Kapitel VII

Lothiriel

Eomer sandte einen Boten nach Dol Amroth. Kurz darauf holte er Lothiriel zur Vermählung nach Edoras. Noch immer war Eomer ihr gegenüber sehr zurückhaltend.

Es war sehr früh am Morgen, Eomer saß an den Hügelgräbern. Ein leichter Wind wehte und die Sterne schienen noch am Firnament, doch die Sonne bahnte sich im Osten schon ihren Weg. Es war der Tag der Hochzeit. Sie setzte sich neben ihn.

„Bist du sicher, dass Du diesen Schritt gehen willst?"

„Ja, das bin ich." Antworte er ihr sanft, doch sah er sie dabei nicht an.

„Was immer auch zwischen uns steht, ich werde Dich nicht aufgeben. Denn ich liebe Dich zu sehr. Und was Dir Dein Herz so schwer macht, ich habe die Kraft es damit aufzunehmen."

Er sah sie an und es schmerzte ihn dies zu hören. Sie liebte ihn wirklich, er konnte sie nicht anlügen und er wollte es auch nicht.

„Ich bat Dich damals um Geduld und darum bitte ich Dich auch jetzt. Doch zweifle nicht daran, dass ich Dich liebe. Ich werde für Dich da sein, doch ich kann Dir nicht sagen, ob ich Dich je genauso lieben kann, wie Du mich. Doch die Gefühle die ich Dir entgegenbringe sind aufrichtig."

„Darauf vertraue ich."

Langsam hob er den Kopf und wand sich dem weiten vor ihm liegenden Land zu. Ein leichter Wind erhob sich der das Land streifte und den Tau der Nacht von den Blättern wehte. Eomer vermochte es nicht in ihre Augen zu sehen. Ihre Augen, die so tief schienen wie der Ozean. War es die Brandung die er sah, oder das sanfte ruhige Meer? So viel Kraft sah er in ihren Augen, aber auch Angst, die gleiche Angst die auch er spürte. Und das verband sie miteinander.

„Als ich die Liebe fand, erkannte ich was ich mein Leben lang vermisst hatte. Ich konnte sie jedoch nicht halten. Dann traf ich Dich und Du gabst mir neuen Mut und dafür danke ich Dir. Und meine Liebe zu Dir ist aufrichtig, doch ist es nicht die gleiche Liebe."

Sie gab ihm sanft einen Kuss und nahm seine Hand. Sie war glücklich, denn nun wusste sie, er würde sie nicht belügen und das er sie liebte. Sie war sich sicher, dass ihre Liebe stark genug war. So saßen sie beieinander und sahen auf das weite Land, dass von der aufgehenden Sonne in eine wahre Farbenpracht verwandelt wurde. Die Sonne hatte über den Mond gesiegt.

Die Düfte der ersten Frühjahrsblumen breiteten sich dezent aus. Lothiriel war gerade dabei sich für die Zeremonie anzukleiden, als eine Dienerin eintrat die sie zuvor noch nie gesehen hatte. Sie half ihr dabei ihre Kleider zu richten. Lothiriel saß vor einem großen Spiegel und die junge Frau kämmte ihr das Haar.

„Warum schaut ihr so unglücklich drein? Dies sollte doch der glücklichste Tag Eures Lebens sein. Habt Ihr Zweifel?"

„Nun ich frage mich, ob es richtig ist zu heirateten, wenn man weiß, selbst nie so geliebt zu werden, wie man den Anderen liebt?"

„Ihr zweifelt zu Unrecht. Er liebt Euch und er achtet Euch. Er war so lang allein und er war nicht glücklich. Habt Geduld mit ihm, dann werdet ihr erkennen, wie sehr er Euch liebt. Sein ganzes Leben lang kannte er nur eine Aufgabe und so viele die er liebte hat er verloren. Und ginge es uns nicht ebenso, dass wir Angst hätten, jemand zu lieben und ihn dann zu verlieren?"

„Du hast sicher Recht. Doch hoffe ich, dass ich genug Kraft habe, um ihm zu beweisen wie sehr ich ihn liebe. Ihm die Sicherheit und Hoffnung zu geben, die er braucht."

„Die habt ihr, glaubt an Eure Kraft und vertraut auf Eure Liebe. Denn wofür lohnt es sich zu leben, wenn wir nicht an ihr festhalten, der Liebe die wir für einen anderen Menschen empfinden!"

Lothiriel nickte und betrachtete sich nun noch einmal im Spiegel. Sie hatte neuen Mut gefasst und sah nun zuversichtlich ihrem Weg entgegen den sie gehen würde, mit Eomer, dem Mann den sie liebte. Als sie sich umdrehte war sie allein im Zimmer, die Dienerin war verschwunden. Auf einmal klopfte es an der Tür und Eowyn kam mit zwei Dienerinnen herein.

„Nun liebe Schwägerin, Du bist schon fertig? Wir wollten Dir gerade helfen."

„Wie zuvorkommend von Dir, aber eine der Dienerinnen hat mir schon geholfen."

Eowyn sah sie etwas irritiert an.

„Wir hatten Dich extra etwas länger allein gelassen, damit Du in Ruhe... keine der Dienerinnen hat Deine Gemächer bis jetzt betreten."

Lothiriel war darüber etwas verwirrt, aber sie sorgte sich nicht. Sedair war mit Eowyn gekommen, sie verwunderte das alles sehr.

„Wie sah sie denn aus, vielleicht ist es eine der neueren Bediensteten und kannte die Anweisungen nicht?"

„Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, es ist alles in Ordnung. Sie war eine sehr nette junge Frau. Sie war etwas größer als ich, mit langen schwarzen Haaren und einem zarten Gesicht. Ihre Augen fielen mir auf, sie schienen so wissend und so gütig. Ihre ganze Erscheinung war so beruhigend und zugleich so erhaben. Wisst Ihr was ich meine? Aber bitte seid nicht böse mit ihr, sie hat mir sehr geholfen."

Sedair´s Gedanken rasten wie wild, sie wusste wer diese Unbekannte war und sie überlegte ob sie Eowyn oder Lothiriel davon berichten sollte, oder sogar dem König. Doch sie lies davon ab.

Und so wurden Lothiriel mit Eomer vermählt. Tränen des Glücks rannen über ihre Wangen und sanft küsste Eomer seine Braut. Als er stolz seinem Volk die neue Königin Rohans präsentierte spürte er eine große Erleichterung, er wusste nun, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

Am Abend stand Eomer auf den Stufen vor der goldenen Halle und sah den Menschen zu die fröhlich tanzten. Auf einmal sah er sie, mitten in der Menge. Als er noch einmal hinsah war sie verschwunden. War es nur eine Täuschung gewesen? Auf einmal stand Eowyn neben ihm.

„Bist Du glücklich?"

„So glücklich wie ich nur sein kann." Er sah seine Schwester gütig an. „Ich habe eine Frau gefunden die mich liebt und die ich liebe."

„Doch Du scheinst nicht vollkommen glücklich zu sein? Komm zur Ruhe und gesteh Dir selbst dieses Glück zu. Versteck Dich nicht hinter Deinen Zweifeln, öffne Dich ihr, dies verdient sie als Deine Frau."

Eomer verstand was Eowyn ihm sagen wollte. Er hatte Angst Lothiriel zu sehr in sein Herz zu schließen. Zu groß war seine Furcht, so viele hatte er verloren.

„Du hast Recht, doch weißt Du nur zu gut, wie schwer dies ist."

„Ja, das weiß ich, doch habe ich gelernt, was es bedeutet seine Angst abzustreifen und geliebt zu werden und es gibt nichts was ich nun mehr missen will."

Als Eomer in dieser Nacht das Schlafgemach betrat, stand Lothiriel am Fenster. Als sie ihn hereinkommen hörte, drehte sie sich langsam zu ihm um. Er legte seine Gewandung ab und dabei fiel der kleine Anhänger, der er seit jenem Tag um den Hals trug, auf den Boden. Das Licht spiegelte sich nicht mehr darin, als er ihn wieder in seine Hand nahm. Sacht legte er ihn in eine kleine Schachtel und kurz dachte er noch einmal an Vandala, doch verwarf er diesen Gedanken.

Da stand sie, die Frau, die ihn liebte und die er heute geheiratet hatte. Sie war so jung und schien so unschuldig. Er konnte und wollte sie nicht betrügen und sei es nur in Gedanken. Er ging auf sie zu und nahm sie zart in seine Arme. Sie schmiegte sich an ihn und sanft stich er über ihr Haar. Er küsste ihre Stirn und trug sie dann zum Bett. Er löste die Schnürung ihres Nachthemdes und schob vorsichtig den Stoff über ihre Schultern. Er küsste sie vom Hals abwärts bis zu ihrem Nacken, sie zitterte.

„Du brauchst keine Angst zu haben, es wird nichts geschehen, was Du nicht willst."

„Ich habe keine Angst, doch bin ich unerfahren in diesen Dingen. Ich verzehre mich nach Deinen Berührungen und dennoch..."

Sanft küsste er sie und schloss sie in seine Arme. Sie liebten sich in dieser Nacht. Doch als Lothiriel am Morgen erwachte, da lag er nicht mehr neben ihr, er stand am Fenster. Sie ging zu ihm und schmiegte sich von hinten an ihn heran.

„Ist irgendetwas? Habe ich etwas falsch gemacht?"

Er drehte sich zu ihr um und gab ihr einen innigen Kuss. Sanft strich er ihr, ihr Haar aus ihrem Gesicht.

„Nein hab keine Sorge, es ist alles in Ordnung."

Da hielt er diese schöne, hingebungsvolle und ihn liebende Frau in seinen Armen. Und dennoch, überkam ihn die Sehnsucht, die Sehnsucht nach ihr. Es schmerzte ihn sehr, seine Frau so zu verraten. Sorgenfalten bildeten sich auf seiner Stirn und er sah hinaus. Ein neuer Tag begann und die Morgensonne wärmte ihn. Er zog sie in seine Arme und hielt sie eng an sich gepresst.