2. Kapitel

Lily hatte ihren Brief aus Hogwarts Ende Juli erhalten. Sie hatte es sich mit einer Freundin ausgemacht, in der vorletzten Augustwoche in die Winkelgasse zu gehen und die Schulsachen zu kaufen.

Lily ging zu einem Wald bei ihr in der Nähe und sah sich das Stück Wald gut an, denn sie durfte vor Muggeln ja nicht zaubern und musste auf Nummer sicher gehen. Sie hätte zwar von sich zu Hause aus apparieren können, aber sie wollte ihre Eltern nicht aufwecken. An das Apparieren hatte sie sich noch nicht ganz gewöhnen können. Immer schnürte es ihr die Luft ab und sie fühlte sich, als würde ihr Körper gestreckt werden und die Luft aus diesem gedrückt.

Im tropfenden Kessel wartete bereits ihre Freundin Alice. Alice war eines jener Mädchen, das immer zu strahlte. Sie hatte eine Aura, der man sich nicht entziehen konnte und immerzu strahlte sie gute Laune aus. Es konnte echt ansteckend sein. Und außerdem war sie eine gute Freundin und immer da, wenn man mit jemanden reden musste.

Alice kam aus einer reinblütigen Familie. Ihre Eltern, so wie ihre restliche Verwandtschaft waren Zauberer und Hexen und das schon seit Generationen.

„Hi! Wie geht's dir?", fragte Alice und umarmte ihre Freundin freundlich. Sofort war Lily wieder in ihrer Welt. In der Welt, in der sie nach der Meinung ihrer Schwester gehörte. Lily würde sofort nur mehr in der Zaubererwelt bleiben, aber sie mochte ihre Eltern zu gerne. Aber dennoch fühlte sie sich momentan auch in dieser Welt nicht sicher. Denn Muggelhasser hatten es sich zum Hobby gemacht, Hexen wie sie zu jagen, zu foltern und dann zu töten. Meist hörte man vom grausamen Vorgehen und keiner, der diesen Monstern begegnete, überlebte, außer man entschied sich in gewisser Weise für sie zu arbeiten. Die Auroren hatten schon längst versucht, sie nach Askaban zu bringen oder zu einem Geständnis zu bringen, aber die Meisten schwiegen. Niemandem konnte man mehr trauen!

„Gut und selbst?", fragte Lily.

„Bestens." Alice strahlte über das ganze Gesicht.

„Und sagst du mir auch wieso du so strahlst?", fragte Lily neugierig.

Wenn es überhaupt noch ging, strahlte sie noch mehr. „Frank und ich sind verlobt." Sie quiekte und konnte ihre Freude kaum verbergen. Lily blieb kurz mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen stehen. Sie konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte.

„Und?"

„Du – du – du heiratest?", fragte Lily

„Ist das nicht toll?"

„Du heiratest echt?" Langsam schien sie zu begreifen, was ihre Freundin ihr da gerade offenbart hatte.

„Bist du meine Brautjungfer?", fragte Alice und sah Lily bittend an.

„Du heiratest!"

„Ja, dass haben wir doch schon festgestellt", antwortete Alice.

„Na klar werde ich deine Brautjungfer", sagte Lily freudig und umarmte ihre Freundin.

„Danke. Ich war völlig überrascht, als Frank mich fragte. Ich kann es kaum glauben. Ich bin verlobt und werde heiraten." Plötzlich hatte sie einen verträumten Blick in den Augen. Lily musste nur mehr schmunzeln.

„Können wir dann?", fragte Lily und ging mit Alice hinaus. Gemeinsam schritten sie durch das Tor, nachdem sie es geöffnet hatten, in die Winkelgasse.

Sie gingen zu Madame Malkins. Sie brauchten nämlich beide einen Festumhang und neue Umhänge. Anschließend zu Flourish & Blotts, wo sie sich ihre Bücher holten und in Lilys Fall noch ein paar Bettlektüren. Die Bücher in der Bibliothek hatte sie schon fast alle gelesen, bis auf die in der verbotenen Abteilung, aber die würden auch noch von ihr verschlungen werden. Lily nahm alle Informationen in sich auf, wie ein Schwamm Wasser.

Das letzte Geschäft war Magische Menagerien, wo sich Lily für ihre Eule Mimi Arznei kaufte und ein spezielles Eulenfutter, das es nur hier gab.

Und um den Tag noch zu genießen, setzten sich die Beiden noch zu Fortescue's Eissalon und genehmigten sich ein Eis, welches wie immer himmlisch schmeckte. Lily genoss es wieder in dieser Welt zu sein und sich einfach so zu geben wie sie war. In der Gegend wo sie wohnte, musste sie immer aufpassen, dass keiner sah, wie sie zauberte. Sie durfte nicht einmal darüber reden, weil die Identität der Zauberergemeinschaft auffliegen könnte. Aber die warmen Sonnenstrahlen hier zu genießen, war für sie himmlisch, vor allem, weil sie noch mit Alice hier sitzen konnte und über die Dinge reden konnte, die sie in ihren Briefen nie schrieb.

Auch sprachen die Beiden über die bevorstehende Hochzeit, die zu Weihnachten stattfinden sollte und das sehr viele Leute eingeladen waren. Lily dachte zwar immer, dass eine Hochzeit lange Vorbereitungszeit benötigte, aber wie sie erfuhr, erledigten das alles ihre und Franks Eltern. Was Alice Lily erzählt hatte, dürfte es eine Märchenhochzeit sein. Die Vorfreude, wie Lily fand, machte es nur noch schöner.

Auch der schönste Tag ging nun mal zu Ende. Die Beiden hatten so lange geredet, dass sie die Zeit übersehen hatten und es schon finster wurde, als sie sich verabschiedeten. Lily stand wieder im tropfenden Kessel und konzentrierte sich fest an einen Ort, bei ihr in der Nähe und dennoch weit weg von einem Muggel. Wie immer empfand sie dieses Gefühl als unangenehm, aber es war eben eine schnelle Art zu reisen.

Im Wald angekommen, suchte Lily mit Hilfe ihres Zauberstabes ihre Muggelkleidung, die sie versteckt hatte und zog sich mit einem einzigen Zauberspruch um. Mit einem weiteren Zauber verschwand der Rucksack und tauchte lautlos in ihrem Zimmer auf.

Lily ging mit erhobenem Zauberstab den Waldweg entlang, aber sie war darauf bedacht, dass sie niemand sah. Als sie dann die Straßenlaternen sehen konnte, steckte sie ihren Zauberstab weg und ging im Licht jener weiter. Plötzlich vernahm sie eine Stimme: „Verzeihung Miss, aber Sie können hier nicht weiter gehen."

„Warum nicht?", fragte Lily.

„Weil der ganze Privet Drive gesperrt ist, darum." Lily fand, dass er freundlicher sein konnte und außerdem war das keine Antwort. Sah sie wirklich so blöd aus?

„Was ist hier geschehen?", fragte sie und versuchte ruhig zu bleiben.

„Eine Explosion", antwortete er knapp und sah sie kritisch an.

„Und weiter?", fragte Lily. Der Polizist sah sie abwartend an. „Gibt es Verletzte?" Lilys Stimme war nun nicht mehr so ruhig. Ihre Eltern wohnten hier. Die ganze Straße war gesperrt und sie durfte nicht hinein. Was war hier geschehen?

„Nicht nur."

„Es gibt auch Tote?", brachte Lily gebrochen hervor. „Ich muss sofort dort rein", sagte sie und versuchte den Polizisten auszutricksen und an der Absperrung vorbei zu kommen. Aber der Polizist reagierte schnell und packte sie. „Lassen Sie mich sofort los! Ich muss zu meinen Eltern! Meine Eltern wohnen in dieser Straße!"

Der Polizist sah sie an. An Lilys Wange waren bereits Tränen zu sehen. Er lockerte seinen Griff und holte via Funk einen seiner Kollegen, der Lily begleiten sollte. Lily rechnete mit allem, nur nicht damit. Für sie brach eine Welt zusammen, als sie einige Personen dort erkennen konnte. Es war ihre Schuld! Alles was hier geschehen war, war ihre Schuld!