Ausnahmezustand

Streit oder kein Streit, das ist hier die Frage.

Am nächsten Tag konnte Harry ausschlafen, da Samstag war. Nichts hatte er lieber. Bei einem ausgiebigen Frühstück besprach er mit Ron und Hermine, was sie heute machen würden.

„Faulenzen, was sonst?", ließ Ron gerade vernehmen.

„Lernen, was sonst?", gab Hermine ihren Senf dazu. Harry schüttelte sich. Er mochte keinen Senf, und noch weniger die Aussicht auf einen lesereichen Samstag. Die Sonne schien draußen. „Ron, ich stimme dir zu!"

Hermine verschränkte die Arme. „Und eure Hausaufgaben?"

„Ahh, wen interessieren schon UTZ?", wollte Ron wissen. Harry wollte sie besänftigen. „Vielleicht Morgen, Hermine, da ist bestimmt ganz scheußliches Wetter!"

Sie standen auf und schlenderten in die Eingangshalle, da bemerkten sie eine Menschentraube. Die drei, mutig wie sie waren (okay, und auch neugierig) kämpften sich durch, um zu sehen, was Sache war. Harry sah nur, wie Malfoy mit gezückten Zauberstab dastand und schon schaltete sich sein Verstand aus. Gewohnheitsmäßig holte er ebenfalls seinen Zauberstab heraus. „Accio Malfoys Zauberstab", sagte er und schon hielt er diesen in der Hand.

Malfoy, preisgekrönter Vertrauensschüler, hatte gerade einem Viertklässler ein wenig drohen wollen, was auch in Ordnung war, da es sich um einen Slytherin handelte. Kein Verstoß gegen die neue „Regelung". Doch plötzlich flog sein Zauberstab aus seiner Hand.

„POTTER!", rief er und machte zwei Riesenschritte, so dass er vor dessen Nase stand. Er bebte vor Wut, packte Harrys Handgelenk, nahm seinen Zauberstab wieder und quetschte und drehte noch ein wenig an Harrys Hand herum.

„Hast du schon vergessen, dass wir uns vertragen sollen?", keifte er dabei.

Harry sah Sterne und spürte nur einen stechenden Schmerz. „Du vergisst es wohl gerade", sagte er so gefasst wie möglich. „Auuuuuuu!", entfuhr es ihm dann aber doch nach einer weiteren 180° Drehung. Malfoy feixte.

„Och, verträgt klein Potterlein etwa keinen Schmerz?"

Harry beschloss, Malfoy zu ignorieren. Es musste schon irgendwie gehen, auch wenn dieser immer noch hämisch grinsend vor ihm stand und an seiner Hand rumschraubte.

„He, Ron, lass uns unter die Eiche gehen! Dort ist es um diese Zeit am schönsten", schlug er vor. Ron starrte ihn an, Hermine raste in die Bibliothek. Harry wollte an Malfoy vorbeigehen.

„Wenn du mich nicht loslässt, bist du es Schuld, sollten unsere Häuser gemischt werden", sagte er. Malfoy zog die Augenbrauen zusammen, und ließ Harry dann widerwillig los. Wenn das mal keine blauen Flecken geben würde.

„Danke, Draco", grinste Harry bewusst fröhlich. Leider traf er dabei auf eine empfindlichen Nerv, denn Malfoy blickte sich im Bruchteil einer Sekunde um und schubste Harry dann zu Boden, bevor höhnisch lachte, „Bitte sehr, Potter" sagte und sich in die andere Richtung davon machte.

Stirnrunzelnd blickte Harry ihm hinterher und klaubte sich hoch. „Ihm sollte mal einer Manieren beibringen", sagte er dabei.

„Zu spät, Alter. Bei dem sind Hopfen und Malz verloren."

Als die beiden letztendlich doch unter der Eiche ankamen, fanden sie Fred und George darunter vor. Sie sahen überhaupt nicht fröhlich aus.

„Vertragen, mit Slytherin! Das wäre ja, als würde Dumbledore Du- weißt- schon- wen bitten, fröhlich zu tanzen und dabei „Alle meine Entchen" zu singen!", beschwerte George sich.

-

Samstag Nachmittag beschloss Harry spontan, zu dem Quidditch Spiel Hufflepuff gegen Ravenclaw zugehen. Von der Tribüne aus sah er zu, wie Ravenclaw 120:90 gewann. Nicht, dass er was dabei lernen konnte. Er beobachtete nur ein wenig Cho. Er war sich seiner Gefühle ihr gegenüber so unklar wie eh und je. Teilweise mochte er sie, teilweise nicht. Außerdem war sie sehr eng mit Cedric, einem Hufflepuff, befreundet. Dann streunte er zurück zum Schloss und überlegte, Hermine einen Besuch abzustatten, denn er hatte keine große Lust, bei Ravenclaws Siegfeier mitzumachen. Auch wenn Ron sofort begeistert mitgegangen war.

Als Harry durch die verlassenen Gänge in die Bibliothek eilte, bemerkte er die Ruhe in dem Gebäude. Ja, es war Samstag, und wahrscheinlich immer so ruhig. Es war ihm halt nur noch nicht aufgefallen.

In der Bibliothek angekommen, blickte er sich verwundert um. Keine Hermine zu sehen. Ihr Stammplatz war nicht besetzt, und auch sonst weit und breit niemand. Doch, dahinten ein einsamer Schüler. Harry musste zweimal hinsehen, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte. Saß da wirklich Draco Malfoy?

Ein breites Grinsen schlich sich unbemerkt auf sein Gesicht, als er sich auf den Weg zu ihm machte und sich ihm gegenüber setzte.

„Hi Draco!"

Malfoy fuhr zusammen. „Verflucht, was... Du!", stöhnte er und vertiefte sich wieder in seinem Buch. Nur nicht provozieren lassen, so wie heute morgen. Alles wird gut. Alles wird besser, wenn Potter erst einmal wegginge…

„Du kannst dich ruhig bei mir entschuldigen, Draco", meinte Harry. Malfoy sah nun doch auf und runzelte die Stirn.

„Wie bitte?", fragte er ungläubig.

„Na ja, du hast mich heute morgen wohl aus Versehen gestoßen. Hast du wahrscheinlich noch nicht einmal bemerkt", fuhr Harry fort.

Malfoy klappte sein Buch zusammen und stand auf. „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Wir sehen uns hoffentlich nicht so bald wieder", zischte er und ging zum Ausgang.

Harry blickte ihm nach. So war das langweilig, und überhaupt nicht gut. Da mochte er ja lieber mit Malfoy streiten, als das dieser immer vor ihm wegrannte.

„Ach komm schon! Willst du mir weismachen, dass du nicht zu einer normalen Konversation fähig bist?", rief er ihm hinterher.

Malfoy blieb stehen und schloss die Augen. Gaanz ruhig bleiben, dachte er sich. Er zählte in Gedanken bis zehn. Als er seine Augen wieder öffnete, stand Harry neben ihm.

„Potter, willst du, dass unsere Häuser gemischt werden, willst du das?"

„Nö. Ich streite doch auch gar nicht mit dir."

„Warum belästigst du mich dann? Haben deine kleinen Freunde genug von dir? Haben sie endlich Verstand angenommen? Wer hätte das gedacht!"

„Lass Ron und Hermine mal aus dem Spiel!"

„Dann lass mich in Ruhe", sagte Draco, so ruhig es gerade noch ging und drängte sich an Harry vorbei. Dieser wollte Malfoy am Umhang festhalten, hatte aber nicht mit dessen Kraft gerechnet. Ein leises Ratschen ertönte und Draco drehte sich, blass vor Wut, um.

„Was machst du da?", sagte er erschreckt und guckte auf den Fetzen grünen Stoffes in Harrys Hand. Dann begutachtete er seinen Umhang.

„Hast du eine Ahnung, wie viel der gekostet hat? Nun, wahrscheinlich nicht. Den kannst du mir schön bezahlen, Potter!"

„Reg dich ab. Wenn dir so viel daran liegt, bezahle ich ihn halt, Draco."

Draco, der sowieso schon die ganze Zeit seine Wut zu unterdrücken versuchte, hielt es nun nicht mehr aus und seine Augen flammten auf, während er Harry am Kragen packte. „Hör auf mich Draco zu nennen!"

Er schüttelte ihn und stieß ihn dann, mal wieder, zu Boden. Dann kniete er sich über ihn und hob seine Faust. Eine Stimme in seinem Kopf warnte ihn noch die ganze Zeit, nein, das darfst du nicht. Den Moment, in dem er zögerte, setzte Harry sich auf und drehte das Blatt so, dass er nun über Malfoy kniete und ihm mit aufgesetzter Fröhlichkeit in die wutentbrannten silbernen Augen lachte.

„Ts, ts, Draco, das war jetzt aber gar nicht nett."
Er beugte sich leicht hinab und fuhr Draco abwesend über die Haare. Sie fühlten sich genauso seidig an, wie sie immer schimmerten. Warte mal, seit wann bemerke ich, dass Dracos, äh, Malfoys Haare seidig schimmern? Er zog seine Hand zurück und Malfoy blickte ihn ungläubig an.

„Was hast du jetzt wieder vor? Kannst du es nicht bei einem einfachen Nicht- Streiten belassen?", flüsterte er, unfähig, so abweisend zu klingen wie er beabsichtigt hatte. Dann merkte er, dass seine Fassade bröckelte und stieß Harry von sich.

„Potter, solltest du mir noch einmal zu nahe kommen, versichere ich dir, werde ich jegliche Zurückhaltung vergessen, was immer dann auch mit unseren Häusern geschieht. Ich werde mich rächen, und sollte ich darauf für immer in Gryffindor feststecken." Er rümpfte die Nase und schritt dann aus der Bibliothek, Harry auf dem Boden liegend zurücklassend.

-

„Was genau glaubst du noch einmal zu haben?", hakte Madam Pomfrey nach.

„Ich weiß es nicht, ich fühle mich einfach krank", beschwerte Harry sich. Ich habe über Malfoys Haare nachgedacht, das sagt doch alles. Er legte sich provisorisch auf ein Krankenbett und erwartete, dass sie ihm ein Allheilmittel verabreichte.

Pomfrey fand das jedoch gar nicht komisch und zerrte ihn herunter. „Junge, ich habe genug Probleme mit echten Kranken, ich kann mich nicht auch noch um solche Hypochonder wie dich kümmern. Verschwinde jetzt!"

„Ja, ja", murrte Harry. Dann würde er sich halt anders ablenken müssen. Ein kleiner Streit mit… ach warte, gerade von dem will ich mich ja ablenken. Das müsste auch anders gehen. Ron und Hermine. Hausaufgaben. Bibliothek. Zehn Minuten früher. Scheiße. Ich BIN eindeutig krank.

Er trat in den Gryffindor Gemeinschaftsraum, eindeutig Malfoy- freie Zone, noch jedenfalls, ein und schaute sich um. Ron und Hermine saßen an einem Tisch und, Harry konnte es kaum glauben, beide schrieben.

Als er zu ihnen trat, stöhnte Ron auf und ließ augenblicklich die Feder fallen.

„Ein Glück Mann, wo warst du denn so lange!", rief er aus.

„Wolltest du nicht auf die Fete?"

„Ach", Ron winkte ab, „Ich habe unsere liebe Hermine vorher getroffen. Und ich wollte sie doch nicht im Stich lassen."

„Im Stich lassen? Hermine?" Harry runzelte die Stirn.

„Jaah, sie wusste in Zauberkünste ganz eindeutig nicht weiter. Stimmts oder habe ich Recht, Hermine"?

„Beides." Hermine erhob sich. „Harry, Ron und ich haben beschlossen, uns demnächst mehr unseren schulischen Leistungen zu widmen."

„Noch mehr?" Harry blickte Ron an und dieser verdrehte die Augen. „Kommst du mit in den Schlafraum? Ich will dir mein neuestes Quidditch Poster zeigen", sagte er daraufhin. Harry nickte.

Oben angekommen schmiss Ron sich aufs Bett. „Puh! Endlich frei! Harry, hilf mir! Sie hat mich so bearbeitet, da konnte ich gar nicht nein sagen!"

Harry musste grinsen. „So, so", sagte er nur. Dann legte er sich ebenfalls auf sein Bett. Der Tag war aber auch zu anstrengend gewesen.

„Wir hätten heute lieber nach Hogsmeade gehen sollen", sagte er.

„„Das können wir ja nächste Woche, wenn du möchtest. Und in zwei Wochen sind endlich Ferien, zu Halloween."

„Uh, hör bloß auf, du erinnerst mich an diesen dämlich Maskenball."

„Ach, den habe ich ganz vergessen. Als was gehst du? Mit wem?"

Harrys Magen verkrampfte sich. „Wie, mit wem? Wir müssen niemanden mitbringen!"

„Harry, du weißt doch noch, was die McGonagall letzte Woche gesagt hat, oder?"

„Ja, na und! Ach, ich werde sowieso krank, ich fühle mich jetzt schon so mies."

Ron stützte sich auf seine Unterarme. „Du wirst mich jawohl nicht im Stich lassen?"

„Schon gut, schon gut. Ich frage halt Cho."

-

„CHO?", rief Harry am Montag darauf. Cho drehte sich um.

„Ja?"

„Willuballmitmir?"

„Ach. Geht nicht, nö – geh schon mit Cedric. Aber danke der Nachfrage!"

Weg war sie und Harry stand bedröppelt auf dem Gang. Malfoy kam vorbei und lachte ihn aus, seine Gabe, immer am richtigen Ort zu sein, ausnutzend. „Potter, schaffst du es etwa nicht, einen Ballpartner zu finden?"

„Halt die Klappe Malfoy!"

„Was muss ich da hören? Ihr zwei streitet euch doch nicht, oder?", rief eine schadenfroh aussehende Minerva McGonagall, die um die Ecke bog.

Malfoy erstarrte und setzte dann sein schleimigstes Grinsen auf, indem er zu Harry schritt und einen Arm um ihn legte.

„Nein, mein Kumpel Potter, uh, Harry und ich doch nicht", meinte er. Harrys Kopf war verschwunden und an seiner statt eine Tomate erschienen.

McGonagall blickte die beiden kritisch an. „Das nehme ich ihnen zwar nicht ab, aber für heute lass ich es mal gut sein." Sie verschwand und Malfoy wischte sich den Schweiß von der Stirn. Allerdings ließ er seinen Arm, wo er war. Harry wagte es nicht, sich zu rühren. Das Gefühl war einfach überwältigend, sein Verstand arbeitete nicht mehr und seine Knie drohten nachzugeben. Nein, sie gaben nach. Er wurde ohnmächtig.

Als Malfoy spürte, dass Harry zusammenbrach, stützte er ihn ab und legte ihn auf den Boden. Dann blickte er sich misstrauisch um, und als er feststellte, dass niemand da war, tätschelte er Harrys Wange.

„Potter? Was machst du? Wach auf! Los!" Ein besorgter Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dann schlug Harry die Augen auf und erstarrte, als er Draco über sich sah, so nah. Dieser wich natürlich, wieder mit seinem üblichen kalten Ausdruck, sofort zurück.

„Werde gefälligst nicht so schnell bewusstlos, das könnte gefährlich für unsere Häuser werden", keifte er, stand auf, und verschwand.

„Scheiße…", murmelte Harry. So was passierte auch nur ihm! Krankenflügel war diesmal mehr als angebracht.

„Was ist denn schon wieder?", fragte Madam Pomfrey genervt.

„Ich bin ohnmächtig geworden! Das können sie nicht von der Hand weisen!"

„Gibt es Zeugen?"

„Hm, ja. Aber… der wird bestimmt die Aussage verweigern oder so!"

„Dann husch, husch, zurück in deinen Unterricht!"


DracoDragon: Hat sich mit diesem Kapitel deine Frage beantwortet, ob ich Cho Chang mag? Also, nicht wirklich... am Anfang ein bißchen, weil ich es dem Harry gegönnt habe, aber das war im vierten Buch. Seit Buch fünf kennen wir ja ihren wahren Charakter.

SammyBN: Ich glaube, hier hat niemand etwas gegen einen Häuserwechsel... ich weiß aber noch nicht, ob das so kommen wird... Na, mal schauen, was Harry und Draco noch so anstellen. Wirklich zusammenreißen können sie sich ja nicht, bis jetzt hatten sie immer nur Glück.

Silver Snake: Ja, nicht geschockt sein, ich machs ja jetzt doch! ggg Ja, bei dem Frettchen war natürlich eine kleine Annäherung dabei, aber so was braucht Zeit...