Kapitel IV

Neue Wege

Eomer ging es von Tag zu Tag besser, zumindest seinem Körper, denn in seiner Seele sah es anders aus. Er hatte überlebt, doch zu welchem Preis? Natürlich ließ er nach ihr suchen, doch ohne Erfolg. Er sandte Boten nach Gondor und in alle Teile von Mittelerde, doch Vandala schien vom Erdboden verschwunden zu sein. Er erkannte, dass er etwas gefunden hatte, dass er zuvor nie vermisst hatte, die Liebe. Doch so wie er sie gefunden hatte, so zerrann sie auch wieder. Denn sie war fort und an jedem Tag, an dem ein Bote ohne eine Zeichen von ihr zurückkehrte, zerbrach etwas mehr in ihm. Die Wochen und Monate zogen ins Land und Eomer tat was er immer getan hatte, er kämpfte für sein Land und die Übergriffe der Orks nahmen zusehends ab, doch wann immer er zurückkehrte, erkannte er, dass er allein war und er spürte eine Leere in sich die ihm Angst machte. Wo war sie und warum hatte sie ihn verlassen? Nichts schien mehr einen Sinn zu machen und er zog sich immer mehr zurück.

Theorl entging dies nicht uns so ging er zu seinem Herren. Er fand ihn auf den Hügelgräbern seiner Vorfahren. Dort saß er und starrte auf das weit vor ihm liegende Land.

„Herr, was bekümmert Euch?"

Eomer sah ihn nicht an und hielt seinen Blick weiterhin auf die Ebene gerichtet.

„Sie ist fort und ich werde sie wohl nie wieder sehen. Jeder Versuch sie zu finden ist gescheitert. Niemand hat sie gesehen. Sie scheint vom Erdboden verschluckt zu sein. Mir wurde erzählt, dass sie auch immer hier saß. Früher dachte ich dieser Platz sei traurig. Doch nun spüre ich, welche Kraft von diesem Ort ausgeht. Und ich blicke auf dieses Land, das Land meiner Väter."

„Und daran solltet Ihr denken Herr. Ihr seid der König Rohans und Euer Land und das Volk brauchen Euch. Nie habt ihr uns im Stich gelassen, doch ihr müsst an Eure Verantwortung denken."

„Erzähl mir nicht was ich zu tun habe." Eomer stand auf und sah Theorl zornig an. Seine Augen waren kalt geworden und die Güte war aus ihnen verschwunden.

„Verzeih mir, mein alter Freund." Er legte Theorl seine Hand auf die Schulter und ging.

Vandala mied auf ihrem Weg jeden Kontakt zu Anderen. Sie durchstreifte die verschiedenen Gegenden und suchte sich zur Nacht Unterschlupf in Wäldern oder kleinen Höhlen. Und mit jedem Tag vergrößerte sich ihre Sehnsucht nach Eomer. Träume hatte sie keine mehr, doch irgendetwas sagte ihr, dass sie auf die Stimme hören sollte und nicht nach Edoras zurück kehren sollte. Zuerst musste sie herausfinden wer sie war. Außer ihrem Namen war ihr nichts bekannt, auch nicht was geschehen war, bevor sie an diesem Tag unter der Eiche erwachte. Was wenn es ihr Schicksal war, Unglück über Andere zu bringen? Und so vergingen die Wochen.

Eines Nachts, sie hatte gerade einen guten Platz als Nachtlager in der Nähe eines kleinen Waldstückes gefunden, da hörte sie ein Wasserrauschen. Um für sich und das Pferd etwas Trinkwasser zu besorgen, machte sie sich auf den Weg. Kurz darauf stand sie vor einem Wasserfall, der von zwei großen Felsvorsprüngen gesäumt war. Als sie an ihm hinaufsah, fiel ihr etwas Funkelndes auf, dass durch das Wasser hindurchschimmerte. Ihre Neugier war groß und so beschloss, sie hinauf zu klettern. Der Mond war bereits aufgegangen und es wehte ein leichter Wind, der Himmel war sternenklar. Die Entfernung war doch größer, als sie gedacht hatte. Völlig entkräftet zog sie sich hinauf und blieb vollkommen ermattet auf einem Vorsprung liegen.

Sie drehte sich um und da war es was ihre Neugier erregt hatte. In einer kleinen Nische, direkt hinter dem Wasser lag ein Anhänger, er sah aus wie eine Träne und das Mondlicht reflektierte darin. Er war bildschön und als sie ihn in die Hand nahm, strahlte er plötzlich ein gleißendes Licht aus und eine Wärme durchflutete ihren ganzen Körper. „Vertraue Deinem Weg und finde die Wahrheit heraus. Reite gen Norden und finde die Antworten die Du suchst und Du wirst verstehen. Sieh in den Brunnen."

„Wer bist Du und was ist es, was ich finden werde?"

„Diesen Weg musst Du allein gehen. Habe Mut."

„Woher werde ich wissen..." Sie spürte, dass sie wieder allein war. Es hatte keinen Sinn. Warum konnte sie sprechen, wenn sie die Stimme hörte, jedoch sonst nicht? Sie band sich den Anhänger um den Hals und kletterte hinab. Sie bereitete ein kleines Feuer und setzte sich davor um sich zu wärmen. Das Pferd stupste sie von hinten an. Und sie erkannte, dass sie allein war und ihre einziger Freund war dieses Pferd. Doch es war ein treuer Freund.

Bei Tagesanbruch ritt sie los, immer gen Norden, so wie die Stimme es ihr gesagt hatte. Und am Abend des zweiten Tages ritt sie in einen großen Wald hinein. Die Sonne sandte ihre letzten warmen Strahlen und die Blätter schienen ein wahres Farbenmeer zu sein. Auf einmal erkannte sie wo sie war, in Lorien. Sie ritt weiter und suchte sich eine Platz für die Nacht und versorgte das Pferd. Doch sie konnte noch nicht ruhen, war dies der Ort an den sie die Stimme gesandt hatte? Sie schritt die Stufen hinauf zu den Schlafstätten und obwohl hier schon lange keiner mehr lebte, so hatte dieser Ort doch nichts von seiner Magie verloren.

An den Wänden sah sie wunderschöne Gemälde und jedes für sich erzählte eine Geschichte und sie kannte eine jede, es waren die Geschichten der Ältesten von Mittelerde. Doch woher, das wusste sie nicht! Auf einmal stockte ihr der Atem.

Vor sich sah sie eine Frau, die ihr vollkommen glich. Daneben stand ein Mann vom Volk der Rohirrim und auch sein Gesicht war ihr bekannt, doch sie waren getrennt, durch so etwas wie einen Lichtstrahl. Sie sahen sich an, doch ihre Blicke waren traurig. Auf dem nächsten Bild sah sie den Mann, er lag tot auf einem großen Schlachtfeld. Die Frau kniete am Ufer eines Baches, im Hintergrund eine kleine Hütte, sie weinte und streckte ihre Hände gen Himmel. Das war das Bild aus ihrem Traum, was hatte all dies zu bedeuten? Als sie weiterging, sah sie noch ein Bild, als sie dies sah, knickte sie zusammen und begann zu weinen. Dieses Bild zeigte die Frau mit einem Schwert in der Hand, das blutverschmiert war, unter ihr die Feinde die um Hilfe zu flehen schienen, doch ihr Gesicht war ohne jedes Mitleid.

War das die Antwort auf die sie gehofft hatte? Nein das konnte nicht sein. So schnell sie konnte rannte sie hinunter und wäre dabei fast gestürzt. Auf einmal sah sie ihn, den Brunnen Neregret und sie ging auf ihn zu.

Sie hatte Angst und doch wollte sie die Wahrheit wissen. So füllte sie den Brunnen mit Wasser und sah hinein. Und was sie sah, bestätigte was sie gefühlt hatte, als sie die Bilder sah. Doch sie sah noch mehr. Sie sah sich selbst, sie kniete vor einer erhabenen Frau die ihr den Anhänger umlegte, den gefunden hatte und sie sprach zu ihr. „ Nun Vandala, Kind von Varda, gehe Deinen Weg und leite die Geschicke der Menschen. Doch hüte Dich davor Dein Herz zu verlieren, behandle sie, als wären es Deine Kinder." Und so sah sie sich, wie sie schon zu Anbeginn der Zeit, das Schicksal der Menschen teilte und so gut sie es vermochte half. Dann verblasste der Spiegel. Und sie setzte sich auf eine der Stufen und Tränen rannen über ihr Gesicht. Deshalb also musste sie gehen, denn nur durch ihren Verzicht würde er glücklich werden. Doch warum wusste sie von all dem nichts zuvor?

Als sie aufsah, sah sie plötzlich eine Frau vor sich. Es war die Frau die sie auch im Brunnen gesehen hatte, die ihr einst den Anhänger gab.

„Warum nur? Bin ich dazu verdammt, allein zu sein und niemals zu lieben?"

„Du bist nicht allein und das weißt Du. Damals hast Du geliebt und durch Deine Liebe hast Du den Lauf der Dinge verändert."

„Musste er deshalb sterben, habt ihr ihn mir deshalb genommen? Warum quält ihr mich so? Warum habt ihr mich zurück geholt? Wenn ich Tod war, warum habt ihr mich nicht ruhen lassen? Und warum habt ihr uns wieder zusammen geführt?"

„Wir wussten, dass er nur Dir vertrauen würde und Du hast sein Leben gerettet, ohne an Dich selbst zu denken. Sein Ende ist noch nicht gekommen und er ist wichtig für die Zukunft seines Volkes."

„Also war ich nur eine Marionette in Eurem Spiel. Warum empfinde ich so viel für ihn? Warum tut ihr mir das an?"

„Auch Dein Schicksal ist noch nicht geschrieben und Dein Weg liegt noch vor Dir, Du musst nur Mut haben ihn zu beschreiten. Vertraue darauf und auf die Kraft die in Dir liegt."

„Was soll ich nun tun?"

„Das weißt Du." Und so verschwand sie.

Bevor sie sich in dieser Nacht zur Ruhe legte, band sie das Pferd los und flüsterte ihm ins Ohr Heim zu reiten. Sie wollte jede Verbindung zu Eomer zerschneiden und damit auch jede Erinnerung an ihn. Das Pferd sah sie verständnislos an, ritt dann jedoch los. Es fiel ihr schwer, doch sie musste diesen Schritt tun. Als sie sich schlafen legte fühlte sie sich einsamer denn je. Und in ihren Träumen durchlebte sie all dies noch einmal. Wie sie ihn das erste Mal sah, vor so langer Zeit.

Sie war vom Pferd gestürzt und er pflegte sie gesund. In diesen Wochen entstand ein starkes Band zwischen ihnen und daraus erwuchs ihre Liebe. Doch diese Liebe war verboten und so verzichtete er auf alles und floh mit ihr. Sie lebten zusammen und nichts schien ihr Glück zerstören zu können, als sie bemerkte das sie ein Kind erwartete. Doch eben zu jener Zeit, schickte man nach ihm und bat ihn Heim zu kehren, da sein Land ihn brauchte, da ein großer Krieg bevorstand. Und so trennte er sich schweren Herzens von ihr und versprach zurück zu kehren. Doch er fiel in der Schlacht und ihr Gram darüber war so groß, dass sie jedes Gefühl in sich abtöten wollte, da sie den Verlust nicht ertragen konnte. Kurz darauf verlor sie das Kind und auf einmal spürte sie nur noch den Durst nach Rache in sich und den Wunsch zu sterben, da es nichts mehr gab, wofür es sich lohnte zu leben. Von ihrer Mutter im Stich gelassen und verraten zog auch sie in den Krieg. Und jede noch so tollkühne Tat, in der sie hoffte durch den Tod erlöst zu werden, sorgte nur für eines. Sie wurde kalt und unberechenbar. Die über die sie einst wachte, waren ihr egal geworden und sie zeigte kein Mitleid. Wenn die Menschen für die Valar ihre Kinder waren, so sollten die Valar ebenso leiden, wie sie es tat, als man ihr alles nahm.

Schweißgebadet wachte sie auf und war erschrocken über das, wozu sie im Stande war und so beschloss sie sich zurück zu ziehen um keine Gefahr mehr für Andere darzustellen. Und so zogen die Monate ins Land.