein Taschentuch hin. »Hör mir zu. Ich will dich nie mehr so etwas Dummes sagen hören, verstanden? Wir sind deine Freunde und wir werden immer für dich da sein. Ist das klar!«, meinte er ruhig, während Remus mit zitternden Händen das Taschentuch annahm.
Nur schwer konnte Remus sich wieder unter Kontrolle bringen. Als seine Schluchzer allmählich verebbten, brachte er abermals die Kraft auf, Sirius von sich zu drücken, der seinen Freund nur widerwillig losließ.
»Tut mir Leid«, murmelte Remus, wobei er etwas unbeholfen auf sein verweintes Gesicht wies. Es war zweifelsohne eine Entschuldigung für sein hemmungsloses Losweinen, denn es war nicht zu übersehen, dass er sich dafür schämte, so unkontrolliert geweint zu haben. »Wenn ihr… wenn ihr wollt, dann lass ich euch ab jetzt in Ruhe. Das kann ich wirklich gut verstehen, ich bin daran gewöhnt. Ehrlich, ich…«
»Hast du es immer noch nicht geschnallt?«, fragte Sirius fast sanft. »Es. ist. uns. egal. Wir scheren uns einen Scheißdreck darum, wer du bist… oder was du bist. Solange du nur unser Remus – unser Freund bleibst!«
»Und uns in Zukunft nicht mehr anlügst«, fügte James mit einem besänftigenden Lächeln hinzu.
»Ich – was?« Remus konnte es anscheinend immer noch nicht fassen, was seine Freunde ihm da eben gesagt hatten. Verwirrt sah er von einem zum anderen. »Ihr… ihr wisst, dass ich ein… dass ich… was ich bin und – und wollt trotzdem meine Freunde bleiben!«, stammelte er etwas unbeholfen und überaus ungläubig. Eindeutiges Misstrauen lag in seinem Blick. Er sah abwechselnd Sirius und James mit zu Schlitzen verengten Augen an, die noch immer vom Weinen stark gerötet waren. Er blinzelte und eine kleine Träne funkelte im hellen Mondlicht fast silbern auf seinen dicken Wimpern.
»Das Letzte, was wir wollen, ist, dass du uns in Ruhe lässt, verstanden!«, wiederholte James mit Nachdruck.
»Es ist doch cool, mit einem Werwolf befreundet zu sein«, grinste Sirius breit.
Remus' Gesicht jedoch blieb unleserlich. Eher beherrscht, kühl. »Ihr…« Er räusperte sich. Anscheinend hatte er eine recht trockene Kehle. »Ihr werdet es also nicht herumerzählen?«
Sirius verdrehte die Augen. »Liegt das nicht auf der Hand?« Wie konnte man nur so wenig Vertrauen in seine Mitmenschen – in sich selbst haben? Remus musste wirklich noch nie zuvor wahre Freundschaft erfahren haben!
»Seit wann wisst ihr es?« Remus' Stimme klang immer noch rau, doch diesmal klang sie diplomatisch, fast berechnend.
»Etwa seit einem Monat«, war James' knappe Antwort. »Du glaubst uns immer noch nicht, hm?«
»Was sagt Peter dazu? Warum ist er nicht hier? Weiß er es auch?«, sprudelte Remus los, ohne auf James' Frage einzugehen.
»Er hat Angst, dass du uns alle auffrisst«, erwiderte Sirius trocken, woraufhin ihn ein warnender und zugleich strafender Blick von James traf.
Doch seltsamerweise schien diese Bemerkung Remus nicht im Mindesten aus der Bahn zu werfen. Im Gegenteil, ein flüchtiges Lächeln erhellte sein Gesicht.
Vielleicht zeigte dieser Satz ihm, dass Sirius ihn so akzeptierte, wie er war, dass er sich wirklich nichts daraus machte. Er konnte Witze darüber machen, wie er sich über alles andere auch lustig machte.
Doch im nächsten Moment hatte sich wieder derselbe Schatten über Remus' Gesicht ausgebreitet. Der Schatten des Misstrauens, der Unverständnis.
Warum konnte er sich selbst allem Anschein nach nicht akzeptieren, wenn Sirius und James dies doch konnten? Zu viel hat er in seinem Leben bisher ertragen müssen, schoss es Sirius fast blitzartig als Antwort auf diese Frage durch den Kopf.
»Er weiß es und lässt dir ausrichten, dass er ganz unserer Meinung ist«, gab James schließlich eine richtige und aufrechte Antwort auf Remus' Frage. »Er ist nur schlecht in Gesprächen, das darfst du ihm nicht verübeln.«
Remus nickte mit zusammengekniffenen Lippen.
Als Sirius bemerkte, dass der Junge anscheinend immer noch Probleme hatte, ihren Worten zu trauen, meinte er: »Vertrau uns doch einfach mal, Remus. Du bist uns verdammt wichtig und wir würden dich für nichts auf der Welt hängen lassen! Das musst du uns einfach glauben.«
»Meint ihr… meint ihr das ehrlich?«
James grinste nachsichtig. »Natürlich, Kumpel. Du bist eine Seele von einem Menschen. Man muss dich einfach mögen«, versicherte er sanft.
»Danke, Jungs. Ihr seid echt die besten Freunde, die man sich wünschen kann…«, war alles, was Remus hervorbrachte. Eine dicke Träne lief über seine abgehärmte Wange – doch diesmal war es eine Freudenträne. Und Sirius wusste, dass er ihnen ein Stück weit vertraute, sich selbst damit ein Stück weit zu akzeptieren begann, auch wenn ihm klar war, dass Remus seine Natur wohl nie gänzlich annehmen würde.
Sie sprachen noch lange mit Remus über sein zweites Ich. Wie er gebissen worden war, wie seine Eltern befürchteten, dass er nicht nach deshalb Hogwarts gehen konnte, aber Dumbledore wie immer einen Weg gefunden hatte, das Problem zu lösen, wie schlecht es ihm gegangen war, seine Freunde anzulügen, wie logisch und genial Sirius kombiniert hatte.
All das erfuhren sie, bis Remus mit Schrecken feststellte, dass er zu Madam Pomfrey musste, damit sie ihn in den Tunnel zur Peitschenden Weide brachte. Sie erfuhren hierbei auch, dass die vermeintlich spukende Heulende Hütte eigentlich das Versteck für Remus zu seiner Werwolfzeit war. Der Tunnel unter der Peitschenden Weide führte nämlich direkt in das verlassene, von innen und – seit ihrem kleinen Ausflug Anfang des Jahres – auch außen durch Schutzzauber gesicherte Haus in Hogsmeade. Die ›Geister‹, die dort angeblich hausen sollten, waren nichts weiter als das Heulen von Remus bei Vollmond gewesen.
Remus verließ zum ersten Mal glücklich seine Freunde, um sich in dieser Nacht einmal mehr schmerzhaft in ein Ungeheuer zu verwandeln.
Aber Sirius und James blieben noch sitzen und redeten lange, bis schließlich auch Peter zu seinen Freunde stieß, und sie noch einmal von vorne zu erzählen begannen. Alle waren froh, dass sie endlich die Wahrheit von Remus selbst erfahren hatten, auch wenn es sie alle sehr starke Nerven gekostet hatte, und Remus ein Stück weit auf seinem Weg begleiten konnten…
Sirius erhob sich lautlos von seinem Bett.
»Komm zu mir, junger Freund, komm zu deiner Bestimmung…«, flüsterte Salazar Slytherin verlockend in sein Ohr.
Doch kaum stand er auf, klingelte irgendwo eine Glocke von der Größe des Big Ben. Erschrocken fuhr Sirius aus seinem Schlaf hoch. Natürlich war auch der Rest des Schlafsaales von der lauten Glocke wach geworden, wahrscheinlich sogar der gesamte Ravenclaw-Turm. Aber Sirius ließ sich verwirrt zurück auf sein Bett sinken.
James neben ihm grinste ihn an. »Hab ich doch toll gemacht, oder?«, fragte er.
»Was… was war das denn!«, hakte Sirius völlig verwirrt nach.
James deutete auf Sirius' großen rechten Zeh, an dem ein hauchdünner Faden hing, der zu einer großen Glocke in der Mitte der Schlafsaaldecke führte.
»Mann, wann hast du denn das Ding angelegt!«, fragte Tai verwundert von der anderen Seite des Raumes.
»Gestern Abend noch, dachte mir, es wäre nützlicher als ein Alarm an der Tür. Und lustiger fand ich die Vorstellung auch«, erklärte James amüsiert.
»Und wenn er sich einmal im Schlaf dreht, geht das Ding auch los, oder was?«, raunzte Nelson verschlafen.
So herbe Worte war man von ihm gar nicht gewöhnt, doch Sirius schob es auf seine Müdigkeit.
»Nein, ich habe das Kabel so lang gelassen, dass die Glocke erst losgeht, wenn Sirius den ersten Schritt aus seinem Bett tut«, erläuterte James.
»Das ändert nichts daran, dass du morgen wieder zu Piler musst«, mischte sich Peter ein.
»Übernimmst du jetzt Remus' Part, oder was!«, raunzte Sirius ihn an, der sich mit dem Faden am Zeh irgendwie in seiner Freiheit eingeengt fühlte.
»Fahr ihn nicht so an, Sirius, du bist nur müde. Und außerdem hat Peter Recht. Wir gehen morgen Nachmittag gleich zu Piler, okay?«, meinte James beruhigend.
»Hm«, machte Sirius nur und legte sich wieder hin. Er hörte, wie James allen anderen noch einmal eine Gute Nacht wünschte, dann schlief er auch schon wieder.
Das nächste Mal hörte er vor Salazars Stimme schon die Glocke bimmeln.
»Oh nein!«, stöhnte Tai von seinem Bett aus genervt.
Sirius schreckte zusammen und erkannte, dass er bereits ›den ersten Schritt‹ gemacht hatte.
»Schlaf weiter, Sirius«, muffelte James bettelnd neben ihm.
Kopfschüttelnd ließ Sirius sich wieder zurücksinken. Das Ganze geschah in dieser Nacht noch dreimal, woraufhin selbst James unendlich genervt war und vorschlug, die Glocke wegzuzaubern und Sirius einfach an seinem Bett festzubinden.
Schließlich legte er – mit Sirius' Einverständnis – einen Ausbrechzauber um Sirius' Bett, so dass er nicht mal mehr einen Schritt nach draußen tun konnte. Sirius hoffte nur, dass er nachts nicht aufs Klo musste…
Er wurde die ganze restliche Nacht von Salazars lockender Stimme gequält, fand sich aber zu seiner Überraschung morgens nicht erneut in der Eingangshalle wieder, sondern friedlich in seinem Bett.
Insgeheim dankte er James für seine Genialität. Er hätte sich viel Ärger ersparen können, wäre James diese Idee früher gekommen.
Doch beim Frühstück bestand James trotzdem darauf, dass Sirius zu Piler ging.
Es war ein wunderschöner Sonntag, aber die Erstklässler aus dem Ravenclaw-Schlafsaal waren alle viel zu übermüdet, um das schöne Wetter zu genießen. Die meisten schliefen über ihren Hausaufgaben und Büchern ein, nur James, Peter und Sirius schleppten sich nach draußen, um sich an den See zulegen, wie viele andere Schüler auch, trotz Sirius' Proteste, dass es im schattigen Schloss viel angenehmer wäre.
»Mensch, Jungs, was lernen die eigentlich alle! So viel haben wir doch auch nicht gemacht, dass wir ständig irgendein Buch mit uns rumschleppen müssten, oder?«, regte sich James irgendwann auf, als der dritte Erstklässler zu ihnen gekommen war, ›um sie nur mal kurz was zu fragen‹.
Sirius grinste verschlafen: »Tja, nur weil wir solche Genies sind…«
»Findet ihr nicht auch, dass wir irgendwas für Remus tun sollten?«, unterbrach Peter ihr Gespräch plötzlich. Er war schon die ganze Zeit so ruhig gewesen und hatte nachdenklich auf den See hinaus gestarrt.
Sirius aber lachte nur abfällig. »Was willst du denn tun? Ihn nachts in der Heulenden Hütte besuchen und darauf vertrauen, dass er dich nicht beißt!«, scherzte er abfällig.
Doch noch während er den Gedanken aussprach, kam er ihm gar nicht mehr so abwegig vor. Sie mussten nur einen Weg finden, sich vor ihm zuverlässig zu schützen… Ein Schutzschild war ausgeschlossen, das würde so ein großes Tier nicht lange abhalten. Es musste irgendwie einen anderen Weg geben… Einen Weg, dass sie sich veränderten… Sirius sprang auf.
»Ich muss… schnell was holen! Mir ist da was eingefallen! Wartet nicht auf mich!« Damit rannte er zum Schloss zurück.
»Denk daran, zu Piler zu gehen«, rief James ihm nur perplex nach.
Es war das erste Mal, dass Sirius sich freiwillig in die Bibliothek begab, um etwas Bestimmtes herauszusuchen. Er hatte letztens von Specter beim Lernen von einem gewissen Vielsafttrank gehört, durch den man sich in jemand anderes verwandeln konnte. Wenn sie also nicht als Menschen zu ihm gehen konnten, dann eben als Tiere… Schließlich griffen Werwölfe nur Menschen an.
Kurz vor sieben am Abend kehrte Sirius enttäuscht zu seinen Freunden in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum zurück.
»Was war denn los? Wo warst du die ganze Zeit?«, hakte James gleich nach.
Sirius sah sich um und versicherte sich, dass ihnen niemand zuhörte. »Ich habe nach einem Zauber gesucht, der uns in Tiere verwandelt, aber ich habe nichts gefunden. Dieser Vielsafttrank wirkt nur, wenn man sich in einen anderen Menschen verwandeln will. – Versteht ihr, als Menschen können wir nicht zu Remus gehen, als Tiere aber schon«, erklärte Sirius.
»Ich glaube nicht, dass es so einen Zauber überhaupt gibt. Da muss man schon ein Metamorphmagus sein«, erklärte James schulterzuckend. Auch er schien sich Gedanken über ihre Möglichkeiten gemacht haben.
»Was ist denn das?«, hakte Peter naserümpfend nach.
»Das sind Menschen, die sich von Geburt an in alle möglichen Gestalten verwandeln können. Ob es auch in Tiere geht, weiß ich allerdings nicht«, erklärte James kurz.
Sirius verfiel wieder in brütende Gedanken, doch auch diesmal kam er nicht auf eine sensationelle Lösung ihres Problems.
»He, Sirius, vergiss nicht, zu Piler zu gehen«, riss James ihn nach einer Weile aus seinen Gedanken.
»Hm!«, knurrte Sirius nur und erhob sich.
»Soll ich mitgehen?«, bot James ihm zur Versöhnung an.
»Inzwischen ist es schon fast Routine. Ich mach das schnell alleine. Außerdem muss ich nachdenken. Wartet nicht auf mich«, winkte Sirius leicht lächelnd ab, um James zu zeigen, dass er nicht böse auf ihn war, sondern wirklich nur Zeit für sich und seine Gedanken brauchte.
Also machte er sich auf den Weg zu Pilers Büro. Er klopfte an und hörte auf Pilers müde Stimme, die »Herein!« rief. Sirius trat ein und erkannte, dass diesmal noch keine Kerzen brannten und auch keine Sessel dastanden.
»Oh, Sirius, das habe ich völlig vergessen. Tut mir wirklich Leid!« Piler saß hinter seinem Schreibtisch und arbeitete an irgendetwas, klappte das Buch nun aber zu und legte seine Feder weg, um mit einem Wisch seines Zauberstabes die zwei Sessel erscheinen zu lassen und die Kerzen zu erhellen. »Wie oft bist du heute Nacht schlafgewandelt?«, fragte Piler ernst und trat zu den Sesseln.
»Oft. Aber James hat einen Ausbruchzauber um mein Bett gelegt, sodass ich nicht rauskonnte«, erzählte Sirius.
Das brachte Piler zu einem müden Lächeln. »Kluger Gedanke. – Setz dich, Sirius«, er wies auf den Sessel ihm gegenüber. Als Sirius sich setzte, fragte Piler etwas zerstreut, als wäre es ihm gerade eben erst aufgefallen: »James ist heute gar nicht dabei?«
Sirius schüttelte den Kopf, verkniff sich aber den Kommentar »Oder siehst du ihn hier irgendwo?«
»Hmmm…«, machte Piler. »Eigentlich darf kein Schüler mehr alleine mit einem Lehrer in einem Zimmer sein, nachdem… ähm, per Anordnung der Schulleitung.«
»Nach dem, was mit Jones war, ich weiß«, vervollständigte Sirius Pilers Satz.
Piler schien einen Augenblick lang überrascht, dass Sirius davon wusste, sagte sich dann aber vermutlich, dass Sirius und seine Bande schon immer über alles bescheid gewusst hatten.
Sirius fand es an der Zeit, nicht länger so zu tun, als wäre nichts und so fuhr er fort: »Ich kann schon verstehen, dass dich der Verrat von deinem besten Freund schwer mitgenommen hat, aber ich finde nicht, dass das für dich ein Grund sein sollte, zu verbittern, ehrlich mal. Ich meine, du hast doch noch andere Leute, die sich um dich sorgen.«
Piler schien zuerst nicht zu wissen, ob er antworten sollte, doch dann sagte er schließlich: »Du musst verstehen, Mat und ich kennen uns seit unserem ersten Tag in Hogwarts als Kinder. Ich hätte nie gedacht, dass er einmal gegen mich arbeiten würde. Und dass er mich so schmählich belügt.«
»Aber manchmal lügen Freunde, um sich gegenseitig zu schützen«, erwiderte Sirius hitzig. »Er wollte sicher nur das Beste für dich!«
Bevor Piler noch etwas sagen konnte, schuhute es hinter ihm. Sirius fuhr herum und sah, dass eine Eule auf Pilers Kamin saß. Ungläubig ließ er seinen Blick zwischen dem Lehrer und der Eule hin und her wandern.
»Sie ist gestern hier eingezogen. Seit die Eulerei in den Wahrsageturm verlegt wurde, hat sie irgendwie die Orientierung verloren. Ich glaub, sie hat sich seither etwas einsam gefühlt. Ich habe nichts gegen sie. Sie ist eine angenehme Gesellschaft«, erklärte Piler lächelnd, dann lehnte er sich seufzend zurück. »Kennst du es, wenn man sich manchmal wünscht, ganz einfach seine Sorgen vergessen zu können?«
Die Eule schuhute abermals und flog auf Pilers Armlehne, da sie anscheinend spürte, wie schlecht es ihm ging.
»Manchmal wünschte ich mir…« Piler streichelte über das weiche Gefieder des Tieres. »…Ein Tier sein zu können. Sie haben keine menschlichen Probleme, sorgen sich nur um ihr Überleben…«
»Geht das denn?«, fragte Sirius, der seine Chance witterte, eine Lösung für sein Problem zu finden. »Ich meine, dass man sich in ein Tier verwandelt?«
»Oh ja. Professor McGonagall zum Beispiel kann das. Mit viel Fleiß und harter Arbeit ist sie schließlich zu…«, begann Piler, doch in Sirius' Kopf hatte schon etwas ›Klick‹ gemacht.
Er hatte nicht nur einmal schon davon gehört, er hatte sogar erst kürzlich in einer von McGonagalls Strafarbeiten einen Aufsatz darüber geschrieben! »Animagi!«, hauchte er geistesabwesend.
»Genau, sie ist ein Animagus. Sie kann sich je nach Bedarf in eine Katze verwandeln und als Tier durch die Welt streifen. Allerdings ist es sehr gefährlich, bis man überhaupt so weit ist, ein Animagus zu werden… Und außerdem muss man sich beim Zaubereiministerium anmelden, sobald man den Zauber geschafft hat«, erklärte Piler.
Sein Blick fiel nun auf seine Uhr und er erschrak leicht: »Oh, wir müssen uns beeilen, Sirius. Lass uns anfangen, sonst sind wir nicht vor Mitternacht fertig!«
Sirius nickte. Animagi. Er hatte einen Weg gefunden, Remus sein Werwolfleben zu erleichtern…
Kaum betrat er den Schlafsaal, weckte er Peter und James und schleifte die beiden verschlafenen Jungs mit sich in den Gemeinschaftsraum.
»Was ist denn nun schon wieder?«, beschwerte sich James. »Ich hab letzte Nacht schon wegen dir kaum geschlafen! Ich kipp morgen aus den Latschen, wenn ich schon wieder keinen Schlaf bekomme!«
»Sobald du meine Idee gehört hast, denkst du keine Minute lang mehr ans Schlafen«, prophezeite Sirius ihm stolz.
Peter und James schmissen sich in ihre Lieblingssessel. »Also dann fang an«, gähnte James noch immer etwas mürrisch und betrachtete ihn unter schweren Augenlidern hervor.
»Okay, Jungs, ich habe die Lösung für unser Problem: Wenn wir Remus wirklich helfen wollen, dann werden wir zu Animagi«, sagte Sirius schlicht. Er hatte Recht gehabt: Innerhalb von Sekundenbruchteilen waren seine beiden Freunde hellwach.
»Animagi? Geht's dir noch gut! Weißt du, wie gefährlich das ist!«, vergewisserte sich James.
»Hat uns das schon jemals von irgendwas abgehalten?«, hakte Sirius zufrieden grinsend vor.
»Nein, – aber bis jetzt war das alles noch was Anderes! Das ist ein verdammt schwieriger Zauber«, entgegnete James erneut, dem allein bei dem Gedanken schon nicht wohl war.
»Und außerdem ist es verboten und illegal, wenn man sich nicht beim Ministerium anmeldet! Und wir müssen erst mal den Zauber ausfindig machen. Und wenn es nicht klappt, könnten wir alle draufgehen. Und es könnte Jahre dauern, bis wir es überhaupt schaffen. Aber ist uns Remus das denn nicht wert!«, zählte Sirius auf und blickte seine beiden Freunde dann aufmerksam an.
»Also ich weiß nicht…«, meinte Peter unbehaglich, doch im selben Moment sagte James: »Okay, ich bin dabei.« Sirius glänzte ihn begeistert an. »Aber ich mache das nur, weil wir Freunde sind. Und weil ich Remus nicht leiden lassen will«, erklärte er seinen Entschluss ernst, doch dann grinste er: »Außerdem ist es voll cool.« Sie nickten sich zufrieden zu, dann richteten sie ihre Blicke auf Peter. Der sank tiefer in seinem Sessel zusammen.
»Ich weiß nicht… ich… ich habe Angst – dass ich es nicht schaffe. – Ich meine, ich bin nicht so gut wie ihr beiden, um Längen nicht! Und wenn es für euch schon schwierig ist, dann kann ich es gar nicht erst schaffen«, piepste er furchtsam.
Sirius lachte laut auf. »Wenn's nur das ist, Peter! – Wir werden dir natürlich helfen, Kumpel! Du musst uns nur sagen, ob du dabei bist. Wir schaffen es entweder alle oder versagen alle. Aber wir müssen uns erst sicher sein, dass wir das wirklich wollen«, erklärte er reißerisch.
Noch immer sah Peter unsicher aus. »Und es ist wirklich verboten?« James nickte. Schließlich seufzte Peter tief: »Ich mach es trotzdem. Ich bin dabei, Freunde.«
»Dann schlagt ein, Jungs! Auf uns und Remus«, begeisterte sich Sirius und hielt seinen Freunden die Hand hin.
Alle beide schlugen ein. »Aber wir sagen Remus davon nichts! Falls wir es nicht schaffen sollten, haben wir ihm nicht unnötige Hoffnungen gemacht«, bedingte James nun.
»Versteht sich von selbst«, grinste Sirius.
»Aber belügen wir ihn dann nicht auch?«, hakte Peter irritiert nach.
»Nein, wir sagen ihm nur einfach nichts davon«, lächelte James. Die drei Freunde nickten sich zufrieden zu, bevor sie zusammen hoch in den Schlafsaal gingen. Sie würden Remus helfen.
tbc...
