Garret verharrte einen Moment völlig bewegungslos, während der Schuss noch immer in seinen Ohren widerhallte. Er zögerte.. sollte er weiter nach Renee suchen oder draußen nachsehen, was passiert war? Vielleicht wurde ein Arzt benötigt, auch wenn er nicht mehr besonders in Übung war, konnte er zur Abwechslung mal jemanden helfen, der noch atmete.

Doch da hörte er das Geräusch aus der letzten Kabine und er wusste, dass er sich zu große Sorgen um Renee machte, um wirklich noch weitere Gedanken an einen möglichen Verletzten zu verschwenden.

„Renee?", er ging vorsichtig auf die letzte Kabinentür zu und erschrak zu tote, als sie kurz bevor er sie erreichte, langsam aufging. Trotzdem machte sich Erleichterung auf seinem Gesicht breit, als er Renee erblickte. Wenn auch diese Renee nicht sehr viel gemein hatte, mit der ansonsten starken Frau, die ihn noch vor wenigen Augenblicken die Hölle heiß gemacht hatte. Garret war zwar hin und wieder ein Ignorant, aber nicht immer mit völliger Blindheit geschlagen. Es tat weh zu wissen, dass er Schuld daran trug, dass es ihr im Augenblick sicher nach ganz anderer Gesellschaft zumute war. Nur wusste Garret leider nicht, wie er das wieder geradebiegen konnte, ohne wie ein Trottel dazustehen.

„Gott sei Dank.. wieso gibst du mir keine Antwort?"

Renee starrte ihn etwas irritiert an, dann machte sich ein besorgter Ausdruck auf ihrem Gesicht breit. „Was denkst du? Nachdem ich den Schuss gehört habe, hielt ich es für das beste mich nicht zu rühren. Was ist überhaupt los?"

„Drei Männer rauben gerade die Gäste deines Italieners aus."

„Meines...," sie sah ihn fragend an, schüttelte dann den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit sich über kleine stichelnde Bemerkungen aufzuregen. Wenn er nicht gerne hier her kam, wieso hatte er es nie gesagt? „Ein Raubüberfall," sie war schockiert, aber nicht zu sehr, um die Situation, in der sie sich nun mit Garret befand ins Lächerliche zu ziehen. „Und wieso bist du hier? In der Tür geirrt?"

„Wenn es dich interessiert.. weil ich mir Sorgen gemacht habe," fuhr er sie an und hasste sich im selben Moment dafür. Er war nicht um sie besorgt gewesen um gleich da weiter zumachen, wo sie im Restaurant aufgehört hatten. Etwas beherrschter fügte er hinzu: „Einer der Räuber ist hier hinten kurz verschwunden um nachzusehen. Als er ohne dich auftauchte, hab ich mir ein paar Gedanken gemacht."

Eigentlich war sie von seiner offen dargelegten Sorge um sie gerührt, und wären die Umstände, wieso sie hier auf der Toilette festsaß, andere gewesen, hätte sie wohl auch anders reagiert, als sie es dann schließlich tat.

„Welche? Wieso er dir nicht die nervende Anwältin vom Hals geschafft hat?"

„Könnten wir nicht einfach eine Pause einlegen, bis das hier überstanden ist?", Garret konnte ihre Reaktion auf ihn zwar verstehen, aber die Situation hatte sich geändert. Sie saßen nicht mehr bei einem guten Glas Rotwein draußen im Restaurant und stritten für ihre Verhältnisse zivilisiert miteinander, sondern sollten lieber über einen glücklichen Ausgang bangen.

Renee war an Garret vorbei ans Wachbecken getreten und sah in den Spiegel. Es war offensichtlich, wieso sie sich hier her geflüchtet hatte. Ein Segen für Wasserfeste Mascara, dachte sie bitter und zum Teufel mit Garret, dem sie allerdings einen schrägen Blick in den Spiegel zu warf. Er stand hinter und wusste offensichtlich nicht so recht, was er sagen sollte.

Eine Pause einlegen, dachte sie bitte. Mit was? Mit den Gemeinheiten, die sie sich so gerne um die Ohren warfen? Dann würde ihnen in Zukunft schon nach fünf Minuten der Gesprächsstoff ausgehen.

Sein Anblick verunsicherte sie allerdings und sie fragte sich selbst, ob sein zerknirschter Eindruck sie eher erfreute, oder ob er ihr deswegen mehr leid tat, als sie sich im Augenblick selbst.

„Wieso hat man dich nicht entdeckt," anscheinend wollte er sich mit der ungewohnten Situation und der völlig fremden Stimmung zwischen ihnen nicht auseinandersetzen.
Renee seufzte. Wenn er mal wieder nicht den ersten Schritt machen wollte – sie ganz bestimmt auch nicht.

„Ich hatte den Schuss gehört und bin in die letzte Kabine geflüchtet. Als sich die Tür öffnete und Schritte ertönten, habe ich die Füße hochgezogen. Was hätte ich sonst tun sollen?" Renee nahm aus ihrer Handtasche ein Taschentuch und fing damit an zu retten was noch zu retten war und versuchte ihr Make-Up etwas aufzubessern. „Offensichtlich ist einer der drei Räuber nicht besonders klug. Sonst hätte er in die Kabinen geschaut, anstatt nur in den Raum. Und hätte ich gewusst, dass du mich verfolgst, wäre ich über die Hintertür geflohen."

„Das ist jetzt nicht mehr witzig, Renee."

„Wieso?" Sie sah über den Spiegel erneut zu ihm und zog kurz die Augenbrauen enger. Er wirkte tatsächlich erbost. Aber das bremste sie nicht unbedingt aus, sondern reizte nur noch mehr. „Gehen dir langsam die Sprüche aus?", sie wusste nicht, wieso sie ihn noch immer verletzten wollte. Er war hier, wegen ihr. Er hatte sich sorgen gemacht, obwohl sie sich noch vor wenigen Minuten alles andere nur keine Liebesworte zugeworfen hatten. Das sollte ihr doch etwas bedeuten? War sie tatsächlich so nachtragend, so unnachgiebig, wie er ihr manchmal vorwarf? Oder war es ihr gutes Recht dieses Mal so zu sein, wie sie eben war? Schließlich konnte sie ja nichts für den Überfall da draußen, der sie unterbrochen hatte. Nur weil drei Finsterlinge die Absicht hatten die Reichen etwas ärmer zu machen, änderte das nichts an ihren Gefühlen für ihn im Moment. Das stimmte sie nicht auf einmal gnädiger oder ließ sie einfach vergessen, was für ein egoistisches, ignorantes Schwein Garret hin und wieder sein konnte.

Als Garret jedoch statt einer Antwort wütend mit der Faust gegen eine der Kabinentüren schlug, so dass sie laut krachend gegen die Rückwand der Kabine krachte, abprallte und laut ins Schloss fiel, fuhr Renee heftig zusammen und ihr Mascara-Stift fiel leise klappernd in das Waschbecken.
Ihre Augen weideten sich und sie drehte sich vom Spiegel weg und sah ihn nun doch direkt an. So hatte sie ihn nun wirklich noch nie erlebt. Ein bisschen machte es ihr sogar Angst, aber sie brachte das Kunststück fertig, es sich nicht anmerken zu lassen. Im Gegenteil - sie wagte es sogar, nicht auf den Grund seiner Reaktion einzugehen.

„Denkst du nicht, das war in Anbetracht dreier bewaffneter Verbrecher ein bisschen riskant und unüberlegt?"

„Ich...," Garrets Gesichtsausdruck blieb düster, die Augen waren verengt und er ballte beide Hände zu Fäusten. Als er einen Schritt auf Renee zumachte, wich sie automatisch einen nach hinten aus.

Garret bemerkte, welchen Eindruck er auf sie zu machen schien und blieb stehen. Beim Versuch sich zu entspannen spürte er das seine Faust schmerzte. Er war wirklich ein Idiot... ein riesen großer noch dazu – statt irgendetwas zu klären, machte er ihr jetzt auch noch Angst. Das war nicht seine Absicht gewesen. Er hatte nur nicht gewusst wohin mit all der aufgestauten Wut. Für gewöhnlich schaffte sie es regelmäßig ihn auf 180 zu bringen, nur war er dann meist in der Lage sie aus seinem Büro zu werfen, oder sie ging bevor er Dinge sagen konnte, die ihm hinter her sicher leid täten.
Hier jedoch konnte er nicht einfach aus dem Raum flüchten. Außer er hatte vor das Restaurant in einen seiner eigenen schwarzen Leichensäcke zu verlassen. Er hatte nur seinen Ärger freien Lauf gelassen und ihr damit einen Garret gezeigt, der ihm jetzt auf einmal sehr peinlich war. Aber es war zu spät den Schwanz einzuklemmen. Sie bekamen vielleicht nie wieder solch eine Gelegenheit, um alles auf den Tisch zu bringen, was seit dem Anfang ihrer komplizierten Beziehung unausgesprochen geblieben war.

„Herrgott Renee... hör dir doch nur einmal zu," sagte er schließlich eindringlich, während Renee nicht einzuschätzen wusste, was gerade zwischen ihnen passierte. Vorhin im Restaurant hatte es sich gut und richtig angefühlt Garret einmal klar zu machen, dass er mit ihr nicht seinen Launen entsprechend umspringen durfte wie er wollte. Dieses Privileg überließ sie gerne seinen Mitarbeitern. Denn sie war viel mehr. So wie es aussah, war sie die Frau, die ihm etwas bedeutete. Auch wenn er eine merkwürdige Art hatte ihr dies zu zeigen.

Sie war verunsichert und fragte sich, ob sie vorhin nicht ein wenig zu weit gegangen war. Aber eines wusste sie... er war ganz sicher im Moment nicht in der Position sie zu kritisieren. Eine dementsprechend abwehrende Haltung nahm sie ein, doch Garret ließ sich nicht davon einschüchtern.

„Hör uns zu. Einer macht einen Schritt auf den anderen zu, und der andere weicht sofort aus. Der eine macht einen Kompromiss, der andere verlangt gleich mehr. So kommen wir nie weiter. Es wird sich alles immer nur im Kreis drehen..."

„Willkommen im Club," sie konnte nicht anders, auch wenn sie sich auf die Zunge biss. Es musste einfach raus. Hatte sie ihm jemals etwas anderes zu verstehen gegeben in den letzten Monaten?

„So kann es nicht weiter gehen."

„Sofern ich mich erinnere, habe ich nie etwas anderes behauptet."

„Ich meine... wenn wir uns angeblich doch etwas bedeuten, sollten wir es uns nicht wenigstens ein bisschen zeigen?"

„Also das," sie zeigte auf die Tür der Kabine. „War schon beängstigend, aber jetzt machst du mir wirklich angst."

Garret verzog seine Mundwinkeln zu einem kleinen Lächeln, das unsicher wirkte. Er hatte wirklich etwas übertrieben gehandelt, aber manchmal machte sie ihn einfach nur wahnsinnig. Auf allen Gebieten.

So standen sie einfach für einen Moment schweigend da – jeder in seinen eigenen Gedanken vertieft, die sich jeweils um den anderen drehten und das Für und Wieder abwägten, doch dieses Mal war ein wenig mehr Hoffnung in der Stille zu spüren, als für gewöhnlich. Sie sahen sich nur kurz in die Augen, ehe sie verlegen zur Seite blickten, um nach den passenden Worten zu suchen, um die Kluft zwischen ihnen zu überwinden. Ein Geräusch vor der Tür, lenkte sie jedoch ab, noch bevor einer von ihnen den berühmten ersten Schritt machen konnte, auf den sie beide zu warten schienen.

Garret reagierte instinktiv und zog Renee am Arm mit sich in die Kabine. Er schloss die Tür auf einen kleinen Spalt und sah einen der Räuber hereinkommen. Sie hatten es gerade noch geschafft!

Der Mann lief in die Mitte des Waschraums und lauschte in die Stille. Als er sich dann den Kabinen näherte, schloss Garret rasch die Tür ganz und hoffte inständig, dass der Verbrecher noch einmal so dumm war und nicht genau hinsah. Tatsächlich entfernten sich die Schritte kurz darauf wieder. Als die Tür endlich hinter dem Räuber ins Schloss fiel, stieß Renee erleichtert die Luft aus und Garret ließ sich mit dem Rücken gegen die Toilettentür sinken

„Das war knapp," hauchte Renee und fühlte sich sehr unwohl in ihrer Haut. Hier drinnen war es eindeutig zu eng für zwei Erwachsene. Vor allem für zwei Erwachsene, die sich wie Kinder benahmen, wenn es um ihre Beziehung ging und Nähe eigentlich etwas schönes hätte sein sollen, im Moment jedoch nur unangenehm und lästig war.

Garret machte jedoch keine Anstalten die Tür zu öffnen. Er blieb wo er war und fuhr sich mit einer Hand über seinen inzwischen etwas nachgewachsenen Bart und nickte. Er sah sie aber nicht an. Sein Blick war nach unten auf den Boden gerichtet und mied den ihren. Was auch immer ihn beschäftigte.. Renee wollte aus dieser engen Kabine raus. Und zwar jetzt!

„Könntest du bitte...", sie deutete auf die Tür.

„Ich glaube hier drinnen sind wir doch etwas sicherer."

„Das glaubst du doch nicht im Ernst? Und komm ja nicht auf die Idee das hier auszunutzen, um auf eine ganz unfaire Art den Streit zu beenden. Dafür bin ich nicht in Stimmung."

Garret hob seinen Blick und grinste. Es war ein kurzer für Renee erleichternder Ausdruck, der rasch einen ernsten Blick wieder platz machte. „Weißt du Renee.. wenn wir beide nur ein bisschen von unseren Prinzipien abweichen würden, nur ein klein wenig.. dann könnte es funktionieren. Denkst du nicht auch?"

Renees Augen nahmen einen zweifelnden Ausdruck an. „Ich weiß es nicht.. wir sind beide zu sehr Egoisten. Und überhaupt," sie machte eine unwirsche Handbewegung, die die gesamte Kabine einschloss. „werde ich das ganz bestimmt nicht hier drinnen mit dir ausdiskutieren."

„Du hast gar keine andere Wahl.. ich lass dich nicht raus. Und wer weiß, wann man uns hier findet, um Entwarnung zu geben?", er schaffte, dass er sie gleichzeitig herausfordernd ansah während ein amüsiertes Blitzen in seinen Augen auftauchte.

„Das ist fies, Garret.", zischte sie ihn an, aber Garret konnte auch einen kleinen Unterton von Erheiterung in ihrer Stimme erkennen.

„Ich weiß. Aber ich muss nehmen was ich bekomme. Zudem hast du vorhin nicht erst behauptet, dass das Leben nicht fair sei?"

„Ach bitte... das kannst du doch besser.", Renees Gesichtsausdruck spiegelte deutlich den ersten Anflug von erneuter Genervtheit wider.

„Siehst du? Genau das habe ich gemeint, Renee. Wir versuchen uns ständig zu verletzten, weil wir nicht zugeben können, dass wir uns mögen. Weil es so einfacher ist, wenn wir eines Tages feststellen würden, dass es nicht funktioniert. Man trennt sich leichter, wenn man sagen kann, dass man den anderen eigentlich ja gar nicht wirklich leiden konnte, der Sex aber ganz okay war."

„Ganz okay?", ihre Entrüstung war nicht gespielt und Garret hoffte, dass die ersten zarten Schritte von eben in die richtige Richtung nicht gleich wieder zum Rückschritt führten. „Ich glaube ich hab' mich eben verhört..."

„Das war nicht auf uns bezogen, und das weißt du ganz genau. Das war nur ein... ein Beispiel," rang er sich etwas ratlos zu einer Erklärung durch. „Was ich damit meine, weißt du selbst. Wir sind beide einfach zwei zu stark ausgeprägte Charaktere und trotzdem... Ich meine..., was ich damit sagen will...," meine Güte konnte es schwierig sein sich zu entschuldigen.

„Oh lass dir auf die Sprünge helfen," Renees Stirn zog sich in Falten. „Das ich nur für das eine gut und zu gebrauchen bin?", von Erheiterung war jetzt keine Spur mehr in Renees Stimme zu erkennen und Garret war nahe dran es einfach aufzugeben.

„Wieso machen wir es uns immer nur so schrecklich schwer," erwiderte Garret erschöpft. „Das war nicht das, was ich damit unbedingt ausdrücken wollte. Ich meinte, dass es so zu betrachten einem einfacher macht, eine Beziehung zu beenden."

„Dann willst du jetzt hier an diesem passenden Ort einen Schlussstrich ziehen.", wieso kam er nicht einfach zum Punkt seiner Rede, sondern bot ihr so verdammt viele Möglichkeiten zum Zurückschießen? Es war ja nicht so, dass sie das absichtlich machte. Es war ein Wesenszug von ihr und es passierte fast von alleine.

„Hörst du mir eigentlich zu?", Garret wurde etwas lauter und der ihr gewohnte, gereizte Klang seiner Stimme war wieder da.

„Selbstverständlich, nur kommen deine Worte irgendwie ziemlich verdreht bei mir an."

„Ich versuche mich eigentlich nur seit einigen Minuten zu entschuldigen. Aber du machst es mir verdammt schwer."

Sie sahen sich direkt in die Augen und sein mürrischer Blick hielt ihrem genervten Ausdruck stand, bis sie schließlich ihr gewöhnliches „niederstarren" Spiel aufgab und zur Seite blickte. Er wollte sich entschuldigen? Hatte sie richtig gehört? Und sie benahm sich so... engstirnig?

„Ich verstehe deine Probleme wegen Mexiko, aber es ist passiert. Ich kann es nicht mehr ändern und ich müsste lügen, wenn ich jetzt behaupten würde, ich würde bei einer zweiten Chance alles anders machen. Ich hielt es einfach für wichtig zu bleiben und zu helfen. Ich habe nicht an die Konsequenzen gedacht..."

„Du überrascht mich," unterbrach Renee erstaunt. Das war tatsächlich eine Entschuldigung.

„Ich denke... wer weiß was noch passiert. Vielleicht bekommen wir nie wieder solch eine Gelegenheit wie diese hier, um uns auszusprechen, darum .. du solltest das einfach wissen, dass ich wirklich bedaure, dass ich mich unüberlegt in das Abenteuer gestürzt hatte."

„Ich verstehe," Renee zog eine Augenbraue in die Höhe und blickte ihn amüsiert an. Ein süffisantes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Uhm, heißt das jetzt, wir treffen uns jeden Morgen friedlich auf eine gemeinsame Tasse Kaffee, so als hätten wir eine echte, gesunde Beziehung?"

Garret stöhnte auf. Hatte sie ihn den wirklich verstanden? Oder wollte sie ihn nur nicht verstehen? Lag es vielleicht daran, dass sie mit seiner Einsicht, seiner Entschuldigung, seiner plötzlichen Ehrlichkeit nicht klar kam? Was war so schwierig daran mal etwas nettes zu sagen?

„Ich weiß nicht, was das bedeutet, Renee. Aber ein Versuch wäre es sicher wert, oder nicht?" Er stieß sich von der Tür ab und schob sich damit ein paar Zentimeter näher an Renee heran, die nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen nicht unbedingt davon begeistert war, aber die einzige Fluchtmöglichkeit bestand nach hinten auszuweichen, zwischen Kabine und Toilette, und darauf war sie nicht unbedingt scharf.

„Ich weiß nicht, was das werden soll, Garret aber ich halte es für keine gute Idee." Die letzten Worte kamen Renee etwas langsam und gedehnt über ihre Lippen, während Garret sich von ihrer Reaktion nicht einschüchtern ließ und sie einfach nur ansah. Nach der ganzen Aufregung seit und wegen Mexiko fiel ihm seit langem einfach nur das an ihr wieder auf, was er vom ersten Tag an, als sie in sein Büro gekommen war gesehen hatte – eine interessante Frau, mit Willensstärke und Kampfgeist, die ganz tief in sich gar nicht so hart war, wie sie alle Welt glauben lassen wollte. Es war ein schöner Anblick, auch wenn er etwas von ihrem erbosten Blick überschattet wurde.

„Wieso nicht... es ist lange her, dass wir etwas nettes für uns getan haben."

„Ach.. an wem das wohl lag...", versuchte Renee, die langsam nervös wurde, Garret auszuweichen. Wenn schon nicht räumlich, dann doch wenigstens verbal. Garret dahingegen genoss den Umstand, dass es ihm doch hin und wieder zu gelingen schien, Renee aus dem Konzept zu bringen.

„Schuldig in allen Punkten der Anklage, Frau Staatsanwältin."

Renee versuchte seinem Blick stand zu halten, der eine stumme Frage stellte, die sie gar nicht hören wollte... schließlich hatten sie noch überhaupt nichts geklärt.. nur weil er einmal von sich aus bereit gewesen war, sich zu entschuldigen und ein paar Dinge offen angesprochen hatte, hieß das nicht, das all die anderen Probleme ihrer Beziehung gelöst waren. Aber es war verlockend, alles zu vergessen und zu verdängen, wie sie es meist taten, um sich auf das zu konzentrieren, was sie wirklich gut zustande brachten, wo sie überraschenderweise perfekt harmonisierten. Es war schon eigenartig, dass sie meistens im Alltag nicht lange ohne Missverständnisse, Sticheleien, Beleidigungen auskamen und auf der ganzen Linie eben nicht harmonisierten.

Sie wusste nicht wieso, vielleicht lag es an der extremen Situation, aber sie musste plötzlich lachen. Ein Geräusch das nicht nur Garret völlig erstaunte. Eine heitere Renee war so selten wie Schnee in Kalifornien. Natürlich hatte es solche Momente zwischen ihnen gegeben.. aber die konnte er inzwischen an einer Hand abzählen.
Auf jeden Fall war Garret sehr überzeugt, dass es ihr ganz gut stand. Es vertrieb die Sorgenfältchen um ihre Augen, nahm ihr den harten Zug um die Mundwinkel und ließ ihre Augen warm strahlen.

„Entschuldige," presste Renee zwischen einem kleinen erneuten Anfall hervor.

"Was ist so komisch?"

„Alles," sagte Renee versucht beherrscht. Und musste dann doch wieder unterdrück lachen. „Ich meine.. findest du es nicht ein wenig komisch hier unsere Probleme auszudiskutieren? In einer kleinen engen Toilettenkabine?"

„Wer sagt etwas von diskutieren?" Garret war nun ganz nah und bereitete Renee mehr Unbehagen, als Wohlgefühle.

„Ich ... der Zeitpunkt ist ganz schlecht, findest du nicht auch?", sie hatte sich wieder im Griff, auch wenn die Vorstellung noch immer ein amüsiertes Lächeln herbeizauberte. Trotzdem drückte sich Renee an ihm vorbei, wobei sie das Kunststück vollbrachte nicht mit irgendeinem Stück ihres teuren Kostüms an der Porzellanschüssel hängen zu bleiben, und griff nach dem Schloss der Tür.

„Ich glaube nicht," seine Hand legte sich dabei sanft auf ihre und verhinderte, dass sie sie öffnen konnte. Sie sah über die Schulter und schüttelte den Kopf.

„Garret.. bitte nicht.. ich weiß nicht ob das klug wäre und dann... HIER?"

Garret sah kein Problem, jedenfalls nicht im Moment. Er hatte dank Midlife Crisis und Maggie einen Fahrstuhl und sein Büro entweiht... das hier war zugegeben etwas ungewöhnlich und bestimmt nicht eine seiner zahlreichen Fantasien mit Renee, aber die Not machte erfinderisch und wie lange sie hier noch ausharren mussten, war ungewiss.

„Du hast die Wahl? Entweder diskutieren wir unsere Beziehung zu tote, oder wir vergessen diesen unsinnigen Streit!"

„Weißt du was? Wir vergessen den Streit und ich vergesse ganz schnell, dass du versucht hast mich in einer Toilettenkabine zu verführen," sie schüttelte seine Hand ab, öffnete die Tür und floh in den Waschbereich. Garret folgte ihr langsam und hatte Mühe sein Grinsen zu unterdrücken.

„Was ist," sie sah ihn durch den Spiegel direkt an, während sie sich die Hände wusch. Sie hatte zu viel von fremden, kühlen, schmutzigen Kachelwänden angefasst, während sie da drinnen diskutiert hatten.

„Du hast Angst..."

„Habe ich nicht..."

„Oh doch.."

„Woher willst du wissen, was ich fühle," sie stellte den Wasserhahn ab und drehte sich zu Garret herum. In ihren Augen lag ein nichts sagender Ausdruck, doch davon ließ sich Garret nicht beirren. Er kam weiter auf sie zu – und Renee blieb wo sie war.

„Weil ich dich besser kennen, als du glaubst," jetzt trennte sie auf einmal nur noch wenige Zentimeter und es gab keine Flucht mehr für sie – hinter ihr drückte sich bereits die Waschbeckenzeile ungemütlich hart in ihren Rücken.

„Wenn du das glaubst...," setzte Renee scharf an und verstummte plötzlich. Wollte sie wirklich noch diskutieren, streiten, weitere Vorwürfe machen? Oder war es nicht viel einfacher zu verzeihen? Dieses eine Mal? Es war so verlockend...

Während Garret noch zögerte, wie weit Renee bereit war sich auf ihn einzulassen, sah er für einen Moment ein Flackern in ihren Augen, das für ihn Antwort genug war. Sie hatten alles gesagt, was es zu sagen gab, sie hatten ihre Standpunkte erklärt, verteidigt, ohne dass einer von ihnen als Verlierer hervorgegangen wäre... und während sie so nah bei einander standen, ihre Köpfe sich automatisch näherten, erschien auf Renees Lippen jenes Lächeln, dass Garret an ihr so liebte, das ihr Gesicht erstrahlen ließ und einem die Frau hinter der harten Fassade zeigte. Sie hatte die Augen geschlossen und Garret konnte bereits ihren warmen Atem auf seiner Haut spüren – als von draußen ein lauter Knall zu hören war -und dann ging das Licht aus!