DAS KELLERGESCHOSS
Von Marz1 / Übersetzung von Christa Potter
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KAPITEL 26 – Vereinigung
Der Sitz quietschte. Jedes Mal, wenn ich mich bewegte, um mich zu strecken oder auch nur atmete, quietschte der Sitz. Ich gebe zu, dass man meine Reaktion als übertrieben oder vielleicht auch extrem beschreiben konnte, wenn man mit den Adjektiven um sich werfen will, aber jeder war schon einmal an diesem Punkt. Ich wollte nur in Frieden dasitzen und nicht nachdenken müssen. Ich hatte das Rattern der Räder auf den Schienen und das gleiche Rattern der Waggons ignoriert. Ich hatte Hermine davon überzeugt, mich nicht zu ärgern und Ron dazu gebracht, mich nicht andauern aufmuntern zu wollen, und ich hatte Neville Longbottom aus dem Abteil geworfen, und trotzdem ging es einfach weiter.
Quietsch!
Quietsch!
Quietsch!
QUIETSCH!
QUIETSCH!
QUIETSCH!
QUIETSCH!
QUIETSCH!
Als ich Rons und Hermines Schreie endlich verstand, bemerkte ich, dass meine Fäuste um Polsterung und herausragende Federn geballt waren. Teile von der Füllung des Sitzes flatternden wie sommerlicher Schnee durch die Luft.
„Tschuldigung", sagte ich.
Ich meinte es aber nicht. Entschuldigung bedeutete sowieso nichts. Dumbledore und Lupin hatte sich zwei Tage hintereinander ohne Pause bei mir entschuldigt, aber deswegen war die Situation nicht weniger Scheiße. Darüber nachzudenken erweckte in mir die Lust darauf, noch mehr von dem Sitz zu zerreißen.
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„Harry, es tut mir Leid. Das wird nicht möglich sein."
Dumbledore sagte es komplett ehrlich, aber ich glaubte ihm nicht. Ich hatte meinen letzten Einfall verwendet, meine letzte Hoffnung, und er warf mir einfach diese dummen Wörter entgegen. Jede meiner Ideen hätte funktioniert.
Ich hätte während des Sommers in der Schule bleiben und mich wie immer in Professor Lupins Büro verwandeln können. Sogar, falls Lupin den ganzen Sommer weg war, um Todesser zu jagen, könnte ich auf mich selbst aufpassen. Ich sagte ihm, ich würde für Unterbringung und Essen bezahlen, ich würde Aufgaben erledigen. Ich würde Snape beim Brauen von Zaubertränken helfen, um bleiben zu dürfen.
Er sagte nein, es wäre zu gefährlich.
Ich hätte alleine am Grimmauldplatz bleiben können. Snape könnte mir den Wolfsbann-Trank bringen und ich hätte mich im Badezimmer verwandeln können. Wenn mich das Ministerium dort nicht finden konnte, denke ich nicht, dass es Voldemorts Spießgefährten schaffen würden.
Er sagte nein, es wäre zu gefährlich.
Ich hätte mit Lupin gehen können, um die Todesser zu jagen. Ich bin sehr gut in Verteidigung. Ich bot Dumbledore an, ihm meinen Patronus zu zeigen. Falls er dachte, die Todesser wären hinter uns her, könnte ich den Köder spielen.
Er fügte ein „tut mir Leid" hinzu.
Ich saß geschlagen auf meinem Stuhl und starrte auf die silbernen Reflexionen auf dem Tisch des Schulleiters und vermied es, Augenkontakt mit ihm zu machen. Ich wusste, dass die letzte Idee bei den Haaren herbeigezogen war, aber die anderen hätten sicher funktioniert.
„Du wirst im Haus von deiner Tante und deinem Onkel sicher sein", sagte Dumbledore. „Ich weiß, dass es unangenehm ist ..."
„Und woher wollen Sie das wissen? Etwa durch das Fenster gespäht, bevor Sie mich vor ihrer Tür gelassen haben, oder?"
Ich konnte fühlen, wie er mich anstarrte und versuchte, mich dazu zu bringen, ihn anzusehen, aber das tat ich nicht.
„Ich werde ihnen die Situation persönlich erklären. Ich bin sicher, dass sie es verstehen werden ..."
„Nicht einmal bei Ihnen hört sich das glaubhaft an."
Er wollte etwas erwidern, als seine Aufmerksamkeit von einem Klopfen an der Tür abgelenkt wurde. „Komm herein, Severus", rief er sanft.
Ich hörte, wie Snape hereinkam, aber ich machte mir nicht die Mühe, ihn anzusehen.
„Harry, würdest du uns bitte entschuldigen?", fragte der Direktor.
Ich ging. Ich schaffte es, Dumbledore bei meinem Abgang nicht anzusehen, aber Snape war unvermeidbar, weil er sehr unhöflich den Eingang blockierte. Ich wusste, wenn ich etwas sagte, würde er Gryffindor ein paar hundert Punkte abziehen, und weil das Fest zum Schulschluss in weniger als einer Stunde sein würde, wollte ich nichts riskieren. Ich würde mich auch nicht geschlagen geben. Es war seine Schuld und er musste zur Seite gehen. Er sollte derjenige sein, der einen miserablen Sommer haben würde. Er ist derjenige, der sich entschuldigen sollte. Er ist der einzige, der sich entschuldigen sollte. Ich starrte ihn seine kohlrabenschwarzen Augen.
Seine Lippe zuckte und ich denke, dass ein beißender Kommentar auf dem Weg war. Aber eine anderen Miene blitzte über sein Gesicht; sie war so schnell, dass ich sie nicht einordnen konnte. Und dann war sein Gesicht komplett emotionslos. Er ging aus dem Weg und dann weiter auf die Stühle zu. Ich ging hinaus und machte mir nicht die Mühe, die Tür hinter mir zu schließen.
Wie üblich gewann Gryffindor den Hauspokal. Aber sogar während das gesamte Haus wie wahnsinnig schrie, war ich nicht in der Stimmung für Feiern. Hermine und Ron begannen eine „Harry Aufmunterungs-Kampagne", was alles nur noch schlimmer machte, denn die anderen Schüler hörten zu und begannen, mich mit Fragen zu bombardieren, was denn los sei und bald sprach der halbe Tisch über mich. Ich verließ das Fest, bevor das Essen serviert wurde.
Ich ging nicht zurück zu meinem Schlafsaal. Stattdessen ging ich durch das Schlosstor nach draußen auf den Rasen. Der Wald war erfüllt von den Geräuschen von Vögeln und Käfern und seltsamen Tieren, denen ich keinen Namen geben kann. Ich ging auf den Rand zu. In den Verbotenen Wald zu gehen war natürlich verboten, aber ich wollte nicht weit hinein.
Sogar schon bevor ich gebissen wurde, war ich ein wenig klaustrophobisch, und wenn ich mich aufregte, war es noch schlimmer. Das Haus der Dursleys würde für mich wie einer dieser kleinen Plastikkäfige sein, die man in Tierhandlungen bekommt und in denen man Hunde herumträgt. Ich konnte mir gut vorstellen, wie ich in einer dieser kleinen Schachteln steckte. Sie würden mich in einer verstauen und mich dann gemeinsam mit meinem Schulkoffer für den Rest des Sommers im Schrank unterbringen.
Die Geräusche im Wald veränderten sich nicht, als ich an den ersten Bäumen vorbeikam, also war ich ziemlich sicher, dass nichts auf mich zukam, das mich sofort fressen wollte. Als das Schloss außer Sicht war, hielt ich an und fand einen großen, flachen Stein, auf den ich mich setzen konnte. Ich war in den Wald gekommen, um meinen Kopf frei zu machen, aber nun konnte ich nur über den kommenden Sommer bei den Dursleys nachdenken. Ich war in Dumbledores Büro zu dramatisch gewesen. Ich wusste, dass sie nicht versuchen würden, mich umzubringen – oder so etwas in der Richtung. Sie würden mich vielleicht hinauswerfen, aber das wäre auch nicht so schlimm, und es würde beweisen, dass ich Recht hatte.
Ich machte mir auch darüber Sorgen, dass ich drei Monate lang vom Rest der Welt abgeschnitten sein würde. Wenn sie Sirius tot fanden, würden sie es mir sagen? Falls sie ihn wieder erwischten, würde ich es früh genug erfahren, um ihn vor Gericht zu verteidigen? Ich dachte noch immer nach, als sich Krallen in meinem Kopf versenkten.
Ich schrie und schüttelte wild den Kopf, um es los zu werden und schaffte es, von dem Felsen zu rollen und auf vielen kleinen, spitzen Steinen zu landen, die aus dem Boden ragten. Mit einem Zischen ließ es los und sprang auf den Stein, wo es den Platz besetzte, auf dem ich zuvor gesessen hatte. Der Pooka kicherte und zwinkerte mir zu, während ich aufstand und meinen Umhang abklopfte.
„Du bist eine Pest, weißt du das?", sagte ich.
Der Pooka kicherte. Wir hatten uns für ihn noch immer keinen Namen einfallen lassen, zumindest keinen offiziellen. Ron und Seamus nannten ihn „den kleinen Bastard", und Hermine und die meisten anderen nannten ihn einfach Pooka. Ich nannte ihn immer nur „du". Es schien ihm sowieso nicht auszumachen. Ich setzte mich neben ihn und er kicherte wieder.
Obwohl Hagrid mir immer wieder versicherte, dass der Pooka Schwierigkeiten nicht anzog, passierten um ihn herum viele seltsame Dinge. Einfache Schwebezauber verwandelten die Opfer in Flamingos; Sofakissen gingen plötzlich in Flammen auf; Kesselkuchen schmeckten wie Gurken; so seltsame Dinge, die man einfach nicht als Pech bezeichnen konnte. Der Pooka würde den Sommer bei Ron verbringen, obwohl es mir nichts ausmachen würde, ihn bei den Dursleys in meiner Nähe zu haben. Wenn er es schaffte, dass Tante Magda explodierte, denke ich nicht, dass ich dafür Schwierigkeiten bekommen würde. Meine Gedanken wurden wieder unterbrochen, diesmal vom Geräusch von Hufen auf dem Boden.
Ich sah, wie der Umriss eines Zentauren langsam durch die Bäume kam. Der Mond war in dieser Nacht nur eine Sichel und wurde vom Blätterdach total abgeschirmt, aber das weiß blonde Haar des Zentauren war sogar in der Dunkelheit des Waldes sichtbar. Ich erkannte ihn sofort. Es ist sehr schwer, jemanden zu vergessen, der dich vor einem Einhornblut trinkenden, von Voldemort besessenen Lehrer gerettet hat.
„Hallo, Firenze", rief ich leise.
„Wer ist da?", rief er zurück.
Ich denke, dass mein dunkler Umhang im Wald eine ziemlich gute Tarnung abgab.
„Ich bin es, Harry Potter."
Firenze kam zu dem Felsen, auf dem ich saß und starrte mich genau an, als erwartete er, dass ich gelogen hatte.
„Ich bin ...", ein paar Sekunden lang kämpfte er darum, ein Wort zu finden. „... überrascht."
„Warum?", fragte ich.
„Ich habe vorhergesehen, dass wir uns wieder begegnen würden, aber erst in vielen Monaten. Warum bist du in den Wald gekommen?"
Das ist eben so, mit den Zentauren. Sie reden immer darüber, dass ihnen die Sterne und Planeten dies und jenes sagen. Ich komme fast in Versuchung zu behaupten, dass sie fast so schlimm sind wie Trelawney, aber andererseits war sie gar keine solche Schwindlerin, und über ihre Prophezeiung zu denken war fast so schlimm, wie über den Sommer zu denken.
„Ich brauchte etwas Freiraum", antwortete ich schließlich.
„Etwas ist nicht in Ordnung", sagte der Zentaur. „Würdest du es mir sagen?"
„Blut! Das Blut des Feindes!", gab der Pooka mit seiner hohen, zittrigen Stimme von sich, bevor er sich einem weiteren Kicheranfall hingab. Ich hasse es, wenn er sagt, was ich denke.
„Blut?", fragte Firenze. Ich denke, dass er mit dem Pooka sprach, aber dieser schien ihm nicht antworten zu wollen.
„Firenze, du siehst doch immer Dinge", begann ich nervös. Ich hatte zuvor erst einmal mit ihm gesprochen. „Ich meine, du weißt viel über Astrologie, und ich hab mich gefragt, weil du ja so viel über das Thema weißt, wie genau stimmen Prophezeiungen?"
„Eine wahre Prophezeiung stimmt immer, aber zugleich hängt ihre Wahrheit auch von der Interpretation ab. Eine gesprochene Prophezeiung kann sehr zweideutig sein."
„Was ist mit einer gesprochenen Prophezeiung, in der es heißt: ‚Sein Treuester wird ihm das Blut seines Feindes anbieten und der Dunkle Lord wird wieder erstehen'?"
„Das hört sich ... düster an", sagte der Zentaur nachdenklich. „Gibt es noch mehr?"
Ich erzählte ihm den Rest. Während ich sprach, wiederholte der Pooka die weniger angenehmen Wörter, wie „Blut" und „Tod", kurz nachdem ich sie sagte.
„Bist du sicher, dass es eine echte Prophezeiung ist? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen, das wenige, was sie aus den Nebeln der Zukunft wissen, gerne größer machen, als es ist."
„Dumbledore scheint zu denken, dass sie wahr ist."
Firenze wandte sich von mir ab und hob den Blick, hoch zu dem Blätterdach über uns und späte durch einen kleinen Spalt zwischen den Ästen. „Das ist beunruhigend, aber nicht unerwartet. Mars brennt mit jeder Nacht heller."
„Brennt!", rief der Pooka. Er sprang von dem Felsen und verschwand im dichten Geäst des Waldes. Noch lange, nachdem er aus meinem Blickfeld verschwunden war, konnte ich seine hohe Stimme noch hören.
„Brennt!"
„Brennt!"
„Brennt!"
Firenze bestand darauf, mich zum Schlosstor zurück zu bringen. Ich wollte gerade hindurchgehen, als er eine Hand auf meine Schulter legte.
„Es gibt hier eine neue Dunkelheit, und ich kenne ihren Namen nicht", sagte der Zentaur.
Ich erwiderte seinen Blick und seine blauen Augen schienen im schwachen Licht zu leuchten, das von der Schule kam.
„Vielleicht hat sie keinen", sagte ich.
Ich zog das mysteriöse Gerede aus der Luft über mir, aber Firenze schien zu denken, dass ich etwas cleveres gesagt hatte, denn er nickte ernst. Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Zentaur um und trottete zurück in den Schatten des Waldes.
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Während ich meinen Koffer den Bahnsteig entlang zog, kam Dumbledore auf mich zu und überbrachte mir seine endgültige Entscheidung. Die Dursleys würden es nicht sofort erfahren, denn der Vollmond würde erst in zweieinhalb Wochen am Himmel erscheinen. Er würde es so arrangieren, dass ich mich in der Nähe des Ligusterwegs verwandeln konnte. Natürlich verriet er mir noch keine Details, sondern gab mir nur diese kleine Vorschau. Also war meine Stimmung im Zug eigentlich sehr berechtigt.
Ich sagte während der gesamten Fahrt nicht viel. Ich verabschiedete mich am Bahnsteig in Kings Cross von Ron und Hermine. Ich hörte, wie Ron Hermine zuflüsterte, dass ich wirkliche Stimmungsschwankungen hatte, während sie durch die Barriere in die Welt der Muggel gingen. Ich spürte das Verlangen, Hedwigs Käfig hinter ihnen her zu werfen, aber weil sie noch drinnen war, beschloss ich, es nicht zu tun.
Ich wartete ungefähr fünfundvierzig Minuten, bevor ich ging. Ich wollte die Weasleys nicht beleidigen, weil sie immer so nett zu mir waren, aber ich wusste, wenn ich vom Weasley Aufmunterungskommando umgeben war, würde ich etwas sagen, das ich bereuen würde. Als ich zum Bahnsteig neun kam, waren die Weasleys verschwunden und stattdessen warteten die Dursleys.
„Noch eine komische Geschichte und es setzt was, verstanden, Junge?", knurrte Vernon.
„Auch nett, dich zu sehen", sagte ich tonlos.
„Werd jetzt bloß nicht frech! Diese kleine Entführungsgeschichte ... die Hälfte der Nachbarn kam zu komischen Zeiten rüber, haben in unserem Müll gesucht und über den Gartenzaun gespäht. Die schienen zu denken, wir hätten dich im Garten vergraben."
Vernon schien vergessen zu haben, worauf er hinaus wollte, aber Tante Petunia übernahm für ihn. „Geh zum Wagen und dass du es ja nicht wagst, Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen!", zischte sie.
Ich war ziemlich sicher, dass ihre Schreie und ihr Zischen mehr Aufmerksamkeit auf uns zogen als ich mit meinem Koffer, aber ich begann nicht, deshalb zu streiten. Wir gingen durch die Station und als wir zu den Stufen kamen, zog ich den Koffer alleine hinunter. Ich ließ Hedwig aus ihrem Käfig, damit sie nach Hause fliegen konnte. Zwei Stunden lang mit drei Dursleys in einem stickigen Auto zu stecken war kein Schicksal, das ich irgendjemandem wünsche. Petunia sah aus, als wolle sie mich anschreien und verlangen, dass ich sie wieder einfing, aber Hedwig war nur noch ein Fleck am Himmel, bis Petunia genug Luft geholt hatte. Als wir den Fuß der Treppe erreichten bemerkte ich, dass mich viele Leute anstarrten und senkte den Blick auf meine Schuhe und betrachtete sie die ganze Zeit, während wir über den Parkplatz marschierten. Ich hätte wahrscheinlich den ganzen Sommer damit verbracht, meine Füße anzustarren, aber dann schrie Vernon und alles änderte sich.
Er saß im Schneidersitz auf dem Dach von Onkel Vernons Firmenwagen und er sah aus wie eine Art meditierender Heiliger. Seine Hände lagen auf seinen Knien und mit seiner rechten Hand spielte er mit einer kurzen braunen Schnur.
„Kommen Sie sofort von meinem Auto herunter, Sie dreckiger Schurke!", rief Onkel Vernon und er begann, im Gesicht ein wenig rot zu werden.
Ich denke, dass Onkel Vernon ihn auf den ersten Blick für einen Hippie hielt. Das lange schwarze Haar, das um sein Gesicht fiel, und die ungepflegten Klamotten verliehen ihm ein etwas wildes Aussehen. Vernon wollte wieder schreien, aber Tante Petunia packte ihm am Arm und wollte ihn zurück ziehen, wobei sie die ganze Zeit verängstigt quietschte. Dudley stand nur, offenbar verwirrt, daneben, aber er bekommt den gleichen Ausdruck wenn er Straßenschilder und Parkautomaten sieht. Onkel Vernon starrte mich an, während er versuchte, Tante Petunia von seinem Arm zu schütteln. Ich konnte ein Lachen kaum unterdrücken. Ich wandte mich dem Auto zu.
„Hi Sirius! Wo bist du gewesen?"
„Oh, hier und da, du weißt schon. Wirst du mich denn nicht vorstellen?", fragte er leicht.
„Natürlich", sagte ich fröhlich und fühlte mich, als hätte ich gerade eine Tonne Gewicht verloren. „Tante Petunia, Onkel Vernon, Dudley, das ist Sirius Black, mein Pate."
Onkel Vernons Gesicht verwandelte sich von rot in grün und seine Kinnlade fiel herunter, wodurch er eher wie ein Fisch aussah. „Du ... du ... dein ...", stotterte er, offenbar gefangen zwischen seiner Angst vor dem Tod, und seinem Hass auf Männer mit langen Haaren.
Sirius warf mir die kurze Schnur, mit der er gespielt hatte, zu und streckte meinem Onkel die Hand entgegen. Er lehnte sich über den Rand des Autos, wodurch das dünne Metall des Daches aus Protest knarrte.
„Nett, Sie kennen zu lernen", sagte Sirius.
Onkel Vernon machte keinen Anstalten, die angebotene Hand anzunehmen. Während meine Verwandten vor Angst wie erstarrt waren, warf ich einen Blick auf die Schnur, die mir Sirius zugeworfen hatte. Sie war ungefähr zehn Zentimeter lang und während ich sie in der Hand umdrehte, wurde ich von ihrer rauen Oberfläche ein wenig überrascht.
Tante Petunias erschrockene Schreie wurden lauter und häufiger, und ich erinnerte mich plötzlich daran, dass in der Nähe viele Zauberer waren, die ihre Kinder vom Schulzug abholten.
„Sirius?", sagte ich und lenkte seine Aufmerksamkeit auf mich. „Vielleicht solltest du vom Dach runterkommen. Du weißt schon, unauffällig bleiben und so."
„Du hast natürlich Recht", sagte Sirius, während er mit Leichtigkeit zu Boden sprang, wodurch die Dursleys im Gleichschritt erschrocken einen Schritt zurück gingen. „Das ist mein Problem!", sagte er zu Onkel Vernon, als würde er ein Geständnis ablegen. „Ich denke nie, bevor ich etwas tue. Ich meine, ich habe das Verlangen, etwas zu tun, und ..." Sirius schlug sich mit einem lauten Klatschen mit der Faust auf die Handfläche der anderen Hand, „... zack! Schon ist es erledigt. All diese Zeit im Gefängnis – man würde denken, dass ich meine Lektion gelernt hätte, aber ich scheine in letzter Zeit wirklich in mehr Eile zu sein, die Dinge zu erledigen als zu zuvor. Das ist einer der Gründe, warum ich Ihren Neffen so gern habe; er überdenkt die Dinge, zumindest mehr, als ich es tue. Er ist auch ziemlich überzeugend. Als ich zum Beispiel herausfand, dass seine ‚Tante Magda' über meine liebe, verstorbene Freundin Lily Potter in einer viel weniger als netten Art geredet hat, wollte ich Ihr Haus bis auf die Grundmauern niederbrennen, aber dann sagte Harry, der kleine ist doch immer der Denker, Harry sagte: ‚Du solltest ihr Haus wirklich nicht niederbrennen.' Und ich denke, dass er Recht hatte, oder?"
Vernon nickte stumm. Ich denke, dass Sirius ein wenig zu sehr den Verrückten spielte, aber auf der anderen Seite war ich besorgt, dass es nicht nur gespielt war. Das war es sonst auch nicht. Bevor ich deswegen aber in Panik geraten konnte, hörte ich plötzlich einen Schrei auf der anderen Seite des Parkplatzes und ich sah, wie Seamus und seine Mutter uns anstarrten. Sirius schien sich deswegen aber keine Sorgen zu machen. Er wandte sich wieder den Dursleys zu.
„Ich brauche ein kurzes Wort mit Harry, warum setzen Sie sich inzwischen nicht in Ihr wunderschönes Auto? Versuchen Sie aber nicht, davon zu fahren, oder ich werde Ihr Haus doch anzünden müssen!" Seine Stimme verlor nie ihren fröhlichen Ton, aber während er sprach, flog ein Schatten über sein Gesicht, der jeden Dementor in die Flucht geschlagen hätte. Als die Dursleys in ihr Auto gestiegen waren, die Fenster geschlossen und die Türen verriegelt hatten, wandte sich Sirius mir zu.
„Ist alles in Ordnung?"
„Meistens", sagte ich und sah zurück zu Seamus und seiner Mutter, die zurück in den Bahnhof liefen. „Hast du Dumbledore schon gesagt, dass du wieder zurück bist?"
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin gerade ins Land zurückgekommen. Ich hab ihre Spur verloren, Harry, in Österreich. Einige ihrer alten Anhänger krochen unter ihren Felsen hervor. Ich hab aber Travers und ein Stück von Pettigrew erwischen können."
„Ein Stück von Pettigrew?", fragte ich.
Er nickte und seine Augen wanderten zu dem Stück Schnur in meiner Hand. Ich bemerkte plötzlich, dass es keine Schnur war. Es war ein Rattenschwanz. Ich hab immer gedacht, dass ich Pettigrew vielleicht gerne in tausend Stücke gehackt sehen würde, wegen dem, was er meiner Familie und meinen Freunden angetan hat, aber jetzt, da ich ein Stück von ihm in der Hand hielt, fühlte ich mich ein wenig krank.
„Willst du ihn behalten?", fragte Sirius, als wäre dieses schreckliche ... Ding ein unbezahlbarer Schatz. Ich schüttelte den Kopf, schluckte schwer und gab ihn ihm zurück.
„Denkst du, dass sie auf dem Weg nach Albanien sind?", fragte ich. Dumbledore hatte erwähnt, dass Voldemorts körperloses Ich sich dort versteckte.
„Wahrscheinlich, ich sollte aber zuerst alles Dumbledore erklären."
„Wirst du mir auch alles erklären?"
Sirius sah mich eine lange Sekunde lang an. „Ich werde dir schreiben, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Es würde Stunden dauern, um dir alles zu erzählen. Alles geschieht jetzt sehr schnell. Wir müssen sie aufhalten, bevor sie einen Weg finden, ihn zurück zu bringen. Geschwindigkeit ist unsere einzige Hoffnung."
„Ich nehme an, dass das bedeutet, dass du diesen Sommer nicht am Grimmauldplatz sein wirst."
„Ich würde mich entschuldigen und es so meinen, aber ich denke nicht, dass es das ist, was du hören willst. Harry, ich will dich nicht bei ihnen lassen, aber wenn ich Pettigrew erwischen will, dann kannst du nicht bei mir sein. Verstehst du das?"
Ich nickte.
„Bist du wütend auf mich?"
Ich nickte wieder.
Von der Station her hörten wir ein weiteres Schreien und ein paar Leute, von ihren Umhängen zu schließen offenbar Zauberer, liefen aus dem Bahnhof heraus auf uns zu. Sirius legte eine Hand auf meine Schulter.
„Ich werde das irgendwie wieder gut machen, okay?"
Ich nickte. „Sei vorsichtig", sagte ich.
Sirius lächelte. Dann legte er seine Hand auf meinen Kopf und brachte mein Haar so sehr durcheinander, dass ich nicht einmal sah, wie er disapparierte. Als meine Frisur wieder in Ordnung war, war er schon verschwunden. Ich klopfte an das Fenster von Onkel Vernons Auto und zögernd öffnete er die Tür für mich. Ich schob meinen Koffer hinein und warf Hedwigs Käfig auf Dudleys Schoß. Vernon schaltete den Motor ein und fuhr davon, noch bevor die Tür ganz hinter mir zugeschlagen hatte. Ein paar Zauberer liefen dem Auto nach, aber sie kamen nicht nahe genug, um uns anzuhalten. Sie winkten nur und riefen, weswegen Vernon noch schneller fuhr. Ich denke, sie wollten auf einem so öffentlichen Platz keine Magie gebrauchen.
Die Dursleys saßen in angespannter Stille da, während wir zurück zum Ligusterweg fuhren, aber ich konnte mein Lachen nicht unterdrücken.
Aus meinem Koffer drang ein leises Kichern.
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A/N: Bevor ihr mir wegen diesem Ende Beschwerdeeulen schickt – ein Epilog kommt noch!
