5. Schon wieder Eulenpost

Wieder ein Samstagmorgen im Mai. Rons Herz machte einen Freudenhüpfer nach dem anderen. Gerade hatte Professor Dumbledore die Ergebnisse der Prüfungen bekannt gegeben. Die N.E.W.Ts waren überstanden. Alle hatten es geschafft und an den Tischen war euphorisches Geschrei ausgebrochen! Kein Lehrer versuchte, den Tumult aufzulösen, es wäre auch sicher keinem gelungen. Auch Harry rutschte neben Ron und Hermine auf dem Stuhl hin und her. Wer konnte bei dieser Aufregung an ein ruhiges Frühstück denken. Heute Abend war der große Abschlussball.

Hermine saß mit glasigem Blick neben Ron. „ He, Hermine! Jetzt guck doch nicht so verdattert. Entspann dich mal! Wir haben es geschafft! Du hast doch nicht ernsthaft daran gezweifelt, dass du es schaffst, oder?" Ron grinste sie an.

Sie lächelte erleichtert. Irgendwie hatte sie sich gestern durch ihre letzte Prüfung gequält. Und ob sie nach den Wirrungen der letzten Woche bezweifelt hatte, die Prüfungen zu bestehen! Sie schielte unauffällig zum Lehrertisch. Die meisten Lehrer hatten nach Ausbruch des Höllenlärms die große Halle lieber kurz verlassen. Dort saßen nur noch Professor Dumbledore und Professor McGonagall, denen die dröhnende Freude ihrer Schüler augenscheinlich wenig ausmachte, obwohl Professor McGonagall aussah als überlegte sie, sich einen Wattebausch in die Ohren zu stecken.

Nur langsam beruhigten sich die Schüler und einige Lehrer wagten sich zurück auf ihre Plätze. Hermine nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass Professor Snape ferngeblieben war. Sie seufzte. Es war vielleicht auch besser so.

Die Eulen kamen wie gewohnt in die große Halle geflogen und trugen ihre Post aus. Heute wurden sie jedoch kaum beachtet, was sie mit einem vorwurfsvoll schrillen Spektakel quittierten.

Hermine schrie plötzlich auf. Ihr schrei ging in dem euphorischen Geplapper der anderen unter. Aber auch Ron und Harry starrten auf den zappelnden, surrenden roten Umschlag, der vor ihr auf dem Tisch gelandet war.

„Oh nein, Hermine, was hast du getan? Hast du ein Buch aus der Bibliothek sieben Jahre lang nicht zurückgegeben?" Harry beugte sich neugierig vor. „Mach' ihn lieber auf sonst wird es nur noch schlimmer, " riet er.

„Das weiß ich auch!" fauchte sie und hatte plötzlich ein Déjà-vu. Natürlich wusste sie, von wem der Heuler kam. Hermine blieb keine Zeit zu denken. Sie langte mit zitternden Händen nach dem Brief, doch der rote Umschlag hüpfte ungeduldig und wild zischend hin und her. Jeden Moment würde er explodieren. Das musste sie in jedem Fall verhindern, sie wollte ihn nicht hier öffnen. Bei Merlin – alles, bloß das nicht! Zu spät! Aus dem dampfenden roten Ding vor ihr wurde eine kurze, aufgeregt wedelnde Papierrolle.

Alle Köpfe drehten sich abrupt zum Lehrertisch, als Professor Snapes Stimme hallend durch den Saal dröhnte. Und alle Köpfe drehten sich verwirrt zu Hermine, als klar wurde, dass die Stimme des Zaubertranklehrers nicht vom Lehrertisch kam, da er gar nicht dort saß.

Miss Hermine Granger! 100 Punkte Abzug für Gryffindor für den unverfrorenen Versuch, am helllichten Tag Ihren Lehrer für Zaubertränke zu verführen. Ein solch schamloses Verhalten ist indiskutabel, auch von der jahrgangsbesten, unerträglichen Besserwisserin.

Ich erwarte Sie augenblicklich in meinem Büro, um mir die Vorkommnisse erklären zu lassen. Ich wünsche eine lückenlose Aufklärung Ihrer Beweggründe für diesen Vorfall."

Alle starrten sie an. Hermin wiederum starrte auf den noch immer fauchenden Aschehaufen auf dem Tisch. Sie wünschte sich, der Boden möge sich auftun, um sie zu verschlingen. Professor Dumbledore unterbrach die Stille mit einem verlegenen Hüsteln.

Hermine schob geräuschvoll ihren Stuhl zurück und stolperte eilig aus dem Saal. Draußen hörte sie durch die Tür hindurch, wie drinnen das Gemurmel lauter und lauter wurde. Ihr drehte sich der Magen um. Sie wollte gar nicht wissen, was die Leute auf der anderen Seite dieser Tür gerade über sie sagten. Wütend machte sich Hermine auf den Weg in den Kerker, ihre Schritte wurden immer schneller, bis sie schließlich rannte.

Außer Atem prallte sie kurz darauf fast gegen die Kerkertür. Ohne zu klopfen stieß sie den Eingang auf und stürmte in den hohen Raum. Mit einem hallenden Knall fiel die schwere Tür hinter ihr zurück ins Schloss.

Er stand an seinen Schreibtisch gelehnt, die Arme lässig vor dem Oberkörper verschränkt und

blickte sie mit einem diabolischen Lächeln an. „Völlig außer Atem, Miss Granger? Kann ich ihnen ein Glas Wasser anbieten?"

Hermine baute sich vor ihm auf und schnaubte empört: „Wie konnten sie mir das antun? Das ist eine gemeine Lüge und das wissen sie ganz genau!"

„So?" Snape stieß sich vom Tisch ab und kam einen Schritt auf sie zu.

Hermine fuchtelte wild mit ihren Händen und bereute, ihren Zauberstab in der großen Halle liegengelassen zu haben. „Sie bleiben wo sie sind!" zeterte sie aufgebracht. „Wie stehe ich denn jetzt da? Was sollen die anderen jetzt von mir denken?"

Er ließ sich von ihrer wilden Gestik nicht beeindrucken und ging weiter auf sie zu. Mit einem raschen Griff erfasste er ihre Arme und zog sie mit sich zu seinem Schreibtisch. Blitzschnell umfasste er ihre Hüften, hob sie hoch und setzte sie unsanft auf dem Tisch ab. Seine Hände verweilten kurz auf ihren Hüften und schoben sich dann langsam Stück für Stück höher. Hermine gab einen leisen, halbherzig protestierenden Seufzer von sich.

„Dann sind wir jetzt quitt, Miss Granger?" Raunte Snape in Hermines Ohr und ließ ihr keine Gelegenheit, ihm zu antworten.

Ende