„Meister, es zieht ein Sturm auf! Wir sollten zurück zum Schiff!"
Uta Khin wußte, daß sein Padawan Recht hatte – bei dem zu erwartenden Unwetter würde niemand aus Teranu mit einem Raumer flüchten. Und die Werkstätten würden morgen früh auch noch da sein. Nachdem sie in Morial alle Werkstätten erfolglos abgesucht hatten waren sie zu dem zweiten kleinen Schmugglerhafen aufgebrochen. Doch hier bereiteten die Bewohner sich fast ausnahmslos auf eine stürmische Nacht vor und verrammelten Fenster und Türen, sowohl der Privathäuser wie auch der Läden. Der Jedimeister schaute hinauf zum Himmel und seufzte. „Sorassu, wir müssen uns hier eine Unterkunft suchen, bis zum Schiff werden wir es nicht mehr trocken schaffen..."
Wie zur Bestätigung zerriß ein gewaltiger Blitz das Firmament und fast gleichzeitig ertönte ein Donner, der sie fast taub gemacht hätte.
„Dort drüben – das scheint eine Pension zu sein!", rief Khin seinem Schüler zu und zog sich die Kapuze seines Umhangs über den Kopf um sich wenigstens ein bißchen vor den schweren Regentropfen zu schützen, die nun aus den schwarzen Wolken am Himmel mit aller Macht zu Boden fielen und die staubigen Straßen des Schmugglerhafens in eine schlammige Rutschpartie verwandelten.
Die beiden Jedi hämmerten gegen die schwere Ferrocrete-Tür, während der Wind die Regentropfen nun schon in der Waagerechten vor sich hin trug, mit sich Blätter und Zweige reißend, immer wieder wurde die Szenerie taghell von den Blitzen erleuchtet, nur um die Dunkelheit, die durch den ausgefallenen Strom noch unheimlicher wurde noch zu betonen.
„Ja doch, ich komme ja schon!", grummelte der niktorianische Verwalter der Pension und riss mit einer Magni-Lampe in der Linken die Tür auf: „Wer seid Ihr und was wollt Ihr? Zimmer habe ich keine mehr, nur noch Plätze im Schlafsaal!"
„Die nehmen wir!", riefen Khin und L'ee gleichzeitig und rannten durch die Tür ins „Foyer" der schäbigen Pension.
„Gut, gut... das macht dann dreihundert pro Person – inklusive Tribünenkarten für den morgigen Kampf!", erklärte der Niktorianer zufrieden und grinste, als er den Unglauben in den Augen seiner neuesten Gäste sah.
Die eh schon mehr als nur schummrige Beleuchtung des Schlafsaals wich nach einigem Flackern kompletter Dunkelheit. Nur wenige Übernachtungsgäste waren noch wach und ihr Gemurmel war leise und genervt.
„Was meinst du – ob der Halsabschneider so etwas wie einen Generator besitzt, damit der Strom wieder geht?", murmelte Shahi und rutschte wieder etwas von ihrem Bettnachbarn ab.
Darth Maul drehte sich auf den Rücken und starrte die unebene Decke ihrer Nische an – zumindest versuchte er es. Auch wenn seine Sehfähigkeit durch die Macht geschärft war, in totaler Finsternis konnte auch er nichts erkennen. „Ich würde nicht darauf wetten...", antwortete er leise und streifte mit den Füßen seine Stiefel ab, die er anschließend weiter in die Nische hinein stieß. Gut, die Sucbu hatte Recht gehabt als sie darauf bestand in einer Pension zu übernachten. In dem Unwetter das über ihnen tobte wäre es auf der Straße wohl wirklich etwas unbequem geworden. Unwillkürlich mußte er an einen Sturm in seiner Kindheit denken. In einer Zeit, bevor sein Meister in aufgenommen hatte. War das überhaupt möglich? Er war damals noch viel zu klein gewesen, um sich überhaupt noch an etwas erinnern zu können.
Er versuchte die aufkommenden Bilder und Gefühle zu verdrängen, aber es gelang ihm nicht...
Eine kalte und stürmische Nacht, der Wind peitscht den Regen um das Haus und ein kleiner Junge hat Angst, fürchterliche Angst. Es blitzt und donnert, der Junge friert und zittert, die Augen weit aufgerissen. In der Finsternis kommt ein Schatten auf ihn zu und umfängt ihn mit Wärme, streichelt ihn, singt, redet beruhigend auf ihn ein: „Alles ist gut, es wird dir nichts passieren, Khameir..."
Nein, das konnte nicht sein! Das konnte keine Erinnerung an seine Mutter sein, es durfte nicht sein... er hatte kein Leben bevor... er hätte sich niemals ungestraft fürchten dürfen! Furcht zieht Strafe nach sich, keine Wärme, keine Liebe... Für einen Moment irritiert spürte er etwas, das nicht körperlich war. Ein tastender Tentakel der Macht, schwach zwar, aber er spürte ihn. Ruckartig setzte er sich auf und flüsterte: „Sie sind hier! Sie haben uns gefunden!"
Er wollte schon sein Laserschwert ziehen, aber eine kalte Hand legte sich auf seine – eine Kälte, die sogar durch seine Handschuhe kam. „Nicht... leg dich wieder hin und mach keine Dummheiten!", wisperte Shahi und richtete sich etwas auf. „Sie haben uns noch nicht gefunden, sie wollen auch nur dem Sturm entkommen..." In Gedanken setzte sie hinzu :'Hoffe ich zumindest...'
Widerwillig löste er seine Hand vom Griff seines Schwertes und legte sich wieder hin, diesmal mit dem Gesicht seiner Begleiterin zugewandt. Er musste sich beruhigen, sie beide in der Macht verhüllen. Er hatte einen Auftrag und den wollte er zur Zufriedenheit seines Meisters erfüllen.
Ein matter Lichtstrahl fiel in die Nische, als der Verwalter mit den beiden Jedi an dem ungleichen Paar vorbeikam, um ihnen einen Schlafplatz zuzuweisen und erhellte für Sekunden Shahis lächelndes Gesicht. Als der Verwalter allein vom Ende des Saales zurückkam, beleuchtete er nur noch ein scheinbar schlafendes – Maul versuchte noch eine Weile, etwas in der folgenden Dunkelheit zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. Er lauschte auf das Geflüster der Jedi und der anderen Gäste, aber er hörte nichts Wichtiges. Die Jedi wollten ihre Suche am nächsten Morgen fortsetzen, also hatten sie die beiden Flüchtlinge, die nur ein paar Meter von ihnen entfernt vorgaben zu schlafen, noch nicht entdeckt.
Er atmete tief durch und versuchte seine Gedanken und Gefühle zu ordnen – so nah bei seinen Erzfeinden zu sein, verdammt dazu, unauffällig zu bleiben, frustrierte ihn. Und dann war da noch diese Frau, die sich gerade vertrauensselig an ihn kuschelte und in tiefen und gleichmäßigen Atemzügen Luft holte... Warum auch immer, er breitete seinen Umhang über sie beide aus und sank in einen nervösen Halbschlaf, jederzeit bereit, sie mit seinem Lichtschwert zu verteidigen.
Darth Sidious und Senator Palpatine unterschieden sich in ihren Ansprüchen, Zielen und Vorgehensweisen wie Tag und Nacht. Während der Sithlord nach der Herrschaft über die Galaxie gierte war Senator Palpatine ein Vorbild für die wenigen nicht korrupten Senatsmitglieder. Integer, Freund der Jedi, friedfertig und geduldig. Letzteres war das Einzige, was er außer dem Körper noch mit Sidious teilte. Es würde noch Jahre dauern, bis er sein Ziel erreichen konnte. Aber es hatte ihn auch Jahre gebraucht um seinen Schüler zu trainieren zu dem Krieger, den er brauchte.
Aber er brauchte auch noch einen Spion, jemand der in der Lage war, jede Verschwörergruppe zu infiltrieren, die den Zielen des Sithlords im Wege stehen könnten. Jemand, der sich verwandeln konnte, unkenntlich machen und mit der Macht vertraut war. Jemand wie eine Tochter des Sucbu-Ordens. Sein erster Versuch, mit dem Orden Kontakt aufzunehmen war fehlgeschlagen. Die Frauen trauten keinem Mann und machten ihm unmißverständlich klar, daß sie niemals mit ihm zusammen arbeiten würden. Ihr Hass auf die Jedi hatte sich in den vergangenen Jahrhunderten gelegt – sie führten ihren eigenen Orden weit abseits des Einflusses der Republik und der Jedi. Und sofern sich dies nicht ändern würde, wären sie auch nicht bereit, etwas an ihrem zurückgezogenem Lebensstil zu ändern.
Der ältere Mann, der so viele mit seinem treuen und ungetrübten Blick getäuscht hatte, lächelte schmal und die pure Bosheit blitzte in seinen Augen auf. Und wie er dafür gesorgt hatte, daß sich der Lebensstil der Sucbu änderte... Die Wabe auf Naboo war das erste Ziel gewesen. Dort war keine Meisterin und auch keine Schülerin, die seinen Vorstellungen entsprach. Er brauchte jemanden, der den Verlockungen der Dunklen Seite schneller erliegen konnte. Jemand unzufriedenen, noch nicht voll ausgebildeten. Er hatte damals den mentalen Schrei eines Zabrakjungen quer durch die Galaxis gespürt, die geeignete Sucbu in der Macht zu ertasten war schwieriger gewesen, aber nicht unmöglich.
Sein Schüler war dabei, gewisse Sympathien für die Sucbu zu entwickeln. Gut. Sie würden noch öfter auf einander angewiesen sein, zusammen arbeiten und ein gewisses Maß an Vertrauen brauchen. Je besser die beiden miteinander harmonisierten, desto größer der zu erwartende Erfolg. Lord Sidious spürte den aufkeimenden Hass auf die Jedi in der Sucbutochter, einen Hass den er nähren würde, der sie seinen Zielen und Vorstellungen näher brachte, der sie gefügiger machen würde.
Als das Türsignal erklang trat Darth Sidious zurück in den Schatten und Senator Palpatine setzte sich in seinem Lesesessel auf. „Ja, herein?" Er seufzte innerlich und verfluchte seinen Sekretär, der ihm neue Arbeit vorbei brachte. Viel zu kurz waren die Zeiten, in denen er seine Ruhe hatte...
Khameir Sarin, Darth Maul der Sith, fuhr innerlich zusammen, als die Jedi sich in den frühen Morgenstunden von ihrem Lager erhoben. Seine Feinde hatten abwechselnd gewacht und besprachen nun ihre weitere Vorgehensweise. Er belauschte das Gespräch durch die Schlafgeräusche der anderen Übernachtungsgäste hindurch und hielt die Augen geschlossen. Er spürte die Blicke der Jedi auf seinem Rücken, als sie die Nische passierten in der er lag, seinen Schützling im Arm und so harmlos tuend, wie er nur konnte.
Shahi richtete sich halb auf, gähnte und nickte den mißtrauischen Jedi freundlich zu – etwas, das Maul völlig aus dem Konzept brachte. Wie konnte sie nur so höflich den Mördern ihrer Mutter gegenüber sein? Er erhob sich und funkelte die Jedi böse an, dann wendete er sich ab und starrte seinen Schützling mißbilligend an, die das Spiel schnell begriff: "Ich wollte nur höflich sein...", flüsterte sie schuldbewußt und zog sich tiefer in die Nische zurück.
Uta Khin mußte sich ein Lächeln verkneifen – ein eifersüchtiger Zabrak könnte das unter Umständen als Aufforderung zum Kampf sehen. Und auffallen wollten er und sein Schüler nicht. Also deutete er eine Verbeugung an und zog seinen Padawan schnell weiter, hinaus aus dem Schlafsaal.
„Was war denn das?", fragte Sorassu L'ee irritiert als sie die Tür der schäbigen Pension hinter sich zuzogen und auf die Straße traten.
„Jemand der auf deine animalische Anziehungskraft etwas gereizt reagierte..." Ein breites Grinsen überzog das Gesicht des Jedimeisters, als er seinem Schüler zuzwinkerte.
„Aber wir haben doch nur..."
„Mach dir darüber keine Gedanken. Zabrak sind eitel, stur und nun einmal extrem eifersüchtig. Der Mann hat uns gestern Abend schon nicht gemocht und die Nacht nur halb geschlafen. Daß wir seine Gefährtin heute Morgen direkt angeschaut haben muß zu viel für ihn gewesen sein. Laß uns lieber herausfinden, wann die Werkstätten öffnen." Für Meister Khin war das Thema damit beendet – sie hatten Wichtigeres zu tun als sich Freunde zu machen.
Für Darth Maul allerdings noch lange nicht: „Wie konntest du nur?"
Shahi zuckte mit den Schultern und wühlte in ihrem Rucksack herum auf der Suche nach ihren Toilettenartikeln – die falschen Tätowierungen mußten nachgezeichnet werden, um im Tageslicht zu bestehen. „Sie wurden gerade mißtrauisch. Du musst deine Gefühle etwas besser kontrollieren wenn du es mit Jedis zu tun hast, mein Freund und Beschützer..."
Das konnte doch wohl nicht wahr sein! „Na, DU musst es ja wissen, Fräulein...", höhnte Maul und zog sich seine Stiefel an.
Sie ließ den weißen Stift und den Holospiegel sinken und fauchte: „Was soll das denn heißen, hä?"
„Noch nie von einem der letzten bewohnten Planeten der Galaxie weg gewesen, gerade mal aus den Mädchenkleidern raus und dann diese Weisheit... Ich erblasse vor Neid!" Er streifte sich seine Handschuhe über und kochte innerlich vor Wut.
Ihre restliche sichtbare Gesichtsfarbe nahm ein Hauch von zornigem Violett an, während sie sich weiterschminkte und erklärte: „Ich werde ab hier allein zurecht kommen. Du darfst deinem Meister bestellen, daß ich ihm einen Gefallen schulde."
Das war genug. „Und wenn ich dich an den Ohren nach Coruscant zerren muß: wir bleiben zusammen und du kommst mit! Ich habe einen Auftrag und den werde ich erfüllen!" Drohend baute Darth Maul sich vor der Schlafnische auf und einige der anderen Gäste huschten verängstigt aus dem Saal.
Shahi zeigte sich unbeeindruckt, packte ihre Sachen in den Rucksack und schickte sich an, an dem Sith vorbei zu kommen, als ein Krampf sie erneut durchzuckte. Stöhnend brach sie zusammen und Maul fauchte: „Ich sehe schon, wie gut du zurecht kommst!"
Er zögerte einen Moment, dann hob er ihren verkrampften Körper behutsam auf und legte sie auf das Lager. „Was guckt ihr so?", rief er den restlichen Gästen zu, die daraufhin fluchtartig den Schlafsaal verließen. Als sie allein waren setzte er sich auf die Kante der Nische und zog seufzend seine Handschuhe wieder aus. „Und was kommt nun?"
Shahi spürte, wie der Krampf sich löste und ihr Atem ging wieder langsamer. Auch wenn es ihr nicht angenehm war: der Sith hatte Recht. Allein kam sie in ihrem momentanen Zustand nicht weit und Geld hatte sie auch keines. Sie mußte die Verwandlung noch etwas weiter führen und dafür brauchte sie Zeit. „Pass bitte auf, daß mich keiner stört...", flüsterte sie und richtete sich unter Schmerzen auf, um in ihrem Rucksack nach dem Transformator zu suchen.
Der Sith nickte - etwas verwundert über das Wort „bitte" - und beobachtete, wie die Sucbu die kleine Statue einer weiblichen Gottheit aus ihrem Rucksack zog. Ein kleiner Schalter auf der Rückseite der Statue öffnete diese und enthüllte ein elektronisches Innenleben. Mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen legte sich die junge Frau mehrere Elektroden an den Körper und aktivierte den Transformator. „Gib mir zwei Stunden, das müsste reichen...", flüsterte sie und ließ sich zurück auf die Lumpen fallen.
Darth Maul zog skeptisch eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Er setzte sich vor die Nische und konzentrierte sich darauf, jeden der in den Saal wollte mit Hilfe der Macht davon abzubringen. Der Niktorianer der die Pension verwaltete erwies sich als relativ hartnäckig und stand alle zehn Minuten vor der Tür – und wurde ebenso oft von etwas anderen abgelenkt.
Der Sith säuberte nebenbei den Griff seines Lichtschwerts und hoffte, daß die Jedi nicht sofort auf die Werkstatt stoßen würden, in denen sein defektes Schiff stand...
A/N Brigitte: Danke für das liebe Review
