Kapitel 9

„DAS IST UNGEHEUERLICH!"

„Senator, beruhigt Euch!"

„WIE KÖNNTE ICH? ICH WURDE BEDROHT, GEFESSELT, GEKNEBELT UND STUNDENLANG SO SITZEN GELASSEN!"

„Senator, ich versichere Euch..."

„DAS NENNEN SIE SICHERHEITSMASSNAHMEN?"

Senator Palpatine war noch nicht ganz von seinen Fesseln befreit worden und tobte wie man es von ihm noch nie gesehen hatte.

„Euer Ehren! Bitte! Hören Sie mich an!"

Der aufgeregte Politiker atmete tief durch und schaute dann den nervösen Untersuchungsbeamten herausfordernd an: „Also?"

„Senator, die Baronesse ist ermordet worden. Und Ihr seid der Einzige, der die Attentäter gesehen hat! Wir brauchen Eure Mithilfe!"

Palpatine war schlagartig blass geworden und mußte sich setzen – wieder genau auf den Stuhl, auf dem er bereits die ganze Nacht verbracht hatte. „Aber... das ist unmöglich... nicht die Baronesse?"

„Ich fürchte, doch. Und wie ich schon sagte: Ihr seid der Einzige, der die Täter gesehen hat und uns beschreiben kann.", sagte der Beamte nun einfühlsam und ging in die Knie, um auf Augenhöhe mit dem verwirrten und zutiefst getroffenen Senator zu kommen. „Woran erinnert Ihr Euch?"

„Es... ich hörte aufgeregte Stimmen auf dem Gang, so gegen Mitternacht." Der Politiker rang mit den Händen und sprach dann weiter: „Ich öffnete die Tür um zu sehen, was los sei und sah ein Pärchen, daß sich stritt. Zumindest kam es mir so vor. Als die beiden mich sahen, stürzten sie sich auf mich und fesselten und knebelten mich. Und dann verließen sie mein Zimmer..."

„Und wie sahen diese Personen aus?"

„Es waren ein Mann und eine Frau. Beide nicht besonders groß... aber beide maskiert. Ich... ich könnte nicht einmal sagen, ob es Menschen waren oder nicht... ich..." Palpatine schaute hilflos und rang weiter mit den Händen. „Es tut mir Leid, ich bin keine große Hilfe. Es ging alles so schnell...

Der Beamte setzte ein gutmütiges Lächeln auf und bedankte sich höflich: „Alles was Ihr uns sagen konntet hilft uns schon weiter."

Darth Sidious hätte dem Mann am Liebsten das falsche Lächeln aus dem Gesicht gebrannt, aber Senator Palpatine nickte nur erschüttert und stammelte: „Die Baronesse... warum die Baronesse?"


„Warum hast du eigentlich dieses klapprige Speederbike mitgenommen?", fragte Shahi und lümmelte sich auf den Co-Pilotensessel. Seit sie das Kongresszentrum verlassen hatten, hatten sie kein Wort miteinander gewechselt.

Darth Maul sagte auch jetzt nichts. Er war zu wütend um wieder zur Normalität zurückzukehren – was auch immer Normalität im Zusammenhang mit einer (oder besonders dieser) Sucbu zu bedeuten hatte. Wenigstens hatte sie ihr Äußeres ein weiteres Mal geändert. Welcher Rasse sie nun angehörte konnte er nicht sagen, aber das sanfte Grün ihrer Haut beleidigte seinen Sehnerv.

Shahi nickte. „Gut, du bist sauer. Ich weiß, daß ich unsere Mission gefährdet habe, ja, schuldig im Sinne der Anklage. Aber es hat zumindest etwas gebracht"

„Ja – daß wir fast aufgeflogen wären!", platzte es aus dem Sith heraus und er biss sich schmerzhaft auf die Lippen. Eigentlich wollte er sie bis zur Heimkehr anschweigen.

„Ach komm schon... was wäre so schlimm daran gewesen, auch noch den Senator zu beseitigen?"

‚Daß du den Versuch nicht überlebt hättest?', schoss es ihm durch den Kopf. Aber statt zu antworten biss er sich nur erneut auf die Lippen. Wenn er jetzt etwas sagte, könnte er seinen Meister enttarnen.

Die Sucbu schaute ihn erwartungsvoll an – und seufzte nach einer Weile. „Okay, zurück zum Anfang: warum hast du dieses Klapperbike mitgenommen? Sonst lassen wir doch auch immer alles da was wir nur für den Auftrag gebraucht haben."

Er dachte nach. Sollte er ihr jetzt wirklich erzählen, daß ihm den Klang des Speederbikes gefiel? Daß er es insgeheim schon Bloodfine getauft hatte und es sich umbauen wollte? Daß er dieses Gerät unerklärlicherweise mochte? „Es könnte noch mal nützlich sein." Kurze, unverfängliche Antwort, Thema beendet.

„Aha."

Schweigen.

„Es hat nicht zufällig etwas damit zu tun, daß das Bike mal ein wirklich gutes war und ziemlich schnell sein kann?", hakte sie nach und zog die Augenbrauen hoch.

Unwillkürlich drängte sich dem jungen Sith ein Bild von seinem Inneren auf: ein glatter, kalter Kristallpalast – wunderschön und recht zerbrechlich. Und Shahi saß darin und spielte auf einer Gumbaflöte ein schrilles Hohes C – und wenn sie damit nicht weiterkommen würde, täte es der Vorschlaghammer, der auf diesem imaginären Bild zu ihren Füßen lag. Er hasste sie. Als ihm dies bewusst wurde, wurde das Kristall zu Transparistahl und er fauchte: „Hast du nichts anderes zu tun als mich zu nerven?"

„Ehrlich gesagt... nein." Sie ließ ein Bein über die Armlehne baumeln und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn Sidious nicht so geizig wäre hätten wir schon längst ein schnelleres Schiff. Diese Antiquität kommt ja gerade mal so eben in den Hyperraum – und wird da noch von Antarschnecken überholt." Sie grinste und genoss die für sie spürbare schwelende Wut in ihrem Begleiter: „Drei Tage noch sind wir hier zusammen..."

Ob Lord Sidious es ihm arg übel nehmen würde, wenn er sie nun beiläufig enthauptete? Einfach nur ein schneller Streich mit dem Lichtschwert und schon wäre Ruhe gewesen. Nein, Geduld hieß das Zauberwort. Geduld und ein kleiner Streifzug durch die untersten Ebenen von Coruscant wenn sie wieder da wären. Ein paar Raptors mehr oder weniger würde niemandem groß auffallen – und er könnte seine Wut abreagieren. „Was hältst du davon, die Antiquität eine Weile selbst zu steuern?" Ohne eine Antwort abzuwarten verließ er das Cockpit und verschanzte sich im Laderaum. Er brauchte ganz dringend Abstand.


„Nun ist sie also so weit, allein loszuziehen, ja?", fragte Lord Sidious seinen Schüler und betrachtete die nächtliche Skyline von Coruscant.

Der Schüler war verwirrt und überrascht doch er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen: „Wenn Ihr das so seht, Meister..."

„Ja. Sie hat ihre Scheu überwunden selbst auf den Abzug zu drücken." Er lächelte grimmig, dann fuhr er fort: „Das war eine unglückliche Geschichte, nicht wahr?"

„Ja, mein Meister." Darth Maul erwartete das Schlimmste – immerhin unterstand Shahi seiner Obhut und er hatte sie aus den Augen verloren gehabt. Lord Sidious hatte sich seit dem Empfang von der Sucbu verfolgt gefühlt gehabt – immer hatte sie in seiner Nähe gestanden, freundlich gelächelt und Drinks und Häppchen verteilt. Und immer noch war weder dem Meister noch dem Schüler klar, ob sie Senator Palpatine erkannt hatte als den Sith-Lord, der sie seit zwei Jahren unterrichtete, oder nicht.

„Mein Schüler, sie wird euer altes Schiff bekommen und einige kleine Aufträge für mich erfüllen. Für dich habe ich größere Aufgaben im Sinn." Ein echtes Lächeln huschte über das halb verhüllte Gesicht des alten Mannes, „Es wird Zeit, daß du dich mit den inneren Weisheiten der Dunklen Seite beschäftigst. Und wenn du so weit bist, werde ich dir ein neues, sehr viel schnelleres Schiff zur Verfügung stellen."

Mit auch nur etwas weniger Selbstbeherrschung wäre Darth Maul an dieser Stelle der Unterkiefer heruntergeklappt. Aber er besaß sehr, sehr viel Selbstbeherrschung – und das nicht erst, seit er mit Shahi arbeitete... aber ihre „Bekanntschaft" war zweifelsohne ein gutes Training gewesen für Geduld und Selbstbeherrschung. Er wagte es nicht, sich zu freuen; zu fragil wirkte das alles, was sein Meister ihm eben angeboten hatte. Zu gut um wahr zu sein.

Er kam sich vor wie ein kleines Kind, dem man eine Süßigkeit anbietet und das nicht wagt zuzugreifen, aus Angst, dann könnte man ihm diese wieder wegnehmen um seine Gier zu bestrafen. Aber er wurde von seinem Meister fortgeführt, in die Bibliothek wo all das Wissen lagerte, daß die Sith in den letzten tausend Jahren hatten retten können vor den Jedi und der Zerstörung durch Unwissende. Vielleicht würde er sich in der Nacht, kurz bevor er einschlief gestatten, sich zu freuen. Wie ein kleines Kind.


Ein schneller Streich ihres Lichtschwertes machte dem Verhör ein Ende. Remin Poldir war ein kräftiger und willensstarker Mann gewesen, bis er Shahi in die Hände fiel. Wer hätte auch ahnen können, daß diese zarte Albinin mit den riesigen roten Augen und der schneeweißen Haut einem Hünen wie ihn innerhalb von zwei Minuten sowohl sämtlich Bein- wie auch Armknochen hätte brechen können? Als Poldir sagte, er stehe auf die „etwas härtere Gangart" hatte er das so mit Sicherheit nicht gemeint.

Shahi sah sich in dem riesigen Schlafzimmer um, in das sie von ihrem Opfer geführt worden war und leckte sich die Lippen. „Nett hier..." Dann aktivierte sie das Komlink, das sie in ihrem Stiefel versteckt hatte und eine blaßblaue Holographie von Lord Sidious erschien.

„Was gibt es?"

„Ich habe die Informationen, die Ihr haben wolltet." Sie drückte auf eine Schaltfläche und ein Strom von Daten, die sie aus dem Computer von Remin Poldir, ehemaligem Schwerverbrecher und Agent der Schwarzen Sonne bekommen hatte, floss in ein geheimes Versteck auf Coruscant.

„Poldir?"

„Kein Problem mehr."

„Zeugen?"

„Keine."

„Gut. Du kannst zurückkommen."

Sie nickte und deaktivierte das Komlink. Etwas in ihr war zerbrochen als sie von Senator Palpatine erfahren hatte, daß der gewählte König von Naboo mit der Vernichtung ihres Ordens zu tun hatte. Bisher hatte sich ihr Hass ausschließlich auf die Jedi erstreckt, die ihre Mutter getötet hatten – nun aber galt es, sich mit der Regierung eines Planeten auseinander zu setzen. Sie seufzte und verließ den Schauplatz ihres letzten Verbrechens.

Lord Sidious runzelte die Stirn. Er spürte die zunehmende Wut und Ungeduld in seiner Schülerin. Eigentlich war sie nicht seine Schülerin – sie wollte keine Sith werden, ebensowenig wie er sie zu einer machen wollte. Sidious bevorzugte strukturierte Wesenszüge in seinen Schülern. Darth Maul war der Inbegriff der Disziplin, beinahe schon stur zu nennen. Gepaart mit seinem enormen Selbstbewußtsein würde das früher oder später sein Untergang sein.

Er seufzte und dachte an denjenigen, den er als Ersatz für Maul in der Hinterhand hatte – falls dessen Untergang früher als erwartet einträfe. Auch er war ein großer Kämpfer, stolz, selbstsicher, diszipliniert – und schlau genug, die wahre Größe von Sidious' Plan zu erkennen.

Es war Zeit, Shahi etwas Futter zu geben, sonst würde sie am Ende noch zu einer Gefahr für die Sith werden durch ihren Eigensinn. Zeit, den „Ersatz" zu kontaktieren...


„Sicher Ihr seid, Senator?", fragte Meister Yoda und zwinkerte schläfrig.

„So sicher wie IHR seid, daß es keine weiteren Überlebenden der Sucbu mehr gibt." Senator Palpatine wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging weiter besorgt in seinem Amtszimmer auf und ab.

Meister Windu hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und seinen Blick in die Macht gerichtet, während er dem Gespräch lauschte.

„Meister Khin, er sagte, daß keine Sucbu überlebt hat, bis auf eine."

„... dann kann es wohl nur diese gewesen sein, die mich verhört und gefesselt hatte!"

„Bedenklich das ist...", sagte Yoda und senkte den Blick.

„Bedenklich? Zuerst hat sie mich überwältigt, bedroht, ausgefragt und zu guter Letzt die Baronesse ermordet! König Veruna ist in höchster Gefahr!" Der Senator begann am ganzen Leib zu zittern und setzte sich erschöpft und nervös zugleich hinter seinen Schreibtisch. „All das ist meine Schuld..."

„Nein." Zum ersten Mal ließ sich Mace Windu vernehmen. „Es ist die Schuld der Sucbu, die auf Naboo die Gewürzminen übernommen hatten und nun auch noch die Herrschaft über den Planeten an sich reißen wollten. Im Interesse des galaktischen Friedens waren die Jedi gezwungen, ihnen zuvor zu kommen." Er beugte sich vor und blickte seinen nervösen Gegenüber fest in die Augen: „Nun ist es auch Aufgabe der Jedi, König Veruna zu schützen!"

„Recht Ihr habt, Meister Windu!", Yoda nickte und fügte hinzu: „L'ee wir sollten schicken. Ein Ritter er nun ist und weiß, worum es geht."

Palpatine wirkte nicht völlig überzeugt: „Was ist mit Meister Khin? ER war doch verantwortlich für die Mission damals."

„Meister Uta Khin hat die letzten zwei Jahre mit Meditation und Studien verbracht. Er ist nicht bereit, sich erneut mit den Sucbu zu beschäftigen." Windu warf einen Seitenblick zu Meister Yoda: beide wußten, daß Khin immer noch mit seinem Gewissen kämpfte und viel seiner Kraft und seines Vertrauens in die Macht verloren hatte.

„Ich vertraue Eurem Urteil – und hoffe, daß L'ee seiner Aufgabe gewachsen ist...", sagte Senator Palpatine und versuchte, etwas zuversichtlicher auszuschauen. Heraus kam dabei ein zerknirschtes Lächeln.

„So es dann nun also sei...", beendete Meister Yoda die Unterhaltung.

Und Lord Sidious rieb sich im Geiste die Hände...

TBC