1. Kapitel
Zwei Mädchen gingen lachend durch die Straßen Londons. Sie hatte beschlossen, diesen schönen Sommertag zu genießen, wie er es schon lange nicht mehr gewesen war. Überall waren Menschen zu sehen, die in die Freibäder stürmten oder zu den Eissalons, um wenigstens etwas Kühle zu spüren. Kein Lüftchen wehte, als würde die Zeit still stehen.
Ein Mädchen hatte schulterlange, blonde Haare und blaue Augen. Ihr Hals war länger als bei Anderen, unterstreichte aber ihre große, schlaksige Art. Sie trug ein hellblaues, knielanges Sommerkleid. Auf ihrer Schulter hatte sie eine kleine Tasche und in ihren Händen hielt sie je ein Sackerl.
Ihre Freundin neben ihr sah so aus, als würden ihre Haare weiß sein. Da ihre Haare so hell waren, sah sie eher nach einer lebendigen Toten aus. Dunkle Augen stachen aus dem hellen Gesicht hervor. Sie trug ein rosanes Top und einen kurzen, weißen Rock. Hochhackige Schuhe zierten ihre Füße. Genauso wie das Mädchen neben ihr, trug auch sie Tüten.
„Weißt du Kimberly", sagte das eine Mädchen.
„Was Petty?"
„Wir könnten doch noch zu Harrod's gehen und dort teure Sachen probieren und sie dann einfach wieder gehen."
„Oder wir benutzen Daddys Kreditkarte", sagte Kimberly stolz und lächelte ihre Freundin diabolisch an.
„Du hast von deinem Vater die Karte geklaut?", fragte Petunia gespielt schockiert.
„Er hat sie mir mit den Worten geliehen: ‚Kauf dir was Schönes!' Und das werde ich machen", erklärte sie. „Es hat auch seine Vorteile, wenn der Vater lange nicht da ist. Er hat nämlich Schuldgefühle und deshalb bekomme ich alles was ich will."
„Gut, dass du ein Einzelkind bist. Meine Schwester wird auch so verwöhnt. Es heißt immer: ‚Lily hier und Lily da'. Weißt du, dass das nervt? Oder: ‚Nimm dir an deiner Schwester ein Beispiel!'" Petunia redete sich gerade in Rage. Es war immer so, wenn es um ihre jüngere Schwester ging. Eine Missgeburt in ihren Augen. Erst seit geringer Zeit vertrugen sie sicht nicht mehr Besonderes und genau seit dem Zeitpunkt, war Lily der Liebling der Eltern. Für sie war es das Schlimmste was es gab. „Meine Schwester braucht nur einen Wunsch äußern und sie bekommt es schon. Und ich? Ich muss selber schauen, wie ich dran komme."
Kimberly sah sie mitleidig an. Petunia hatte ihr vor kurzem erzählt, dass ihre Schwester in eine Anstalt für schwererziehbare Jugendliche ging. Was wollte sie anderes? Bei so einer Schwester war es kein Wunder, wenn sich die Eltern mehr um sie kümmerten. Man konnte ja nie wissen, was ihr so als nächstes einfiel! Petunias Schwester war verrückt, fand Kimberly. Immerhin sah man sie nie, nicht einmal im Sommer ging sie ins Freie, Freunde besuchte sie auch nicht. Anscheinend hatte sie keine Freunde.
„Du bist doch viel besser als deine Schwester", meinte Kimberly. „Du weißt es wenigstens zu schätzen was du hast. So wie du immer von ihr sprichst, zieht sie nur Hosen und so Zeug an und keine Röcke. Und die soll ein Mädchen sein? Wenn sie sich nicht einmal schminkt oder ausgeht? Hat sie überhaupt einen Freund?"
Petunia musste über diese Aussage lachen. „Die und einen Freund? Mir tut jetzt schon der Kerl leid, der auf sie hereinfällt." Petunia wandte sich ihrer Freundin zu. „Und außerdem wird wohl keiner so verrückt sein, dass er auf sie hereinfällt."
Kimberly meinte: „Du kennst ja das Sprichwort: Gleich und Gleich gesellt sich gern! Also zieht sich Blödheit auch an."
Lachend gingen die Mädchen weiter die Straße entlang, bis sie Harrod's erreichten. Dort sahen sie sich um und probierten die diversen Sachen, die sie fanden. Schöne Dinge, aber auch schön teuer. Die Verkäufer waren fast am Verzweifeln. Diese Mädchen probierten zwar fast alles an, aber kauften dann doch nichts, weil ihnen, wie sie sagten, nichts gefiel. Als Kimberly und Petunia aus dem Kaufhaus draußen waren, lachten sie immer noch. Verkäufer konnten doch so blöd sein.
Gemeinsam gingen die Beiden zur U-Bahn und fuhren zum Bahnhof. Dort stiegen sie dann in den Zug, der sie nach Little Winging bringen sollte. Sie fuhren ungefähr zwei Stunden, bis sie in den Bus umsteigen konnten, der sie in den Privet Drive brachte.
Kimberly und Petunia setzten sich in den Bus und machten es sich gemütlich. Sie hatten ja noch eine gute dreiviertel Stunde vor sich, bis sie endlich ins Bett konnten und noch über diesen Tag reden konnten. Kurz vor der Station vom Privet Drive, hielt der Bus an. Die Passagiere sahen sich verwirrt um, da sich hier nichts befand. Keine Ampel, keine Kreuzung und keine Haltestelle.
„Tut mir leid, aber sie können nicht weiter fahren", sagte ein Polizist, der gerade in den Bus gestiegen war und versuchte ruhig zu wirken. Die Fahrgäste sahen ihn verwirrt an.
„Der Privet Drive ist für alle gesperrt."
„Wieso?", fragte ein Fahrgast.
„Es gab eine Explosion und Tote." Dem Polizist schien das Ganze nichts auszumachen. Ihn schien es nicht einmal zu berühren. Kimberly schaute zu ihrer Freundin und flüsterte: „Wohnen deine Eltern nicht in dieser Straße?"
„So vergesslich kannst nicht einmal du sein", zischte Petunia zurück. „Klar wohnen meine Eltern dort." Jetzt realisierte sie, was sie gesagt hatte und riss schockiert die Augen auf.
„Verzeihen Sie, aber ich muss dort hin", schrie sie zum Polizisten vor.
„Tut mir leid. Niemand darf hinein."
„Aber ich wohne dort. Meine Eltern wohnen dort", sagte sie und ging auf den Polizist zu. „Meine Eltern wohnen im Privet Drive 4." Petunia blickte ihm in die Augen und konnte kurz einen undefinierbaren Blick in seinen Augen sehen.
„Gut, folgen Sie mir", meinte er barsch und führte Petunia durch die Absperrung. Petunia folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl. Als sie um die Ecke bogen, riss Petunia schockiert die Augen auf und blieb wie erstarrt stehen.
