Szene V

DER AZUBI, DER SECURITY DIRECTOR, ATHOS, PORTHOS, ARAMIS, ARZT, SEKRETÄRIN

Das Wachhaus! Nun, man kann nicht in dem Sinne von einem „Haus" reden. Vielmehr handelt es sich um einen ganzen Gebäudekomplex, der neben dem Hauptbüro noch über einen eigenen Parkplatz für die Motorräder der Wachleute verfügt. Zudem haben die Männer vom Sicherheitsdienst ihre eigene Kantine, ihre eigene Krankenstation und ihr eigenen Ausnüchterungszellen. Manche leben sogar in Appartements auf dem Gelände und so ist es kaum verwunderlich, dass immer einige Wachleute anwesend sind um zu zeigen: Wir sind die Größten!
Der AZUBI betritt das Hauptgebäude und sieht sich staunend um. Den Ärger mit den beiden Wachleute hat er für den Augenblick vergessen, zu sehr fesselt ihn das Gemache und Getue um ihn herum. Einige der Wachleute stehen in Gruppen zusammen und zeigen sich gegenseitig ihre Klappmesser, andere machen Mittagspause beim Kaffeeautomaten, wieder andere sitzen in ihren Büros hinterm PC und spielen Moorhuhnjagd – solange der Boss nicht hinguckt.

DER AZUBI: (zu sich) Der Boss, der Boss... Wo es hier wohl zum Security Director geht? (schaut sich um und entdeckt eine Treppe ins nächste Stockwerk.) Ich nehme lieber den Aufzug, dort vorne ist kein Durchkommen.

In der Tat ist die Treppe verstopft durch einige Wachleute, die sich gegenseitig ihre neuesten Straßenkämpfertricks demonstrieren. Der AZUBI ist sehr beeindruckt davon, dass die dabei benutzten Klingen nicht aus Gummi sind und auch keiner einen Helm trägt. Schnell schnallt er seinen eigenen Helm vom Kopf, setzt eine gewichtige Miene auf und schlendert zum Fahrstuhl. Während er wartet, gesellt sich eine Dame neben ihn. Sie hat einen Kaffeebecher in der Hand, ein paar Papiere unter den einen Arm geklemmt und das Haar zu einem strengen Knoten hochgebunden. Sie mag um die 40 Jahre alt sein und macht ganz den Eindruck einer Sekretärin, die schon alles gesehen und erlebt hat. Wahrscheinlich muss man beim Sicherheitsdienst als Frau abgebrüht sein. Sie schenkt dem AZUBI nicht einmal einen Seitenblick, sondern wartet, vertieft in eine Zeitung in ihrer anderen Hand, auf den Aufzug.

AUFZUG: Ping! (die Tür geht auf, einige Leute steigen aus, achten darauf, die Sekretärin dabei nicht anzurempeln, dafür den AZUBI)

DER AZUBI: (lässt sich in Gegenwart einer Dame das unhöfliche Benehmen ausnahmsweise gefallen. Als der letzte Fahrgast ausgestiegen ist, streckt er einladend eine Hand zum Fahrstuhl.) Nach Ihnen, Ma'am.

SEKRETÄRIN: (runzelt ein wenig die Stirn und sieht zum AZUBI, als würde sie ihn erst jetzt bemerken. Mustert ihn kurz und scheint dann zu beschließen, Nachsicht walten zu lassen.) Danke.
Die beiden steigen ein, die Aufzugstüren schließen sich surrend.

SEKRÄTERIN: (Klemmt sich die Zeitung ebenfalls unter den Arm, hebt eine Hand zu den Etageknöpfen und schaut fragend zum AZUBI.)

DER AZUBI: Oh, äh... Zum Büro des Security Directors, bitte.

SEKRETÄRIN: (drückt den Knopf und schaut dann nach vorne auf die Tür.)

DER AZUBI: Ich habe nämlich einen Termin.

SEKRÄTERIN: So?

DER AZUBI:Ja. D'Azubi, Ma'am.

SEKRETÄRIN: Aha.

DER AZUBI: (beschließt, dass er jetzt besser den Mund hält. Vielleicht ist das hier gar nicht die Sekretärin vom Boss oder sie will sich nicht daran erinnern, dass jemand seines Namens einen Termin gemacht hätte. Die restliche, kurze Fahrt vergeht schweigend.)

AUFZUG: Pling.

Der AZUBI lässt der Dame erneut den Vortritt. Sie sind jetzt in einem Vorzimmer angekommen. An der rechten Seite befindet sich die Rezeption, an der alle Besucher, ob sie nun die Treppe oder den Aufzug nehmen, zwangsläufig vorbeigehen müssen, wenn sie zum Büro des Security Directors wollen. Momentan ist die Rezeption verwaist, aber jetzt tritt die Sekretärin dahinter, stellt den Kaffee ab, legt die Papiere daneben und durchforstet dann, ohne sich zu setzen, den PC. Unschlüssig bleibt der AZUBI stehen und wartet ab.

SEKRETÄRIN: (sieht auf) Name?

DER AZUBI: D'Azubi...

SEKRETÄRIN: (blickt wieder auf den Bildschirm) Ja, hier steht etwas... Aber der Termin war bereits gestern.

DER AZUBI: Ich wurde aufgehalten in Meung.

SEKRETÄRIN: Meung?

DER AZUBI: Beim Motorradtreff, Ma'am. Es kam zu einer Prügelei...

SEKRETÄRIN: (mustert ihn scharf) Haben Sie die Nacht etwa im Gefängnis verbracht?

DER AZUBI: Aber nein, Ma'am! Sie waren in der Überzahl und haben mich nach langem Kampf niedergeschlagen. Der Kioskbesitzer hat mich beherbergt, bis ich-

SEKRETÄRIN: Nun, wie auch immer. Der Termin ist jedenfalls schon verstrichen und der Security Director hat keine Zeit für außerplanmäßige Besuche. Ich fürchte, Sie werden sich einen neuen Termin geben lassen müssen. In etwa einem Monat dürfte etwas frei sein.

DER AZUBI: Ein Monat! Das ist zu spät!

SEKRETÄRIN: So eilig, junger Mann? Es tut mir leid, aber da wird sich leider nichts machen lassen. Der Boss ist eine vielbeschäftigte Persönlichkeit, da könnte ja jeder kommen.

DER AZUBI: Na, aber ich bin doch nicht jeder, Ma'am. Ich bin der Sohn eines alten Freundes.

SEKRETÄRIN: (schaut zweifelnd) Das behaupten Viele. Manchmal entspricht es sogar der Wahrheit, aber deswegen hat der Security Director trotzdem keine Zeit für Sie.

DER AZUBI: Lässt sich denn da gar nichts machen? Sie könnten doch bestimmt ein gutes Wort für mich einlegen. (setzt sein charmantestes Lächeln auf)

SEKRETÄRIN: Ich weiß nicht, ob ich das kann...

DER AZUBI: Bitte? Bitte, bitte? Bitte, bitte, bitte?

SEKRETÄRIN: (zögert noch einen Moment, dann zuckt ein kurzes Lächeln in ihren Mundwinkeln.) D'Azubi, ja?

DER AZUBI: Ja, Ma'am. Mein Vater und der Security Director sind zusammen zur Polizeischule gegangen.

SEKRETÄRIN: (greift wieder nach dem Kaffeebecher und den Papieren, kommt hinter der Rezeption hervor.) Nehmen Sie dort vorne Platz, Sie werden aufgerufen. Ich werde sehen, was ich tun kann.

DER AZUBI: (freudestrahlend) Vielen Dank, Ma'am!

Die Sekretärin schüttelt leicht den Kopf, dann geht sie zum Arbeitszimmer des Security Director. Der AZUBI versucht, einen Blick in den anderen Raum hinein zu erhaschen, aber die Sekretärin betritt das Büro und schließt die Tür hinter sich, bevor der junge Mann etwas sehen kann. Mit Herzklopfen vor Aufregung setzt sich der AZUBI auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Vorzimmers und wartet. Außer ihm ist hier niemand, aber aus dem Treppenhaus sind die Geräusche der Wachleute und des allgemeinen Betriebs im Gebäude zu hören. Der AZUBI versinkt für einen Augenblick in süße Tagträume über zukünftigen Reichtum, über Ruhm und Ehre.

SEKRETÄRIN: (über Lautsprecher) Monsieur d'Azubi, Sie werden im Büro des Security Directors erwartet.

DER AZUBI: (springt auf) Komme sofort! (Er hält verdutzt inne. Dann grinst er über sich selbst, dass er laut gerufen hat, räuspert sich kurz, zupft seine Kleidung noch einmal zurecht und betritt dann das Büro.)
Als er das Arbeitszimmer betritt, fällt der erste Blick des AZUBIS auf den unbesetzten Schreibtisch gegenüber. Verwirrt sieht er sich um, wo der Boss sein könnte, er entdeckt allerdings nur die Sekretärin am Fenster. Sie lehnt entspannt gegen das Fensterbrett, nippt an ihrem Kaffee und liest wieder in der Zeitung.

SEKRETÄRIN: (ohne aufzusehen) Schließen Sie die Tür, die Heizkosten sind schon wieder gestiegen. Es wäre Verschwendung, den Flur von hier aus mit zu beheizen.

DER AZUBI: Ja, Ma'am. (schließt die Tür, noch immer verwirrt.) Wo...?

SEKRETÄRIN: (sieht von der Zeitung auf?) Ja?

DER AZUBI: (verlegen) Ähm... wo ist der Security Director? Ich dachte-

SEKRETÄRIN: (guckt auch einen Moment verwirrt. Dann grinst sie) Verzeihung, wie unhöflich von mir.

(Sie geht zum Schreibtisch und setzt sich in den großen Bürosessel dahinter. Sie legt die Zeitung beiseite, den Kaffee hält sie aber fest und deutet einladend auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch.) Setzen Sie sich doch, junger Mann. Und starren Sie nicht mit offenem Mund, das sieht albern aus.

DER AZUBI: Oh, ich... Ich... oh! (ist komplett baff.)

SECURITY DIRECTOR: (seufzt leise) Ich bin mir sicher, ich habe deutlich gesprochen und ich weiß darüber hinaus, dass Sie nichts an den Ohren haben. Sollte es dennoch Zweifel geben: Das war ein Befehl, keine Bitte!

DER AZUBI: (beeilt sich jetzt, der Aufforderung nachzukommen und setzt sich auf den Stuhl. Druckst verlegen herum.) Ich... äh, Verzeihung. Ich glaubte... also... Der Security Director wäre... Nunja...

SEC. DIRECTOR: Haben sie einen Sprachfehler?

DER AZUBI: (atmet tief durch und fängt sich wieder halbwegs) Nein, Ma'am.

SEC. DIRECTOR: (runzelt etwas die Stirn) „Ma'am" lasse ich im Notfall auch gelten. Die korrekten Anreden lauten allerdings anders. Viele Sätze mir gegenüber Enden mit: „Ja, Sir!", „Sofort, Director!" oder „Verstanden, Captain!"

DER AZUBI: Verstanden, Ma'a... Captain! (fühlt sich sehr klein und sehr dumm.)

SEC. DIRECTOR: (etwas milder) Nun, offensichtlich wussten sie nicht bescheid. Ich gebe zu, die englische Berufsbezeichnung kann irreführend sein. Es ist aber auch wirklich eine Schande!

DER AZUBI: (vorsichtig) Äh, was ist eine Schande, Director? (Befürchtet einen feministischen Vortrag und legt schon einmal die Ohren an.)

SEC. DIRECTOR: Der Kaffee! Kaum ist mein Adjutant einmal krank, muss ich ihn mir selbst holen und da ich leider keine Zeit habe, bis zur Kantine zu laufen, bleibt nur das Gesöff aus dem Automaten unten. Zu lauwarm, zu dünn und schmeckt wie schon zweimal getrunken. (seufzt erneut und schmunzelt verträumt) Aber einer Kaffeesüchtigen ist nun einmal nicht zu helfen...

DER AZUBI: Äh... Ja, Sir!

SEC. DIRECTOR: (wieder ernst) Nun, Sohn eines alten Freundes, was kann ich für Sie tun?

DER AZUBI:Ich würde gerne Wachmann beim Sicherheitsdienst werden, Sir.

SEC. DIRECTOR: Ja, das wollen sie alle. Mieses Gehalt, lausige Arbeitszeiten, Dienst bei jedem Wind und Wetter. Und trotzdem wollen sie alle Wachmann in der Firma sein. Warum nur?

LAUTSPRECHER: (irgendeine männliche Stimme) Entschuldigung, Frau Security Director? Die Herren wären nun da...

SEC. DIRECTOR: (drückt einen Knopf auf der Gegensprechanlage) Ah, endlich! Herein mit ihnen!

Der SECURITY DIRECTOR (wir bleiben bei „der", denn „die Security Directoress" klingt blöd) steht auf und tritt um ihren Schreibtisch gerade in dem Moment, in dem die Tür zum Büro aufgeht und PORTHOS und ARAMIS eintreten. Sie stehen vor ihrem Boss und schauen überall hin, nur nicht zum SECURITY DIRECTOR.

SEC. DIRECTOR: (geht ein paar Schritte auf und ab, bleibt dann wieder vor ihren Untergebenen stehen) Wissen sie, was mir gestern Abend der Generaldirektorpräsident gesagt hat, wissen sie das, meine Herren?

BEIDE WACHLEUTE: Nein, Ma'am, das wissen wir nicht.

SEC. DIRECTOR: (erzwungen ruhig) Er hat mir gesagt, er werde in Zukunft seine Wachleute bei den Hell's Angels rekrutieren.

PORTHOS: Bei der Gang des Vize-Chef? Warum das denn?

SEC. DIRECTOR: (jetzt sehr wütend) Weil in jener Gang offensichtlich noch gewusst wird, wie man ein Klappmesser richtig zu handhaben hat! Jawohl, meine Herren! Der Vize-Chef hat es gestern beim Geschäftsessen mit achso bedauernder Miene erzählt, dass ein paar Wachleute wohl in der Kantine die Öffnungszeiten nicht eingehalten hätten und man sie deswegen verhaften wollte. Wachleute! Verhaften! Und wessen Namen sind da wohl gestern gefallen? (geht wieder auf und ab, bleibt dann erneut vor den beiden Wachleuten stehen)
Sie, Aramis, warum sind Sie Wachmann geworden? Als Model in Frauenzeitschriften würden Sie sicher mehr taugen! Und sie Porthos! Gewichtstemmen bei den olympischen Spielen, ja, aber nicht ein Klappmesser aufbekommen, was? Und Athos- Ja, wo steckt er überhaupt?

ARAMIS: Ist krank, Sir. Sehr krank.

SEC.DIRECTOR: Die Krankheit kenne ich! Nennt sich „Kater"!

PORTHOS: Nein, Captain. Wir fürchten, es ist eine dicke Grippe.

SEC.DIRECTOR: Grippe, ja? Feine Geschichte, die Sie mir da auftischen. Wahrscheinlich ist er grün und blau geschlagen worden!
(holt Luft für eine neue Schimpfsalve. Sie schimpft sehr beeindruckend, nicht keifend, sondern vor allem durchdringend. Der AZUBI versucht, sich so klein und unauffälig wie möglich zu machen.)
Meine Herren, ich dulde es nicht, dass man sich auf diese Weise in der Kantine herumtreibt, überall Streit sucht und sich dann von den Hell's Angels fertig machen lässt! Ja, die von der Gang würden sich bestimmt nicht einfach verhaften lassen. Und sie würden sich eher ganz totschlagen lassen, als nur mit ein paar Prellungen davonzukommen! Davon zu laufen! Was für eine Stümperei!

BEIDE WACHL.: (Wissen nicht, was sie sagen sollen)

SEC. DIRECTOR: (noch wütender) Die Wachleute lassen sich von den Hell's Angels vorführen! Sechs Wachleute verprügelt von sechs Gangmitgliedern! Ich werde auf der Stelle zum Louvre gehen und vom Generaldirektorpräsidenten meine Entlassung fordern. Ich werde bei den Hell's Angels fragen, ob sie noch eine Rockerbraut aufnehmen und wenn das nicht geht, werde ich Putzfrau beim Vize-Chef!

PORTHOS: (knetet die großen Hände und sieht dann wieder auf. Erklärt:) Es waren zwar sechs gegen sechs, aber die Kerle haben uns hinterrücks überfallen! Zwei von uns wurden niedergestochen, Athos schwer verwundet. Zu dritt haben wir sie noch fertig gemacht!

SEC. DIRECTOR: (etwas besänftigt) Davon hatte ich keine Ahnung. Der Vize-Chef hat, wie es scheint, übertrieben.

In diesem Moment geht die Tür zum Büro auf und ATHOS tritt ein. Er sieht sehr blass aus, dunkle Ringe unter den Augen, eine Säufernase. Er hält offensichtlich nicht viel von Frisuren, sodass ihm seine Haare strähnig auf die Schultern und über die Stirn fallen. Sagen wir „wild" um den Gesamteindruck zu beschreiben. Man stelle sich Aragorn (-gon? keine Ahnung) aus der Verfilmung vor. Einen dreckigen, verschwitzten Aragorn. Mjam... lecker – für Mädels, die auf verschwitzte, dreckige, wilde Kerle stehen.

ALLE: Athos!

ATHOS: Sie wollten, dass ich zu Ihnen komme, Director?

SEC. DIRECTOR: (ist noch immer überrascht, aber auch froh, ATHOS doch einigermaßen heil zu sehen. Fährt trotzdem streng fort.) Allerdings! Schließlich muss ich den hier versammelten Herren erklären, dass der Generaldirektorpräsident seine Wachleute nicht gerne in Gefahr sieht. Man findet nicht an jeder Straßenecke gute Männer für den Sicherheitsdienst und für den Sicherheitsdienst arbeiten nur die Besten!

ALLE WACHL.: Ja, Ma'am!

SEC. DIRECTOR: Gut, dann wäre das geklärt! Wegtreten! (Wieder gut gelaunt, gibt sie ATHOS zum Abschied einen Klaps auf den Hintern.)

ATHOS: Argh! (Er bricht zusammen)

SEC.DIRECTOR: Was ist? He, Athos! Verdammt, ruft den Notarzt!

ARAMIS: (zückt geistesgegenwärtig sein Handy und wählt die Nummer vom Werksarzt im Gebäude.)

SEC.DIRECTOR: (An PORTHOS und ARAMIS gewandt) Tragt ihn in den Nebenraum, da steht ein Sofa.

ATHOS wird hinübergetragen, einen Augenblick später erscheint der Arzt. Er geht ebenfalls ab in den Nebenraum. ARAMIS und PORTHOS kehren ins Büro zurück mit besorgten Mienen. Sie sehen erst jetzt den AZUBI, der ihnen die gleichen finsteren Blicke zurück entgegen wirft. Bevor allerdings etwas geschehen kann, kehren der Arzt und der SECURITY DIRECTOR zurück.

ARZT: Sie müssen sich keine zu großen Sorgen machen. Monsieur Athos ist schon wieder bei Bewusstsein. Der Schwächeanfall rührt nur vom Blutverlust her. Keine schöne Stelle, wo ihn das Klappmesser getroffen hat. Wird eine Weile nicht gut sitzen können, aber in ein paar Tagen ist alles verheilt.

Alle sind erleichtert, der Arzt geht.

SEC. DIRECTOR: (an die beiden Wachleute) Sie haben es gehört. Athos kommt bald wieder auf die Beine, für den Moment wird er sich im Nebenzimmer noch erholen. Kommen sie nach Dienstschluss wieder und bringen sie ihn nach Hause.

BEIDE WACHL.: Jawohl, Captain! (gehen ab)

SEC. DIRECTOR: (wird sich erst jetzt der Gegenwart des AZUBIS wieder bewusst, der sich noch nicht von seinem Platz gerührt hat während der letzten Ereignisse.) Ja, bitte?

DER AZUBI: D'Azubi, Sir.

SEC. DIRECTOR: (erinnert sich) Ach ja. Wir sprachen davon, warum jeder Wachmann beim Sicherheitsdienst der Firma werden will. Nun?

DER AZUBI: Öhm... ich weiß nicht, Sir. Vielleicht, wegen des Prestiges? Der Sicherheitsdienst gilt als der Beste in der ganzen Stadt, Ma'a- Sir.

SEC. DIRECTOR: Ja, natürlich. Das Prestige. Nein, mein Junge. Es liegt am Zahnersatz. Den kann sich doch heutzutage niemand mehr aus eigener Tasche leisten. Aber wenn man hier arbeitet, übernimmt die Firma die Kosten dafür. (lehnt sich etwas zurück, trinkt vom Kaffee, verzieht angewidert das Gesicht und widmet wieder ihrem Gegenüber Aufmerksamkeit.)
Nun, wie auch immer. Wachmann wird man nicht einfach so. Hier dienen die Besten der Besten. Viele mit Auszeichnung. Die Männer haben sich schon auf vielen Schlachtfeldern bewiesen. Meistens im Kampf Beamter gegen Computer. Es sind gestandene Veteranen im täglichen Bürokratiekrieg. Sie alle haben eine dreijährige Ausbildung durchlaufen und sind dann hier her versetzt worden. Diese Frist lässt sich kaum verkürzen, es sei denn, man wäre besonders abgefeimt. Eigentlich schiebt man hier eine ruhige Kugel bis zur Pension. Bei dem ausgeklügelten Sicherheitssystem jagen wir die Einbrecher nicht selbst, sondern per Hightech! Allein diese Hell's Angels sorgen schon einmal für Scherereien. Aber das ganz große Abenteuer erlebt man hier sicher nicht. (kurze Pause)
Ich kann nicht viel für Sie tun, auch wenn Ihr Vater tatsächlich ein alter... (noch eine Pause) Kamerad ist. Ich kann Sie nur an die Polizeiakademie verweisen, dort werden sie über drei Jahre ausgebildet. Treten Sie dann noch einmal mit einer Bitte um Versetzung an mich heran.

DER AZUBI: (leicht verzweifelt) Wenn ich doch nur meine Bewerbungsmappe dabei hätte! Dann würden Sie sehen, dass ich auch einer der Besten der Besten bin!

SEC. DIRECTOR: Es ist in der Tat recht unüblich, eben keine solche Mappe vorzulegen. Zumal Sie aus irgendeiner unbekannten Vorstadt stammen und nicht mehr Präferenzen vorzuweisen haben, als Monsieur d'Azubi fils zu sein.

DER AZUBI: (aufgeregt) Ich hatte eine solche Mappe, mit einem Empfehlungsbrief meines Vaters an Sie, Ma'am. Aber bei dieser Prügelei am Motorradtreff wurde sie mir gestohlen!

SEC. DIRECTOR: (zweifelt) Wer sollte eine Bewerbungsmappe stehlen?

DER AZUBI: (erbost) Na, dieser Kerl halt! Schwarze Designer Lederjacke, schwarze Hose, dickes Motorrad.

(Das folgende ist wörtlich vom Buch übernommen! Soll keiner denken, ich würde hier nur wahllos herumdichten! Gewisser Hauptmann weiß ziemlich genau, wie gewisse Stallmeister aussehen...)

SEC. DIRECTOR: (zeigt plötzlich mehr Interesse) Hatte dieser Mann nicht eine unbedeutende Narbe an der Schläfe?

DER AZUBI: Ja, als wäre sie von einer Kugel gestreift worden.

SEC. DIRECTOR: War er nicht ein Mann von schönem Gesicht?

DER AZUBI: Ja.

SEC. DIRECTOR: Von hoher Gestalt?

DER AZUBI: Ja.

SEC. DIRECTOR: Von bleicher Gesichtsfarbe und braunem Haar?

DER AZUBI: Ja, ja, so ist es. (Ende Zitat) Wie kommt es, dass Sie diesen Mann kennen?

SEC. DIRECTOR: (scheint gar nicht richtig zugehört zu haben) War eine Frau bei ihm?

DER AZUBI: Ja, in einer Limousine kam sie und sie unterhielten sich kurz, dann fuhren sie in verschiedene Richtungen weiter.

SEC. DIRECTOR: Haben Sie zufällig... gelauscht?

DER AZUBI: Ich habe nur etwas von Außendienststelle und E-Mail verstanden.

SEC. DIRECTOR: Dann ist er es! Verdammt, ich dachte, er wäre noch auf ein Meeting in den USA!

DER AZUBI: (freut sich) Sie wissen also, wer er ist? Bitte, sagen Sie es mir! Ich muss ihn finden und mir meine Bewerbungsmappe wiederholen!

SEC: DIRECTOR: (kehrt aus den eigenen Gedanken ins Hier und Jetzt zurück.) Davon rate ich Ihnen dringend ab. Geht ihm aus dem Weg, sucht nicht nach ihm. Er- (Sie bricht plötzlich ab. Argwöhnisch meint sie zu sich selbst:) Ich kenne in der Tat nur einen Menschen, der einen anderen derart zur Weißglut treiben könnte. Aber dieser junge Mann hier gibt sich vielleicht nur als Monsieur d'Azubi aus, der Sohn von... Er soll hier wohl herumschnüffeln und versucht jetzt, sich mein Vertrauen zu erschleichen. Weiß doch schließlich jeder, dass ich den Vize-Chef der Firma auf den Tod nicht ausstehen kann! Und dass der Manager für den Vize arbeitet. Hm, das muss ich austesten.
(wieder laut) Sie wissen bestimmt auch, Herr d'Azubi, dass der Generaldirektorpräsident und der Vize-Chef die besten Freunde sind. Nun, das mag etwas überraschend klingen, aber so ist es wirklich. Als Chef des Sicherheitsdienstes bin ich ihnen beiden unterstellt. Auch, wenn wir uns vielleicht nicht immer ganz einig sind, wie Sie eben gehört haben. Das wirkt natürlich nur von außen so. Erzählen sie das aber niemandem weiter, das vertraue ich nur ihnen als Sohn Monsieur d'Azubis an.
(für sich) Wenn mir der Vize-Chef diesen jungen Burschen hergeschickt hat, dann wird er ihm eingebläut haben, dass man sich am besten dann mit mir gut stellt, wenn man schlecht über den Vize redet.

DER AZUBI: (erleichtert) Ja, mein Vater sagte auch, ich solle den Vorstand, also den Generaldirektorpräsidenten und den Vize-Chef als Wachmann beschützen.

SEC. DIRECTOR: (ist verblüfft. Mit der Antwort hat sie nicht gerechnet. Lächelt) Schön zu hören, Sie sind ein ehrlicher junger Mann. Aber leider kann ich trotzdem nicht mehr für sie tun, als sie bei der Akademie empfehlen. Aber kommt doch von Zeit zu Zeit zu mir, vielleicht ergibt sich etwas.

DER AZUBI: Ich werde in der Akademie mein Bestes geben, vielen Dank, Sir! Bestimmt werde ich schon bald wieder bei Ihnen vorsprechen. (steht auf)

SEC. DIRECTOR: Einen Augenblick, Sie sollen doch diesen Empfehlungsbrief bekommen. (tritt an den Schreibtisch, schreibt etwas auf ein Papier.)

DER AZUBI: (wartet) Ich werde aufpassen, dass er mir nicht auch wieder gestohlen wird. Wehe, irgendwer versucht ihn mir abzunehmen!

SEC. DIRECTOR: (schreibt unbeeindruckt weiter.)

DER AZUBI: (tritt ans Fenster, schaut auf die Straße, fährt plötzlich zusammen, deutet nach unten, ruft:) Das ist er ja! Das ist der Typ! Der Dieb aus Meung! (rennt aus dem Büro.)

SEC. DIRECTOR: He! (Die Tür schlägt zu) Doch nur ein Schnüffler, was? Hat gemerkt, dass sein kleiner Plan nicht aufging. Aber dass er d'Azubi heißt, glaube ich ihm. Hat viel von seinem Vater. (Setzt sich nachdenklich in ihren Sessel hinterm Schreibtisch.) Und der Manager ist auch wieder da...