Gil-galad und Elendil sammelten ihre Truppe am Fuße des Gebirges, nachdem wir den Talgrund erreicht hatten. Die Männer halfen sich gegenseitig aus ihren Rüstungen und teilten das Wasser untereinander, das aufgefangen hatte, wer immer ein Schöpfgefäß besaß, aus den vielen Bächen, die das Nebelgebirge herabströmten.
Zum ersten Mal kam ich dazu, mir die Gesichter meiner Kameraden genauer anzusehen. Unter den Elben waren die Dunkelhaarigen von Lindon und Imladris, auch die Tawarwaith und die Galadhrim. Bald nach unserer Ankunft stießen die Zwerge aus dem Reich Moria hinzu, ihre Äxte schimmernd im gnadenlosen Licht der Sonne, die langen Bärte geflochten.
Die Bannerträger hatten ihre schwere Last in den Boden gerammt, und die Feldzeichen wehten im rauen Wind.
Wir hockten nebeneinander, sammelten unsere Kräfte, und das erschöpfte Schweigen, das sich über uns gelegt hatte, schuf ein Band zwischen uns.
Dann und wann gingen Kommandeure die Reihen ab, sprachen aufmunternde Worte, rüttelten unseren im Marsch verschliffenen Kampfgeist wach.
Ich blickte in den Himmel, als ein Schatten über uns glitt. Die Sonne stach mir in die Augen, dass sie tränten. Über uns kreiste ein Adler, wachsam in seinem Geist und majestätisch in seinem Flug. Die scharfen goldenen Augen blickten ungerührt auf uns hinab, suchten die Ebene ab.
Seine Anwesenheit schien die Pferde zu beruhigen. Hoffnung keimte in mir auf. Ein zweites Tier gesellte sich ihm hinzu, und dann noch einer und noch einer. Ihre gewaltigen Flügel schirmten uns von der grellen Sonne ab.
Die Tiere nahmen mich so gefangen, dass ich nicht gleich bemerkte, dass ein Schatten auf mich gefallen war. Erschrocken blickte ich auf, als ich die Spitze eines blanken Schwertes zu meinen Füssen registrierte. Vor mir stand ein Mann von weit über einem Fuss, schlank und kraftvoll. Sehnige Finger hielten den Knauf eines schlichten, mit einer eleganten Inschrift versehenen Schwertes umfasst. Sein schmales Gesicht ließ mehr noch als sein wehendes dunkles Haar die Verwandtschaft zu den Elben erkennen. Die grauen Augen blickten kühl und durchdringend, ohne unfreundlich zu sein. Er überreichte mir eine hölzerne Schale, die er in der freien Hand hielt: „Trinkt. Ihr seid tapfer marschiert." Sein Blick fiel auf mein leicht verkrüppeltes Bein. Verlegen senkte ich den Blick: „Ich habe nicht mehr getan als meine Kameraden." „Ihr bescheidet euch. Nennt mir euren Namen." „Eorl." „Ein alter Name," stellte der Mann fest, „Mich nennt man Anarion." Des Königs Sohn. Er musste den Schrecken in meinen Augen bemerkt und darin gelesen haben, was mir durch den Kopf gegangen war: „Nur von Geburt bin ich höher gestellt als ihr, von Blut und Gesinnung seid ihr mir gleich. Ich wünsche euch ein langes Leben." Hoheitsvoll nickte er mir zu und entfernte sich. Mein Herz klopfte, stolz und angstvoll zugleich.
Einige Zeit später beobachtete ich, dass er einem Soldaten mit zerfurchtem Gesicht und einem Arm Wasser anbot, wie er es auch mir angeboten hatte. Sein Schwert hatte er dem alten Mann in die Hand gelegt, der es ehrfurchtsvoll befühlte. Sein Ring wies ihn als einen Schmied aus.
Die Elben hatten sich ein wenig abgesondert. Durch ihre hochgewachsene Gestalt und die schmalen Gesichter mit den auffallenden Augen, klar und leuchtend waren sie nicht zu übersehen.
Selten und nur für kurze Zeit gesellten sich Menschen zu ihnen, als fühlten sie sich von ihnen magisch angezogen, ohne sich diesen Wesen für würdig zu halten.
Ich versuchte, meinen Geist von der Umgebung abzuschotten und ein wenig zu ruhen, denn am morgigen Krieg würde die bislang größte aller Schlachten beginnen.
