Aber damals war sie sich sicher gewesen, dass allein sein die beste Lösung für ihren Schmerz wäre. Sie wollte nur vergessen. Natürlich war ihr das nicht gelungen. Und als Draco Malfoy mit ihr zusammengestoßen war, war sie froh gewesen. Froh, nicht allein zu sein, froh, jemanden zu haben, der wusste, was passiert war, warum sie ihr Leben so umgekrempelt hatte, dem sie nicht erklären musste…

Draco war es auch gewesen, der sie dazu gebracht hatte, hier her zurück zu kommen. „Du wirst nie abschließen können, wenn du nicht siehst, was mit ihnen passiert ist, und sie werden nie ruhen, wenn sie nicht wissen, wo du bist und wie es dir geht. Geh hin! Ich begleite dich auch!"

„HERMINE!" Aus ihren Gedanken gerissen sah sie plötzlich nichts mehr außer roten langen Haaren, dann wurde sie so heftig umarmt, dass sie beinahe umfiel. „Ginny!", keuchte sie. „Du bist da, du bist zurückgekommen, ich habe es Mum gesagt, ich wusste, dass du kommst!"

Hermine grinste Ginny an. Ihre Haare waren länger als beim letzten Treffen, ihr Gesicht gebräunt, sie hatte mehr Sommersprossen als sie je besessen hatte und sie strahlte über das ganze Gesicht. Hermine war darüber so froh, dass sie auch strahlen musste. Bei ihrem letzten Treffen wollte Ginny niemanden an sich heranlassen, sie hatte nur geweint und geschlafen und war blass wie ein Gespenst gewesen. „Ich bin so froh dich zu sehen, Ginny! Wie geht es dir? Was hast du in den letzten Jahren gemacht?" „Oh Hermine, ich wünschte, du müsstest diese Fragen nicht stellen! Lass uns rausgehen, da können wir reden!"

Hermine nickte und folgte Ginny in den Garten. Auch hier war alles beim Alten. Die beiden Frauen setzten sich unter einen Baum wie sie es vor Jahren auch immer getan hatten. „Gut, ich gebe dir erstmal eine kleine Beschreibung, was unmittelbar passiert ist nachdem du weg warst. Ron sah aus wie ich, er hat eine Woche nichts gegessen, er konnte es nicht fassen, er war so verletzt, es war schrecklich. Nach 2 Wochen hatte er sich ein wenig beruhigt und er fing an dich zu suchen. Nach einem Monat kam er zurück ohne dass er Erfolg gehabt hatte. Es folgte ein Monat ohne Essen, man konnte ihn nicht ansprechen. Dann hat er sich zusammengerissen und hat seine Ausbildung als Auror beendet und die ersten 5 Jahre nur gearbeitet. Die Hoffnung, dass du zurückkommst hatte er nie aufgegeben. Immer wenn man ihm gesagt hatte, er solle mehr Spaß haben meinte er nur, er müsse dir bei deiner Rückkehr etwas bieten können, damit du bleibst. Es war bemitleidenswert.

Dann hat er vor ungefähr 5 Jahren Marissa kennen gelernt. In einer Bar. Sie war gerade überraschend verlassen worden, von ihrer großen Liebe, einfach so, ohne Grund. Natürlich fühlte er sich verstanden und die beiden trösteten sich über ihre Enttäuschungen hinweg. Seit 4 Jahren lebt er wieder vernünftig. Ich brauchte ein halbes Jahr, um mich einigermaßen zusammenzureißen. Ich reiste durch die Welt für ein Jahr, war hier und da, besuchte Charly in Rumänien und sowas.

In Rumänien lernte ich Gerard kennen. Er machte dort seine Ausbildung. Wir führten eine Art Briefbeziehung und plötzlich stand er irgendwann vor meiner Tür. Er wollte in England leben, wo er näher bei mir sein konnte. Wir leben in Hastings, in einem kleinen Haus, letztes Jahr haben wir unser erstes Kind bekommen, ein Junge."

„Wow, herzlichen Glückwunsch! Wie heißt er denn?" Ginny zögerte einen Augenblick. „Wir- wir haben ihn Harry genannt." Es herrschte ein kurzes Schweigen zwischen den beiden. „Naja, Mum und Dad haben sich sehr gefreut, Dad hat vor ein paar Monaten übrigens aufgehört zu arbeiten, die beiden fallen sich seitdem nur noch auf den Wecker." Ginny grinste kurz. „Oh, und Remus und Tonks haben auch ein Kind bekommen, ein Mädchen, sie heißt Lily. Lily ist jetzt 5 Jahre alt." „Wow, da ist ja viel passiert seit ich umgezogen bin!"

„HERMIIIIINE!" Hermine drehte sich um doch schnell bemerkte sie, dass nicht sie gemeint gewesen war sondern ein kleines Mädchen mit roten Haaren und braunen Augen, die schnell auf eine große Frau zulief, die sie tadelnd ansah. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst hier nicht alleine rumlaufen! Geh zu deinem Papa und begrüß mit ihm die Gäste." „Ok, Mama!", meinte das kleine Mädchen und ging hinein. Die Frau sah auf und bemerkte Hermines Blick, die beiden sahen sich einen Augenblick an dann ging sie wieder hinein.

„Ginny-" „Das habe ich vergessen zu erwähnen, Ron und Marissa haben ein Kind. Im September wird sie 4.", meinte Ginny ohne Hermine anzusehen. „Die beiden haben ihr Kind Hermine genannt?" Ginny nickte. „Wenn es ein Junge geworden wäre, hätten sie ihn Pete genannt, nach dem Freund von Marissa. Das ist ihre Art gewesen, das ganze zu verarbeiten. Außerdem wären sie ja ohne dich nie zusammen gekommen!" Hermine musste diese Information erstmal verdauen.

„Hermine, WO warst du bloß? Und wieso bist du gegangen? Du hast uns damit alle so- wir waren alle sehr enttäuscht. Ron ist darüber nie hinweggekommen!" Ginny sah sie vorwurfsvoll an. Hermine wusste, dass das kommen würde, aber dennoch war sie unvorbereitet. „Ich wollte euch nie verletzen! Und erst recht nicht Ron! Es tut mir leid, dass ich einfach so weg war. Ich dachte, ich würde es euch damit irgendwie erleichtern." „Wohl eher dir erleichtern!" „Auch das!", gab Hermine zu. „Ich habe diese ganze Trauer nicht ausgehalten. Immer hat mich irgendwas an Harry erinnert, ständig haben uns Leute auf ihn angesprochen. Es war furchtbar. Und zu Ron hatte ich plötzlich gar keinen Zugang mehr. Wir hielten es nicht aus, länger als eine Minute in einem Raum zu sein. Ich hatte durch den Verlust von Harry plötzlich niemanden mehr. Du warst nie anwesend, niemand konnte dir helfen, niemanden wolltest du sehen. Ich konnte, wohl eher durfte mich nicht so verhalten. Ich musste euch trösten, Remus war fertig, du warst nicht ansprechbar..

Ich hatte euch alle verloren, das begriff ich schnell. Immer wenn ich mit Ron alleine war und mit ihm über meine Gefühle reden wollte, darüber, wie es mir ging, blockte er ab. Ich musste für jeden Seelenklempner spielen und hatte selbst niemanden, der meine Leere füllen konnte. Es bestand zwischen Ron und mir irgendwann eine so große Distanz, der Raum, den Harry in unserer Beziehung gefüllt hatte war plötzlich leer, ein Teil unserer Beziehung war kaputt und ich begriff langsam wie groß dieser Raum war. Es war nicht zum Aushalten. Und ich vermisste Harry so unglaublich. Ich konnte über das Problem mit Ron mit niemandem reden, das hat mich innerlich zerrissen, ich wusste, dass er auch so dachte, also bin ich gegangen.

Ich weiß auch, dass du es nicht ertragen konntest, dass ich bei Harry war, als er starb, dass du nicht bei ihm sein konntest, dass ich ihm nicht geholfen hatte, dass ich noch am Leben war und er tot… Jedes mal wenn du mich angesehen hast wusste ich es. Ich konnte diese Momente nicht vergessen, ich wollte darüber reden, doch der Schmerz war zu groß, niemand wollte es hören, niemand daran denken. Ich wollte es euch erleichtern. Du konntest mich nicht ansehen ohne an ihn zu denken, ich wusste es. Das habe ich nicht ertragen!"

Hermine hatte das erst mal seit 7 Jahren darüber gesprochen und wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Hastig wischte sie sie weg. „Oh Hermine!" Ginny schlug ihre Arme um Hermines Hals und fing an zu schluchzen. Da konnte auch Hermine ihre Tränen nicht zurückhalten und die beiden Freundinnen lagen sich einige Minuten lang schluchzend in den Armen.

„Hermine, ich wollte nie das du gehst. Nie! Ja, ich habe immer darüber nachgedacht, was wohl vorgefallen war, als du, Harry und Voldemort allein wart. Aber ich habe dir nie, in keinster Weise einen Vorwurf gemacht! Ich war so unglaublich froh, dass du überlebt hattest! Nie, nie dachte ich, dass du ihn hättest retten können, denn das war gar nicht möglich! Es war Voldemort! Was hättest du schon tun können? Und ich wusste nie, dass zwischen dir und Ron etwas nicht stimmte. Ich dachte immer, dass ihr zwei froh sein könntet, dass ihr nach dem Krieg noch euch zwei hattet, dass ihr nicht auseinander gerissen wurdet, aber im Prinzip wurdet ihr durch den Krieg auseinander gerissen.. Nur habt ihr weitergelebt, im Gegensatz zu den meisten, die getrennt wurden. Es tut mir so Leid, dass ich nicht für dich da war, Hermine!"

Hermine lächelte ein wenig. „Es ist nicht schlimm, ich werfe dir nichts vor, jeder hat getrauert und meine Trauer habe ich mit weglaufen bewältigt." „Bereust du, heute hier zu sein?", fragte Ginny leise. „Nein! Ich habe mich all die Jahre gefragt, was aus euch geworden ist. Ich hatte nur Angst, einfach vorbeizukommen. Ich hatte Angst, dass ihr mit der Trauer nicht umgehen konntet. Ich bin froh, dass ich hier bin!" Die beiden lächelten sich an.

„Und was ist bei dir passiert? Wo lebst du eigentlich?" „Oh, ich lebe in Griechenland! Ein wunderbares Land. Ich habe griechisch gelernt und dort eine Stelle im griechischen Ministerium. Ich bin für die Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien zuständig. Wusstest du, dass in Griechenland die Hauselfen viel mehr Rechte haben als hier? Ich versuche, das überall durchzusetzen." Hermine strahlte, wie es immer der Fall war, wenn sie über die Arbeit sprach. „Und dein Liebesleben?", fragte Ginny neugierig. „Nun, ich habe seit 7 Jahren einen festen Freund!" „Hast du ein Foto von ihm?"

Plötzlich stand Draco vor ihnen. „Sie hat sogar das Original bei sich!", meinte er frech und setzte sich zu ihnen. Hermine lachte. „Also Ginny, du kennst Draco doch noch, oder?" Einen Augenblick sah Ginny Hermine ungläubig an. „Ähm, Schatz, bringst du mir eine Limonade?" „Alles klar, ich bin unerwünscht, ich bring sie sofort. Möchtest du auch etwas?", fragte er Ginny. „Ähm, nein danke!", meinte die, immer noch verdattert.

„Draco Malfoy ist dein Freund? Seit 7 Jahren?", platzte es auch ihr heraus sobald Draco im Haus verschwunden war. „Ja." „Er wusste wo du bist und wir alle haben nach dir gesucht wie verrückt?" „Ginny, wir haben uns zufällig getroffen, 3 Jahre nachdem ich dort war. Er hatte dort Urlaub gemacht. Und dann ist er bei mir geblieben! Es war purer Zufall." Ginny presste die Lippen aufeinander. „Ich hätte nie gedacht, dass du mit ihm-" „Du tust so als wäre er schlecht!" „Er hat dir 6 Jahre das Leben zur Hölle gemacht!" „Du übertreibst! Und er ist auf unserer Seite! Eigentlich immer gewesen! Er war nie wirklich böse, er ist nur in der falschen Familie aufgewachsen! Er hatte keine Wahl! Und ohne ihn hätten wir niemals alle Horcruxe gefunden! Er war unser bester Spion! Harry hat ihm viel zu verdanken! Vielleicht wären Snape und Voldemort noch am Leben hätte Draco uns nicht geholfen!" Hermine hatte sich heiß geredet und war ganz rot im Gesicht.

„Du hast ja Recht! Es tut mir leid! Ich wollte deinen Freund nicht schlecht machen! Ich hätte das nur nie erwartet! Das gerade ihr zusammen kommt! Ihr seid so unterschiedlich!" Hermine nickte. „Ohne ihn hätte ich die Zeit niemals überstanden. Und ohne ihn wäre ich auch nicht hier, er war es, der mich überredet hat!"