Hermine bereitete ihren Eltern das Frühstück. Sie selbst hatte bereits Kaffee getrunken und Zeitung gelesen. Ihre Gedanken verweilten bei dem zurückliegenden Abend. Ihr Körper sehnte sich nach Lucius, ihr Verstand verachtete ihn, und ihre Seele war bei Ron. Sie hatte einen wirren Traum hinter sich, in dem unter anderem ein Mann mit Rons Gesicht und Lucius' Körper vorgekommen war. Sie schüttelte den Kopf. Schwachsinn. Eine Schlagzeile des Tagespropheten ließ sie innehalten: „Vampirorden breitet sich aus." Was folgte, war im üblichen reißerischen Stil des Blattes gehalten, den sie als Jugendliche Rita Kimmkorn zugeschrieben hatte. Die Entwicklung wunderte sie nicht. Die Kimmkorn war jetzt Chefredakteurin. Sie für ihren Teil hatte nichts gegen Vampire einzuwenden. Dann hätte sie auch gleich Remus verdammen können. Sie griff zum Hörer und rief ihn an: „Guten Morgen, Remus, ich hoffe ich störe nicht." „Du weißt doch, dass du nicht störst. Guten Morgen, Hermine." Sie sah das im Alter noch magerer gewordene Gesicht und sein angegrautes Haar vor sich. „Was gibt's?" Sein lockerer Ton täuschte nur schlecht über die Besorgnis in seiner Stimme hinweg. „Ich hatte gestern Nacht eine interessante Begegnung." Remus antwortete nicht, doch sie konnte sich denken, was er dachte: „Stell deinen Verstand für einen Moment in die Ecke und fang an zu leben, Mädchen." „Lucius Malfoy, so jung wie vor zwanzig Jahren." „Er reist durch die Zeit?" Es gelang Remus nicht mehr, die Anspannung aus seiner Stimme herauszuhalten. „Zum puren Vergnügen." Sie sah vor sich, wie Remus' Augenbrauen in die Höhe wanderten und schmunzelte. „Ich...wir haben zusammen geschlafen." Remus war der einzige, dem sie anvertraute, mit wem sie schlief und warum. Nicht einmal ihre Eltern erfuhren davon. „Er war auf Kneipentour." „Und ist bei dir hereinspaziert," vollendete er ihre Gedanken. „Ja." „Und...liebst du ihn?" „Nein," antwortete Hermine entschieden. „Gut. Weiß er, was sein älteres Ich hier treibt?" „Er hatte nur Sex im Kopf." „Lust war schon immer eine Triebfeder der Malfoys," sagte Remus ernst.
„Ich hatte Spaß dabei." „Du bist zu lange allein, Hermine." „Ich habe Gewissensbisse, Ron gegenüber." „Du lebst, und du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein. Ron würde es so wollen, glaub mir." „Es muss nur nicht ausgerechnet Lucius Malfoy sein." „Wie war er?" Hermine konnte nicht anders, sie prustete los: „Willst du das allen Ernstes wissen?" In seiner Stimme lag ein Schmunzeln, als er erwiderte: „Freut mich, dass du noch lachen kannst." „Was für einen Eindruck hast du von dem Vampirorden?" „Kein Grund zur Besorgnis, solange keiner von ihnen sich an Muggeln vergreift. Gäbe es so etwas wie eine Gemeinschaft der Werwölfe, hätte ich mich ihnen auch angeschlossen, wenn ich noch jünger wäre. Jetzt ist der Orden halt bei uns angekommen. Jetzt, da Malfoy Junior tot ist, wird der Senior jeden hinter sich zu bringen versuchen, der potentiell auf seiner Seite stehen könnte." Hermine stand plötzlich das Bild des grauhaarigen Malfoy mit seinen hasserfüllten blauen Augen und der schaurigen Narbe, die sein Gesicht teilte, vor Augen, und sie fragte sich mit einem Schaudern, wie sie mit diesem Mann – nun gut, seiner jüngeren Ausgabe – hatte schlafen können. Dennoch klopfte ihr Herz in Erinnerung an seinen durchtrainierten Körper.
Narcissa schaute sich um. Um sie herum tobten Kinder, Muggelkinder, und sie konnte nichts dagegen tun. Die Wut entfachte ein heißes Feuer in ihr, das jedoch wirkungslos verglühte.
Lucius Malfoy Senior humpelte durch die Straßen. Seit ihm dieser verdammte Werwolf seinen Fuß genommen hatte, fühlte er sich als das Wrack, dass er war. Damals war er zu stolz gewesen, seine Narben heilen zu lassen; er trug sie einem Siegesmal gleich mit sich herum. Er war auf dem Weg zu dem neu angekommenen Meister und seiner Gefolgschaft.
Der Ruf des Meisters leitete ihn durch die Straßen, und dann war er vor dem schmiedeeisernen Tor angekommen.
Hermines erster Gang führte sie auf die Damentoilette. Der Spiegel sah ihr nach und dachte nicht daran, sein Begehren zu verbergen. Sie wusste, was er von ihr wollte – und nicht konnte.
