Szene II
DER AZUBI, DER MANAGER, EIN KIOSKBESITZER, ANDERE
Abseits der Landstraße, kurz vor Paris. Eine Ausfahrt führt zu einer etwas größeren Imbissbude, in der Nähe einer Kleinstadt namens Meung. Dieser Rastplatz wird gerne als Motorradtreff gebraucht, unter anderem halten sich hier öfters die Hell's Angels auf. Heute scheint jedoch keiner aus der Gang da zu sein, stattdessen stehen drei andere Männer zusammen vor dem halb geöffnetem Fensterladen eines Kiosk. Alle drei sind in Motorradkluft, die Helme liegen bei ihren blankgeputzten Maschinen. Sie scheinen nur auf der Durchreise. Der Mann in der Mitte ist der Wortführer und er hebt sich von den anderen durch sein sicheres Auftreten, seine überlegene Art und seine äußere Erscheinung ab. Seine Designer Lederjacke und Hose sind in schwarz gehalten, ebenso ist es sein prächtiges, teures, PS-starkes Motorrad. DER MANAGER ist eindeutig etwas Besseres, unterhält sich aber prächtig mit seinen Gesprächspartnern. Er lächelt selten, lacht gar nicht und eine Narbe ziert seine Schläfe. In diesem Moment rollt tuckernd, qualmend, stinkend und langsam Moppi auf den Rastplatz.
DER MANAGER: (deutet auf Moppi) Nun seht einmal her, Messieurs! Solch eine Kuriosität findet man nicht aller Tage. In alten Scheunen gräbt man schon einmal solche Gefährte aus, aber das hier funktioniert sogar noch! Und diese einmalige Farbe, erinnert ein wenig an eine Butterblume. Eine, die schon lange nicht mehr gegossen wurde.
DIE ANDEREN: (lachen)
DER AZUBI: (steigt ab, aufgebracht) Hey, wenn Sie etwas über mein Moped zu sagen haben, können Sie es auch vor mir tun!
DER MANAGER: (mustert den Azubi) Ich spreche nicht mit Ihnen.
DER AZUBI: Aber ich spreche mit Ihnen! (eine Hand schon am Klappmesser)
DER MANAGER: Ah, natürlich. (Tritt näher, am AZUBI vorbei und mustert Moppi, insbesondere den Kühler) Zweifelos zählt dieses Fahrzeug einige Teekessel unter seinen Vorfahren, warum sonst sollte es derart dampfen, zischen und pfeifen?
DIE ANDEREN: (lachen noch lauter)
DER AZUBI: (umfasst das Klappmesser fester) Ha! Über mein Motorrad können Sie lachen, aber wagen es nicht über den Besitzer!
DER MANAGER: Ich lache, wenn mir danach ist. Und das ist äußerst selten.
DER AZUBI: Und ich will nicht, dass man lacht, wenn ich etwas dagegen habe!
DER MANAGER: So? Ja, das ist natürlich Ihr gutes Recht. (dreht sich damit um und geht auf sein Motorrad zu, greift schon nach dem Helm)
DER AZUBI: Stehengelieben! (zieht das Klappmesser hinter dem Gürtel hervor und - schnapp – schnellt die Klinge heraus.) Damit ich Sie nicht von hinten abstechen muss!
DER MANAGER: Mich abstechen? Mich? (halb verwundert, halb verachtend) Du bis verrückt, Kleiner. (leiser, wie zu sich selbst, aber gut für alle hörbar) Wie ärgerlich! Der wäre was für den Sicherheitsdienst, wo der Generaldirektorpräsident doch immer ein paar Deppen - das heißt, unerschrockene Kerls - sucht, die für Niedriglohn die Drecksarbeit in der Firma erledigen.
DER AZUBI: (hat genug Spott gehört, geht auf den MANAGER los, der gerade rechtzeitig zur Seite springt und sein eigenes Springermesser zieht. Aber jetzt regen sich auch DIE ANDEREN. Sie sind zwar unbewaffnet, aber in der Überzahl.)
DER MANAGER: Verdammte Vorstädtler! (steckt sein Messer wieder weg) Packt ihn auf seine Rostlaube und lasst ihn verschwinden!
DER AZUBI: (wehrt sich noch mit Erfolg gegen seine Angreifer) Nicht, bevor wir gesehen haben, ob meine Stiefel zwischen deine Zähne passen!
DER MANAGER: Bitte sehr, dann macht weiter! Der Kleine wird schon sagen, wann er genug hat.
(Der MANAGER beschränkt sich weiterhin aufs Zusehen. Ein gezielter Faustschlag gegens Kinn, und der AZUBI ist schließlich halb ausgeknockt. Der Helm bewahrt beim Sturz auf den Boden den Kopf vor schlimmeren. Wie nützlich.)
DER KIOSKB.: Ok, ich glaube, das reicht! Schluss Leute, hier gibt es nicht mehr zu sehen! (scheucht ein paar Schaulustige weg, die sich die letzten Augenblicke der Prügelei nicht haben entgehen lassen, winkt seinem Getränke-Lieferanten, den AZUBI und seine Klamotten in den Imbiss zu bringen. Der MANAGER folgt nach.)
