manchmal ist es angenehm
manchmal genau das gegenteil, wenn
man mit seiner vergangenheit konfrontiert
wird und eigentlich die zukunft, die
vorauseilt einholen möchte.
(Goethes Erben)
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Die Bedrohung
Es war früh, als Harry nach Halloween wieder erwachte. Er kuschelte sich noch einmal an Ginny und gab ihr vorsichtig einen Kuss. Die Nacht im Raum der Wünsche war besser gewesen, als er es sich gestern noch ausgemalt hatte. Er hatte seine Unschuld verloren und sie hatten sich lange und intensiv geliebt. Eine ganze Weile betrachtete er seine schlafende Freundin, doch als der Tag anbrach und die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster schienen, weckte er sie vorsichtig. Sie küssten sich ein paar Mal leidenschaftlich, doch beide wussten, dass die Nacht in ihrem heimlichen Versteck zu Ende war.
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Mit dem November schien sich das Wetter rasch zu wandeln. Es ging stark auf den Winter zu und die Tage wurden zunehmend kürzer. Aus den Wolken, die die Sonne meist bedeckten, würde schon bald der erste Schnee fallen.
Harry verbrachte einen Großteil seiner Freizeit in der Bibliothek und bereitete das kommende DA Treffen vor, welches gegen Ende der Woche stattfinden würde. Doch seine Vorfreude darauf war nicht sonderlich groß. Zu oft hatte es bei den letzten Treffen Proteste gegeben, was die Inhalte des Übungsstoffes anging. Hermine konnte manchmal recht einflussreich sein, denn immer mehr Schüler forderten auch härtere Flüche um der Bedrohung durch Todesser standhalten zu können.
Die Zeit bis dahin verging sehr schleppend und Harry wünschte sich nichts sehnlichster als die Weihnachtsferien, die in sieben Wochen beginnen würden.
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Neben Theodor ging er zu Peonys Klassenzimmer. Professor Peony hatte vor zwei Wochen endlich mit dem Thema Heil- und Linderungstränke angefangen. Alle Schüler hatten gehofft, dass sie endlich wieder etwas Praktisches üben würden, doch ihre Lehrerin hatte sie bisher nur einen Trank gegen eingewachsene Nägel brauen lassen, der noch nicht einmal sonderlich kompliziert gewesen war.
"So", fing die Lehrerin an, "Der Tank von letzter Woche müsste jetzt genügend gezogen haben, würden Sie bitte alle Ihre Kessel holen. Ich möchte mir die Ergebnisse ansehen und dann werden wir mit dem Antisplisstrank beginnen." Harry rümpfte die Nase, als er das hörte, tat aber wie befohlen und stellte fest, dass sein Trank inzwischen eine dunkelbraune schmierige Masse geworden war.
"Ich hätte ein wenig mehr Elan erwartet, gerade bei einem derart einfachen Trank sollten Sie als UTZ-Kurs ein besseres Ergebnis erzielen." sagte sie vorwurfsvoll und betrachtete Harrys Trank.
"Professor," meldete sich Hermine zu Wort und mit einem Nicken, gab die junge Frau ihr das Wort, "Wissen Sie, der Trank war zwar sehr einfach, aber ich glaube, es ist nicht ganz das, was sich die meisten hier zu lernen wünschen."
"Wie meinen Sie das?" hakte Professor Peony nach.
"Nun ja, wir sind hier im UTZ-Kurs und die meisten wollen lieber Tränke machen die für irgendetwas nützlich sind."
"Nützlich?" fragte Peony und ihre Augen fixierten die Hermines, "Also ich denke dieses hier ist mehr als nützlich, ein eingewachsener Fingernagel kann durchaus schmerzhaft sein und das nächste Projekt, ist die ideale Lösung für sämtliche Haarprobleme, ... in der fünften Klasse ist das sehr gut angekommen."
"Aber Professor", unterbrach Hermine die Lehrerin, "Wir sind im letzten Jahr und Sie lehren uns solchen Kinderkram. Sie haben doch im St.-Mungo gearbeitet. Sie wissen genau, wie wir alle, dass da kein Mensch hinkommt, wegen eingewachsenen Nägeln, oder Problemen mit Spliss.
„Eben weil die Leute wissen, wie man den Trank braut", entgegnete Peony.
„Aber wir wollen nach der Schule keinen Beautysalon eröffnen. Wir müssen doch wissen, wie man stark blutende Wunden stillt, oder bei Vergiftungen erste Hilfe leistet."
"Alles zu seiner Zeit", sagte Peony kühl, "Und das Thema Vergiftungen, oder vergiftete Wunden ist derart umfangreich, dass wir es wohl kaum in diesem Schuljahr behandeln können." Hermine setzte noch einmal zu einer Erwiderung an, aber Peony ließ nicht weiter mit sich reden und drohte jedem eine Strafarbeit an, der es wagte sie wegen ihrem Unterrichtsstil zu kritisieren.
Harrys Meinung war zwar der Hermines sehr ähnlich und er glaubte, dass sie mit ihrem Wunsch, allen anderen ebenfalls aus dem Herzen gesprochen hatte, aber keiner wagte mehr etwas zu sagen. Der Slytherin sah zu der, immer noch vor Wut zitternden, Phönixhausschülerin hinüber. Sie beugte sich zu ihm hinüber, um etwas zu sagen, doch mit einem Blick auf die Lehrerin, die sie immer noch misstrauisch beobachtete, ließ sie es lieber bleiben.
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Harry verbrachte die meiste Zeit der Stunde damit, seinen Kessel von der schmierigen Masse der letzten Woche zu befreien. Danach füllte er ihn gehorsam mit frischem Quellwasser und gab hundert Gramm zerstoßene oder gemahlene Fledermausknochen und einige Tropfen Algenextrakt hinzu. Danach war er fürs Erste fertig, denn dieses Gemisch musste jetzt etwa drei Tage köcheln bis er die nächsten Zutaten hinzu geben konnte.
"Ich hasse diese Frau!" fluchte Hermine, als die beiden den Klassenraum verließen und sich auf den Weg zu Verteidigung gegen die dunklen Künste machten.
„Du hast Recht", grummelte Harry, "Und dabei habe ich gehört, dass sie eine hervorragende Heilerin sein soll.", fügte er schnaubend hinzu.
„Manchmal sehne ich mich nach dem Unterricht von Snape", sagte Hermine immer noch wütend auf Professor Peony, "Der hat uns wenigstens gefordert."
"Überfordert wäre treffender", quiekte Neville. Sie erreichten Flitwicks Klassenraum und unterbrachen das Gespräch, als sie erkannten, dass ihr Lehrer bereits an seinem Pult saß. Schweigend ließen sie sich auf ihren Plätzen nieder und warteten auf die restlichen Schüler, die kurz nach den Dreien ankamen.
"Schlagt doch gleich mal das Buch auf Seite 253 auf." fing Flitwick an, als alle Schüler saßen. Es folgte ein Murmeln und das Rascheln von Seiten, als die Schüler die besagte Seite aufschlugen.
Harry hielt einen Moment inne. Auf der Seite war eine Zeichnung von einem Mann abgebildet, wie er sein Opfer aussaugte. Er starrte einen Moment fassungslos auf die Abbildung dann meldete er sich irritiert.
"Professor, hatten Sie nicht in der letzten Stunde gesagt, dass wir als nächstes die Veelas durchnehmen?" fragte Harry und sah zu dem kleinen Mann auf, der hinter seinem Pult auf einem Stapel Bücher stand.
"Wir sind noch nicht ganz mit den ‚ursprünglichen', magischen Halbwesen fertig, das stimmt, aber es gibt Informationen, dass Sie-Wissen-Schon-Wer inzwischen Einfluss auf die ranghohen Klanführer der Vampire hat."
"Wollen Sie damit sagten, dass Voldemort einen Haufen Vampire irgendwo versteckt hat?"
"So lauten die Informationen, die ich von unserem Schulleiter erhalten habe. Er bat mich, Ihnen die Abwehr gegen diese Kreaturen zu lehren", sagte Flitwick und sein Blick wanderte durch die Reihen der Schüler, "Kann mir irgendjemand etwas über Vampire erzählen?"
Mit einem Mal waren unzählige Hände oben und Flitwick wandte sich an Dora, die einzige Slytherin neben Harry, die in diesem Fach den UTZ-Kurs belegte.
"Nun, ... Vampire zählen zu den ‚erworbenen', magischen Halbwesen. Sie sind Menschen bis zu dem Zeitpunkt, wo ihr Körper, durch das Gift, das beim Biss eines anderen Vampirs in den Körper appliziert wird, stirbt. Sie hören auf zu Altern und werden somit beinahe unsterbliche Geschöpfe mit sehr stark ausgeprägten Sinnen und Instinkten. Allerdings sind sie Geschöpfe der Nacht und vertragen kein Sonnenlicht, welches sie am Tag blind und hilflos macht. Es könnte sie töten, wenn sie zu lange direktem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Außerdem sind sie gezwungen sich von Blut zu ernähren..."
"Sehr gut Miss Moon", unterbrach Professor Flitwick die Schülerin, "Zehn Punkte für Slytherin. Gibt es noch etwas zu ergänzen? Wie kann man, zum Beispiel, einen Vampir erkennen... Miss Granger?" Hermine nahm die Hand wieder runter.
"Nein, ich ... Ich wollte Ihnen eigentlich eine Frage stellen", sagte die Phönixhausschülerin.
Flitwick sah von seinem Bücherstapel zu ihr hinunter und gebot ihr fortzufahren, "Ist es einem Vampir unter bestimmten Bedingungen möglich, wie ein gewöhnlicher Mensch zu leben?" fragte Hermine und sah unsicher zu dem kleinen Lehrer auf.
"Das ist eine sehr gute Frage", sagte der Lehrer, "Und erfordert eine längere Antwort. Wären Sie mir böse, wenn ich die Frage jetzt erst einmal mit einem knappen Ja beantworte und wir das demnächst noch einmal genauer betrachten?" Hermine nickte zustimmend, während Ron einen ernsten Blick zu Harry warf.
"Die glaubt doch nicht immer noch, dass Snape ein Vampir war?" fragte der Rothaarige flüsternd. Der Slytherin antwortete lediglich mit einem Schulterzucken
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"Ich wusste es", sagte Hermine nach der Stunde, als sie die Treppen in die Große Halle hinuntergingen.
"Was hast du gewusst?" fragte Harry, "Das Snape vielleicht doch ein Vampir war?" Harry und auch Ron, der knapp hinter ihnen war, begannen zu lachen.
"Nein, obwohl ich das immer noch für möglich halte", sagte Hermine ernst, "Ich hatte so eine Ahnung was Voldemort und Vampire anging."
"Wie kommst du da darauf", fragte Ron, der inzwischen aufgeschlossen hatte, "Du weißt, Trelawney hat nie was von deinen seherischen Fähigkeiten gehalten."
"Sehr witzig", sagte Hermine, blieb stehen und sah ihren Exfreund genervt an, wandte sich dann aber wieder Harry zu, "Du hast mir doch von dem Gespräch zwischen Voldemort und Morticia erzählt."
"Ja,... und?"
"Morticia ist ein Vampir, genauer gesagt, eine der vielen Klanführer und, meinen Recherchen zufolge, hat sie ein großes Gefolge unter sich... Was hatte sie noch mal genau zu Voldemort gesagt?"
"Lediglich, dass sie den ‚Unbekannten' nicht jagen will, weil sie ungeduldig werden und sie sie nicht mehr lange unter Kontrolle halten könnte... und ..." Harry brach ab.
"Sie hat von Vampiren gesprochen. Sie... sie drohen zu fliehen", folgerte Hermine, "Wir müssen zu Dumbledore."
"Übertreibst du nicht etwas?" fragte Ron.
"Was glaubst du wird passieren, wenn eine Horde hungriger Vampire durch das Land zieht?" fuhr Hermine ihren Ex-Freund an und dieser schien so langsam zu verstehen. Harry verspürte keine große Lust mit dem Schulleiter zu reden, doch Hermine blieb eisern und so standen sie wenig später vor dem Wasserspeier, der den Eingang zu dessen Büro bewachte.
"Miss Granger, Mr. Potter, Mr. Weasley, was machen Sie hier?" fragte Professor Dumbledore, der den Gang entlang auf sie zukam.
"Wir wollten mit Ihnen sprechen", sagte Hermine rasch und fügte, lediglich das Wort ‚Vampire' als Erklärung hinzu. Der Schulleiter nickte.
"Schokoladenpralinés", sagte er und die gewaltige Wendeltreppe begann sich vor ihnen aufzutun. Nur wenig später waren die drei im Büro und Hermine erklärte die Sachlage, doch der Schulleiter nickte lediglich.
"Das ist mir nicht neu", sagte der alte Mann, "Ich habe vor wenigen Tagen mit dem ‚Unbekannten', wie du ihn nennst, gesprochen."
"Dann wissen Sie also, wer er ist?" fragte Harry, "Voldemort ist hinter ihm her."
"Das ist mir auch schon bekannt, aber mache dir keine Sorgen um ihn, egal was Voldemort dich über ihn wissen lässt. Er ist in Sicherheit."
"Aber was werden Sie in der Angelegenheit mit den Vampiren tun?" warf Hermine nach kurzem Schweigen ein.
"Wir wissen, wo sie sich aufhalten, „ erklärte der Schulleiter, "Die Auroren überwachen den Ort soweit es ihnen möglich ist, ohne selbst in Gefahr zu geraten. Wenn Morticia die Kontrolle verliert, können wir hoffentlich schnell genug eingreifen, so zumindest der Plan."
"Ist das alles?" fragte die Phönixhausschülerin fassungslos, "mehr nicht?"
"Im Moment ja", sagte der Schulleiter, "Unser Zaubereiminister möchte keine Panik unter den Hexen und Zauberern auslösen."
"Aber..."
"Hermine bitte", sagte der Schulleiter sanft, "Mehr steht nicht in meiner Macht. Ihr solltet runter zum Essen gehen. Ich muss noch etwas mit Harry besprechen." Schweigend saß Harry auf dem Stuhl und starrte seine Füße an. Erst als sich die Bürotür hinter den beiden Phönixhausschülern schloss, wagte er einen kurzen Blick zu ihm auf.
"Einen Zitronenbrausebonbon, Harry?" fragte der Schulleiter und hielt ihm eine Schale entgegen. Der Angesprochene schüttelte den Kopf, "Vielleicht einen Schokofrosch? ... Ich müsste noch einen..." Dumbledore suchte in den großen Pergamentstapeln und begann schließlich die zig verschiedenen Schubladen seines Schreibtisches zu durchforsten.
"Nein, danke", sagte der Slytherin lächelnd, "Sagen Sie mir einfach, was Sie wollen."
"Nun gut", sagte Dumbledore, schloss die zuletzt geöffnete Schublade und sah Harry lächelnd an. "Hermine hatte gesagt, dass Sie von sich aus versucht haben, in Voldemorts Gedanken einzudringen... Ist das wahr?" Harry nickte und bereitete sich instinktiv auf eine Moralpredigt des Schulleiters vor.
"Wie hat es geklappt? Hat er etwas davon bemerkt?" Damit hatte Harry nicht gerechnet. Er richtete sich in seinem Stuhl auf und seine Augen fixierten die des Schulleiters.
"Nun, geklappt hat es, ja, aber nur vage und ich konnte lediglich erkennen was er tat, sagte und so weiter. Ich komme einfach nicht tiefer in seinen Kopf."
"Harry, dass ist..." Dumbledores Euphorie brach ab, "Voldemort würde merken wenn du tiefer in seine Gedanken eindringst, das wäre zu gefährlich. Deine Legilimentik scheint stärker zu sein, aber ich denke, selbst wenn du könntest, solltest du aufgrund der mangelnden Übung keine weiteren Versuche unternehmen."
"Aber ich beherrsche die Okklumentik sehr gut, ... er... er kann mich nicht mehr beeinflussen." sagte Harry, hatte aber Zweifel daran.
"Ich würde es nicht darauf ankommen lassen." sagte der Schulleiter, "Du musst bedenken, er hat Übung darin. Wenn du weiter nach Plänen oder Informationen in seinem Kopf suchen willst, musst du gewarnt sein, dass er das gleiche, ohne es zu merken, auch bei dir tun kann." Dumbledore seufzte, "Ich habe im Sommer meinen besten Spion verloren und glaube mir, es gäbe nichts wichtigeres für mich, als herauszufinden, was der Feind plant, aber, ... Harry, es ist wirklich zu gefährlich und daher muss ich dich bitten, es nicht wieder zu tun." Harry nickte. Irgendwie hatte er es erwartet.
"Sonst noch etwas?" fragte der Schwarzhaarige resigniert. Der Schulleiter schüttelte den Kopf, "Nein, du kannst gehen." Zögernd stand der Slytherin auf und ging langsam aus dem Büro. Er spürte dass die Blicke des Schulleiters auf ihm hafteten und war froh, als die Bürotür hinter ihm ins Schloss fiel.
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Alle DA-Mitglieder waren bereits anwesend, als Harry am Freitagnachmittag in den Raum der Wünsche trat. Dean stritt sich mit Susan Bones über irgendetwas. Terry saß wie so oft in einer der hinteren Ecken und betrachtete die Gruppe schweigend. Seit dem Tod seiner Eltern war er sehr viel ruhiger geworden und nahm, von sich aus, nur selten Kontakt zu anderen Schülern auf.
Neville und Luna wiederholten den Protego, den der Phönixhausschüler immer besser beherrschte und eine Gruppe Viertklässler schien den Unterricht der letzten Wochen durchzudiskutieren. Doch als die Tür sich hinter ihm schloss wurde es rasch still und die Schüler bildeten beinahe automatisch einen Sitzkreis.
Harry hielt sich nicht lange bei der Begrüßung auf und ging sofort zum Vorhaben dieser Stunde über: dem Vincolo-Zauber. Einen Fluch mit dem man einen Gegner fesseln konnte. Doch noch bevor er ausgesprochen hatte wurde er von Lavender Brown unterbrochen.
"Was gedenkst du gegen die Vampire zu tun?"
"Das wird Flitwick uns in absehbarer Zeit in seinem Unterricht beibringen", verteidigte Harry sich, "Ich habe keine Ahnung von der Verteidigung gegen Vampire."
"Flitwick wird uns lediglich Bannflüche beibringen, damit wir sie uns vom Hals halten können", warf Hermine ein, "Aber er wird uns nicht zeigen, wie man sie tötet."
"Das reicht doch!" sagte Harry und er spürte die Wut in sich hoch kriechen.
"Nein, wird es nicht", sagte Hermine, "Man kann mit Hilfe dieser Flüche die Kreaturen auf Abstand halten, aber nur für begrenzte Zeit. Der Fluch schwächt zu schnell ab oder sie umgehen ihn. Vor allem wird ein Vampir, der einst ein Zauberer war, den Fluch ohne Probleme brechen können."
"Ich weiß dass du gerne den Corpus Inflamare mit uns üben möchtest", sagte Harry aufgebracht, "Aber es macht keinen Unterschied... töten bleibt töten, und das werden wir sicher nicht üb..."
"Harry!" schrie Hermine und baute sich entschlossen vor dem Slytherin auf, "Du weißt nur zu gut, was auf dem Spiel steht."
"Der Flammenfluch ist zu gefährlich", schrie Harry zurück, "Was ist, wenn etwas schief geht? Wenn du Snape gesehen hättest, würdest du anders denken!"
"Ich habe Simon brennen sehen, aber wir sind hier in einem geschützten Rahmen und alle hier beherrschen den Abwehrzauber dafür!"
"NEIN, und das ist mein letztes Wort!"
"Irgendwann musst du töten, ob du willst oder nicht! Oder willst du uns alle in Verderben rennen lassen." schrie Hermine aufgebracht. Daraufhin stockte Harry. ‚Sie hat das jetzt nicht wirklich gesagt. Das... Das hat sie nicht... nein.' schoss es ihm in den Kopf, doch ein Blick auf die unzähligen Schüler, die den Streit verfolgten reichte aus, um zu erkennen, dass sie die beiden geschockt anstarrten, ganz besonders den Slytherin. Hastig griff er nach Hermines Robe und zerrte sie durch die Tür in den Gang hinaus.
"Na super", zischte Harry kühl, "Wie willst du denen da drin deine Aussage erklären?"
"Es ... es tut mir Leid", sagte sie verunsichert und wagte es kaum den Blick Harrys standzuhalten, "Ich weiß dass ich das nicht hätte sagen sollen, aber meinst du nicht auch, dass du dich so langsam damit auseinandersetzen musst?"
"Hermine, das ist eine Sache, die nur mich etwas angeht und sonst niemanden", sagte Harry weiterhin sehr abweisend, "Es war ein Fehler, dass ich es euch überhaupt gesagt habe." Damit wandte sich der Slytherin von dem Mädchen ab und betrat den Raum der Wünsche erneut.
"Das war's", sagte er matt, "Die Sitzung ist für heute beendet." Fassungslos starrten sie den Schwarzhaarigen an. Sie hatten mit einer Erklärung gerechnet, doch er verließ ohne ein weiteres Wort zu sagen den Raum. Ginny rannte hinter ihm her und holte ihn am Ende des Ganges ein, doch er wies sie unfreundlich ab und erhöhte sein Schritttempo.
Nur wenig später betrat er den Gemeinschaftsraum, schenkte aber wie so oft den Slytherins keine Beachtung und verzog sich in seinen Schlafsaal.
"Was ist dir diesmal über die Leber gelaufen?" fragte Theodor ruhig der immer noch in seiner mit Schlamm überzogenen Quidditchkleidung da stand.
"Unwichtig", murmelte Harry, der den anderen im ersten Moment gar nicht gesehen hatte, "Was ist mit dir passiert?"
"Ach, nur vom Besen gefallen", sagte Theodor und schälte sich aus der nassen Kleidung, "Nichts ernstes." Die beiden unterhielten sich eine Weile und gingen später noch in den Slytheringemeinschaftsraum, da Theodor sich mit Dora treffen wollte.
Der Gemeinschaftsraum war voller Schüler und in der Ecke stand ein Kessel von dem der altbekannte Kohlgeruch des Verwirrungstrankes ausging. Auch wenn es Harry nicht sonderlich gefiel, einen Trank von Draco zu trinken, schickte er Theodor los, um für jeden einen Becher zu holen.
Der Trank schmeckte süßlich, nach Himbeeren und Schokolade, doch er hatte einen leicht bitteren Nachgeschmack und die Wirkung war erstaunlich. Schon nach einem Becher fühlte er die wohlige Wärme, die seinen Körper durchflutete und zufrieden, die Sorgen vergessend, sank er in seinen Sessel.
Nach einem zweiten Becher, den Theodor geholt hatte, war Harry derart müde und schlapp, dass er sich nur noch mit Mühe in sein Bett schleppen konnte. Irgendwas hatte Draco an dem Trank verändert, doch das beunruhigte ihn kaum, denn auch er hatte kräftig zugelangt und es war nicht das erste Mal, dass man an diesem Trank herum gefeilt hatte, um die Wirkung, oder den Geschmack zu verbessern. Ohne sich umzuziehen, ohne an die DA zu denken, oder sonst irgendeinen anderen klaren Gedanken zu fassen, schlief er ein.
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Feuer erleuchtete die Nacht und ließ die Häuser in einem bizarren Licht erstrahlen. Zahllose Muggel flüchteten sich, um Hilfe schreiend aus den brennenden Häusern. Harry hätte am liebsten seine Augen zugemacht, doch er konnte nicht. Unzählige schattenhafte Personen bewegten sich in der fast taghellen Umgebung. Die Menschen stürzten auf den Boden und ihr Blut, schien die ganze Straße rot zu färben. Überall lagen verletzte Menschen. Eine Frau in weißem Nachthemd trat in den Vordergrund des entsetzlichen Schauspiels. Sie betete und schrie in Panik während sie von einem Schatten zu Boden gerissen wurde. Ihr Schrei ging in ein entsetzliches Gurgeln über und jeder Widerstand in ihr brach. Es wurde still, nur das Knistern des Feuers war zu hören. Harry wollte Schreien, nichts sehen und nichts hören und endlich aufwachen.
Seine Narbe brannte auf seiner Stirn und es wurde rasch dunkler, die Vision schwächer ... und Harry erwachte in seinem Himmelbett. Keuchend nach Luft ringend, setzte er sich auf.
"Alles OK Harry", fragte Theodor verschlafen.
"Weiß nicht", sagte Harry immer noch außer Atem, der Schmerz auf seiner Narbe nahm nicht ab. Theodor zog die Vorhänge beiseite und der schwache Schein einer Kerze blendete ihn.
"Du hast geschrieen wie am Spieß", sagte der Slytherin müde, "Ich könnte wetten das alle wieder wach sind. Harry winkte ab. Der Schmerz auf seiner Stirn war unerträglich und die Bilder die er gesehen hatte, waren nicht aus seinem Kopf zu verbannen und bereiteten ihm zusätzlich starke Kopfschmerzen.
"Lass mich in Ruhe, Theo ... bitte", wisperte Harry schwach und der angesprochene ließ den Vorhang fallen und es wurde augenblicklich wieder dunkel. Harry überlegte einen Moment, was das ganze zu bedeuten hatte, aber egal wie er es drehte und wendete. Irgendetwas Schlimmes war passiert. Er rieb mit der Hand über seine Narbe, doch er konnte sich nicht gegen den Schmerz wehren. Voldemort war wütend, sehr wütend und nur mühsam kämpfte er gegen das Verlangen, herauszufinden, warum das so war. Der Schwarzhaarige stand auf. Im Schlafsaal war es wieder dunkel und Harry tastete sich nach der Tür und eilte aus dem Kerker. Er musste zu Dumbledore, auch wenn er ihn aus dem Schlaf riss. Dies war eine Angelegenheit, die nicht bis zum nächsten Tag warten konnte.
"Schokoladenpralinés", murmelte er als er den Wasserspeier erreichte. Er rannte die Wendeltreppe hinauf und als die Bürotür auftauchte, war er froh als er den sanften Lichtstreifen unter dem Türschlitz erblickte. Ohne anzuklopfen stürmte er in das Büro. Der Schulleiter saß an seinem Schreibtisch und war in ein paar Pergamente vertieft. Doch als der junge Slytherin hereinkam, sah er überrascht auf. Harry erklärte hastig, was er gesehen hatte und ohne zu zögern oder etwas zu sagen, ging er zu Fawks, der einen Moment später verschwand. Außerdem kritzelte er in aller Hast etwas auf ein kleines Pergament und band dies an einen Steinkauz, den er sofort auf die Reise schickte.
"Danke Harry", sagte er beunruhigt, "Hoffen wir dass das Ministerium das Schlimmste verhindern kann. Jetzt vielleicht einen Zitronenbrausebonbon?" Der junge Slytherin nickte und nahm sich einen. "Alles OK mit dir?" fragte Dumbledore inzwischen wieder etwas ruhiger.
"Denke schon", antwortete Harry. Es entsprach nicht der Wahrheit, da das Pochen in seiner Narbe nicht ganz nachgelassen hatte und auch die Kopfschmerzen waren noch nicht ganz erloschen, "… ich gehe davon aus, dass das Schlimmste nicht mehr zu verhindern ist."
Dumbledore zeigte ein gezwungenes Lächeln.
"Harry, vielleicht solltest du jetzt besser in den Gemeinschaftsraum zurückkehren. Ich gehe besser im Ministerium nachsehen, wie sich die Dinge entwickeln." Harry nickte verständnisvoll und trottete wesentlich langsamer, als er gekommen war, zurück nach Slytherin. Er ließ sich auf einem Sessel vor dem Kamin nieder und starrte abwesend ins Feuer. Er würde gerne mit Hermine, Ginny oder sonst wen über das Gesehene reden, doch sie waren unerreichbar.
Leise Schritte ließen ihn aufhorchen, doch er sah nicht auf. Es interessierte ihn nicht, wer durch den Vorhang in den Gemeinschaftsraum kam. Das Geräusch näherte sich und im Augenwinkel erkannte er eine schattenhafte Gestalt, die sich an einem Tisch niederließ. Nun wagte Harry doch einen Blick, obwohl die Schmerzen in seinem Kopf noch nicht ganz aufgehört hatten und die Bewegung schmerzte.
Es war Draco Malfoy, der einen Brief öffnete. Der blonde Slytherin schien Harrys Anwesenheit nicht zu bemerken und las das Pergament sehr aufmerksam durch. Harry drehte sich wieder zum Feuer um, doch als es plötzlich aus Dracos Richtung heller wurde, zwang er sich, wieder zu ihm hinüber zu sehen.
Der Brief lag brennend auf dem Tisch und in dem Moment als Draco sich umdrehte und sich die Augen der beiden trafen, brannte der Schmerz in Harrys Narbe erneut auf. Es war wie eine Gewissheit, die Harry am liebsten nicht hätte, aber sie ließ keinen Zweifel an der Identität des Absenders.
"Potter", sagte der Blonde kühl, "Was treibst du dich um diese Zeit hier herum?"
"Das geht dich nichts an."
"Wieder Alpträume gehabt, was?" setzte Draco verächtlich hinzu, "Das nächste Mal solltest du einen Schweigezauber um dein Bett legen... Was war es diesmal? Angst vor den Vampiren?"
Der ehemalige Gryffindor und verließ wortlos und schnellen Schrittes den Gemeinschaftsraum.
Er warf sich auf sein Bett und starrte gegen den Himmel. ‚Wenn Draco tatsächlich, wie Harry es vermutete, einen Brief von Voldemort erhalten hatte, dann...' Harry wollte sich nicht wirklich ausmalen, was darin gestanden haben könnte, denn die Androhung, dass der blonde Slytherin eines Tages in der Lage war, ihm einen Portschlüssel unterzujubeln, war schon schlimm genug.
Was wollte Voldemort von Draco? Harry dachte eine Weile über den Brief nach, doch je mehr sich seine Gedanken darum rankten, umso fester glaubte er daran, dass Draco tatsächlich eine Bedrohung für ihn darstellte. Im Schlafsaal war es bis auf ein paar Schnarcher von Crabbe ruhig. Der blonde Slytherin war noch nicht wieder zurückgekehrt, deshalb zog Harry die Karte des Rumtreibers zu Rate, um sich zu vergewissern, ob Draco noch immer im Gemeinschaftsraum war. Unruhig schien er vor dem Kamin hin und her zu gehen. Er war alleine und auch in den übrigen Schlafsälen tat sich nichts.
Harry brannte es unter den Nägeln herauszufinden, was Draco plante, konnte allerdings keine Möglichkeit finden, dieses in Erfahrung zu bringen. Außerdem spukte noch immer sein Traum im Kopf herum.
Eine Weile dachte er darüber nach, ob es nicht eine Verbindung zwischen den beiden Dingen gab und wie wichtig die Rolle des ‚Unbekannten' in diesem Spiel tatsächlich war. Aber auf die unzähligen Fragen, die ihm in seinem Kopf herumschwirrten, fand er einfach keine Antwort, keinen logischen Zusammenhang.
Hermine könnte ihm helfen. Sie vermochte es immer, solche verdeckten Verbindungen aufzuspüren und doch, je mehr er darüber nachdachte, wollte er es nicht wirklich. Sie hatte sein Vertrauen ausgenutzt und sein Geheimnis in Ansätzen verraten. Unruhig sah er noch einmal auf die Karte. Draco bewegte sich nicht mehr, saß oder stand nun reglos im Gemeinschaftsraum, aber er war zumindest noch da.
Ohne darüber nachzudenken, zog er den Vorhang von Theodors Bett beiseite. Der Slytherin drehte sich, vom einfallenden Lichtschein gestört sofort ab und murmelte etwas Unverständliches, doch als Harry eine Hand auf seine Schulter legte und ihn leicht schüttelte, erwachte der junge Mann halbwegs und blinzelte Harry verschlafen an.
„Bist du wach?", flüsterte Harry.
„Wie spät ist es?", murmelte Theodor undeutlich.
„Halb fünf", antwortete Harry flüsternd. Theodor wandte sich wieder von Harry ab und ließ sich stöhnend in sein Kissen zurückfallen.
„Dann lass mich schlafen", brummte er, „Wir können morgen..."
„Nein Theo, du musst herausfinden was Draco macht", drängte Harry beharrlich weiter und vergaß beinahe das Flüstern, „er hat einen Brief von Voldemort bekommen."
„Wie kommst du darauf?", sagte Theo jetzt hellwach und saß augenblicklich aufrecht in seinem Bett.
„Das tut nichts zur Sache", winkte er ab, „Draco ist seitdem im Gemeinschaftsraum und ich will wissen, was er macht."
„Und? Soll ich jetzt in den Gemeinschaftsraum gehen und…", Theodor zögerte. „und… und was genau tun?" Das war eine sehr gute Frage auf die Harry nur leider keine Antwort hatte.
„Ich weiß nicht", gab Harry zu, „Wir müssen jedenfalls dringend rauskriegen, warum Voldemort eine Eule an Draco schreibt..." Bei dem Namen des dunklen Lords zuckte der Slytherin kaum merklich zusammen und sein Blick glitt ziellos durch den Schlafsaal.
„Ich werde es wohl kaum aus ihm herausbekommen", sagte Theodor, „Und selbst, wenn es was ganz Wichtiges ist, werde ich nichts riskieren."
„Das musst du auch nicht", beruhigte Harry ihn, „Wir finden vielleicht andere Wege ihn auszuspionieren. Erst mal sollten wir versuchen, ihn nicht aus den Augen zu lassen."
„Was sollte Draco, denn ganz alleine im Gemeinschaftsraum anstellen, wenn er überhaupt noch da ist?"
„Keine Sorge, das ist er", sagte Harry und vergewisserte sich mit einem flüchtigen Blick auf die Karte, den Theodor aber nicht bemerkte. Theodor schwang die Beine aus dem Bett und warf sich hastig einen Morgenmantel über. In seinen Augen konnte Harry noch immer eine latente Furcht erkennen, auch wenn der Slytherin sich das nicht anmerken lassen wollte.
„Ach, noch was", hielt Harry Theodor kurz zurück, „Er darf nicht misstrauisch werden! Und... sei bitte vorsichtig." Der andere nickte ein weiteres Mal, steckte seinen Zauberstab in die Tasche und war einen Moment später mit einem Buch in der Hand verschwunden.
Harry setzte sich auf die Bettkante seines Bettes und verfolgte den Slytherin aufmerksam auf der Karte der Rumtreiber. Er ging geradewegs in den Gemeinschaftsraum. Sogleich bewegte sich Draco direkt auf Theodor zu. Harry fand es sehr schade, dass er keine Chance hatte das Gespräch der beiden mitzubekommen. Doch schon wenig später, sah er, wie Draco wieder an seinen Platz zurückkehrte, wo er vorher eine ganze Weile reglos gestanden, oder wahrscheinlicher, gesessen hatte, während Theodor sich in eine Ecke zurückzog und in seinem Buch las.
Harry saß eine Weile über der Karte, doch in Anbetracht dessen, dass sich absolut nichts im Gemeinschaftsraum regte, war dieses Unterfangen sehr ermüdend und seine Gedanken schweiften ein weiteres Mal ab. Wieder grübelte er darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte; die Vision, der Brief, der Unbekannte,… und natürlich musste er darüber nachdenken, wie es möglich wäre, Draco unbemerkt auszuspionieren. Keiner der Slytherins mit denen Harry sich regelmäßig traf kam dafür in Frage.
Wenig später folgte Harry dem blonden Slytherin, mit einigem Abstand, in die Große Halle. Ohne zu zögern, ging er allerdings zum Gryffindortisch, wo er sich auf den leeren Stuhl neben Ginny niederließ. Sein Blick war starr auf den Slytherintisch gerichtet und einem Moment blieben seine Augen auf die Zwillinge gerichtet, die wieder einmal miteinander stritten.
„Was starrst du die ganze Zeit da rüber, hast du nicht bemerkt, dass du...", fing Ginny an, wurde aber sogleich wieder von Harry unterbrochen. In Kurzfassung erzählte er ihr von Dracos Brief.
„Geh zu Dumbledore", riet sie ihm.
„Dumbledore ist nicht da", winkte Harry ab, „er ist im Ministerium. Ich gehe zu Hermine, wir müssen eine Art Plan erstellen. Warte bitte hier und lass Malfoy möglichst nicht aus den Augen."
Harry erhob sich wieder und ging rasch zum Phönixhaustisch hinüber. Doch bevor er Hermine erreichte, hielt er inne. Er konnte deutlich die misstrauischen Blicke spüren, die auf ihn gerichtet waren. Ihm kam Hermines Verrat wieder in den Sinn. Es hatte sich also schon herumgesprochen, dass Harry töten müsste, um irgendetwas zu verhindern. Vielleicht dachten einige sogar intelligenterweise an Voldemort, doch taten sie nichts weiter, als leise miteinander zu tuscheln, und ihn mit wissenden Blicken anzustarren. Entschlossen trat er an den Tisch und bat Hermine mitzukommen.
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Am frühen Nachmittag hatte Harry eine kleine Gruppe Schüler zusammen, die er für vertrauenswürdig genug hielt, den blonden Slytherin zu beschatten. Eine Person allein wäre schließlich zu auffällig und da Hermine, Ginny oder Ron nicht in Slytherin spionieren konnten, hatte Harry auch Theodor und Dora dazu gebeten, während Claire keine zwei Tische von Draco entfernt in der Bibliothek saß und den blonden Slytherin beschattete.
„Warum glaubst du, dass Draco etwas mit dir vorhat?", fragte Dora interessiert.
„Ich weiß es nicht bestimmt", antwortete Harry, „es ist nur ein Verdacht."
„Vielleicht benutzt er ihn als Spion", mutmaßte Theodor leise", er hat heute morgen die ganze Zeit nur schweigend in den Kamin gestarrt."
„Irgendwas wird er schon aushecken", sagte Dora bestimmt, „es ist nun einmal nicht seine Art, still dazusitzen und etwas anzustarren."
„Ich weiß nicht", sagte Hermine zögernd, „er hat die Eule kurz nach dem Anschlag bekommen und ich habe das Gefühl, wir könnten auf einer falschen Fährte sein."
„Wieso das?", fragte Ron, wagte es dabei aber nicht seine Ex-Freundin anzusehen.
„Nun, so weit wir wissen, gab es einen nicht geplanten Anschlag auf unzählige Muggel mit mehreren Toten. Voldemort schien sich keinesfalls darüber gefreut zu haben, war sogar wütend und zornig."
Sie sah zu Harry auf, der dies mit einem leichten Kopfnicken bestätigte. „Was ist, wenn Morticia die Kontrolle über ihre Schützlinge verloren hat, die daraufhin über die Muggel hergefallen sind. Voldemort will nicht, dass wir von seiner Verbindung zu den Vampiren wissen, weil er sie für irgendetwas anderes gebrauchen will."
„Soweit kann folgen", sagte Harry, „aber was hat das mit Draco oder mir zu tun?"
„Vielleicht herzlich wenig mit dir", erklärte Hermine ernst, „als vielmehr vielleicht mit Hogwarts."
Dem, was die Phönixhausschülerin danach aus ‚Hogwarts: A History´ zitierte, konnte Harry zwar nicht ganz folgen, doch die Schlussfolgerung schien ihm letztlich doch klar zu sein. Obwohl Hogwarts sozusagen für Unbefugte nicht zu finden war, könnten Vampire die Gegenwart von mehreren hundert Menschen wittern und somit das Schloss finden. Und das war eine Aussicht die ihm gar nicht gefiel.
„Ja, in Ordnung,… aber was hat das mit dem Brief zu tun?", fragte Harry daraufhin.
„Vielleicht will er seine zukünftigen Anhänger warnen, dass sie sich so schnell wie möglich vom Acker machen sollten", warf Ron spöttisch ein. Sie diskutierten noch eine ganze Weile weiter, doch es schien trotz allem ein Puzzelteil zu fehlen, welches die Schüler zur Lösung des Rätsels führen konnte. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als Draco weiterhin zu beobachten.
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Draco zu beschatten entpuppte sich im Laufe des Tages zu einem äußerst langweiligen Unterfangen. Die vier Slytherins wechselten sich ab, und waren immer, entweder zu zweit oder dritt, im Gemeinschaftsraum, während sie Draco beobachteten, der allerdings lediglich seine Hausaufgaben machte oder mit Blaise in einer Ecke saß.
Harry war sich nicht sicher, ob die beiden nun wirklich ein Paar waren, oder nur gut befreundet, denn sie taten eigentlich nie etwas anderes als nur nebeneinander zu hocken und zu reden. Allerdings gingen ihre Stimmen im Gewirr des Gemeinschaftsraums unter und so blieb Harry lediglich das Beobachten.
Müde und ohne auch nur ein wenig schlauer geworden zu sein, fiel er abends erschöpft in sein Bett. Er schlief sehr lange und als er aufwachte, war er alleine im Schlafsaal. Hastig zog er sich an und raste in die Große Halle, doch auch die war bereits zum größten Teil leer. Sein Blick wanderte suchend über den Slytherintisch und dann zum Lehrertisch, der auffällig leer war. Da weder Hermine und Ginny noch Theodor und Dora in der Großen Halle war, wandte er sich schließlich an Neville.
Harry erkannte sofort, dass dieser nur widerwillig zu dem Slytherin aufblickte. Harry konnte sich nur vorstellen, dass inzwischen alle möglichen, unsinnigen Gerüchte durch die Schule schwirren mussten und Neville sicher dem einen oder anderen nicht abgeneigt war.
„Weißt du, wo Hermine ist?", fragte er Neville und ignorierte dessen abweisendes Verhalten.
Der Angesprochene senkte den Blick und schüttelte lediglich seinen Kopf. Harry wollte sich gerade wieder abwenden, um auf eigene Faust nach Hermine zu suchen, als Dean ihn an der Robe festhielt und somit die Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Siehst du endlich ein, dass wir uns gegen diese Kreaturen wehren müssen?", fragte Dean fordernd.
Harry sah Dean verständnislos an. Erst als er ihm einen Artikel aus dem Tagesprophet vor die Nase hielt, verstand er. Auf der Seite war ein zerstörtes Stadtviertel abgebildet. Harry wollte gar nicht wissen was genau drin stand. Sein Traum hatte ihm gezeigt, wie grausam der Überfall verlaufen ist. Schweigend wandte er sich von den beiden ab.
Langsam, und tief in Gedanken versunken, ging er die Treppen zur Bibliothek hoch. Ein Blick durch die Reihen der Bibliothek verriet ihm, dass Draco in einer der hintersten Ecken saß und in einem dicken Wälzer stöberte. Unweit davon saß Hermine, die Harry zwar zu sich herüberwinkte, die er jedoch ignorierte und sich stattdessen ein Buch über Flammenflüche aus dem Regal zog. Damit setzte er sich an einen leeren Tisch, der weit genug von ihr entfernt war um zu verhindern, dass sie sehen konnte, womit er sich nun doch beschäftigte. Er hatte zwar keine Lust sich mit diesem Kapitel seines Lebens zu befassen, welches entweder seines oder Voldemorts Ende bedeutete, aber er musste resigniert feststellen, dass man ihm auf Dauer keine Wahl ließ.
So oft er auch von seiner Lektüre aufsah, bemerkte er den einen oder anderen misstrauischen Blick, oder leises Tuscheln und so klappte er schon kurze Zeit später genervt das Buch zu und zog sich in den Slytherinschlafsaal zurück.
Den ganzen Tag hatte er sich von den anderen zurückgezogen und was die Beschattung Malfoys anging, verließ er sich voll und ganz auf seine Freunde. Theodor hatte Quidditchtraining mit ihm zusammen, Hermine ließ ihn in der Bibliothek nicht aus den Augen, Claire tat das Gleiche im Gemeinschaftsraum, während Ron und Ginny, dem blonden Slytherin in den Gängen oder der Großen Halle beobachteten. Falls der blonde Slytherin im Schlafsaal aufkreuzen würde, müsste er sich den aufmerksamen Blicken Harrys unterziehen, was aber glücklicherweise nicht sonderlich oft vorkam und sich der Schwarzhaarige somit voll und ganz auf die Ausführungen zum Thema „Flammenfluch" konzentrieren konnte.
Je mehr er über den Flammenfluch las umso mehr wurde er in seiner Überzeugung bestärkt, ihn den Schülern in der DA auf gar keinen Fall beizubringen, da es doch viel zu viele unvorhersehbare Risiken gab. Er las und las bis ihm spät abends, lange nachdem der letzte Slytherin im Schlafsaal das Licht gelöscht hatte, die Augen zufielen.
Müde erreichte er die Große Halle am Montagmorgen. Es war bereits spät und der Unterricht würde bald beginnen, doch als er die Halle erreichte, spürte er noch mehr als sonst die neugierigen Blicke auf sich ruhen. Die neuesten Gerüchte schienen nun wirklich jeden Schüler in ganz Hogwarts erreicht zu haben.
Mühsam versuchte er dies zu ignorieren und an sich abprallen zu lassen und ließ sich seufzend am Slytherintisch nieder. Ohne ein Wort mit jemand zu wechseln, schlang er hastig sein Frühstück hinunter und wollte sich gerade wieder erheben, um vor den Blicken der unzähligen Schüler zu entfliehen, als der Schulleiter sich erhob und um Aufmerksamkeit bat. Harry ließ sich widerwillig auf seinen Platz zurückfallen und wartete auf das, was kommen würde.
Innerhalb kürzester Zeit wurde es vollkommen ruhig und Dumbledore begann zu sprechen:
„Nun, ich habe eine Nachricht zu verkünden, die alle hier sicherlich mit großem Bedauern auffassen werden", sagte der Schulleiter zögernd, setzte dann aber sogleich seine Rede fort.
"Aufgrund der bestürzenden Ereignisse des letzten Wochenendes hat sich Professor Peony vorübergehend aus dem Schulalltag zurückgezogen, um ihrer alten Tätigkeit als Heilerin im St.-Mungo nachzugehen. Die Lage in dem Krankenhaus ist nach wie vor katastrophal und daher ist noch nicht abzusehen, wann unsere Zaubertranklehrerin wieder zu uns zurückkehren wird. Der Unterricht in diesem Fach wird daher vorübergehend leider ausfallen müssen."
Harry fand es nicht sonderlich schade, die nächste Zeit keinen Zaubertrankunterricht zu haben und da er sehr müde war, kamen die zwei Freistunden heute Vormittag sehr gelegen. Doch nach einem kurzen Wortwechsel mit seinen Freunden, war er an der Reihe Draco im Auge zu behalten.
Doch es gab nichts Auffallendes zu beobachten. Draco benahm sich so, als hätte er den Brief nie bekommen und das verwirrte Harry zusätzlich. Einen Moment schlich sich sogar der Verdacht bei ihm ein, dass Draco über die Beschattung Bescheid wusste und daher wartete, aber er schob den Gedanken sofort wieder beiseite.
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Der November neigte sich langsam aber stetig dem Ende entgegen, ohne dass auch nur eine nennenswerte Veränderung passiert war. Genauer gesagt, lediglich das Wetter sorgte für ein wenig Abwechslung. Der Regen war Mitte der Woche in Schnee übergegangen und die Ländereien, waren mit einer dünnen aber durchgehenden Schneeschicht bedeckt. Jede freie Minute, die Harry mit Ginny verbrachte, während die anderen Draco im Auge behielten, verbrachten die beiden draußen.
Ginny war nicht sonderlich begeistert davon, weil es kalt und die Luft immer noch feucht war, doch wenn Harry sich im Schloss aufhielt, musste er sich dem ständigen Getuschel aussetzen und das Gefühl, überall angestarrt zu werden, zehrte zusätzlich an seinen Nerven. Es gab Momente, wie zum Beispiel beim Essen in der Großen Halle, wo er am liebsten laut seine Meinung raus geschrieen hätte. Immerhin ging es sie einen feuchten Dreck an, wen er letztlich töten musste.
Hermine bereute ihren Ausraster inzwischen selbst, aber diese Sache in einer weiteren DA-Sitzung wieder gerade zu rücken, schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Harry wollte nicht, dass die Schüler in der DA von der Prophezeiung erfuhren und das Geheimnis somit auch den Weg zum Rest der Schule finden würde.
Ginny schienen diese Gerüchte wenig zu stören, sie hatte ihm zwar ein paar abwegige Theorien zu hören gegeben, aber sie versuchte ihren Freund doch auch immer wieder zu beruhigen.
„Colin hat heute morgen mal was Neues zum Besten gegeben", fing Ginny an, die zitternd vor Kälte neben Harry durch den Schnee stapfte.
„Vergiss es, ich will es nicht hören", wies Harry sie genervt ab.
„Das wird jetzt noch eine Weile so weiter gehen, bis es irgendwann diese ganzen Schüler vergessen haben, weil es sie nicht betrifft... ich denke, wir sollten aufhören darüber zu reden."
Harry konnte das Gespräch erfolgreich abwimmeln, auch wenn Ginny es ihm gerne erzählt hätte. Er wollte es einfach nicht hören, doch wenige Stunden später hatte er weniger Glück, als er im Schlafsaal auf Theodor und Dora traf.
„Harry", fing Dora an und sah den ehemaligen Gryffindor misstrauisch an, „es gehen seltsame Gerüchte um." Harry nickte, das war für ihn nichts Neues.
„Warum lässt du Draco wirklich beschatten?"
„Ich sagte doch, dass ich glaube, dass er etwas aus..."
„Nicht schon wieder die alte Leier", sagte Theodor. Seine Stimme wirkte unsicher, aber seine Augen verrieten, dass er genau wusste was er sagen wollte.
„Uns ist zu Ohren gekommen, dass du jemanden töten willst."
„Was ist wenn es Draco ist? Ist das der Grund, warum du seit Tagen hinter ihm her bist?"
Harry seufzte, ließ sich auf seinem Bett nieder und schüttelte den Kopf. „Ich sagte doch, dass er einen Brief von...", fing Harry an, doch Dora ließ ihn nicht ausreden.
„Wie können wir uns da sicher sein? Keiner von uns hat einen Brief gesehen, geschweige denn, nachdem wir Dracos Sachen durchsucht haben, einen gefunden. Woher sollen wir wissen, dass du uns keinen Bären aufbinden willst und du den Brief nur erfunden hast?"
„Warum sollte ich das tun?", entgegnete Harry. Er war unruhig und stand wieder vom Bett auf.
„Er hat den Brief nach dem Lesen verbrannt. Es gibt keine Beweise..."
„Ach, und woher bist du dir so sicher, dass der Brief von dem dunklen Lord persönlich war und nicht zufällig von seiner Großmutter?" sagte Theodor und sah Harry scharf an.
„Draco hat keine Großmutter mehr."
„Das ist doch auch egal, dann von, was weis ich, wem... seinem Hauself...", sagte der Slytherin genervt und sah Harry darauf wieder scharf an.
In Theodor steckte doch mehr Mut, als man von ihm erwarten konnte, dachte Harry und sah in die dunklen, grünen Augen, die für Harry momentan unergründlich zu sein schienen.
„Die Malfoys haben keinen Hauself", sagte Harry mit einem sicheren Lächeln, „aber wenn du unbedingt wissen willst, warum ich mir sicher bin, das Voldemort..." Theodor trat erschrocken einen Schritt zurück, „... den Brief geschrieben hat, muss ich leider auf meine Narbe verweisen. Fluchnarben können manchmal ganz schön lästig sein."
„Und das sollen wir dir abkaufen? Ist das deine, ach so, geniale Erklärung? Du lässt Draco rund um die Uhr beschatten und ich könnte wetten, dass du ihn..."
In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Claire kam in den Schlafsaal gerannt. Ihr Blick wanderte erschrocken von Theodor, der vor Harry stand, zu dem Schwarzhaarigen Slytherin.
„Harry! Draco ist weg. Er, er..." fing Claire an, „Ich habe ihn aus den Augen verloren."
# - # - # - # - to be continued - # - # - # - #
Obwohl Hogwarts sozusagen für Unbefugte (Bist du dir sicher? Bezieht sich das nicht nur auf Muggel?) – Keine Ahnung, aber wenn Hogwarts für jeden ehemaligen Schüler zu finden ist, warum ist Voldi nicht einfach mit dem ganzen Gefolge in Hogwarts aufmarschiert, nachdem er Dumbledore irgendwie da weggelotst hat?
