DAS KELLERGESCHOSS
Von Marz1 / Übersetzung von Christa Potter
A/N: Dieses Kapitel war eigentlich für gestern geplant, ich hab's aber total vergessen. Um es schneller fertig zu bringen, ist es nicht korrigiert. Das nächste Kapitel ist für das Wochenende geplant.
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Kapitel 17 – Zusammenhängend
Meine Brille lag einen Meter unter mir auf dem Boden. Ich konnte sie gerade noch erkennen. In einer Ecke des Raumes brannte eine Laterne, aber Pettigrew hatte die Fensterläden fast ganz geschlossen, nachdem er uns aufgehängt hatte. Ich denke er war besorgt, dass Passanten uns sehen und sich einmischen würden. Ich versuchte deswegen hoffnungsvoll zu sein, aber andererseits ist es sehr schwer, sich Hoffnungen zu machen, wenn direkt neben mir jemand fast erstickt.
Ron, Hermine, Snape und ich hatten die gleiche Behandlung erhalten. Unsere Hände waren hinter dem Rücken zusammen gebunden und wir hingen an unseren Knöcheln von einem Balken an der Decke. Pettigrew hatte einen Schwebezauber verwendet, um uns nach oben zu bekommen, aber nachdem wir gefesselt waren, ließ er die Gravitation ihre Arbeit erledigen. Black hatte besondere Aufmerksamkeit bekommen, von der ich sicher war, dass er sie nicht wollte.
Pettigrew hatte ein Seil um Blacks Knöchel geschnürt, das über einen Balken der Decke führte, wie bei uns, aber anstatt das Seil an den Balken zu binden, lief es wieder nach unten zu Black Handgelenken hinter seinem Rücken. Pettigrew hatte ein zweites, kürzeres Seil um Blacks Hals gebunden, das ebenfalls an dem Balken festgemacht war. Er nahm einen Zauberstab heraus, ich denk er war Rons, und stupste Black damit.
„Enervate."
Ich erwartete, dass Black fluchen und drohen wurde, aber stattdessen hustete er nur verzweifelt. Er schlug um sich und schwang dabei in der Luft vor und zurück, wobei die Seile verheißungsvoll knarrten. Pettigrew stand nur da und sah zu. Ich konnte nicht sein ganzes Gesicht sehen, aber ich würde zwanzig Galleonen darauf verwetten, dass er lächelte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich würde schreien oder betteln, mir fiel nichts ein, das ich hätte sagen könne. Ich zog an den Seilen, die meine Hände fesselten, aber sie gaben nicht nach. Zum Glück behielt jemand den Kopf.
„Sie müssen mit den Händen nach unten ziehen", kreischte Hermine. „Mr. Black, ziehen Sie das Seil um Ihre Hände nach unten!"
Dann sah ich, was sich Hermine überlegt hatte. Nur, wenn er das Seil um seine Handgelenk so weit wie möglich nach unten zog, konnten seine Füße nach oben schwingen und das Gewicht vom Seil um seinen Hals nehmen. Falls er sich in einen Hund verwandelte, würde er sein Gewicht überhaupt nicht mehr halten können. Pettigrew wusste eindeutig, was er tat.
Black verstand sie. Sein Kampf wurde organisierter. Sein Rücken bog sich und er zog das Seil um seine Händen nach unten zu seinem Kopf. Seine Ellbogen waren fast auf der Höhe seiner Schultern. Sein gesamter Körper zitterte vor Anstrengung, aber das Seil um seine Knöchel spannte sich an und er holte laut pfeifend Luft. Ich kann mir nur vorstellen, wie anstrengend das gewesen sein musste. Eine Art Rückwärtsrolle, verkehrt, an den Knöcheln aufgehängt, nach oben ziehen und das ganze während all sein Blut in seinen Kopf rinnt schien für mich unmöglich zu sein. Er schaffte es jedoch, aber ich wusste, dass er es nicht noch einmal machen konnte. Allerdings war das egal. Ich erwartete ja nicht, dass Pettigrew uns lange am Leben lassen würde.
„Nicht, dass das nicht gänzlich erheiternd ist", sagte Snape. „Aber wirst du diese Dummheit bald erklären?"
Snape sprach mit komplett ruhiger, glatter und leicht gelangweilter Stimme, als ob es ihm oft geschah, dass er gelähmt, gefesselt und an der Decke aufgehängt wurde. Vielleicht war es so, aber ich will nicht über sein Privatleben nachdenken.
„Halt den Mund!", befahl Pettigrew mit brechender Stimme. „Du wirst reden, wenn ich es dir sage."
„Das ist höchst unwahrscheinlich", sagte Snape kalt.
Pettigrew stürmte wütend auf ihn zu, aber er war klein und nicht sehr schwer, also war sein Stürmen nicht wirklich beeindruckend.
„Du denkst, dass ich Angst vor dir habe?", forderte Pettigrew ihn heraus.
„Ich denke nicht, dass du intelligent genug bist, um wirklich vor mir Angst zu haben, Pettigrew. Es gibt etwas, über das du vielleicht noch einmal nachdenken solltest: ich bin ein Professor in Hogwarts. Professor McGonagall weiß, dass ich das Schloss verlassen habe, um dieses Gebäude zu untersuchen, denn wir halten es für Blacks momentanes Versteck. Ich habe Anweisungen hinterlassen, dass man Auroren schicken soll, wenn ich nach einer Stunde nicht zurück kehre. Hast du eine Uhr bei dir, Pettigrew?"
„Du hast niemandem gesagt, dass du kommst", antwortete Pettigrew überzeugt. „Du wolltest Black ganz alleine fassen."
Snape hing nur in zufriedener Stille.
„Du kannst mich nicht täuschen, Snape. Ich habe dich beobachtet."
„Hast du das?"
„Sag mir, wo er ist, und ich lasse dich leben", sagte Pettigrew mit leiser Stimme. Ich weiß nicht, warum er sich die Mühe macht. Wir hingen so nahe beisammen, dass wir alle hörten, was er sagte.
„Wo wer ist?", fragte Snape und hörte sich komplett desinteressiert an.
„Wo ist der Dunkle Lord? Wie kann ich ihn finden?"
Snape lachte. Es war fast, als würde das Geräusch, das aus seinem Mund kam, den Raum kälter machen. Und sogar in der Dunkelheit konnte ich sehen, dass sich seine Miene nicht verändert hatte. Er hörte plötzlich auf, aber das Echo tanzte weiter ihm, als er wieder zu Pettigrew sprach. „Sein Körper wurde zerstört. Er ist nirgendwo und überall, Pettigrew."
„Du lügst! Du weißt etwas. Er war vor zwei Jahren bei Quirrel, und du weißt, wo er sich jetzt befindet. Sag es mir!"
„Und woher soll ich solche Dinge wissen? Ich bin nichts anderes als ein gewöhnlicher Lehrer."
„Hör auf mit diesen Spielchen!", sagte Pettigrew wütend. Er stieß Snape an der linken Schulter und drehte ihn um. Er packte Snapes gefesselte Arme und riss seinen Ärmel auf. Er besah sich enttäuschte Snapes rechten Unterarm.
„Oh ja, es ist am linken ...", murmelte Pettigrew und riss Snapes linken Ärmel auf. Er gab ein seltsames Geräusch von sich, das sich anhörte wie: „Ich habe es mir ja gedacht." Als er Snape wieder umdrehte, erhaschte ich einen Blick auf seinen linken Arm. Er hatte ein leicht rotes Tattoo von einem Totenkopf, aus dem Mund sich eine Schlange wand.
Als er umgedreht wurde, sah Black das Tattoo ebenfalls und er begann eine Reihe so lauter Flüche, dass sie ihn wahrscheinlich in Paris noch gehört haben. Zu meiner Überraschung war das Fluch an Snape und nicht an Pettigrew gerichtet. Einen Moment lang verlor Black das Gleichgewicht in den Seilen und begann wieder zu würgen. Langsam und schmerzhaft zog er sich wieder nach oben, aber er hörte nicht zu schreien auf.
„DU #$ER VERRÄTERISCHER €#€&! DU HAST DIE GANZE ZEIT ÜBER FÜR IHN GEARBEITET! DU WUSSTEST, DASS ER EIN $#&ER TODESSER WAR! DU #€& &#&! ($#&&$#! &&$$ DEINE MUTTER! VERDAMMT NOCH MAL! DU DRECKIGER ..."
Ich verstand die Hälfte der Wörter, die aus Blacks Mund kamen, nicht einmal. Ich war nicht sicher ob das daher kam, dass er fast erwürgt wurde, oder ob er einfach ein globales Wissen auf dem Gebiet Schimpfwörter hatte. Ich hoffte, dass ich mich nicht so schlimm anhörte.
„Silencio!", sagte Pettigrew und Blacks Stimme verschwand, doch sein Mund bewegte sich immer noch in einer endlosen Reihe von Beschimpfungen.
„Das ist deine letzte Chance, Snape. Wo ist der Dunkle Lord?"
„Außerhalb deiner Reichweite", sagte Snape einfach.
Pettigrew wedelte mit dem Zauberstab und eine Kapuze erschien über Snapes Kopf. Mit einem frustrierten Seufzen stieß Pettigrew ihn an, worauf er wie ein Verrückter zu drehen begann. Ich fragte mich, ob sich Snape in der Kapuze übergeben würde. Das würde sehr unangenehm sein. Sogar durch die Kapuze hindurch hörte ich seinen nächsten Satz sehr deutlich.
„Eintausend Punkte von Gryffindor."
Pettigrew ignorierte ihn und ging zu mir herüber. Er starrte mich eine Weile an. Ich hoffte wirklich, dass er nichts sagen würde, das Ähnlichkeit hatte mit: „Du siehst genau wie James aus." Aber ich zweifelte daran, dass ihm so etwas einfallen würde. Weil ich verkehrt herum an der Decke hing, war mein gesamtes Blut in den Kopf geflossen, und ich war ziemlich sicher, dass ich im Moment weniger meinem Vater sondern eher Dudley Dursley ähnelte.
„Ich habe nichts gegen dich persönlich, Harry", begann Pettigrew mit bewusst ruhiger Stimme. „Ich wollte nicht, dass du in diese Sache gerätst. Black hätte dich nicht mit hinein ziehen sollen. Sag mir, wer sonst noch von mir weiß. Sag mir die Namen aller, denen du es erzählt hast, und ich werde dich und Ron und Hermine gehen lassen."
„Ich sage es dir und wir dürfen gehen? Irgendwie glaube ich dir nicht."
„Ich bin kein schlechter Mensch. Ich bin nur in einer schlechten Situation. Ich will niemanden verletzen. Wenn du es mir sagst, werde ich einfach eure Gedächtnisse löschen und euch zurück zur Schule gehen lassen. Es wird sein, als wäre all das hier niemals passiert." Pettigrews Stimme war angespannt, während er versuchte, ehrlich zu klingen.
„Und was passiert mit Black?"
„Er hätte mir nicht folgen sollen."
„Du erwartest, dass ich einfach davongehe und es zulasse, dass du ihn ermordest?"
„Sirius Black oder du und deine Freunde. Die Entscheidung sollte nicht sehr schwierig sein."
„Du wirst uns sowieso umbringen."
„Das ist deine letzte Chance, Harry. Alles liegt in deiner Hand." Ich bemerkte, dass er meinen letzten Satz eindeutig nicht bestritten hatte.
„Letzte Chance?", sagte ich und stellte mich dumm.
„Wer weiß von mir?" In Pettigrews Stimme war jetzt Ärger zu hören. Er schien durcheinander zu sein. Ich dachte, wenn ich ihn nur weit genug brachte, würde er einen Fehler machen, oder es würde ihm etwas herausrutschen, das ich gegen ihn verwenden konnte. Vielleicht würde er mich einfach nur anschreien. Umso länger ich redete, umso größer war unsere Chance auf eine Rettung.
„Ich hab es Dumbledore gesagt, und dem Zaubereiminister und der Königin von England", sagte ich selbstgefällig.
„Crucio!", bellte Pettigrew.
Es ist schwierig für mich, den Effekt, den der Fluch auf mich hatte, zu beschreiben. Ich fühlte mich, als hätten sich meine Knochen in geschmolzene Lava verwandelt, die versuche, durch meine Haut nach draußen zu rinnen. Als ich vier gewesen war, hatte ich eine Büroklammer in eine Steckdose in der Küche der Dursleys gesteckt. Gegen das hier war das ein Picknick gewesen. Alles, was um mich herum geschah, ging an mir vorbei, bis es aufhörte. Ich hing nur in Schweiß gebadet an der Decke. Ich hörte, dass jemand schluchzte. Ich erkannte Hermines Stimme. Jemand anderes schluchzte auch, aber ich dachte nicht, dass Ron weinen würde. Als ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen, erkannte ich, dass ich selbst den Großteil dieser Geräusche von mir gab. Meine Kehle schmerzte. Ich denke, dass ich auch geschrien habe. Pettigrew richtete den Zauberstab auf mich und ich zuckte zusammen.
„Wem hast du es gesagt?"
Meine Augen wanderten zu den Menschen um mich herum. Black hatte seine Balance wieder verloren und kämpfte um einen sicheren Griff in den Seilen. Hermine sah mich mit großen, tränengefüllten Augen an. Rons Gesicht war rot und er fluchte fast so laut wie zuvor Black, allerdings mit viel mehr Wiederholungen. Seine Mutter würde ihm den Mund waschen. Snapes Gesicht wurde noch immer von der Kapuze bedeckt, aber ich hatte trotzdem das seltsame Gefühl, dass seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich gerichtet war. Pettigrew hielt den Zauberstab ein paar Zentimeter von meiner Stirn weg.
Ich hatte es niemandem gesagt. Niemand würde kommen. Niemand würde mich retten können. Das würde böse ausgehen. Was sollte ich sagen? Was würde mir das alles bringen? Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte sie nicht retten. Was war der Sinn? Was sollte ich machen?
Mach ihn fertig, sagte die kleine Stimme.
Ich denke, das war die einzige Antwort, die ich erhalten würde. Ich schluckte und räusperte mich.
„Ich habe auf BBC eine Ankündigung gemacht und im Tagespropheten eine Anzeige aufgegeben."
„Crucio!"
Ich hatte gehofft, dass es beim zweiten Mal weniger wehtun würde, so wie man sich an heißes Wasser gewöhnt. Aber genau das Gegenteil trat ein. Es war um so viel schlimmer, dass ich darum betete, sterben zu können. Ich wünschte, mein Herz würde einfach explodieren und dem ein Ende setzen. Ich fühlte mich, als wäre ich aus Glas, das in kleine Stücke zerbrach. Ich wusste, dass ich schrie.
Als er den Fluch wieder aufhob war ich nicht sicher, wo ich war. In meinem Kopf schwammen Stimmen herum.
„Bitte nicht mehr! Sie werden ihn umbringen! Bitte, ich werde alles tun, was Sie wollen, hören Sie nur auf!"
„DU BASTARD, ICH WERDE DICH UMBRINGEN! WENN DU DAS NOCH EINMAL MACHST, REISSE ICH DEIN GESICHT MIT BLOSSEN HÄNDEN HERUNTER!"
Es waren Ron und Hermine, die da schrien. Sie versuchten, mir zu helfen. Ich kämpfe darum, mich konzentrieren zu können.
„Ich ... ich ...", ich holte tief Luft. Pettigrew wandte sich um und sah mich erwartungsvoll an.
„Ich ... hab Plakate aufgehängt ... von hier bis Manchester."
Pettigrew hob den Zauberstab.
„Cru ..."
„PING! PING! PING!"
Das winzige Geräusch unterbrach ihn. Seine Stirn runzelte sich, als würde er sehr scharf nachdenken. Dann lächelte er. Er hob den gestohlenen Zauberstab über seinen Kopf und rief eine Beschwörung; ich werde mir keine Illusionen machen – es ist für mich unmöglich, sie zu wiederholen. Ein seltsames Geräusch erfüllte den Raum. Es hörte sich an, als ob jemand in großer Entfernung auf einen riesigen Gong geschlagen hätte. Pettigrew ging zur Tür, doch er hielt inne und sah uns alle an, bevor er uns verließ.
„Ich werde euch später von den Fesseln befreien. Ich glaube nicht, dass ihr mich erkennen werdet."
Damit war er verschwunden.
„Was ... was war ... dieses ‚ping' Geräusch?", fragte ich. Ich rang noch immer nach Luft.
„Ich denke, es ist eine Art Alarm, den er im Tunnel aktiviert hat", sagte Ron. „Er ging los, nachdem er uns gefesselt hatte, und dann ging er runter in den Tunnel und kam mit euch zurück. Jemand kommt um uns zu helfen!"
„Aber er wird nur auf Pettigrew treffen auch gefangen werden", sagte Hermine. „Was war das für ein Zauber, den er gesprochen hat?"
„Dementoren", sagte Snape. Seine Stimme wurde von der Kapuze gedämpft, aber ich dachte, dass er sich ein wenig zittrig anhörte, als er sprach. „Es war ein Aufruf. Alle Dementoren in der Nähe werden hierher kommen."
Ich sah Black auf der Suche nach Bestätigung an, und seine niedergeschlagene Miene verriet ihn. Sein Mund formte Worte in meine Richtung, aber ich konnte sie nicht verstehen. Er schüttelte den Kopf und schloss dann die Augen.
„POP!"
„NEEEIIIN!" Mir fiel nichts anderes ein, das ich hätte sagen können.
Black wurde von einem riesigen, schwarzen Hund ersetzt. Die Seile knarrten. Der Hund stieß und schlug wie wild und die Seile rutschten aus seinen Pfoten. Der Hund schwang grausam durch die Luft und ein lautes Schnappen ertönte, als das gesamte Gewicht des Hundes auf das Seil um seinen Hals verlagert wurde. Seine Beine zuckten schwach.
Ein weiteres Pop ertönte und Black war wieder ein Mann, aber seine Zehen schwebten noch ein paar Zentimeter über dem Boden. Seine Hände wanderten zu dem Seil um seinen Hals, das sich verengt hatte, als sich das Gewicht des Hundes verlagert hatte. Seine Augen weiteten sich und er zerrte und zog an den Knoten des Seils, aber seine Bewegungen waren ruckartig und unkoodiniert.
„Oh Gott, oh Gott, oh Gott", murmelte Hermine.
„Was ist los?", rief Snape.
Keiner von uns machte sich die Mühe, ihm zu antworten. Blacks Füße schlugen wild um sich. Seine Finger hörten auf, verzweifelt an den Knoten zu zerren, und zogen stattdessen an dem Seil um seinen Hals, aber es brachte nichts. Er würde es nicht schaffen.
Ich sah mich um, aber nichts in dem spärlichen erleuchteten Zimmer würde uns helfen können. Ich warf einen Blick hoch zu meinen Füßen. Irgendetwas war an dem Knoten um meine Knöchel. Er schien in der Dunkelheit fast zu leuchten. Ich wusste, wenn ich ihn erreichen könnte, würde ich ihn lösen können. Es war ein einfacher Knoten. Ich könnte es schaffen. Ich musste ihn erreichen.
Meine Waden schmerzten und die Muskeln in meinem Bauch fühlten sich an, als würden sie sich jeden Moment von meinem Skelett lösen. Mein Rücken schmerzte und meine Lungen brannten, aber mit grausamer Langsamkeit setzte ich mich. Es war nicht so schlimm wie dieser Fluch. Ich konnte nur mein eigenes, angespanntes Atmen hören. Ich fühlte, wie die anderen mich beobachteten. Nach Luft schnappend, wobei auch ein halbes Schluchzen dabei war, zwang ich mein Rückrat, sich noch ein wenig weiter zu beugen. Mein Kinn kam an meinen Knien vorbei. Das Seil, das meine Knöchel an den Balken band, war nur noch zwanzig Zentimeter weiter.
Du weißt, dass du das kannst, sagte die kleine Stimme. Fühle den Schmerz später, du musst nur noch ein wenig weiter.
Ich holte noch einmal schluchzend Luft und beugte meine Knie zur Seite. Das stoppte einen Teil des Schmerzes in meinem Rücken, aber nun wurden die Muskeln in meinen Waden und Schenkeln verrückt, und ich war sicher, dass ich mir gerade den größten Muskelkater der Welt holte. Aber mit jeder schmerzhaften Sekunde kam das Seil näher. Schweiß und Tränen strömten in gleichen Mengen über mein Gesicht, als mein Gesicht endlich auf der Höhe meiner Knöchel war und ich mit den Zähnen in den Knoten biss.
Genau wie ich gedacht hatte war es ein einfacher Knoten. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe. Mein Genick schmerzte noch von meinem Fall im Honigtopf und mein Kinn fühlte sich an, als wäre es voller Nadeln, als ich den Knoten immer wieder mit den Zähnen packte. Jeder Muskel in meinem Körper zitterte noch als Wirkung des Fluches. Irgendwie konnte ich ihn lockern. Dann fiel ich.
Es war ein langer Fall, und ich schaffte es fast, vor der Landung meine Beine unter mich zu bringen. Alle Luft wurde aus mir herausgepresst, aber zumindest wurde ich nicht ohnmächtig. Der Raum war so kalt. Als ich auf meinen Bauch rollte und keuchend Luft holte, hörte ich ein seltsames, klapperndes Geräusch. Ich warf einen Blick zu den mit Brettern zugenagelten Fenstern und sah lange, dünne Finger, die sich unter dem Rand wanden. Die Dementoren waren angekommen.
Es fühlte sich an, als würde sich jeder Muskel in meinem Körper bewegen, als ich mich setzte. Wenn ich mich das nächste Mal in zwei Hälften falte, muss ich vorher Aufwärmübungen machen. Ich zog meine zusammengebundenen Hände unter meine Beine und mit einer weiteren Reihe schmerzvoller Verrenkungen schaffte ich es, sie über meine Füße und nach vor zu bekommen. Diese Knoten waren komplizierter. Ich dachte nicht, dass ich sie alleine mit meinen Zähnen lösen konnte. Ich stolperte auf die Beine und ging hinüber zu Black.
Sein Kampf war zu einem schwachen Zucken geworden. Ich konnte die Schnur um seinen Hals kaum erreichen. Ich versuchte, die Knoten zu öffnen, aber zuviel Gewicht hing an ihnen, und das Seil um meine Handgelenke schränkte meine Beweglichkeit erheblich ein. Es brachte nichts. Ich warf einen Blick auf Blacks zuckende Beine und die Inspiration traf mich wie ein Schlag auf den Kopf.
Nennt mich einfach Harry Potter, die heldenhafte, menschliche Fußbank. Das hört sich sowieso besser an als der Junge, der überlebte. Ich ließ mich auf meine Hände und Knie fallen. Ich stieß ihn ans Schienbein und Black verstand es sofort. Er stieg auf meinen Rücken. Obwohl er dünn wie ein Skelett war, war er überraschend schwer. Nachdem er jetzt nicht mehr am Ersticken war, konnte er den Knoten selbst lösen. Er brauchte dafür trotzdem eine Ewigkeit. Als er endlich frei war, fiel er rückwärts auf den Boden und blieb nach Luft schnappend liegen.
Ich sehnte mich danach, ohnmächtig werden zu können. Es war kalt und alles schmerzte und ich war so müde, aber dann räusperte sich Ron.
„Ein wenig Hilfe?", fragte er.
Black stand auf und zog mich auf die Beine. Ich zitterte stark und konnte nicht alleine aufstehen. Ich schlurfte langsam hinüber zu Ron und begann, seine Hände zu befreien, während Black, der seine Hände tatsächlich so weit nach oben strecken konnte, sich um seine Beine kümmerte. Das Fenster ratterte unheilvoll, während Black Ron auf den Boden stellte. Noch mehr Dementoren zogen und zerrten an den Brettern über den Fenstern. Wurmähnliche Finger schlitterten durch jede noch so kleine Ritze. Alleine an diesem einen Fenster mussten mindestens zwanzig von ihnen sein.
Black befreite Hermine alleine, während Ron die Knoten an meinen Handgelenken löste. Black stellte Hermine auf den Boden.
„Gehen wir", sagte er.
„Wir müssen Snape mitnehmen." Während ich das sagte, fiel ein Brett auf den Boden und Armen schlängelten sich durch die Öffnung.
„Er ist es nicht wer", sagte Black einfach und schob uns zur Tür.
„Wir können ihn nicht einfach hier lassen", sagte Hermine. Sie weinte noch immer.
„Er ist ein Todesser", sagte Ron; er schien auf Blacks Seite zu sein.
Mein Kopf wurde mehr und mehr vernebelt und ich hatte Probleme damit zu verstehen, worauf sie hinaus wollten. Ein Todesser, das hörte sich an wie die Beschreibung von dummen Menschen, die Giftpilze essen, die sie in ihrem Garten finden. Das ist aber wahrscheinlich nicht, was er gemeint hat. Sie verstanden sowieso nicht, worum es ging.
„Wir können ihn nicht hier lassen", sagte ich.
„Wir haben keine Zeit, Harry", sagte Black. Er packte meinen Arm und zog mich zur Tür. Ich trat ihm ans Schienbein und riss mich los.
„Gut, lauft ihr nur davon, ich werde ihn alleine losbinden." Ich schlurfte zurück zu Snape. Ich streckte die Hand aus, konnte das Seil um seine Knöchel herum aber nicht erreichen. Ein weiteres Brett gab nach. Mit einem lauten Knall flog es zu Boden. Ein Dementor hätte wahrscheinlich durch das Fenster gepasst, aber keiner von ihnen zog seinen Arm aus dem Weg. Ich denke, dass es für sie nicht genug Seelen gab.
„Verdammt noch mal!", fluchte Black. Er packte mich um die Hüfte und versuchte, mich wegzutragen, aber ich griff nach Snapes Arm. Das Seilziehen, das darauf folgte, war kurz, aber dumm. Meine Arme ließen ziemlich schnell nach und Snape entkam meinem Griff. Als ich losließ, stolperte Black und verlor das Gleichgewicht, und als er sich wieder aufrichtete, schwang Snape zurück wie eine gemeine Pinata und warf Black zu Boden. Ich landete ebenfalls dort.
Ron und Hermine zogen mich auf die Beine. Ich warf Ron einen bittenden Blick zu. Er gab ein frustriertes Geräusch von sich und begann, Snapes Knöchel zu befreien. Black gab das gleiche frustrierte Geräusch von sich und kam herüber um zu helfen. Gerade als wir ihn herunter geholt hatten, gab ein weiteres Brett nach. Wir liefen zur Tür.
Hermine führte Snape den Flur entlang, wobei sie während wir liefen seine Hände befreite. Black führte uns eine Treppe hinunter. Mir wurde während dem Laufen nicht wärmer. Wir erreichten das Erdgeschoss und liefen zu einem Tunnel, der zurück nach Hogwarts führte. Pettigrew war wahrscheinlich dort drinnen, aber ich denke nicht, dass irgendjemand daran zweifelte, dass er das geringere Übel war. Ich warf einen Blick zurück und sah schattenhafte Gestalten, die durch den Korridor auf uns zu schwebten. Es war so kalt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, was ich tat. Es war wieder neblig. Hände packten meinen Arm und zogen mich nach unten.
