Der Kampf war das, was im Allgemeinen unter „barbarisch" verstanden wird. Was die grölende Menge aber nicht weiter störte. Ob nun ein Reek röchelnd seinen letzten Atem verströmte oder ein Kämpfer, der Applaus blieb der gleiche. Für Maul ein weiterer Beweis dafür, daß diese Galaxis zum Scheitern verurteilt war und es zwingend notwendig sei, eine einheitliche Kultur einzuführen.
„Was meinst du... stirbt der mit dem komischen Federhelm zuerst oder doch dieses Vieh?", fragte Shahi einige Zeit nachdem sie beide aufgegessen hatten und riss den Sith aus seinen düsteren Gedanken.
„Bitte was?"
„Ich fragte dich, wer zuerst stirbt: das Vieh oder der Dummkopf mit dem Federhelm, der schon so fast über seine eigenen Füße stolpert."
Maul starrte seine Sitznachbarin zuerst ungläubig an, dann beobachtete er kurz das Geschehen in der Arena. „Der mit dem zerfetzten Umhang und der Mistgabel."
Shahi runzelte die Stirn und beobachtete den kleinen Sullustaner genauer, der sich mit seinem Umhang bereits mehrfach in den Krallen des gereizten Borra-Wolfes verfangen hatte. „Stimmt. Der ist zuerst dran. Als Appetithappen." Sie kicherte leise und wie zur Bestätigung stöhnte die Menge laut auf, als der Kopf des Sullustaners unter den mächtigen Zähnen zerknirschte und im Magen des Biestes landete.
Als kurz darauf auch der Federhelmträger sein Leben aushauchte bemerkte der Sith ruhig: „Du lagst auch nicht so verkehrt." und lächelte unfreiwillig – ein Fehler, den er sofort wieder korrigierte und durch eine teilnahmslose Miene ersetzte.
Aber sie hatte es gesehen und fühlte sich bestätigt: wetten liegt jeder Spezies im Blut. Eine Zeitlang amüsierten sich beide damit, dann kamen die „Stars" in die Arena: ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Gamorreaner trat gegen einen Acklay an.
Darth Maul hatte keine Lust, bei dem Schlachtfest weiter zuzuschauen und stieß seine Begleiterin mit dem Ellenbogen leicht an: „Zeit zu gehen. Bei dem ersten Toten wird dir schlecht und wir verlassen die Veranstaltung."
„Warum muss MIR schlecht werden?", widersprach die Sucbu und zog eine Grimasse, „DIR könnte genauso übel werden!"
Auch wenn er irgendwie mit Widerstand gerechnet hatte, Darth Maul war sprachlos. Aber noch bevor seine Verblüffung in Zorn umschlagen konnte, begann Shahi bereits zu würgen und sich ihren Umhang vor den Mund zu halten – ob gespielt oder echt vermochte der Sith nicht zu sagen, auf dem Kampfplatz flogen gerade im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen. Blutige, stinkende Fetzen. Er stand auf und zog sie auf die Füße um mit ihr schnellstens das Weite zu suchen – bei der Veknoidin entschuldigte er sich beiläufig mit: „Die ersten Monate der Schwangerschaft sollen ja immer die schlimmsten sein..." und stieß die vor Wut erbleichte Shahi weiter vor sich her. Wenn sie schon einen „Ehestreit" gehabt hatten, konnte er sich auch mit einer kleinen Spitze rächen.
Shahi schimpfte und meckerte auf dem gesamten Weg von der Arena bis zur Werkstatt – Maul amüsierte sich königlich über Begriffe wie „sexistisches Etwas", „Vorzeigemacho" oder auch „ewig gestriger Patriarch" ohne auch nur die Miene zu verziehen oder gar zu antworten. Wenn er allerdings gehofft hatte, daß ihr irgendwann die Beleidigungen ausgehen würden, lag er weit daneben.
Sie war gerade bei „Chauvinistenschwein" angelangt, als sie geradewegs in seinen Rücken rannte: Maul war unvermittelt vor der Werkstatt in der sein Schiff stand stehengeblieben und rührte sich keinen Millimeter mehr. Die Tore waren geschlossen und das Gebäude wirkte so verlassen wie der Rest des kleinen Schmugglerhafens – während die Rufe und der Applaus aus der Arena noch leise zu hören waren.
„Und jetzt?", fragte sie und knirschte mit den Zähnen, als der Sith ihr Gepäck auf die Straße fallen ließ.
„Warte hier.", antwortete er knapp und verschwand in einer Seitengasse.
„Klar. Ich warte hier. Keine Frage, warum auch nicht?", meckerte sie vor sich hin, „Ist ja nicht so, daß mich zwei Jedis verfolgen. Oder es ziemlich auffällig ist, wenn ich mich als Einzige in dieser Straße aufhalte. Ist die perfekte Tarnung. Der Herr Supermacho wird's schon richten."
Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe und schaute sich skeptisch um – wohl war ihr ganz und gar nicht, aber zugeben wollte sie das mit Sicherheit auch nicht. Shahi war ja schon dankbar daß er nicht erkannt hatte, daß ihr Würgen einige Minuten zuvor nicht gespielt sondern echt gewesen war. Es lag nicht in der Natur der Sucbu, völlig mitleidlos zu sein. Und was zu viel war, war einfach zu viel. Zerfetzte Schweinehumanoiden zum Beispiel.
Darth Maul war auf der Rückseite des Gebäudes angelangt und untersuchte die Hintertür. Aufbrechen oder nicht aufbrechen? Er zögerte und trat einige Schritte zurück: Glück gehabt, einige Meter über ihm war eine Lüftungsklappe geöffnet. Wenn er jetzt die Macht benutzte waren sie hoffentlich weit genug von den Jedi entfernt, daß sie die Erschütterung nicht genau orten konnten. Er holte tief Luft und sprang.
Shahi, Tochter der Sucbu, Angriffsziel der Jedi und ausgestattet mit einem schwachen Magen und einer nicht geringen Menge von Ungeduld war gerade dabei, ihr Gepäck zu schultern und sich aus dem Staub zu machen, als die Werkstattore geöffnet wurden und ein grimmig aussehender Sith sie heran winkte.
„Steig ein, die restlichen Reparaturen erledige ich unterwegs." Er war wütend, weil nicht alles erledigt worden war, aber die Treibstoffkammern waren geflickt und nachgefüllt worden. Das sollte vorerst reichen um die Reise fortsetzen zu können. Außerdem dröhnte ihm der Schädel nach seiner unsanften Kontaktaufnahme mit der Lüftungsklappe. Er war sich zu sicher gewesen alles im Griff zu haben, ein Fehler, den Lord Sidious ihm schon oft vorgeworfen hatte. Jetzt hatte er sich selbst bestraft und dieses Wissen stimmte ihn nicht unbedingt fröhlicher. Seit Beginn dieser Mission war schon zu viel eigentlich einfaches zum Fast – Desaster geworden. Wenigstens war sein „Schützling" jetzt so gnädig und schwieg, auch wenn die Platzwunde auf seiner Stirn wohl kaum zu übersehen war.
Wütend knallte er die als Preis für die Reparatur abgemachten Creditchips auf den Schreibtisch des Werkstattbesitzers und folgte Shahi grummelnd ins Cockpit des kleinen, langsam veraltenden Schiffes. Er startete die Maschinen und schwebte langsam aus der Werkhalle, bevor er mit Hilfe der Macht die Tore zufallen ließ. Er folgte dem Straßenverlauf Richtung stadtauswärts und hielt sich so dicht über dem Boden wie es nur ging. Er wollte erst in halbwegs sicherer Entfernung ins All starten – das letzte Mal waren die Jedi auch sehr schnell auf ihre Spur gekommen, diesen Fehler wollte er nicht wiederholen.
Shahi beherrschte sich und schwieg. Ihr Begleiter war gereizt und alles was sie jetzt sagen könnte würde unweigerlich zu einer Explosion seinerseits führen. Erst als der Hyperraumantrieb gestartet war und sie weit außerhalb von Bukuras Sonnensystem waren, wagte sie zu sprechen: „Soll ich die Wunde versorgen?"
Maul schon unwillkürlich die Unterlippe vor: natürlich mußte sie darauf herumreiten. „Nein."
„Gut."
Sie schwiegen sich eine Weile lang an.
„Tee?"
„Nein."
„Mittagessen?"
„Nein."
Shahi setzte gerade wieder zum Sprechen an, als er sie anknurrte: „Hör zu: ich will nichts was du mir bringen könntest. Ich will dieses Schiff heil nach Coruscant bringen und habe noch einige Sachen zu reparieren. Geh in die Messe und lern etwas über die Republik, alle interessanten Daten sind über das Terminal dort abrufbar. Und vor allem: lass mich allein!"
„Wie du möchtest." Widerspruchslos erhob sich die junge Frau und verließ das Cockpit. Sie hatte auch keine Lust, seine schlechte Laune zu ertragen und die ganze Zeit in gespanntem Schweigen dazusitzen. Außerdem war es viel interessanter, sich über Coruscant schlau zu machen – immerhin würde sie in ein paar Tagen dieses politische und kulturelle Zentrum der Galaxie erreichen und wollte nicht völlig dumm aussehen.
Lord Sidious war zufrieden. Sein Schüler hatte sich gemeldet und berichtet, daß nun alles nach Plan laufen würde. Die Sucbu war friedlich und lerneifrig, der Sithschüler in seiner Eitelkeit etwas angekratzt und beide wieder auf dem Weg nach Coruscant. So weit, so gut.
Senator Palpatine hingegen war besorgt: „Wie – verloren?"
Mace Windu erwiderte den unruhigen Blick mit einer beruhigenden Geste: „Meister Khin und sein Padawan haben alle Systeme in der Nähe abgesucht, nirgendwo eine Spur. Wahrscheinlich sind die beiden Flüchtlinge auf Bakura geblieben und verstecken sich jetzt dort."
„Und dabei laßt Ihr es jetzt bewenden?", fragte der Senator und lief in seinem Büro auf und ab.
„Vorerst ja." Der Jedimeister schaute aus dem Transparistahl – Fenster und zuckte mit den Schultern. „Wichtiger als eine verschreckte Sucbu – Tochter erscheint Meister Yoda und mir im Moment die Sicherheit von König Veruna. Haben Eure Nachforschungen hinsichtlich der undichten Stelle im Palast schon etwas ergeben?"
Der Senator schüttelte den Kopf und setzte sich wieder auf seinen Amtssessel. „Nein, noch gar nichts. Der König weigert sich einzusehen, daß er einen Verräter in seinem Beraterkreis haben könnte und behindert die Überprüfung seiner Vertrauten maßgeblich." Er seufzte tief und blickte Windu direkt in die Augen: „Ich verstehe das nicht..."
„Der König sieht die Gefahr nicht weil er sie nicht sehen will.", antwortete der Jedi und erwiderte den Blick seines Gegenübers: „Wenn es Euch Recht ist, würden wir die Untersuchung gern übernehmen. Sorassu L'ee ist bereit für die Prüfung und könnte direkt danach zum Schutz des Königs verdeckt auf Naboo ermitteln."
Senator Palpatine schwieg einen Moment, dann beendete er den Blickkontakt abrupt und stand auf: „Als ich in die Politik ging war mir bewußt, daß ich es mit vielen Heimlichkeiten und Geheimnissen zu tun bekommen könnte. Aber ich hatte inständig gehofft, wenigstens MEINER Regierung gegenüber ehrlich bleiben zu können."
Mace Windu lehnte sich zurück: „Seht es so: wenn die Sucbu tatsächlich auf Rache sinnt wird sie unweigerlich früher oder später auf Naboo auftauchen. Und dort wird sie auf jemanden treffen, der in unsere Pläne eingeweiht ist und seinen Auftrag beenden kann mit ihrem Tod."
Außerdem war es Windu unangenehm, Sorassu L'ee für längere Zeit im Tempel der Jedi zu wissen. Auch wenn er bereit war für die Prüfung so war er dennoch ein Heißsporn, der sich unter Umständen verplappern könnte. Uta Khin hingegen war ein Jedi, der sein Wissen mit ins Grab nehmen würde. Ihm die erbetene Zeit der Ruhe und Meditation im Tempel nicht zu gewähren erschien Windu unangebracht.
„Ja, ich verstehe Eure Beweggründe. Wahrscheinlich habt Ihr Recht, wie immer." Palpatine setzte ein gezwungenes Lächeln auf und beendete das unruhige Auf- und Abgehen in seinem Büro. „Was soll ich dem König davon berichten?"
Sie hatte in den letzten Tagen alles gelesen was in der Datenbank über Coruscant zu finden war, jedes Bild angeschaut und virtuelle Rundgänge durch das Senatsgebäude gemacht, aber als sie in den Orbit um den Planeten stießen, verschlug es ihr die Sprache.
Darth Maul hatte sie zu sich ins Cockpit gebeten – überhaupt eine der wenigen Gelegenheiten wo sich beide im gleichen Raum aufhielten und schmunzelte innerlich über den Ausdruck des Staunens auf Shahis Gesicht. ‚Warte ab, bis du die Stadt riechst... besonders die unteren Etagen!', dachte er und sendete den Code, der ihm das Einschwenken in den planetaren Luftverkehr erlaubte.
Wenn er nicht gerade kopfüber in irgendwelchen Wartungsschächten gehangen oder seinen Astromech-Droiden zu schnellerer Arbeit angetrieben hatte, war er Shahi bewußt aus dem Weg gegangen. Er war nicht der Mann der vielen Worte, sie hingegen neigte zum Plappern – in Verbindung mit einem engen kleinen Raumschiff und einer tagelangen Reise nicht das, was er als vorteilhaft bezeichnet hätte. Also verschanzte er sich hinter Arbeit oder im Cockpit, während die Sucbu langsam aber sicher die Schiffsmesse vollmüllte. Überall hinterließ sie Geschirr, Datenkristalle, Kleidungsstücke und Essensverpackungen, eine Angewohnheit die ihn zur Weißglut getrieben hätte, wenn er sich mit ihr länger auseinandergesetzt hätte. Sollte sein Meister sich mit ihr beschäftigen, für ihn war das Kapitel hoffentlich bald abgeschlossen.
Immerhin hatte er sonst auch nichts mit den anderen Spionen von Lord Sidious zu tun – er trat erst dann auf den Plan, wenn sonst keine Informationen zu bekommen waren oder wenn es galt, Gegner aus dem Weg zu räumen. Sobald er seine Fracht abgeliefert hatte, würde alles wieder seinen gewohnten Gang nehmen.
„Wie kann man in so was leben?", fragte Shahi und starrte auf die Skyline des Hauptstadtplaneten.
Maul zuckte mit den Schultern und folgte dem Leitstrahl Richtung Republica 500, der feinsten Adresse von Coruscant, der Unterkunft der mächtigsten Senatoren und reichsten Handelsleute. „Man gewöhnt sich dran."
Die Sucbu schüttelte Erstaunen und Entsetzen ab und erhob sich. „Zeit meine Sachen zu Packen, schätze ich...", murmelte sie und verschwand im hinteren Bereich des Schiffes.
‚Genau. Schlaues Mädchen. Und wenn du schon dabei bist, räum auch gleich noch auf.', dachte der Sith und atmete tief durch, als er wieder allein war. Es wurde wirklich Zeit seinen „Gast" an Lord Sidious zu übergeben bevor noch ein Unglück geschah...
TBC
