Szene III
DER MANAGER, DER KIOSKBESITZER, DIE NACHTKLUBSÄNGERIN, DER AZUBI
Im Inneren der Imbissbude. Der AZUBI wurde nach oben in ein Zimmer getragen, der KIOSKB. kommt gerade herunter in den Wirtsraum. Der MANAGER sitzt an einem Tisch am Fenster und guckt hinaus. Draußen stehen noch immer ein paar Schaulustige und hoffen darauf, dass noch mehr geschieht.
DER MANAGER: All die Leute hier, dass passt mir gar nicht. Wie geht es dem Wüterich?
DER KIOSKB.: Der wird schon wieder. Was ist mit Ihnen, Monsieur?
DER MANAGER: Nichts passiert. Was ist jetzt mit dem jungen Kerl?
DER KIOSKB.: Hat einen ordentlichen Schlag verpasst bekommen und eben ganz das Bewusstsein verloren.
DER MANAGER: Tatsächlich?
DER KIOSKB.: Ja, aber vorher hat er sich noch mal kurz berappelt, gerufen und Sie herausgefordert.
DER MANAGER: (schüttelt den Kopf) Wahnsinnig. Das muss einfach ein Wahnsinniger sein.
DER KIOSKB.: Das glaube ich nicht so unbedingt. Wir haben seine Sachen durchsucht und bis auf ein lächerliches Taschengeld, Unterhosen zum Wechseln und seine Zahnbürste noch eine Bewerbungsmappe gefunden. Scheint an den Security Director gerichtet zu sein.
DER MANAGER: (plötzlich hellhörig) An den Security Director?
DER KIOSKB.: Jep.
DER MANAGER: Wirklich?
DER KIOSKB.: Wenn ich es doch sage!
DER MANAGER: (steht auf, geht ein paar Schritte durch die Stube. Spricht dabei zu sich selbst) Mist! Hat mir der Security Director den jungen Kerl auf den Hals gehetzt? Immerhin, ein Klappmesser ist ein Klappmesser, gerade, wenn ein kleiner Raufbold es in der Hand hat.
(laut) Wo ist dieser Heißsporn jetzt?
DER KIOSKB.: Oben, im Fremdenzimmer. Hat eine Platzwunde, meine Frau hat ihm eben eine Kopfschmerztablette gegeben und ihn verbunden.
DER MANAGER: Hm, wenn er auch eine Gehirnerschütterung hätte, wäre mir das nur recht. Ich habe keine Lust, ihm noch einmal zu begegnen. Solche Typen wie ihn kenne ich zur Genüge: Wo sie auftauchen, machen sie Ärger. Wo hat ihr seine Sachen hingelegt? Nicht, dass er gleich noch einmal mit seinem Messer auf mich losgehen will, wenn ich abfahre.
DER KIOSB.: Die Klamotten sind in der Küche. Aber... Sie wollen schon aufbrechen?
DER MANAGER: Mein Kaffee ist bezahlt, mein Motorrad voll getankt. Was soll ich hier noch?
DER KIOSKB.:(spöttelt) Ja, natürlich. Es ist ja nur ein junger Heißsporn...
DER MANAGER: (wirft dem KIOSKB. einen scharfen Blick zu, dessen Grinsen sofort verblasst. Der MANAGER wendet sich um und verlässt die Imbissbude) Verdammt, ich muss wissen, was in diesem Brief steht...
DER KIOSKB.: (zu sich) So, Freundchen. Eine Schlägerei vor meinem Kiosk anfangen und meine Kunden vergraulen, ja? Dich werde ich rauswerfen! (geht ab, zum Fremdenzimmer um seinen Worten Taten folgen zu lassen)
DER MANAGER: (kehrt zurück, sieht sich um. Zückt sein Handy und schreibt eine rasche SMS an den Vize-Chef der Firma. Dann setzt er seine coole Sonnenbrille auf und schleicht hinüber in die Küche)
Unterdessen vor dem Imbiss: Eine dunkle Limousine rollt beinahe geräuschlos auf den Parkplatz. Allenfalls etwas loser Kies knirscht unter den Rädern und natürlich drehen sich alle Köpfe neugierig dem Wagen zu. Aber niemand der Schaulustigen wagt es, näher zu treten. Allein der MANAGER, der soeben aus dem Imbiss tritt, nähert sich der teuren, luxuriösen Karosse. Ein Fenster wird im hinteren Fahrgastteil heruntergelassen und gibt den Blick auf eine junge, blonde Frau frei. Sie erinnert vom Aussehen her spontan sehr an Marilyn Monroe, allerdings wird das Wort „Glamour" ersetzt durch „Gefahr" und das Wort „Schauspiel" durch „Realität". Der MANAGER nimmt höflich seine Sonnenbrille ab, schaut zunächst rasch in die Limousine und redet dann leise mit der GEHEIMNISVOLLEN NACHTKLUBSÄNGERIN.
Leider ist das Gespräch nicht genauer zu verstehen, da es sich im Hintergrund abspielt, während vorne gerade der KIOSKBESITZER den noch immer sehr benommenen AZUBI, der einen Kopfverband trägt, aus dem Imbiss treibt.
DER KIOSKB.: Du kannst dir reichlich Ärger mit den Bullen einhandeln, Junge! Verschwinde besser, bevor wirklich noch jemand die Polizei ruft.
DER AZUBI: (stolpert aus der Tür auf den Parkplatz und sieht als erstes den MANAGER an der Limousine. Sein Zorn fällt ihm wieder ein und er nähert sich dem Wagen, wobei er auch einen Blick auf die Gesprächspartnerin seines Gegners wirft. „Süße Schnecke" geht ihm durch den Sinn, während er die letzten Gesprächsfetzen auffängt.)
DIE SÄNGERIN:Also hätte der Vize-Chef gerne...
DER MANAGER:...dass Sie sofort zur Arbeitnehmervertretung zurückkehren und bescheid geben, wenn der Funktionär die Außendienststelle verlässt.
DIE SÄNGERIN: Gut, und was sonst?
DER MANAGER:Wird Ihnen per verschlüsselter E-Mail zugesandt-
DIE SÄNGERIN: (lächelt zuckersüß) -die sich nach dem Lesen in fünf Sekunden selbst zerstört?
DER MANAGER: (erwidert ebenso honigsüß) Und den ganzen, teuren Laptop gleich mit? Nein, Mylady, das ist unprofessionell. Nur Anfänger gehen so vor.
DIE SÄNGERIN: Da Sie bekanntlich kein Anfänger sind, mein Lieber, was werden Sie nun tun?
DER MANAGER: Ich kehre zur Firma zurück.
DIE SÄNGERIN: Ohne dem jungen Rowdy Ihren berühmten Fausttanz zu zeigen?
DER AZUBI:(ist bei der Limousine angekommen. Der hochmütige Blick, dem ihm die Sängerin zugeworfen hat, ist ihm nicht entgangen und das stachelt seine Wut noch mehr an.) Der Einzige, der hier die Puppen tanzen lässt, werde ich sein! Diesmal läuft mir der Kerl nicht davon!
DER MANAGER: (dreht sich betont langsam um.) Davonlaufen?
DER AZUBI: Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie froh sein, davonkriechen zu können!
DIE SÄNGERIN: (Mahnend) Denken Sie daran, wir haben es eilig.
(Während ihr Fenster hochfährt, gibt sie dem Chauffeur eine Anweisung. Die Limousine rollt langsam vom Parkplatz.)
DER MANAGER: (schmunzelt, während er dem Wagen nachsieht) Wie Recht sie doch wieder hat.
(Läuft zu seinem Motorrad und springt in den Sattel und braust in die entgegengesetzte Richtung davon)
DER AZUBI: (steht in einer Abgas- und Staubwolke und hustet und spuckt. Als seine Augen nicht mehr tränen, läuft er ein paar sinnlose Schritte hinter dem Motorrad her.) Dreckskerl! Elender Feigling! Warmduscher! Frauenversteher!
(Die Platzwunde räuspert sich nachhaltig, um sich dem jungen Mann wieder ins Gedächtnis zu rufen. Dem AZUBI wird schwindelig und er geht in die Knie.)
DER KIOSKB.: (Erinnert sich plötzlich daran, dass der MANAGER zwar seinen Kaffee bezahlt hat, nicht aber das Sandwich, den Kuchen und das Snickers. Eilt zu dem AZUBI.) Ja, er ist ein ganz mieser Frauenversteher.
DER AZUBI: ...und ein Warmduscher... aber sie ist echt heiß.
DER KIOSKB.: Wer sie?
DER AZUBI: Die Braut in der Limousine... Mylady... (fällt wieder in Ohnmacht.)
DER KIOSKB.: (seufzt) Wieder eine zahlende Kundin weniger. Nun, das werde ich mir halt bei dem Typen hier wiederholen. Ein Fremdenzimmer, pro Nacht 35 €... Platzwunde, macht mindestens drei Tage... Ja, das ist besser, als Brot, Kuchen und ein Schokoriegel.
