Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes
Zweiunddreißigstes Kapitel
Hogwarts' Rückkehr
Das erste, was Sirius wieder wahrnahm, war sein schmerzender Schädel, gefolgt von einem Stöhnen zu seiner Linken.
»James?«, murmelte er, noch immer etwas weggetreten.
Ein weiterer unidentifizierbarer Laut als Antwort drang langsam, unter großer Verzögerung in sein Bewusstsein.
Endlich rang sich Sirius durch, die Augen zu öffnen, auch wenn ihm dabei der Kopf noch mehr wehtat. Er musste ein paar Mal blinzeln, um sich an das helle Licht zu gewöhnen, doch als er – zunächst ein wenig verschwommen, dann immer klarer – seine Umgebung erkannte, stellte er verwundert fest, dass er in einem Bett im Krankenflügel lag.
Im Nebenbett schlug James gerade ebenfalls die Augen auf und blickte benommen herüber.
»Was… wer…«, begann Sirius, dessen Sinne teilweise noch schliefen, ratlos, aber er brauchte die Frage gar nicht zu Ende zu formulieren, denn in dem Augenblick näherten sich energische Schritte und Sirius stellte sich vorsichtshalber schlafend, um nicht von irgendwem auf das eben Geschehene, an das er sich allmählich wieder zu erinnern begann, angesprochen zu werden.
»Aha, ihr seid also wieder wach, was? Wurde aber auch Zeit. Schließlich wart ihr über einen Tag unansprechbar«, ertönte da Madam Pomfreys Stimme direkt neben ihm. Sie klang vorwurfsvoll, als ob die Jungs etwas dafür könnten, dass sie für – wie jedenfalls Madam Pomfrey behauptete – einen Tag weggetreten gewesen waren.
Für einen Moment vergaß Sirius völlig, dass er sich eigentlich hatte schlafend stellen wollen und er fuhr hoch, wobei er merkte, dass nicht nur sein Kopf, sondern auch sein linker Arm, mit dem er versuchte, sich hochzustemmen, vom Kampf mitgenommen war.
»Was soll das heißen, einen Tag!«
Zu seiner Verblüffung hörte er im selben Moment James fragen: »Was soll das heißen, unansprechbar!«
»Nun, ein Tag heißt für gewöhnlich vierundzwanzig Stunden und unansprechbar könnte man durchaus die Situation bezeichnen, in der ihr euch befunden habt, oder? Bewusstlos wäre in diesem Fall vielleicht ein Synonym«, erklärte Madam Pomfrey fachmännisch auf ihre barsche Art, während sie eine Flasche mit übel riechendem Inhalt öffnete und Sirius und James je einen halben Becher davon einschenkte.
»So, jetzt aber genug gequatscht! Hier, trinkt das und dann erholt euch erst mal. – Nein, solche Strapazen sind absolut nichts für Schüler in dem Alter…«, murmelte sie anschließend laut vor sich hin, drückte Sirius das Gebräu in die Hand und überwachte streng, dass er die Flüssigkeit auch wirklich trank, was er natürlich nicht tat.
»Was soll das heißen solche Strapazen!« Diesmal hatten Sirius und James die Frage gänzlich synchron gestellt, sodass man kaum bemerkte, dass beide zugleich gesprochen hatten.
Mit einem missbilligenden Blick auf Sirius' Tasse (die er immer noch steif in der Hand hielt, ohne ihr weitere Beachtung zu schenken), der Sirius dazu brachte, doch einen kleinen Schluck zu nehmen (den er beinahe wieder ausgespuckt hätte, wenn er nicht auf die Antwort so gespannt gewesen wäre), meinte Madam Pomfrey:
»Ihr müsstet das doch am besten wissen! Oder… oh nein! Hoffentlich keine Amnesie! Ich hole am besten sofort den Schulleiter, der wollte euch sowieso schon sprechen!«
Damit wuselte Madam Pomfrey ohne ein weiteres Wort hinaus, was Sirius nur recht war, denn so waren sie endlich wieder alleine.
Schnell wandte er sich James zu, der, sofort nachdem Madam Pomfrey den Raum verlassen hatte, aufgesprungen, auf etwas wackeligen Beinen zum Fenster gestiefelt war und nun den restlichen Inhalt seines Bechers mit verzogener Miene hinauskippte.
»Uff«, machte er, als er sich schließlich wieder auf sein Bett fallen ließ und den leeren Becher neben sich auf das Nachtkästchen stellte.
»Amnesie«, murmelte Sirius und sah James zweifelnd an, ob er sich vielleicht wirklich nicht an ihre Erlebnisse erinnern konnte.
Erleichtert entdeckte er ein schwaches Grinsen auf James' Gesicht und so kicherte er: »Holt gleich Dumbledore! So was…«
Doch gleich darauf wurde ihm gewahr, dass der Schulleiter wohl eben auf dem Weg zu ihnen war und er merkte etwas unsicher an, wobei er lustlos mit einem Finger in seinem eigenen Becher herumrührte: »Was wollen wir dem eigentlich erzählen?«
James schien angestrengt zu überlegen, meinte dann aber nur: »Weiß Dumbledore überhaupt, was wirklich passiert ist? Ich mein, die Pomfrey hat da ja so was angedeutet!«
Sirius, dem sein Haus im Prinzip immer relativ egal gewesen war – abgesehen davon, dass er im eigentlichen Sinne gar kein richtiges Haus mehr hatte – und dem ein Punktabzug für gewöhnlich die meisten Späße wert gewesen waren, bekam ein flaues Gefühl in der Magengegend, als er daran dachte, wie Dumbledores Strafe aussehen könnte.
»Hoffentlich zieht er Gryffindor nicht allzu viele Punkte ab, bevor wir morgen nach Hause müssen«, äußerte er seine Bedenken laut, auch wenn es im Prinzip egal sein würde, ob Gryffindor am letzten Tag noch tausend Punkte verlieren würde, oder nicht.
James grinste schief: »Das wäre ja noch die mildeste Strafe!« Er sah Sirius einen Moment lang ernst an. »Eigentlich hätte er Grund genug, uns von der Schule zu schmeißen, falls er erfährt, was passiert ist…«, fügte er dann in einem Ton hinzu, der die Bitterkeit in seiner Stimme für Sirius nicht unüberhört ließ. »Wenn ich da an Binns' Geschichtsbücher denke…«
»Falls er es erfährt«, wiederholte Sirius, wobei er das ›falls‹ übertrieben betonte.
Für eine Sekunde lächelten sich die beiden Jungs schalkhaft an, dann wurde Sirius wieder ernst.
»Hör mal, wegen vorhin…«, sprach Sirius schließlich das Thema an, das wie eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen beiden stand, auch wenn niemand es bisher erwähnt hatte, doch jetzt hielt es Sirius nicht mehr aus und er wollte endlich darüber reden, was sie vor einem Tag gemeinsam durchgestanden hatten.
Bevor er allerdings aussprechen konnte, was ihm auf der Seele lag, hörten sie abermals Schritte näher kommen.
Sirius sah James sich blitzschnell umdrehen und Sekunden später hörte er ein übertriebenes Schnarchen von ihm und beschloss, es ihm gleichzutun. Schnell stellte auch er seinen vollen Becher auf sein Nachtkästchen und rollte sich auf die andere Seite.
Keine Sekunde zu früh, denn schon flog die Tür zum Krankenflügel auf und mehrere Leute betraten den Raum.
»Ich dachte, sie wären wach?«, fragte McGonagalls Stimme streng, nahezu schneidend, und Sirius konnte, trotz geschlossener Augen, fast sehen, wie die Schreckschraube ihre schmalen Brauen hochzog und Madam Pomfrey durch ihre Brille hindurch ansah, noch ehe diese sich protestierend verteidigen konnte: »Aber das waren sie!«
Bevor die beiden Erwachsenen sich jedoch noch weiter bekriegen konnten, meinte Professor Dumbledores ruhige Stimme gelassen: »Und das sind sie auch jetzt noch!«
Sirius war es, obwohl er nun schon fast ein ganzes Jahr in Hogwarts verbracht hatte, noch immer schleierhaft, wie der Schulleiter sie nur immer und immer wieder durchschauen konnte.
Aber da es keinen mehr Zweck hatte, sich weiter schlafend zu stellen, öffnete er die Augen, richtete sich (diesmal auf seinen rechten Arm gestützt) auf und meinte trotzig: »Egal, was uns schon wieder angehängt werden soll, wir sind völlig unschuldig!«
James sagte gar nichts, hatte aber ebenfalls die Augen wieder geöffnet, sich in seinem Bett aufgesetzt und sah nun Sirius unverwandt an. Anscheinend wollte er erst einmal die Lage genau überprüfen, ehe er sich irgendwie verriet.
Madam Pomfrey unterdessen nahm James' leeren und (mit einem verächtlichen Blick) auch Sirius' vollen Becher von ihren Nachttischen und verschwand in ihrem Zimmer am Ende des Krankenflügels.
»Am besten wäre es, ihr erzählt uns alles wahrheitsgetreu, denn so Manches ist uns ohnehin schon bekannt.«
Sirius musste sich eingestehen, dass es ein schlauer Schachzug von Dumbledore war, nicht genau zu sagen, was er wusste und er war sich nicht einmal sicher, ob der Direktor überhaupt irgendetwas wusste, oder nur bluffte, um aus ihnen die Wahrheit herauszupressen.
Aber dennoch, ein Versuch konnte ja nicht schaden und deshalb fing Sirius, ohne einen weiteren Blick auf James, an, die erstbeste Ausrede zu erfinden, die ihm in den Sinn kam: »Also, das war so: James und ich waren rein zufällig bei den Kerkern unten – ich meine, vielmehr ist von dieser Schule ja sowieso nicht mehr übrig, oder? – und da sind wir plötzlich von jemandem von hinten überwältigt worden. Vielleicht war's ja Brewpot?«, schloss Sirius, denn es gefiel ihm, den verhassten Zaubertranklehrer bei der Gelegenheit eins auszuwischen.
Dumbledore jedoch grinste nur kopfschüttelnd. »Netter Versuch, Sirius! – Mir scheint, wir sollten Gryffindor ein paar Punkte abziehen«, wandte er sich dann an die Schreckschraube und nutzte so genüsslich seine Position als Schulleiter schamlos aus.
»So war's aber, ich bekräftige seine Aussage«, log James schnell, der den Blick endlich von Sirius loseiste und nun die Lehrer kühn und mit gerecktem Kinn fixierte.
»Dann hat also die Tatsache, dass ganz Hogwarts wieder aufgetaucht ist, kurz bevor ihr zwei im Kerker gefunden wurdet – wo es im Übrigen nach einem langen Kampf aussah – nichts mit euch zu tun?«, erkundigte sich Dumbledore noch immer recht amüsiert.
Sirius überlegte gerade, ob die Strafe vielleicht geringer ausfallen würde, wenn er sagte, er habe sich mit James duelliert, da fuhr die Schreckschraube fort: »Und mit einem Fluch hat die ganze Sache nicht zufällig etwas zu tun?«
»Fluch?« Sirius kratzte sich am Kopf, als ob er streng nachdenken müsse. »Nicht das ich wüsste. – Aber jetzt wenn ich so drüber nachdenke, kann ich mich überhaupt an rein gar nichts erinnern, seit ich vorgestern Abend für Verwandlung gelernt habe!…«
»Unser absolutes Lieblingsfach«, warf James (mit einem flüchtigen Blick auf McGonagall) von der Seite als Unterstützung ein, worauf Dumbledore nur eine Augenbraue hochzog, die Sirius die Gedanken des Schulleiters sofort verriet.
»Wie mir scheint, habt ihr bemerkenswert viele Lieblingsfächer! – Das spricht dann wohl für meine Schule, wenn die Schüler so viele Fächer hochzuschätzen wissen«, schmunzelte Dumbledore gut gelaunt. »Wirklich eine beträchtliche Anzahl! Wenn ich mich recht erinnere, verehrt ihr auch Kräuterkunde, Zaubertränke, Zauberkunst… und Professor Piler teilte mir erst kürzlich mit, dass ihr sein Fach ebenso anbetet…«
»Sie haben Astronomie vergessen«, erinnerte ihn Sirius zuvorkommend mit gespielt tadelnder Stimme.
»Ach, ich dachte, da wärst du bei der Prüfung eingeschlafen?«, wandte Dumbledore – ebenso vorgetäuscht – überrascht ein.
Bevor Sirius sich noch darüber wundern konnte, dass der Direktor auch darüber auf dem Laufenden war, unterbrach die Schreckschraube ihr neckisches Spiel: »Ich muss doch bitten, Albus…«
Dumbledore sah die stellvertretende Schulleiterin (die offensichtlich vergeblich nach Worten suchte) durch seine halbmondförmige Brille hindurch belustigt an, wandte sich dann aber wieder an Sirius: »Du wolltest mir eben weismachen, dass du urplötzlich an Gedächtnisschwund leidest…«
»Genau… – äh… ich meine, doch nicht weismachen, also wirklich, was denken Sie von uns!«
James half seinem Freund ein klein wenig nach: »Wir würden Sie doch nie anflunkern!«
Sirius wandte sich nun, ohne den zwei Lehrern (die sie vergnügt – in Dumbledores Fall – und gereizt – in McGonagalls Fall – begutachteten) weitere Aufmerksamkeit zu schenken, seinem Freund zu: »Weißt du etwa noch, was passiert ist, James?«
»Nee, wie auch? Mein Gedächtnis ist wie benebelt! Ein großes schwarzes Loch an der Stelle, wo wir begonnen haben, irgendwelche Regeln zu brechen!«
Nun war es Dumbledore, der ihnen wieder auf die Sprünge half (Die Schreckschraube schien inzwischen alle Versuche aufgegeben zu haben, die Komödie zu stoppen, die sich vor ihren Augen abspielte): »Dann sagt euch also der Name Salazar Slytherin nichts? Oder ›Der Fluch Slytherins‹?«
James warf Sirius einen resignierenden Blick zu, doch der fuhr empört auf: »Warum fragen Sie uns denn überhaupt, wenn Sie eh schon alles wissen!«
»Werden Sie mal nicht so frech, Mr Black, oder es wird Ihrem Haus tatsächlich noch Punkte kosten«, drohte die Schreckschraube mit ihrem üblichen strengen Blick, allerdings jetzt mit einem nicht minder amüsierten und leicht triumphierenden Unterton.
Bevor jedoch noch irgendwer irgendwas sagen oder tun konnte, wuselte Madam Pomfrey vor sich hinsummend mit zwei dampfenden Tassen Tee herein (offensichtlich hatte sie es noch nicht aufgegeben, Sirius und James auf irgendeine Weise doch noch Medizin zu verabreichen), stutzte aber, als sie die beiden Lehrer erblickte.
»Sie sind ja immer noch da«, stellte sie mit gerümpfter Nase fest, während sie den Jungs die Tassen zum zweiten Mal an diesem Tag ungebeten in die Hände drückte.
(Sirius stellte erleichtert fest, dass es diesmal kein so übel riechendes Gebräu war, sondern scheinbar ganz normaler Tee.)
»Und ich fürchte, es wird auch noch eine Weile dauern, Poppy, da weder Mr Black, noch Mr Potter bisher bereit war, uns allzu viel mitzuteilen«, erwiderte Dumbledore mit sanfter Stimme, wahrscheinlich damit sich die Krankenschwester wieder etwas beruhigte.
Die stellte sich mit in die Hüften gestemmten Armen neben Sirius' Bett, auf dessen Kante Dumbledore saß und Madam Pomfrey durch seine halbmondförmige Brille hindurch ansah.
»Meine Güte, dann geben Sie ihnen doch Veritaserum, wenn sie nicht reden wollen, – aber beeilen Sie sich, damit die beiden einmal zur Ruhe kommen können…«
Sirius hoffte inständig, Dumbledore würde nicht ihrem Rat folgen und ihnen ein Wahrheitselixier verabreichen, denn dann, so wusste er, würden James und er ihnen alles erzählen, was die Lehrer von ihnen zu hören wünschten.
Der Gebrauch von Veritaserum wurde ja zwar streng vom Ministerium überwacht, aber hier in Hogwarts würden sie das kaum überwachen können…
Obwohl er wusste, dass es verboten war, und die Lehrer so etwas nicht tun würden, senkte er vorsichtshalber die dampfende Teetasse, ganz nach dem Motto: Traue nie dem Feind!
»… Wenn ich Sie nun bitten dürfte, Professor«, wandte sich Madam Pomfrey an McGonagall, während sie die beiden Jungen zurück in ihre Kissen schubste, »dann verlassen Sie nun umgehend meinen Krankenflügel! – Den Schulleiter kann ich leider nicht dazu zwingen, aber…«
Sie verstummte jäh, als sie der Blick der Schreckschraube traf, die sie streng durch ihre viereckige Brille hindurch anglänzte, ganz so, als wollte sie sagen, dass man auch sie unmöglich dazu zwingen konnte, aus dem Krankenflügel zu gehen.
Doch Dumbledore wandte sich nun freundlich McGonagall zu: »Ich denke, Sie können hier in der Tat nicht viel weiter helfen, Minerva. Vielleicht fällt es Sirius und James ja leichter, zu reden, wenn nicht so viele Zuschauer anwesend sind.«
Er hatte es keineswegs in dem Ton eines Befehles gesagt, doch es war unmissverständlich, dass kein Widerstand geduldet wurde und so verließ die Schreckschraube mit einem letzten misstrauischen Blick zu Sirius den Raum.
Ein weiterer Blick Dumbledores auf Madam Pomfrey reichte aus, um auch sie grummelnd in ihr Zimmer zurückzutreiben (nicht ohne Dumbledore darauf hinzuweisen, er solle darauf achten, dass Sirius und James ihren Tee tranken).
Sirius' Gehirn unterdessen arbeitete auf Hochtouren. Sie wussten also vom Fluch Slytherins… aber wussten sie auch, wie viele Schulregeln er zusammen mit James (und natürlich mit Remus und Peter) missachtet hatte, um das herauszufinden? Begonnen bei ihren zahlreichen nächtlichen Ausflügen bis hin zum ›Ausleihen‹ Binns' Geschichtsbücher…
Und hatte es überhaupt noch irgendeinen Sinn, Dumbledore anzuflunkern? Der Direktor sah eine zeitlang gedankenverloren aus dem Fenster und sagte gar nichts, was Sirius nur noch mehr verunsicherte.
»So«, begann Dumbledore schließlich doch, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. »…Ihr versteht sicherlich, dass ich genau wissen muss, was sich zugetragen hat?«
Endlich eiste er seine Augen vom Fenster los und richtete sie direkt auf Sirius, der seinerseits lieber nicht in diese stechend blauen Augen sah.
Eine Pause trat ein, in der niemand etwas sagte. Sirius wusste, dass Dumbledores Augen noch immer auf ihm ruhten, aber er wagte es nicht, ihn anzusehen. Er hatte absolut keine Lust, über alles zu reden, was sich ereignet hatte, seit er zusammen mit James in die Kerker gegangen war… und das auch noch vor dem Schulleiter von Hogwarts!
Sein ganzes Leben hindurch hatte er von allen zu hören bekommen, was für eine Schande er doch war und besonders in diesem, seinem ersten Jahr in Hogwarts hatten ihn die Slytherins, Nigellus, Brewpot und Salazar Slytherin selbst immer wieder hartnäckig daran erinnert…
»Der Tagesprophet will einen großen Bericht darüber im Sonntagspropheten bringen und Fergus Wanderon möchte dich, Sirius, gerne persönlich zu ein paar Sachen befragen… Meine Geheimhaltaktion ist natürlich mal wieder gänzlich nach hinten losgegangen… und bei all dem Trubel wäre es doch recht peinlich für mich, wenn ich, als Leiter dieser Schule, von nichts eine Ahnung hätte«, fuhr Dumbledore fort.
Schließlich hielt es Sirius nicht mehr aus und er blickte letztendlich doch in die blauen Augen des Direktors. »Ich war's«, gab er mit tonloser Stimme fast unvernehmbar zu. »Ich war Schuld an allem.«
James im Nebenbett nippte verlegen an seiner Tasse, offenbar ohne sich in irgendeiner Weise an dem Gespräch beteiligen zu wollen.
»Das hier ist keine Frage der Schuld«, fuhr Dumbledore merkwürdig vehement dazwischen, ehe Sirius weiterreden konnte. »Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist an allem, wenn überhaupt wer, dann Salazar Slytherin schuld.«
Sirius hatte vor, nun, da er angefangen hatte, die Sache auch zu Ende zu bringen und so beichtete er weiter: »Ich hätte eigentlich nach Slytherin kommen sollen…«
Wenn er nun schon mal alles erzählen musste, dann würde er es schnell hinter sich bringen – mit der ganzen Wahrheit! Und so konnte er sich endlich mal das von der Seele reden, was ihm eigentlich schon das ganze Jahr über schwer zu schaffen gemacht hatte: »Sir, ich bin ein Black, da gibt es kein Pardon! Als Gryffindor habe ich meine Familie verraten, die ganze Black-Tradition, mein Blut und die gesamte Zaubererwelt…«
»Ich fürchte, du bist etwas von der Rolle, was nach euren Erlebnissen wohl kein Wunder ist…«, lächelte Dumbledore verständig.
War ja klar, dass er nicht ernst genommen wurde! Warum hatte er bloß überhaupt erst angefangen, davon zu reden? Doch im nächsten Augenblick wurde Dumbledore merkwürdig ernst. »Du bist das, was du bist, und ich muss ehrlich zugeben, dass ich an deiner Stelle sehr stolz darauf wäre – auf das, was du geschafft hast!«
Sirius versuchte mit aller Kraft, nicht James anzusehen, auch wenn er sich sicher war, dass der gerade Blickkontakt mit ihm aufnehmen wollte. Dumbledore unterdessen schien abermals äußerst interessiert an der Wetterlage draußen, denn sein Blick starrte einmal mehr aus dem Fenster in die klare Frühsommerlandschaft, was Sirius genug Zeit gab, sich wieder etwas unter Kontrolle zu bringen.
Dann, plötzlich, wandte sich Dumbledore unvermittelt wieder den beiden Jungs zu: »Du kannst den Tee ruhig trinken, sonst wird er noch kalt«, grinste Dumbledore und fügte dann verschmitzt lächelnd hinzu: »Er enthält auch sicher kein Veritaserum, das kannst du mir glauben!«
Da Sirius nicht wusste, was er sonst sagen sollte, schlürfte er etwas unbeholfen einen Schluck von dem – noch immer heißen – Getränk, sodass er sich die Zunge verbrannte.
Endlich meldete sich James zu Wort. Es klang, als würde er seine Worte sorgfältig auswählen, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen, doch diesmal sprach er nur die Wahrheit.
Sirius war es ganz recht so, dass James alles erzählte (und er ließ nichts aus, angefangen, als sie herausgefunden hatten, dass Slytherin einen Fluch auf die Schule gelegt hatte und dass Sirius' Somnambulismus damit zusammenhängen könnte, bis hin zu ihrem Duell mit ihm und dass er mehrere James' heraufbeschworen hatte, um Sirius hereinzulegen), denn so brauchte er selbst nur zuzuhören, was ihm in seiner Lage viel besser vorkam, als alles selber nochmals berichten und durchleben zu müssen.
Als James geendet hatte, trat abermals eine Pause ein, die Sirius unendlich lang vorkam, wenngleich sie nur ein paar Sekunden andauerte.
Dann meinte Dumbledore nachdenklich: »Ich muss ehrlich zugeben, ich bin beeindruckt.«
Sirius sah erstmals wieder verwundert zu James, der jedoch auch recht verwirrt schien und sich wiederum damit begnügte, einen Schluck zu trinken und sich in Schweigen zu hüllen.
»Salazar Slytherin war unter anderem bekannt für seine starken Lokillusionszauber. Einen solchen zu brechen wären die wenigsten Siebtklässler im Stande gewesen, würde ich meinen. Natürlich will ich dich in deiner Fächerwahl nicht beeinflussen, aber vielleicht solltest du in Erwägung ziehen, im dritten Jahr Illusion zu wählen…«
Dumbledore machte eine Pause, in der er gedankenversunken vor sich hinstarrte. Dann meinte er plötzlich völlig unvermittelt: »Ich finde, du hast außerdem das Recht, noch etwas zu erfahren, Sirius. Ich wollte es dir schon einmal sagen, als du… nunja, in mein Büro eingedrungen bist, aber vielleicht wäre es besser, wenn er es dir selbst sagt, damit du mir glaubst…«
Der Schulleiter zog aus seinem Mantel den Sprechenden Hut und setzte ihn an Sirius' Bettende.
Der Mundriss öffnete sich und der Hut wandte sich an Sirius: »Du hast mir doch nicht wirklich abgekauft, dass ich ausgezählt hab, oder! Ich habe immer gewusst, dass du nach Gryffindor gehörst.«
Sirius und James wechselten einen überraschten Blick, doch der Hut ließ ihnen keine Zeit, noch irgendeine Reaktion anzubringen, denn er fuhr ernster fort: »Ich wusste, dass irgendwann der Fluch erfüllt werden musste und ich empfand dich als den Richtigen, das auf dich zu nehmen. Wie ich sehe, hatte ich mit meiner Einschätzung gar nicht so Unrecht. Du hast einen der größten Flüche der Geschichte gebrochen. – Du kannst wirklich stolz auf dich sein, kleiner Black!«
Damit verstummte der Hut wieder und Dumbledore packte ihn zurück in seinen Umhang.
Sirius konnte es noch immer nicht fassen, dass sie einmal mehr ohne Bestrafung ausgekommen waren.
Dasselbe musste James eben auch bemerkt haben, denn er hakte ungläubig nach: »Soll das jetzt heißen, dass das Ganze keine Konsequenzen für uns hat?«
»Das wiederum habe ich nicht gesagt, James«, schmunzelte Dumbledore.
Das hätten sie sich eigentlich denken müssen! Schließlich konnte der Schulleiter es nicht unbestraft lassen, wenn seine Schüler sich einfach so über sämtliche Schulregeln hinwegsetzten, was sie eben sogar noch anstandslos zugegeben hatten…
»Ich würde sagen, hundert Punkte für jeden von euch dafür, dass ihr Hogwarts vor dem gänzlichen Verschwinden und somit vor der Schließung bewahrt habt!«
James starrte Dumbledore mit offenem Mund an, doch Sirius plagte immer noch etwas: »Aber Sir, wenn ich nicht nach Gryffindor gekommen wäre, dann hätte der Fluch doch gar nicht erst ausgelöst werden können!«
Zu seiner großen Verblüffung lächelte Dumbledore nur milde.
»Du hast es also noch nicht begriffen?«, fragte er sanft. »Es liegt nicht daran, aus welcher Familie man kommt, oder was die anderen von einem erwarten… Was zählt ist, was du selbst denkst, fühlst und wie du handelst!«
Mit diesen Worten erhob sich Dumbledore und ließ die beiden Jungs ohne ein weiteres Wort mit ihren Gedanken (die, jedenfalls in Sirius' Fall, nun noch wirrer schienen als zuvor) alleine.
Sirius und James mussten nicht lange im Krankenflügel bleiben (nachdem sie Madam Pomfrey ausreichend auf die Nerven gegangen waren) und auch die Befragung von Fergus Wanderon, der sie frühmorgens aufgesucht hatte, hatten sie schnell hinter sich gebracht, indem sie auch ihm die Geschichte – in leicht verkürzter und abgewandelter Form erzählt hatten.
Es war ein gutes Gefühl, endlich wieder in den Gryffindor-Turm einzutreten; Sirius freute sich sogar über die fette Dame, die ebenfalls aufgetaucht war und nun wieder wie eh und je vor dem Porträtloch zum Gryffindor-Turm hing – endlich kein nerviger Ururgroßvater mehr.
So quetschten sie sich in den voll besetzten Gemeinschaftsraum, um auch Remus und Peter alles detailliert zu berichten.
Um sie herum lärmten die Gryffindors, die alle nichts zu tun hatten, da ja Hogwarts jetzt logischerweise nicht geschlossen wurde, sie bis zum Ende des Schuljahres bleiben durften und die Lehrer nicht so richtig wussten, was sie noch unterrichten sollten.
Also hatten sie eine Woche frei, da sie die Zeugnisse erst am nächsten Montag bekamen. Die allgemeine Stimmung in dieser Woche war natürlich ausgelassen und beschwingt, weil sich alle freuten, dass das Unglück von Hogwarts abgewendet worden war und Sirius und James wurden als Helden gefeiert.
So verstrich die Woche wie im Flug, die sie unter anderem dafür nutzten, Hagrid und Fang in ihrer wieder aufgetauchten Hütte zu besuchen, und am Wochenende saßen die vier Freunde mal wieder alleine im Gemeinschaftsraum (da alle anderen Schüler bei der Hitze draußen im See badeten – freiwillig und nicht, weil es keine Waschgelegenheiten im Schloss gab – oder unter schattigen Bäumen auf den Schlossgründen faulenzten) und debattierten darüber, ob man über die Sommerferien auch in Hogwarts bleiben durfte.
Da sich hier die Meinungen allerdings teilten, reichte es Sirius irgendwann und er meinte: »Leute, raus in die Sonne!«
Augenblicklich verstummten seine Freunde in ihrer Diskussion und blickten ihn seltsam an, als er schon aufstand und zum Porträtloch ging.
»Schade…« James machte ein gespielt langes Gesicht. »…Er ist wohl doch kein Vampir!«
»Du hast schon einen Werwolf als Freund, James – ich denke, das sollte dir erst mal reichen«, scherzte Remus, ehe sie alle gemeinsam lachend das Schloss verließen.
Am Abend verabschiedete sich Remus von ihnen, um in die Heulende Hütte zu verschwinden, weshalb er sie bat, sein Zeugnis mitzunehmen.
Natürlich schnitten Sirius, Remus und James überdurchschnittlich gut ab. Selbst Peter hatte das Jahr mit Ach und Krach geschafft.
Sobald sie ihre Zeugnisse allerdings erst einmal hatten, wurde ihnen schmerzlich bewusst, dass ihnen nur noch eine Woche in Hogwarts für dieses Schuljahr bevorstand, und Sirius' Gedanken schweiften schon wieder langsam zum Grimmauldplatz 12, wo er zum ersten Mal, seit er ein Gryffindor geworden war, wieder seinen erzürnten Eltern gegenübertreten musste.
James bemerkte seine Schwermut und überredete ihn schließlich dazu, zu McGonagall zu gehen und sie zu fragen, ob sie beide nicht über die Ferien in Hogwarts bleiben dürften.
»…Schließlich würde ohne uns die Schule ja schon gar nicht mehr bestehen«, argumentierte Sirius.
Auf McGonagalls Stirn bildete sich schon wieder diese Falte, die nie etwas Gutes verhieß.
»Mr Potter, Mr Black, die Schulleitung ist Ihnen natürlich sehr dankbar, dass Sie Hogwarts gerettet haben, aber das verschafft Ihnen nicht die Erlaubnis, alles zu tun und zu lassen, was Sie wollen! Also packen Sie jetzt schön brav Ihre Koffer wie jeder andere Schüler auch und fahren Sie am Freitag mit dem Hogwarts-Express nach Hause! Ganz abgesehen davon, würden Ihre Eltern das sowieso nicht erlauben. Und jetzt gehen Sie zurück in Ihren Gemeinschaftsraum, es ist kurz vor acht!«
Damit knallte ihnen die Schreckschraube die Lehrerzimmertür vor der Nase zu.
Doch davon ließen sich die Jungs nicht die Laune verderben, sondern faulenzten die letzten Tage zusammen mit Remus und Peter.
In strahlendstem Sonnenschein lagen sie schließlich am Tag von Remus' Rückkehr aus der Heulenden Hütte unter einem Baum am See. Remus, diesmal wieder mit vielen Kratzern im Gesicht und einem selbst beigebrachten Biss im Arm, den er jetzt in einer Schlinge trug, schien schon wieder zu schlafen.
»Sag mal, was erzählst du eigentlich den anderen, wenn sie dich fragen, wo du die Verletzungen herhast?«, hakte Sirius irgendwann neugierig nach, ohne aufzublicken.
»Wahrscheinlich dasselbe wie uns bis vor einer Weile, du Superhirn«, grinste James neben ihm.
»Ach, wisst ihr, da alle wissen, dass ich mit euch befreundet bin, fragen sie gar nicht erst nach. Und wenn doch, dann sage ich einfach, wir hätten mal wieder ein ›neues Experiment‹ gemacht«, lächelte Remus mit geschlossenen Augen.
James und Sirius prusteten los. »Als ob wir geheime Experimente machen würden! Könnte uns doch nie einfallen«, wehrte sich James ironisch.
»Aber das tun wir doch«, sagte Peter im Halbschlaf.
»Tun wir?« Remus setzte sich überrascht auf.
»Nein!«, log Sirius schnell.
»Doch, das haben wir doch ausge…« Auch Peter öffnete die Augen, bemerkte aber noch immer nicht, dass er sich böse verquatscht hatte.
»Halt die Klappe, Peter!«, zischte James schnell.
»Sagt mal, Leute, ist da irgendwas, was ihr mir erzählen wollt?«, fragte Remus ernst und mit leicht gerunzelter Stirn, wobei er Sirius und James eindringlich musterte.
»Nein«, erwiderte Sirius erneut.
»Wir können ihn doch nicht belügen«, mischte sich Peter wieder mit ein.
Also war das ›Verplappern‹ Absicht von ihm gewesen!
Wütend knurrte Sirius ihn an, dann richtete er sich auf und blickte Remus in die Augen. »Wir haben beschlossen, dir zu helfen«, ließ er verlauten.
Verwirrt blickte der Werwolfjunge ihn an. »Mir helfen? Wie?«
»Wir hatten eigentlich vor, dir nichts zu sagen, falls es schief geht«, blaffte James in Peters Richtung.
Der gab sich Mühe, stark zu wirken, sank aber trotzdem etwas in sich zusammen.
»Was denn nun!« Remus wurde entgegen seiner Gewohnheit ungeduldig. Wahrscheinlich, weil es zur Abwechslung um ihn ging.
»Du weißt doch, was Animagi sind, oder?«, begann Sirius zu erklären.
Remus nickte selbstverständlich. Dann wurden seine Augen groß. »Aber… das könnt ihr nicht tun! Das ist viel zu gefährlich! Und außerdem… wie sollte ausgerechnet mir das helfen? Damit ich keine Freunde mehr hab, wenn ihr von der Schule geschmissen werdet!«
»Als Menschen können wir dir nicht nahe kommen, wenn du dich verwandelst« James senkte die Stimme zu einem Flüstern.
»Aber als Tiere«, hauchte Remus, der plötzlich verstand. Einen Augenblick lang sah er keinen seiner Freunde an, sondern blickte auf den See hinaus. »Das ist ja wirklich sehr nett von euch…«, fuhr er schließlich mit großer Überwindung fort. »Aber das könnt ihr nicht machen! Es ist viel zu gefährlich! Und außerdem wäre es illegal…«
»Du bist unser Freund, Remus. Wir werden das durchziehen. Und selbst, wenn du es nicht willst! – Du wirst uns doch nicht verraten, oder?« Sirius blickte Remus tief in die Augen, bis dieser dünn lächelte.
»Nein. Natürlich nicht. Aber ich verlange das wirklich nicht von euch, Jungs«, versicherte Remus noch einmal.
»Gut, dann wäre das ja abgemacht! Und wenn du uns nicht dabei helfen willst, werden wir dich nicht zwingen!« James stand auf und trat zu Peter, während er mit Remus redete.
»Ich helfe euch natürlich! Ohne mich seid ihr doch aufgeschmissen«, grinste Remus glücklich.
»Peter…«, sagte James jetzt drohend. »Hatten wir nicht ausgemacht, Remus nichts davon zu erzählen?«
»Na ja, ich wollte nicht unehrlich zu ihm sein…«, stotterte der kleine Junge schüchtern.
»Kommt schon, lasst ihn in Ruhe…«, schlug sich Remus halbherzig auf Peters Seite. Jetzt stand auch Sirius auf, der wusste, was sein bester Freund vorhatte.
»Aber Geheimnisse verrät man nicht einfach so, Peter. Ich finde, eine kleine Abreibung muss er dafür schon einstecken…«, grinste James. Zusammen mit Sirius packte er Peter am Umhang und mit Schwung warfen sie ihn in den See. Prustend tauchte Peter wieder auf, während die anderen drei lachten.
»Das war nicht fair! Zwei gegen einen!«, pikierte er sich. Doch dann musste auch er lachen.
Beim Abschlussfest am Donnerstagabend war die Große Halle von tausend Kerzen hell erleuchtet und die verzauberte Decke spiegelte eine wundervolle Abendstimmung wider, welche draußen herrschen musste.
Die ersten Sterne waren bereits aufgegangen und erstrahlten, je dunkler sich der Himmel draußen färbte immer kräftiger.
Die vier Gryffindors ließen sich glücklich an ihrem eigenen Haustisch nieder – endlich mussten sie nicht mehr zu den Ravenclaws, deren Tisch direkt neben dem der Slytherins stand.
Die Atmosphäre in der Großen Halle erinnerte Sirius sehr an die Auswahlzeremonie am Anfang des Jahres, doch diesmal war alles in den Farben Gryffindors geschmückt. Alle wussten, was das bedeutete: Gryffindor hatte die Hausmeisterschaft gewonnen.
Dementsprechend ausgelassene Stimmung herrschte am Gryffindor-Tisch, im Gegensatz zum Slytherin-Tisch, von dem nur unterschwelliges, böses Brummen herüberwehte, wahrscheinlich weil sie immer noch sauer waren, dass ein paar Erstklässler ihnen die Show gestohlen hatten.
Sirius trafen immer öfter hasserfüllte Blicke von Bella, Malfoy und ihrer Clique, doch schließlich erhob sich Dumbledore am Lehrertisch und bat mit einer anmutigen Handbewegung um Ruhe. Die Halle verstummte.
»Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kollegen, wir haben ein schweres Jahr hinter uns, das von vielen Verlusten geprägt war. Doch Dank zweier mutiger, hartnäckiger und nicht ganz regeltreuer Schüler konnte Hogwarts in letzter Sekunde gerettet werden. Deshalb gewinnt dieses Jahr auch ihr Haus die Hausmeisterschaft: Gryffindor!«
Von drei Haustischen erschallte heftiger Beifall zu Ehren Sirius' und James' – denn natürlich hatte es sich in Hogwarts noch am selben Tag ihres Duells mit Salazar Slytherin herumgesprochen, wem die Rettung Hogwarts' zu verdanken war. Nur am Tisch der Slytherins blieb es ruhig.
Sobald sich der Lärm gelegt hatte, fuhr Dumbledore fort: »Leider muss ich auch etwas weniger Erfreuliches verkünden: Einer unserer Lehrer wird die Schule morgen für immer verlassen, um seinem eigentlichen Beruf nachzugehen. Ich denke wir alle werden Professor Frederic Piler sehr vermissen!«
Der Schulleiter wies auf Frederic, der sich, angespornt von Highking, etwas verlegen erhob.
Als Dumbledore sich setzte, begann ihr ehemaliger Verteidigungslehrer: »Es war mir ein großes Vergnügen und eine Ehre, so lange Jahre euer Verteidigungslehrer gewesen zu sein. Ich hoffe, euch hat es genauso viel Spaß gemacht, wie mir. Ihr und eure Späße –«, Sein Blick flackerte kurz zu Sirius und James, »– werden mir sehr fehlen.«
Sobald er sich wieder auf seinem Stuhl niedergelassen hatte, erschallte abermals heftiger Beifall.
Sirius, James, Remus und Peter sahen sich allerdings ziemlich geschockt an, da sie es nicht fassen konnten, dass Piler ihnen davon vorher nichts erzählt hatte.
»Was heißt hier ›sein eigentlicher Beruf‹!«, hakte James skeptisch nach.
Sirius starrte noch immer ungläubig zum Lehrertisch, wo sich Piler eben mit McGonagall unterhielt.
»Den passen wir heute Abend noch ab und quetschen ihn aus«, knurrte er enttäuscht.
Doch seine traurigen Gedanken wurden von dem unerschöpflichen Essen unterbrochen, das in dem Augenblick auf ihren Tellern erschien. Endlich waren wohl auch wieder die Ofen in der Küche erschienen, denn so üppig hatten sie schon lange nicht mehr speisen können.
Sirius machte sich nicht erst die Mühe, an die Tür zu klopfen, sondern stürmte sofort mit James, Remus und Peter im Gefolge in Pilers Büro.
Der Verteidigungslehrer packte noch die letzten Sachen in einen Karton und schaute erstaunt auf, als die Gryffindors eintraten.
»Na Jungs, alles klar?«, grinste er etwas wehmütig.
»Nichts ist klar«, schnauzte Sirius ihn gleich an. »Wieso hast du uns nicht gesagt, dass du weggehst! Und was willst du jetzt eigentlich machen!«
Piler lächelte nachsichtig und erklärte ruhig: »Ich bin eigentlich Auror, Sirius, und im Moment treiben in Festlandeuropa ein paar Riesen ihr Unwesen. Vermutlich hat Voldemort seine Finger da mit im Spiel. Man braucht mich da dringender als hier.«
Sirius wusste nicht so recht, was er darauf sagen sollte. Piler und Auror!
Neben ihm japste Peter auf. Ob wegen der Tatsache, dass ihr Verteidigungslehrer sich als Auror entpuppte, oder weil er Voldemorts Namen ausgesprochen hatte, das wusste Sirius nicht. Es war ihm auch egal.
Es hatte schon etwas Aufregendes, dass Piler in Wirklichkeit ein Auror war. Andererseits war er ein wenig beleidigt, dass er es ihnen nie gesagt hatte!
James war es schließlich, der als erster das Wort ergriff. »Das meinst du nicht ernst! Das kann doch nicht alles sein«, regte er sich auf.
Ein ertapptes Lächeln huschte über Pilers Gesicht und schließlich gestand er: »Um ehrlich zu sein nimmt mich das mit Mat noch ganz schön mit. Ich muss einfach mal raus hier, ein bisschen Abstand kriegen.«
Eine kurze Pause entstand, in der Piler seinen Koffer schloss, dann meinte Remus ehrlich: »Sie haben uns wirklich viel beigebracht. Wird wohl ziemlich langweilig werden wenn Sie weg sind, aber trotzdem viel Glück!« Er warf James und Peter einen vielsagenden Blick zu, womit er zur Tür schritt. »Wir müssen dann noch packen!«
Die beiden verstanden wohl, denn sie verabschiedeten sich ebenfalls schnell und verließen dann das Büro.
Sirius blieb stehen und betrachtete den Fußboden vor sich. Als er die Tür zuschlagen hörte, sah er wieder auf. Piler stand noch immer lächelnd vor ihm.
»Also dann heißt es wohl Abschied nehmen«, seufzte Piler schließlich. »Ich war sehr gerne dein Lehrer, Hypnositeur und Vater«, grinste er. »Hab ich noch irgendwelche Gerüchte vergessen?«
»Seelenklempner und Babysitter, aber ansonsten war's das, glaub ich«, erinnerte Sirius ihn, wobei er ebenfalls grinsen musste.
»Ah, ja… stimmt«, entgegnete Piler, wieder eine Spur nachdenklich.
Einen Moment lang starrte er abwesend vor sich hin, in dem sich Sirius nicht traute, etwas zu sagen. Dann sah er einmal mehr lächelnd auf.
»Ich glaub zwar kaum, dass mein Nachfolger auch so ein guter Psychologe sein wird, wie ich –« Piler zwinkerte Sirius grinsend zu. »– aber trotzdem wünsche ich auch dir alles Gute für deine weitere Schullaufbahn!«
Sirius nickte dem Boden zu. »Ja, dir auch viel Glück«, wiederholte Sirius Remus' Worte, nickte dem Lehrer noch einmal zu und verließ ebenfalls das Büro.
Niedergeschlagen kehrte Sirius in den Gryffindor-Turm zurück, um ebenfalls noch seine restlichen Sachen zusammen zu packen. Er konnte es nicht fassen, dass er Piler nicht wieder sehen sollte.
Ihm waren schon die zwei Monate Ferien unendlich lang vorgekommen, in denen er sie alle nicht sehen würde, doch jetzt, wo Piler ganz weggehen würde… Warum konnte nicht Brewpot kündigen!
Wer wusste schon, wen sie nächstes Jahr in Verteidigung gegen die dunklen Künste kriegen würden…
Erst beim Packen fiel ihnen so richtig auf, wie viele Sachen das Jahr hindurch eigentlich verschwunden – und jetzt zuviel da waren.
Diejenigen, deren Koffer nicht wegen Slytherins Fluch verschwunden waren, hatten allerhand Probleme, all die Kleidungsstücke in ihren einen Koffer zu stopfen und baten schließlich ältere Mitschüler oder gar Lehrer, ihnen zu helfen.
Mit einem einfachen Schrumpfspruch war selbst das recht schnell geschafft, sodass der Heimfahrt im Hogwarts-Express nichts mehr im Wege stand.
»Charles, jetzt komm endlich her«, rief Peter verzweifelt durch die Massen auf dem Bahnsteig in Hogsmeade.
Er hatte seinen Kater die ganze Überfahrt über den See, bei der sich sogar Sirius von James überredet ausnahmsweise beteiligt hatte, festhalten müssen und einige Kratzer davongetragen.
Sirius musste zugeben, dass es wirklich ein schöner Anblick war, über den See zu fahren, aber es stimmte ihn ein wenig wehmütig, das Schloss in der Ferne kleiner werden zu sehen.
Nun wuchtete er seinen Koffer energisch in ein Abteil, um diesen Gedanken zu verjagen, während James die Vogelkäfige hinter sich herschleifte und sich noch immer über die Zettel aufregte, die sie bekommen hatten, auf denen stand, dass es ihnen in den Ferien nicht erlaubt war, zu zaubern.
»Die wollen einem auch wirklich jeden Spaß verderben! Das hätten die uns wenigstens früher sagen können, dann hätt' ich Snape noch mal so richtig verhext…« empörte er sich unentwegt.
»Sei froh, dass du den in den Ferien nicht sehen musst! Ich komm wohl kaum drum rum, ein paar Slytherins über den Weg zu laufen«, seufzte Sirius. »Wenn ich nicht gerade mit solchen Freaks wie Bella verwandt bin, dann sind es Freunde der Familie, wie Malfoy!«
»Wenigstens müssen wir den nächstes Jahr nicht mehr ertragen, wenn er die UTZe besteht…«
Remus saß schon lesend im Abteil, als endlich auch Peter die Tür hinter sich zuschlug. Seufzend ließen sie sich alle auf die Sitze fallen und winkten Hagrid, der zusammen mit Fang am Bahnsteig stand ein letztes Mal, ehe der Zug bereits losrollte.
»Mann, ich glaub's noch immer nicht, dass wir ein ganzes Jahr hier waren«, stellte James erstaunt fest.
Sirius schnaubte verächtlich. »Ja, und ich glaub's nicht, dass ich noch die ganzen Sommerferien bei meiner dämlichen Familie vor mir hab, bevor wir wieder zurück können«, raunzte er, trotz des prächtigen Wetters schlecht gelaunt.
»Ach komm, wir schreiben uns regelmäßig und irgendwie schaffen wir's schon, dass wir uns treffen können«, versicherte James.
Gerade wollte Sirius irgendetwas Patziges antworten, als die Abteiltür aufglitt und Specter hereingrinste.
»Na Kinder, froh, dass die Schule endlich vorbei ist?«, flötete er gut gelaunt.
»Nein, eher das Gegenteil«, meinte Remus hinter seiner Unendlichen Geschichte hervor.
Specter setzte sich neben ihn und griff unverschämt in James' Tüte Bertie Botts Bohnen.
»Ich hab diesmal ein ganz gutes Gefühl bei meinen UTZen. Ich glaube, dieses Jahr hab ich's wirklich geschafft«, grinste er stolz.
»Was willst du eigentlich danach machen?«, fragte Remus interessiert.
Andrew zuckte die Schultern und aß noch eine Bohne. »Vielleicht mach ich einen auf Lehrer, mal sehen. – Igitt, ich hasse rote Grütze!«, setzte er dazu und spuckte die Toffee-Bohne wieder aus.
»Ach, hier bist du!« In der Abteiltür stand ein hübsches Mädchen mit braunen, schulterlangen Haaren. »Kommst du? Wir feiern gerade unseren Abschied!«
»Okay, Jenny, komm sofort. – Also, Jungs, dann mal schöne Ferien!« Specter setzte den Gesichtsausdruck vom ÜV auf. »Und stellt ja nicht so viel Mist an!«
Dann zwinkerte er ihnen zu und verschwand mit dem Mädchen nach draußen.
Die vier Jungs vertrieben sich die restliche Heimfahrt im Hogwarts-Express mit Zaubererschach und vielen Süßigkeiten von der Hexe mit dem Teewagen.
Einmal schauten auch noch ihre Schlafsaalkameraden aus Ravenclaw und Gryffindor vorbei, und später sogar Anne, bis es auf Abend zuging, der Himmel langsam dunkler wurde und sie in den Bahnhof King's Cross einfuhren.
Sirius wurde richtig schwer ums Herz, als er aussteigen musste, doch James legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. »Wir bleiben in Kontakt! Halt die Ohren steif, Kumpel«, baute er ihn auf.
»Ja, du auch! Schöne Ferien!« Sirius zog seinen Koffer in Richtung Barriere, die vom Gleis neundreiviertel in die Muggelwelt führte.
»Ciao, Sirius! Bis demnächst«, rief Remus und winkte ihm. Sirius stutzte, als er auf Remus' Schultern Charles sitzen sah, dachte sich aber, dass die Katze schon immer besser zu Remus gepasst hatte und fand sich damit ab, dass sie nun wohl bei Remus bleiben würde.
Auch Peter winkte ihm noch lächelnd zu, bevor Sirius durch die Barriere verschwand. Seufzend entdeckte er seine Eltern auch schon auf dem Bahnsteig, die ihm mit düsteren Mienen entgegensahen.
Eigentlich wollte er jetzt mit ebenso finsterem Gesichtsausdruck und schlechter Laune auf seine Familie zugehen, doch er musste unwillkürlich an James denken und die Abenteuer, die sie im vergangenen Jahr durchlebt hatten – und beim Gedanken an seinen besten Freund und an dessen Versprechen, dass sie sich in den Ferien treffen würden, musste er unweigerlich breit grinsen.
Anmerkung an alle Leser, die bis hierhin gekommen sind: Danke, dass ihr meine FF gelesen habt und wenn ihr bis hierhin gekommen seid, dann seid ihr absolut verpflichtet, mir ein Review dazulassen. Gilt selbstverständlich auch für alle Schwarzleser, die sich hier spätestens mal outen können. Würd' mich nämlich mal interessieren zu sehen, wie viele ganz durchgekommen sind ;)
Anmerkung: Ich glaub's nicht! -Snief- Es ist vorbei! Das war's! Ende! Finito! Seid ihr auch alle so melancholisch bei dem Gedanken daran?
Es war wirklich schön mit euch und hat mir total viel Spaß gemacht! Ich möchte mich bei euch bedanken, dass ihr mir so treu geblieben seid und euch die Zeit genommen habt, mir ein Review dazulassen. Vielleicht sehen wir uns ja beim 2. Jahr wieder?
Na ja, da nun alles ein Ende hat, möchte ich noch ein paar Sachen ansagen. 1.: Ich habe mich entschieden und werde definitiv keine Pause einlegen, sondern gleich mit dem zweiten Jahr anfangen. 2.: Damit ihr das Jahr auch findet: Sucht nach „Das Erbe Merlins". 3.: Ich werde in den nächsten Tagen gleich noch ein „Kapitel" uploaden, da gibt's aber nichts Neues zu lesen. Da wird lediglich eine grobe Zusammenfassung drinstehen für all diejenigen, die das zweite Jahr lesen wollen, das erste aber nicht gelesen haben.
E N D E
