Kapitel II
AlleinAls sie erwachte, war sie allein, und um sie herum waren die Männer schon dabei das Lager abzuräumen. Sie hatten ihre Rüstungen schon gegen die der Haradrim eingetauscht. Eomer ging zu ihr.
„Was gestern Nacht geschehen ist bleibt unter uns, dass verspreche ich Dir. Offensichtlich kannst Du reden, sonst hättest Du nicht geschrieen, doch all dies zu seiner Zeit. Theorl wird Dich nach Edoras bringen und veranlassen, dass man Dich gut behandelt. Bis zu meiner Rückkehr bleibst Du dort und dann werden wir weiter sehen."
Und so ritten sie fort und sie blieb allein mit Theorl. Dieser musterte sie immer noch argwöhnisch und offensichtlich war es ihm keine Freude diese Aufgabe erhalten zu haben.
„Wenn meinem Herren irgend etwas geschieht, so kannst Du sicher sein, dass ich ein Auge auf Dich haben werde. Jede noch so kleine Bewegung von Dir werde ich beobachten, dessen sei Dir sicher."
Und so machten sie sich auf den Weg. Ihr Reisetempo war wesentlich ruhiger als das des Vortages. Und so erreichten sie am frühen Abend Edoras.
Es war ein umwerfender Anblick, die letzten Strahlen der Sonne umspielten die Zinnen und ließen sie in einem goldenen Schein scheinbar erglühen. Ein leichter Wind war aufgekommen und die Banner schienen im Wind zu tanzen. Als sie durch das große Haupttor ritten wurden sie neugierig beobachtet. Eine Menschenmenge sammelte sich um sie herum und folgte ihnen. Sie kamen an einer großen Treppe an und als sie aufsah stockte ihr der Atem. Theorl stieg ab und half ihr vom Pferd.
„Dies ist Meduseld, die goldene Halle, der Königssitz von Rohan."
Theorl gebot ihr stehen zu bleiben. Er ging mit dem Pferd zu einem nahe gelegenen Stall und kehrte bald darauf zurück. Sie war überwältigt von der Pracht und den wundervollen Schnitzereien die man überall entdecken konnte.
„Es scheint mir, Du bist nicht zum ersten Mal hier! Wie auch immer, denke an meine Worte."
Er hatte Recht, doch wie so vieles konnte sie sich dies nicht erklären. Sie gingen hinauf, Theorl gab den Wachen Anweisungen, die sie jedoch nicht verstand, da er sehr leise sprach. Dann betraten sie die große Halle. Es war wunderschön und sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und dennoch überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Theorl rief zwei Dienerinnen zu sich und erteilte ihnen Anweisungen. Er wünschte ihr eine gute Nacht und zog sich zurück.
Alsbald kamen die zwei junge Frauen auf sie zu und nahmen sie mit sich. Sie betraten ein großes Zimmer und ohne auch nur ein Wort zu sagen, bereiteten sie ein Bad vor und legten ihr saubere Kleidung hin. Als sie gingen bemerkte sie, dass vor ihrem Zimmer Wachen postiert waren. Doch darüber machte sie sich im Moment keine Gedanken, sie wusste, dass man ihr hier nicht traute. Und so genoss sie das heiße Bad und versuchte sich zu entspannen. Gerade als sie sich ein sauberes Abendgewand angezogen hatte, kamen die beiden Frauen wieder herein. Sie kicherten und stellten etwas zu essen und zu trinken auf einen Tisch in der Nähe des Kamins. Sie schienen sehr neugierig und sahen sie fragend an. Eine fasste sich Mut.
„Man sagt ihr könntet nicht reden, stimmt das?"
Sie nickte. Die Andere hatte unterdessen die alte schmutzige Kleidung aufgesammelt und war damit verschwunden. Vandala sah ihr fragend nach.
„Habt keine Sorge, wir werden die Kleider nur reinigen und dann bekommt ihr sie natürlich zurück. Ich heiße übrigens Sedair. Darf ich Euch beim kämmen Eurer Haare helfen?"
Und wieder konnte sie nur nicken.
Sie war ein recht geschwätziges Mädchen, doch was konnte sie schon dagegen tun. Sie erzählte von den vielen Vermutungen die man sich über sie machte, dass sie entweder eine Spionin sei und sie das eh ihren Kopf kosten würde oder das sie eine arme Bettlerin sei und noch unzähliges Anderes. Doch dann erstaunte sie diese kleine Schwätzerin sehr.
"Ich persönlich denke ihr seid nichts von alledem. Eure Haut ist wie die einer von hohem Blute, so fein und ohne Schaden und Euer Haar ist von einer Schönheit wie ich es noch nie gesehen habe. Also könnt ihr kaum eine Bettlerin oder Ähnliches sein. Und eine Spionin seid ihr schon gar nicht. Ich habe zwar noch nie eine Elbin gesehen, aber wenn, dann denke ich sehen sie so aus wie ihr. Es ist schon spät, ich werde Euch nun allein lassen. Habt eine gute Nacht."
Und so ging sie.
Vandala ging zu einem der hohen Fenster, der Mond war schon aufgegangen und schien in seiner vollen Pracht herunter, man hätte meinen können er scheint direkt auf sie herab. Mit einem Mal wurde ihr traurig ums Herz, denn noch immer hatte sie keine Antworten gefunden, im Gegenteil, neue Fragen warfen sich auf. Sie war allein und sie fürchtete sich, der einzige Mensch, der ihr zu vertrauen schien, war nicht hier und wer wüsste, wann er wieder käme. Und ihr schien ihr Leben sei in Gefahr, wenn sie auch nur einen vermeintlichen Fehler machte.
„Du brauchst Dich nicht zu fürchten, wir wachen über Dich, so wie wir es immer getan haben." Sie erschrak, „ Wer spricht da?".
„Hab keine Furcht Vandala, Du wirst bald erkennen, was der Dir vorbestimmte Weg ist und Du wirst handeln wie es Dir bestimmt ist. Doch nun ruhe."
Wieder sah sie zum Mond auf, doch nun schien er ganz normal am Nachthimmel zu stehen, vielleicht war es auch nur eine optische Täuschung gewesen, sie wusste es nicht. Sie ging zu Bett und schlief umgehend ein, doch wieder plagte sie der Traum der letzten Nacht und wieder wachte sie schreiend auf. Sedair war herein gekommen um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Sie erkundigte sich nach ihrem Wohlbefinden. Doch Vandala schüttelte nur den Kopf und gab ihr zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.
„Wenn irgend etwas ist, ich werde für Euch da sein. Ihr habt mir einen Heidenangst eingejagt. Nun denn schlaft wohl."
Und so ging sie wieder.
Sie lag noch bis zum Morgengrauen wach und versuchte sich darüber klar zu werden, was mit ihr los war und schlief darüber hinaus ein.
Am Morgen stand sie auf und wieder war Sedair da um ihr zu helfen. Sie aß eine Kleinigkeit und überlegte wie sie sich von ihren Gedanken ablenken konnte. Sedair flechtete ihr das Haar und Vandala gab ihr zu verstehen, dass sie gerne rausgehen wolle.
„Nun ich werde sehen, ob dies möglich ist."
So ging sie hinaus und kam nach kurzer Zeit wieder.
„Nun ihr dürft hinausgehen, doch nur wenn ich dabei bin und ihr dürft Edoras selbst nicht verlassen bis König Eomer zurückgekehrt ist und entschieden hat, was mit Euch geschieht. So hat Theorl es aufgetragen."
Vandala nickte zustimmend. Hier kam sie sich mehr denn je wie eine Gefangene vor und sie war einsam. Und auf einmal dachte sie an Eomer. Er hatte sich so rührend um sie gekümmert und er war der Einzige, vor dem sie keine Furcht hatte. Sie hoffte, dass er bald zurück käme, doch hoffte sie dies nicht nur um ihrer Gefangenschaft ein Ende zu setzen. Sie setzte sich ans Fenster und genoss die warmen Strahlen der Sonne und lauschte den Vögeln. Sedair reichte ihr einen Umhang.
„Nun denn, ich denke den solltet ihr umlegen, wenn wir hinausgehen, es ist recht kühl."
Und so gingen sie gemeinsam hinaus. Im Thronsaal blieb sie stehen und bewunderte die vielen kleinen Details, die in die Säulen eingeschnitzt waren. Die Sonne durchflutete den Raum und ihr wurde bewusst, warum man dies die goldene Halle nannte. Alles wurde durchdrungen von diesem warmen Schein. Als sie die Stufen hinabgingen bildete sich wieder eine kleine Traube von Leuten, die sie argwöhnisch beäugten und anfingen zu tuscheln. Sedair stellte sich vor Vandala und gebot den Leuten damit aufzuhören und ihren Aufgaben nach zu gehen. Widerwillig taten die Leute was Sedair ihnen gesagt hatte. Doch Vandala konnte hören, wie sie sich über ihre Erscheinung unterhielten. Sie kam ihnen fremdartig vor, und dass sie sicher nicht aus diesen Landen kam und zugleich bewunderten sie ihre Erscheinung. Nun denn, sie folgerte dies einfach aufgrund der Tatsache, dass sie im Gegensatz zu ihnen allen, die fast ausnahmslos blond waren, schwarze lange Haare hatte und ihre Haut sehr hell war, was durch das dunkelrote Kleid das man ihr gegeben hatte, wohl noch mehr zur Geltung kam.
Sie ging nun voran. Und instinktiv ging sie zu den Stallungen. Diese Pferde waren wahrhaft königlich, von hohem Wuchs und edler Gestalt, noch nie hatte sie so schöne Tiere gesehen, die so viel Würde ausstrahlten. Ein Stallknecht war gerade dabei einen Teil der Pferde zu füttern, ein anderer striegelte die, die kurz zuvor hereingebracht wurden. Als sie sich so umsah, fiel ihr eines sofort auf, es war weiß mit einer beige- farbenen Mähne, dies hielt sie für sehr außergewöhnlich und so ging sie darauf zu. Ein Stallknecht hatte ihn gerade in seine Box gestellt und er war sehr unruhig und bäumte sich ständig auf. Sedair wollte sie zurückhalten.
"Seid vorsichtig my lady, er ist ein wahrer Heißsporn, außer König Eomer lässt er keinen an sich heran."
Doch Vandala achtete kaum auf ihre Worte und schritt weiter auf ihn zu. Sie näherte sich dem Tier und strich ihm sanft über die Blässe und streichelt ihn am Hals. Sedair und ein Stallknecht sahen sie fassungslos an und schienen ihren Augen nicht zu trauen. Der junge Mann schüttelte nur den Kopf.
„Das habe ich noch nie gesehen, dass er zu einem Fremden so vertrauensvoll und friedlich ist. Das glaubt mir keiner."
Vandala sah dem Pferd in die Augen und sofort schien eine Vertrautheit zwischen ihnen zu sein.
Und so ging sie in den nächsten Tagen immer wieder in den Stall und verbrachte dort viel Zeit. Das machte sie glücklich und ließ sie die jetzige Situation, in der sie sich befand, fast vollkommen vergessen.
In den späten Abendstunden begab sie sich oft zu den Hügelgräbern, immer unter den strengen Augen der Wachen. Dies war der weiteste Punkt an den sie sich begeben durfte und es war auch der einzige Ort an dem sie fast allein war. Und stetig war er in ihren Gedanken, Eomer.
So verbrachten sie eine scheinbar unendliche Zeit, allein.
