In ihren Eingeweiden kochte das Blut und sie hörte ihre Knochen knirschen, als diese langsam immer mehr die Struktur und Dichte eines Zabrak annahmen. Die Enden ihrer Nerven lieferten im Dauerfeuer Schmerzimpulse aber ihr Hirn war nicht so gnädig, sie in die Bewußtlosigkeit zu entlassen. Sie würde im Nachhinein nicht sagen können, wie lang die Prozedur gedauert hätte, wenn es rein nach ihrem Gefühl gegangen wäre. Aber sie würde wissen, daß es nur zwei Stunden waren. Darauf hatte sie den Transformator eingestellt. Vom Gefühl her vergingen die Minuten wie Stunden als ihr Körper die letzten möglichen Veränderungen durchmachte.
Shahi hatte bisher erst zwei Umwandlungen hinter sich. Geboren worden war sie als Twi'lek, als ihre Mutter noch auf Ilum im Auftrag der Obersten Wabe war, um Kristalle für die Lichtschwerter zu suchen, die der Orden dringend benötigte. Mit fünf Jahren wechselten Mutter und Tochter Ort und Gestalt und zogen als Menschen nach Dantooine. An diese erste Umwandlung konnte sie sich kaum noch erinnern. Nur noch an das Gefühl der Verlassenheit als ihre Lekku-Tentakel abfielen.
Die zweite Umwandlung war ihr wesentlich besser im Gedächtnis geblieben – ihr Umzug nach Nirauan und die Annahme der Chiss-Gestalt die sie bis zum vorherigen Tag behalten hatte. Und die Schmerzen waren nicht einmal ansatzweise mit dem zu vergleichen, was sie gestern an Bord des Sith erfahren hatte oder nun hier auf diesem Lumpenlager durchmachte. ‚Mutter, du hättest mich ruhig warnen können!' schoß es ihr durch den Kopf.
Aber ihre Mutter hatte sie ja gewarnt gehabt – eine Umwandlung in eine Spezies die noch nicht irgendwo in ihren Kerngenen verankert war, würde extreme Schmerzen verursachen und das Ergebnis nie vollkommen sein. Arla Sucbu, die Große Mutter ihres Ordens, hatte dies gewusst und ihre Anhängerinnen dazu aufgefordert gehabt, sich mit Angehörigen möglichst verschiedener Spezies zu „paaren". Und mehr war auch nicht gern gesehen. Sucbu führten keine romantischen Beziehungen mit Männern. Männer waren „Genspender". Sie hatten niemals Anteil an der Erziehung ihrer Töchter. An den Söhnen schon eher. Die Sucbu bildeten keine männlichen Nachkommen aus, bestenfalls wurden sie in die örtlichen Verwaltungen eingeschleust in Positionen, in denen sie dem Orden nutzen konnten. All das hatte Shahi schon gehört bevor sie richtig laufen konnte.
Aber es war nicht nur der körperliche Schmerz, der sie so leiden ließ. Auf den Schutz eines Mannes angewiesen zu sein schmerzte Shahi nicht weniger. Und sie hasste den Mann, der nun über sie wachte, der sie gerettet hatte vor einem feigen Attentat und sie zu seinem Meister in Sicherheit bringen wollte.
Shahi hätte ohne Mühe überall untertauchen können, auch hier auf diesem von allen Göttern des Universums verfluchten Planeten. Wie leicht oder wie schwer es geworden wäre den Sith abzuschütteln wagte sie nicht einmal zu vermuten – die Sith genossen zwar einen extrem schlechten Ruf, aber Dummheit oder Nachlässigkeit hatten nicht dazu geführt. Sie war neugierig und wollte wissen, was der ominöse Meister dieses Sith, der sich vor ihrem Lager sitzend langweilte, von den Attentaten wußte, warum die Jedi plötzlich an der Auslöschung des Ordens interessiert waren und – was noch viel interessanter war: warum die Sith dies verhindern wollten.
„Mein junger Padawan, wir haben ein Problem.", ließ sich Meister Khin vernehmen und sprach damit aus, was Sorassu L'ee schon länger ahnte. Alle Läden und Werkstätten hatten im Laufe des Vormittags geschlossen oder erst gar nicht geöffnet worden, denn alle Bewohner und Gäste von Teranu waren auf dem Weg in den Südteil des Raumhafens, zur Kampfarena. Überall an den Häuserwänden waren Plakate angebracht, die für das heutige Ereignis warben und bald liefen die beiden Jedi durch ausgestorbene Straßen. Nur vereinzelt huschten noch Gestalten an ihnen vorbei, die es ziemlich eilig hatten, zur Arena zu gelangen.
Uta Khin räusperte sich. „Wir fallen auf, wenn wir nicht auch zum Kampf gehen."
Sorassu L'ee verzog angewidert das Gesicht und deutete auf eines der Plakate: „Wie könnten wir auch bloß auf so einen kulturellen Hochgenuß verzichten wollen..."
„Andere Planeten, andere Sitten und Geschmäcker. Aber eines wissen wir ganz genau: während des Kampfes wird niemand am Schiff unserer Flüchtlinge arbeiten – auf Bakura haßt man Droiden, alle Arbeiten werden von Lebewesen ausgeführt. Und da alle Lebewesen beim Kampf sein werden..."
„... werden auch unsere Gesuchten dort sein um nicht aufzufallen, da sie ihr Schiff eh nicht vor Ende der Veranstaltung zurück bekommen können.", schloss der Padawan die Ausführungen seines Meisters und schüttelte sich innerlich vor Unbehagen, halbnackte Gamorreaner im Kampf mit irgendwelchen bemitleidenswerten Bestien beobachten zu müssen.
„Sorassu, wenn wir unseren Auftrag erledigt haben wird dich der Rat sicherlich sofort zur Prüfung zulassen. Du denkst schon wie ein vollausgebildeter Jedi und hast bereits alles von mir gelernt, was ich dir beibringen konnte!" Uta Khin legte seine Hand auf die Schulter seines Padawan und lächelte breit. ‚Was dir noch fehlt ist innere Ruhe und Geduld, mein Padawan, aber die kommen mit den Jahren', dachte er und hoffte inständig, möglichst bald nach Coruscant zurückkehren zu können. Auch wenn der Jedi sich mit seinem Vernichtungsauftrag abgefunden hatte so hieß das nicht, daß er nicht doch im Innersten an dessen moralischer Rechtmäßigkeit zweifelte. Er wollte in der Stille des Jeditempels meditieren und die vergangenen zwei Jahre hinter sich lassen. Nicht mehr und nicht weniger.
Seufzend machten die beiden Männer kehrt und steuerten die Arena an.
„Meister, glaubt Ihr, man hat den Bestien die Geruchsnerven durchtrennt vor dem Kampf?"
„Wie kommst du jetzt darauf?"
„Weil schwitzende Gamorreaner noch mehr stinken als so schon..."
Es fiel Meister Khin schwer, nicht laut loszulachen. „Ein wahrer Jedi – immer Mitgefühl für alle, sogar mit zum Tode verurteilten Bestien!"
Darth Maul hatte kein Mitleid mit den Biestern, die an diesem Tag hingeschlachtet werden sollten zur Unterhaltung der Arenabesucher. Mißmutig saß er neben seinem „Schützling" und starrte auf den staubigen Kampfplatz, wo gerade einige leicht bekleidete Damen zu schriller Musik tanzten und die Stimmung anzuheizen versuchten.
Immer wieder warf er einen verstohlenen Seitenblick zu Shahi, die sich angeregt mit der Veknoidin unterhielt, die neben ihr saß. Der Hotelbesitzer hatte anscheinend eine riesige Menge Karten im gleichen Block erstanden gehabt – zumindest waren sie umringt von ihren Schlafsaalgenossen der letzten Nacht. Und warum auch immer, Shahi pflegte Konversation mit den Umsitzenden, verbreitete gute Laune und ignorierte den dumpf vor sich hin brütenden Sith völlig.
Nachdem die Sucbu ihre Transformation abgeschlossen hatte, hatten sich die beiden fürchterlich gestritten. Maul wollte zu seinem Schiff, Shahi „der Tarnung wegen" zum Kampf. Als sie auf die verwaiste Straße hinaus traten wußte er, daß sie Recht gehabt hatte. Alles und jeder würde in der Arena sein; wenn sie sich davon ausgenommen hätten, wäre die Wahrscheinlichkeit das Mißtrauen der Jedi zu erwecken noch viel größer gewesen als durch Shahis Fast-Flirt am frühen Morgen und seiner gereizten Reaktion darauf.
Aber er würde das niemals zugeben. Bei seinen bisherigen Missionen war er immer von Lord Sidious begleitet worden und dieser zog es vor, immer und jederzeit die Öffentlichkeit zu meiden. Zumindest in seiner Rolle als Sith-Lord. Mit der Rettungsmission von Shahi war er das erste Mal völlig allein ausgezogen, aber spätestens seit ihrem ersten Zusammentreffen war ihm unterbewußt klar gewesen, daß sie mehr als nur ein Schützling war. Sie war Teil einer Lektion und hatte ihn vor einigen Fehlentscheidungen bewahrt – und er fühlte sich von ihr gegängelt.
Er hatte gelesen, daß die Sucbu sich in jeder Gesellschaft einfügen konnten. Daß es ihnen gelungen war, eine Balance zwischen Öffentlichkeit und Verstecken zu finden. Was Shahi gerade tat war Teil ihrer Erziehung und Ausbildung – Untertauchen durch Anpassung, Kontakte knüpfen und Gegner verwirren. Allerdings verwirrte sie nicht nur ihre Gegner, sondern auch ihn. Wenn er gestern noch das Gefühl einer gewissen Vertrautheit und Sympathie zwischen ihm und der Sucbu gespürt zu haben glaubte, so irritierte ihn die Welle von Hass, die ihm vor etwas über einer Stunde bei ihrem Streit entgegen geschlagen war.
„Sei wenigstens so gnädig und ziehe nicht ganz so ein mürrisches Gesicht, ja?", fauchte Shahi ihn leise an und beugte sich vor, um in ihrem Rucksack etwas zu suchen.
Maul knurrte und wendete den Blick nicht von den Tänzerinnen. Sollte sie sich doch unbehaglich fühlen. Immerhin hatte sie so ziemlich jedem dem sie seit Verlassen der Pension begegnet waren erzählt, daß sie einen Ehestreit gehabt hatten. Zumindest der Veknoidin. Okay, nur der Veknoidin. Aber das reichte Darth Maul schon um seine Wut noch mehr zu steigern. Was fiel diesem Weib eigentlich ein? Selbst wenn es so wäre, was ging das andere an? Sie hatten sich gestritten, lautstark, ja. Aber ein „Ehestreit"? Er musste doch sehr bitten!
„Mist. Ich dachte, ich hätte noch etwas zu essen dabei.", fluchte die Sucbu und gab die Suche in den Tiefen ihres Gepäcks enttäuscht auf.
Der Sith ließ sich nichts anmerken. Er konnte Tage ohne Nahrung und Schlaf auskommen wenn es sein mußte. Allerdings hieß das nicht, daß er nicht auch Hunger verspürte. Im Gegenteil, seit dem ungenießbaren Abendessen am Tag zuvor hätte er sogar einen gerösteten Gamorreaner verschlingen können. Vielleicht sollte er etwas Essbares auftreiben, BEVOR die schweineähnlichen Humanoiden in die Arena traten.
Mit unterdrücktem Seufzen stand er von seinem unbequemen Platz auf. „Warte hier und rühr dich ja nicht von der Stelle!", befahl er seiner Begleiterin und schickte sich an, über die anderen in ihrer Reihe Sitzenden zu klettern und sich auf die Suche nach Essen zu begeben.
Shahi nickte und schaute ihm wütend nach. Sie haßte diesen Befehlston. Aber wenigstens hatte er den Wink verstanden und reagierte so, wie sie es wollte. Sie hatte schon befürchtet gehabt, ihn darum BITTEN zu müssen, etwas zu Essen zu kaufen. Sie hatte kein Geld und mit Hilfe der Macht etwas zu ergattern könnte auffallen – besonders weil sie nicht wußte, wo die beiden Jedi gerade steckten.
„Ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser Sache..."
Meister Khin nickte und bestätigte damit die Worte seines Padawans. Die Arena war riesig. Mehrere Tausend Angehörige verschiedenster Spezies hatten sich auf den Rängen verteilt und lärmten vor sich hin, liefen durcheinander, warfen mit faulem Obst nach den Tänzerinnen, die sich redlich bemühten, in der Mitte des Kampfplatzes ihre Darbietung zu beenden.
Wenn es ihnen gelingen sollte, die flüchtige Sucbu und ihren Begleiter in diesem Trubel aufzutreiben mußte die Macht es schon mehr als nur gut mit ihnen meinen.
„Vielleicht sollten wir doch zuerst in Kasak nach ihnen suchen!", merkte Sorassu L'ee an und ließ seinen Blick weiter über die Menge schweifen.
Uta Khin zweifelte einen Moment an seinem Entschluss und war fast so weit, seinem Padawan erneut zuzustimmen. Dann regte sich etwas. Es war ein leichtes Zittern in der Macht, wahrscheinlich hatte sein Schüler nichts davon bemerkt, auch ihm wäre es wahrscheinlich entgangen, wenn er nicht einen letzten hoffnungsvollen Versuch gestartet hätte, die Zuschauerränge mit Hilfe der Macht abzutasten.
Der Jedi war sich nicht sicher, ob es die Sucbu war – auf diesen weit von den Kernwelten entfernten Planeten konnten immer wieder Machtbegabte übersehen werden, nicht für den Jediorden entdeckt werden. Vielleicht hatte er einen davon erspürt, aber...
„Laß uns zu unseren Plätzen gehen und das Schauspiel genießen, mein junger Padawan!" Mit diesen Worten zog er die unfreiwillig erstandenen Karten aus seinem Umhang und suchte nach Reihenbezeichnungen.
Darth Maul hatte sich flach gegen eine Säule gepresst und wagte kaum zu atmen. Keine zwanzig Meter von ihm entfernt standen die beiden Jedi und er hatte sich kurzfristig nicht unter Kontrolle gehabt. Wenn sie nun gespürt hatten, wie er sich schlagartig in der Macht verborgen hatte?
Und was noch viel schlimmer war: ihre Sitzplätze waren mit ziemlicher Sicherheit in der Nähe von Shahis und seinem. Sie würden stundenlang neben ihren Verfolgern sitzen – und nur die Götter konnten wissen, was sein „Schützling" in dieser Zeit alles anstellen würde!
Als er eine Blick um die Säule herum warf konnte er sehen, wie die Jedi sich aufmachten ihre Sitzplätze zu suchen. Gut. Was auch immer sie gespürt hatten, vorläufig hatten sie ihn nicht als Ziel ausgemacht.
Ein fliegender Händler kam vorbei und der Sith kaufte ihm eilig etwas Obst ab. Zumindest erschienen die rosafarbenen Früchte genießbarer zu sein als das, was man ihnen am vorherigen Abend in der Taverne serviert hatte. Und wenn sie doch nicht essbar waren konnten sie damit immer noch die Kämpfer in der Arena bewerfen.
Er hastete zurück zu seinem Sitz und drückte Shahi die Früchte in die Hand. „Sei vorsichtig mit dem was du tust und sagst, die Jedi sind hier.", flüsterte er ihr zu und setzte sich.
„Und was sollen wir jetzt tun?", fragte sie leise und sah sich verstohlen um.
„Nichts. Iss etwas von dem Obst und schau dich ja nicht um."
Maul nahm ihr ein Frucht aus der Hand und biss hinein. Was immer das auch war, es war süß. Und es löschte den Durst. Zumindest etwas. Shahi zögerte noch, doch als ihr Begleiter keine Anstalten machte das Obst wieder auszuspucken probierte sie selbst. „Hmm, dasch isch legga!"
Auch wenn er etwas ähnliches dachte war ihm die Reaktion der jungen Frau unangenehm. Konnte sie eigentlich nie so etwas wie Würde und Anstand wahren? Er rollte mit den Augen und flüsterte: „Hast du schon nachgeschaut, ob nicht doch ein Wurm drin ist?"
Shahi hörte auf zu kauen und Darth Maul verkniff sich ein Lachen als sie begann, ihre halb aufgegessene Frucht genauer zu untersuchen.
Einige Reihen hinter ihnen saßen mittlerweile die beiden Jedi und musterten die anderen Besucher in ihrer Umgebung.
„Meister, da vorn sitzen die beiden Zabrak aus der Pension von heute Morgen!"
„Ich weiß. Und eine Reihe tiefer sitzt der Ithorianer der heute Nacht so laut geschnarcht hat. Und nun sei still, der Kampf fängt an."
Nicht zum ersten Mal wunderte sich Sorassu L'ee über seinen Meister. Und auch nicht zum letzten Mal.
TBC
