Teil 4
Wochenende
Gerichtsmedizin,
morgens
Als Garret aus dem Fahrstuhl stieg überraschte
ihn ein großes Plakat, das über dem Empfang hing und den
Schriftzug „Welcome Back Doc" trug. Garret war sich nicht sicher,
ob er Jordan oder Nigel für den Spruch verdächtigen sollte.
Doch dann musste er schmunzeln; er sollte stolz auf seine Truppe sein
– so viel Unterstützung und Hilfe hätte er trotz der
ganzen „wir sind Familie"-Stimmung in „seiner" Abteilung,
nicht erwartet. Einige Mitarbeiter blieben beim Vorbeigehen stehen,
murmelten eine Begrüßung oder beglückwünschten
ihn zu seiner Freilassung... und Garret fühlte sich als würde
er nach einer langen Reise nach Hause zurückkehren.
Als er am Konferenzraum vorbeiging, wurde die Tür geöffnet und Jordan tauchte auf, zog ihn einfach mit in den Raum und lieferte ihn Lily, Bug, Nigel, Woody, Peter, Amy und Devan aus, sowie einer großen Torte, Sandwichs und jede Menge Sekt, wie er mit einem kritischen Blick feststellte. Zeit zum Protestieren blieb ihm keine, denn alle sprachen gleichzeitig auf ihn ein, gratulierten, bekundeten ihre Wut über die Entwicklung in diesem Fall und besonders Jordan ließ kein gutes Haar an Staatsanwältin Walcott. Garret schwieg, besonders bei diesem Thema. Er war es leid Renee ständig verteidigen zu müssen, ständig versucht zu sein ihre guten Seiten den anderen gegenüber hervorzuheben. Und eigentlich war er auch zu müde für diese Feier. Aber er spielte das Spiel mit – den anderen zu liebe.
„Saubere Sache, Garret," Jordan klopfte ihrem Chef auf die Schulter. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen wie froh ich war, als Nigel gestern mit den Ergebnissen des Blutflecks kam. Ich wette Walcott sind die Augen ausgefallen, als sie eingestehen musste, dass der gesuchte Unbekannte endlich aufgetaucht ist."
„Sie hatte keine andere Wahl," sagte Garret knapp und nahm Lily mit einem Lächeln ein Glas ab. Für ihn war im Moment das Thema Renee ziemlich erledigt. Sie hatte ihm übler mitgespielt, als er ihr als Rache zugestanden hätte.
„Aber wenn es nicht Annes Blut war, wessen dann?" nuschelte Woody zwischen einem großen Stück Kuchen im Mund, das er hastig herunterschluckte.
„Die Analyse läuft noch," erklärte Nigel. „Die Datenbank ist groß, dass dauert etwas. Aber wir konnten schon einmal ihre Tochter ausschließen. Selbst wenn sie für den Kauf des Seils verantwortlich ist.. im Wagen saß sie nicht. Und der Ex-Mann scheidet auch aus. Aber wir haben erst 40 der Daten abgeglichen."
„Verstehe. Und wie lange," Woody griff nach einer Serviette um die Krümmel im Mundwinkel loszuwerden auf die Jordan amüsiert aufmerksam gemacht hatte.
„Bis zum Mittag vielleicht..."
„Also, was sagen Sie zu unserer kleinen Party," wechselte Jordan das Thema. Sie hatte das Gefühl Garret bräuchte erst einmal Abstand von allem und hätte eine Pause verdient.
„Großartig. Aber ich denke wir kürzen die Party etwas ab und gehen zurück an die Arbeit. Wir haben noch immer einen Mord aufzuklären."
„Können Sie auch mal was anderes?", Jordan stellte schnell ihren Teller zur Seite und eilte Garret hinterher, der es tatsächlich fertig brachte den Raum zu verlassen, während die anderen nicht gerade begeistert hinter her starrten.
„Was?"
„Als an die Arbeit zu denken."
„Jordan.. ich war fast eine Woche weg. Ich will gar nicht an den ganzen Papierkram auf meinem Tisch denken. Und wir haben noch immer Annes Mörder zu jagen. Zudem, ich bin hier der Chef und sollte..."
„Was wollen Sie jetzt eigentlich tun?", fiel ihm Jordan rasch ins Wort, um nicht einen seiner berühmten Vorträge über seine untergrabene Autorität anhören zu müssen.
„Was tun?", Garret stieß die Tür zu seinem Büro auf. Es tat gut wieder hier zu sein und er legte Mantel und Hut ab, um dann sein altes Grammophon anzustellen. Es lag noch dieselbe Platte auf, wie vor einer Woche. Das weckte unangenehme Erinnerungen an Renees Auftreten und seine Verhaftung.
„Nun mit dem Fall? Wie gehen wir vor?"
„'Wir' tun erst einmal gar nichts. In erster
Linie ist es die Sache der Polizei anhand unserer Beweise den Täter
zu finden und zu verhaften." Garret setzte sich in seinen Sessel
und entspannte sich. „Das sollten Sie jetzt aber langsam wissen.
Ich höre mich ja schon an wie eine ausgeleierte Schallplatte."
Mit geschlossenen Augen lächelte Garret bei seinen Worten
und genoss für eine Sekunde die Ruhe seines Büros und die
Schweigsamkeit von Jordan. Viel Ruhe und Entspannung hatte Garret
seit seiner Entlassung gestern Mittag nicht gehabt. Ausgenommen die
Dusche in seinem eigenen Bad und das eigene Bett in der gestrigen,
ersten Nach in Freiheit.
„Okay, wenn Sie meinen," Jordan war an der Tür stehen geblieben. Eigentlich hatte sie Garret ganz andere Fragen stellen wollen, doch sie spürte, dass er tatsächlich erst einmal seine Ruhe wollte. Aber irgendwie konnte sie nicht anders. Obwohl sie schon wieder den Türknauf in der Hand hatte, drehte sie sich noch einmal herum. „Verraten Sie mir nur eines Garret... wieso? Wieso haben Sie mir nicht vertraut und mir erzählt was los ist? Gleich an dem Morgen, an dem wir Ihnen die Leiche gezeigt hatten?"
Garret sah Jordan aus traurigen und müden Augen an. Was er jetzt nicht brauchte waren Vorhaltungen seiner besten Mitarbeiterin und Freundin. Er verzog kurz die Mundwinkel und schluckte hart. „Ich weiß es nicht Jordan. Okay? Ich hab nur die Frau tot auf einer Bahre liegen gesehen, die mir als gute Freundin etwas bedeutet hat."
„Na, das ist die Untertreibung des Jahrhunderts," fiel ihm Jordan ins Wort. „Da war ja wohl mehr als Freundschaft...", Jordan verstummte, als sie von seinem durchdringenden Blick gewarnt wurde.
Für einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen, ehe Garret sich herabließ ihr eine Erklärung zu geben.
„Ich wusste, dass ich wohl abgesehen vom Mörder der letzte Mensch war, den sie lebend gesehen hatte. Da schrillten tausend Alarmglocken auf. Ich wollte wohl erst einmal sehen was passiert, abwarten wer noch als Verdächtiger ins Spiel kam. Und als es den nicht gab, sah ich keine Möglichkeit mehr mit jemanden darüber zu reden."
Jordan sah auf einmal verletzt aus. „Ich hätte Ihnen egal zu welchem Zeitpunkt geglaubt. Sie hätten es nur ausprobieren müssen. Sie können mir nicht ständig Vorhaltungen machen, dass ich mich auf mein Bauchgefühl verlasse und meine Probleme entsprechend alleine zu lösen versuche... na ja, Sie sehen ja wo Sie das hingebracht hat." Mit diesen Worten drehte sie sich endgültig herum und verließ einen nachdenklichen Garret, der wusste, dass Jordan zu recht verletzt war. Nur – Entschuldigungen lagen ihm einfach nicht.
Konferenzraum
später Mittag
Garret
stand etwas entspannter und erholter am Kopfende des Konferenztisches
und blickte auf einen Berg von Unterlagen, den die anderen
angeschleppt hatten. Alles Ergebnisse der letzten Tage.
"Okay, Nigel. Haben wir eine passende DNS in der Datenbank gefunden?"
„Oh in der Tat, Dr. Macy." Nigel kramte in einigen der Unterlagen vor ihm herum, bis er den aktuellen Ausdruck gefunden hat und ihn an Woody weiterreichte, der neben ihm saß. „Sie gehört einem gewissen Patrick Lockeley. Und der hat ein Vorstrafenregister, glauben Sie mir, dass liest sich wie ein Buch."
„Interessant," murmelte Woody. „Er ist sehr multitalentiert. Vom Einbruch, zum Diebstahl, vom Autodieb zum unerlaubten Waffenbesitz. Drogenhandel, Waffenschmuggel. Ich glaube hier ist bis auf Mord alles drauf, was es geben kann. Aha...," Woody stoppte kurz und las einen Abschnitt sorgfältiger. „Das wird ja immer besser. Ihm werden Verbindungen zur Mafia nachgesagt, wurde aber nie bewiesen. Wir sollten Walcott informieren. Vielleicht kann sie uns mehr verraten. Hier ist nämlich ein Aktenvermerk, dass er als Zeuge in einem ihrer Fälle aufgetreten ist ."
„Und? Weiter?", Garrets Neugier war geweckt.
„Nichts weiter," verkündete Woody mit etwas Unbehagen in seiner Stimme, weil er nicht mehr bieten konnte, als hier auf den Ausdrucken stand. „Diese Information trägt ein Regierungskürzel."
„Zeugenschutzprogramm," fragte Bug überrascht.
„Ganz recht," erklang Walcotts Stimme von der Tür herein. Alle drehten sich erstaunt herum. Niemand hatte ihr Kommen bemerkt. Am unglücklichsten über diesen unerwarteten Besuch sah Garret aus. Er bemühte sich nicht sonderlich die Staatsanwältin herein zu bitten, noch bot er ihr einen Stuhl an. Wie er sie kannte, würde sie sowieso gleich zum Kern ihres Hier seins kommen.
Aber auf solche Kleinigkeiten legte Renee erst gar keinen Wert. Sie betrat einfach unaufgefordert den Raum und blieb am unteren Tischende stehen.
Renee blickte stumm in die Runde, ehe ihr Blick fast ein wenig amüsiert auf Nigel hängen blieb, der sie wie ein begossener Pudel anstarrte. Ein süffisantes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Glauben Sie wirklich Regierungsakten anfordern zu können, ohne das Sie entdeckt werden? In diesem Fall obliegt strengste Geheimhaltung und ein Warnprogramm gibt unerlaubte Zugriffe sofort weiter."
Renee wandte sich halb Jordan, halb Garret zu, als sie fort fuhr. „Geheimhaltung. Das bedeutet keine weitere Einmischung. Ich hoffe ich habe mich klar und deutlich ausgedrückt. Ansonsten muss ich rechtliche Schritte einleiten."
„Oh verhaften Sie dann einfach die gesamte Gerichtsmedizin?", Jordan hatte witzig klingen wollen, aber sie wusste, dass ihr Ton den gewohnten aggressiven Beiklang hatte. Dazu brauchte sie nicht erst in Walcotts erbostes Gesicht blicken.
„Jordan, nicht," versuchte Garret zu beschwichtigen. Er wollte Informationen von Renee. Wenn Jordan zum Kampf überging, war der Weg sicher schnell verbaut. Zudem war es seine Rolle Renee für ihr Verhalten anzugreifen.
„Ja, pfeiff' ruhig deinen Kampfhund zurück," Renees Gesicht blieb ausdruckslos und Jordan versuchte aufzufahren, jedoch kam ihr Garret zu vor, der frustriert sein Clipboard auf den Tisch pfefferte und seine Selbstbeherrschung ohne Scham vor seinen Mitarbeiter fallen ließ.
„Ich denke das reicht Renee.", herrschte er die Staatsanwältin an, die ihren kühlen Blick beibehielt und sich nicht sonderlich von seiner Reaktion beeindruckt zeigte. „Wir wissen inzwischen alle nur zu gut, dass du am längeren Hebel sitzt. Mich würde allerdings eines interessieren – wie lange hast du schon gewusst, dass ich unmöglich als Täter in Frage kommen konnte, weil du und Anne euch die Finger an der Mafia verbrannt hattet? Vor oder nach meiner Verhaftung?"
Renee quittierte seinen Angriff mit einem halbherzigen, kühlen Lächeln. Ihr war klar auf was er abzielte und für die Außenstehenden wirkte Renee sicher wie immer – beherrscht. Doch Garret hatte das kurze Flackern in ihren Augen gesehen und die eine Sekunde, in der ihre Augen seinem Blick ausgewichen waren, um zu wissen, dass sie gut verstanden hatte, was er wirklich damit sagen wollte.
„Ich denke, Dr. Macy, das ist etwas, das wir beide alleine bereden sollten, nicht war?", sie gab ihm erst gar keine Möglichkeit darauf zu antworten, als sie sich von ihm wegdrehte und ihre nächsten Worte an Woody richtete. „Detective Hoyt? Ich muss Sie nicht erst darauf hinweisen, dass Sie als Polizist verpflichtet sind, sich den Anordnungen zufügen. Die Akte Lockeley ist Sache des FBIs und mein Kronzeuge befindet sich im Moment noch mitten im Prozessverlauf. Daher würden Sie alle, und ich meine alle," kurz wanderten ihre Augen zu Jordan und Garret zurück. „Das Leben meines Kronzeugen gefährden, wenn Sie weiter recherchieren. Im Mordfall Robertson werde ich natürlich entsprechende Fragen an ihn richten und Ermittlungen einleiten. Ihre Beweise muss ich natürlich beschlagnahmen lassen. Morgen werden sie mir überstellt. Das war alles. Danke."
Und genauso wie sie hereingerauscht war, verschwand Renee wieder. Sie wusste nicht warum, aber ein Teil von ihr genoss es zu wissen, das hinter ihr mehrere Augenpaare irritiert, wütend und aufgebracht ihr nachstarrten. Der andere Teil von ihr hasste jedoch genau dies...
The Pogue Mahone Pub
Am Abend
„Lockeley?
Hm...," Max zog die Augenbrauen zusammen und öffnete Jordan
eine Flasche Bier. „Da klingelt bei mir nichts. Sollte es?", er
schob Jordan die Flasche über die Theke zu und sah kurz an ihr
vorbei in den Pub, der gut besucht war und suchte nach Gästen,
die noch einen Wunsch hatten. Im Moment schien jedoch jeder glücklich
zu sein.
„Ich weiß nicht... er arbeitet mit Blakie's Leuten.", Jordan nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. „Irgendein großer Prozess läuft, mit Zeugenschutzprogramm und dieser Kerl war ein Zeuge für Walcott. Oder aber ist der geschützte Zeuge. Nur verstehe ich nicht, wie er etwas mit dem Tod von Garrets ‚Freundin' zu tun haben soll."
„Das herauszufinden solltest du der Polizei überlassen. Viele Chancen habt ihr sowieso nicht. Du weiß... an diese Leute kommt man nicht ran, wenn FBI und Staatsanwaltschaft mit drinnen hängen. Und es könnte gefährlich werden. Und wenn ich sage gefährlich, meine ich das auch so," drohte er unterschwellig Jordan, die nur abwinkte und ihre Flasche absetzte. „Ich kann mich aber mal umhören. Meine alten Kontakte über diesen Lockeley aushorchen."
„Das wäre großartig.", Jordan beugte sich über die Theke und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. Er schmunzelte, als Jordan sich wieder auf den Barhocker sinken ließ und machte sich etwas verlegen an seine Arbeit an der Theke. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er im Moment nicht sonderlich Jordans Zuneigung verdient hätte.. es war zu viel geschehen und sie sprachen über so viele Dinge einfach nicht.. Gut es war sein Wunsch gewesen, trotzdem nahm er es nicht als selbstverständlich hin, dass sich Jordan daran hielt. Max wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als Woody zur Tür hereinkam und sich zu seiner wunderschönen Tochter gesellte. Sie gaben ein schönes Paar ab, dachte der Ex-Cop etwas wehmütig und verstand einfach nicht, wieso Jordan ihn immer wieder zurückwies. Aber es gab so vieles das er nicht verstand...
„Hey Max. Ich nehme das was Jordan hat."
"Kommt sofort," Max öffnete ihm ebenfalls eine Flasche und schob sie ihm zu.
„Okay.. hast du noch was herausgefunden," Jordan drehte sich auf dem Hocker zu Woody herum.
„Ich dachte das wäre ein Date," grinste Woody über seine Flasche hinweg.
„Ich sehe keine Kerzen, keine Kellner im Frack, noch die Spur von teurem Essen..."
„Hab's ja schon kapiert. Und nein, ich habe nichts neues. Kaum spricht man irgendjemanden, der mit diesem Lockeley Fall zu tun hat direkt darauf an, gehen die Schoten runter. Keine Chance. Aber wir könnten Garret vorschlagen sich mit Walcott zu versöhnen, um auf die unkonventionelle Art an die Informationen ranzukommen..."
„Oh Mann, Woody.. ich dachte du bist ein altmodischer Typ."
„Das bin ich auch! Oh... ich.. nein so habe ich das nicht gemeint," Woody war froh, dass das Licht in Max Bar abgedunkelt war und Jordan nicht sah, das er errötete. „Ich dachte nur, wenn sie sich wieder besser verstehen würden, würde sie leichter reden."
"Walcott? Von was träumst du nachts, Woody?"
„Von dir," rutschte es Woody leichtfertig heraus, der überrascht war wie schnell sich Wörter verselbständigen konnten.
Jordan verschluckte sich fast an ihrem Bier, als Woody so ehrlich antwortete. Hustend sah sie ihn von der Seite an und Woody glaubte sterben zu müssen, während er auf eine andere Reaktion als Gelächter wartete.
Jordan war nach dem ersten Schock wie paralysiert. Hatte sie richtig gehört? Hatten sie das Problem nicht schon längst geklärt? Offensichtlich war es noch lange nicht vom Tisch. Was hatte sie auch gehofft? Das Woody einfach so seine Gefühle für sie abstellen konnte, wenn ihr danach war?
„Eh...", setzte sie an und war Heilfroh, als Woody's Pieper losging.
„Hm...ich muss zurückrufen," damit verschwand Woody, um in der stillen Ecke mit dem Revier zu telefonieren, während Jordan ein wenig überrumpelt alleine an der Bar zurückblieb und nicht wusste, was sie Woody sagen sollte, wenn er zurückkehrte...
Renees Apartment
Selbe
Nacht
Garret stand vor Apartment 156 und zögerte. Wollte
er das wirklich? War er bereit für eine Konfrontation? Bereit
mit den Konsequenzen zu leben, falls sie nichts klären konnten?
Schließlich hob er die Faust und klopfte leise, aber mutig,
an.
Gedämpft hörte er Schritt, die sich der Tür näherten und Garret straffte etwas seine Schultern. Als Renee die Tür öffnete, versuchte er so neutral wie möglich drein zublicken, um nicht gleich zu verraten, wieso er hier war. Offensichtlich hatte er jedoch vergessen, wie gut Renee ihn eigentlich inzwischen kannte und deswegen auch durchschaute. Ein recht genervter Blick war die ganze Begrüßung, trotzdem öffnete sie ihm die Tür ganz und ließ ihn eintreten, begleitet von den Worten „Wenn du hier bist, um mit mir über Lockeley zu diskutieren kannst du gleich wieder verschwinden."
Garret ging an ihr vorbei verzog seine Mundwinkel nach unten und ging weiter in das Wohnzimmer, das schlicht und kühl in schwarz grauen Tönen eingerichtet, seiner Meinung nach ganz zu Renee passte.
„Ich will nicht darüber diskutieren, Renee," kam er gleich zur Sache und wandte sich herum. „Es geht nicht um die Arbeit. Ich bin wegen uns hier. Das was du so gerne definieren möchtest."
„Du hast mir wirklich nicht zu gehört," sagte sie unerwartet ruhig, aber voller Enttäuschung. Doch als sie weiter sprach wurde ihre Stimme wieder aggressiver. „Es gibt nichts zu definieren, wo nichts ist. Wir haben Probleme, die ausdiskutiert werden müssen... ach was rede ich eigentlich noch. Es interessiert dich doch überhaupt nicht."
Garrets Blick verhärtete sich. Es war wie vermutet – aussichtslos. „Vielleicht reden wir doch lieber über die Arbeit und fangen gleich damit an, wieso du uns diesen Mafia-Prozess verheimlicht hast. Es hätte uns sehr viele Probleme erspart, wenn wir die Mafia als Verdächtige hätten einschließen können. Anstatt unsere ganze Energie darauf zu verwenden mich als Unschuldslamm zu überführen."
Renee stieß ein leises, aggressives Lachen aus. "Unschuldslamm?", brach es dann aus ihr hervor und Garret sah betreten zu Boden. „Komm schon Garret, was immer zwischen dir und Anne lief... es hat dazu geführt..."
„Da lief nichts," nun wurde Garret doch lauter, als er eigentlich vorgehabt hatte. Er wollte doch ruhig und überlegt ran gehen.. das war sein Plan. Dazu gehörte auch persönliches außen vor zulassen und Jordans Rat, sich erst mit Renee auszusprechen, völlig außer acht zu lassen. Doch das schien irgendwie nicht ganz zu funktionieren. „Es war ein einziges mal nach 20 Jahren. Ich weiß nicht, was du von mir willst. Ich dachte es wäre aus. Und alles was du letzte Woche getan, gesagt und unternommen hast, läuft doch darauf hinaus."
Renee sagte nichts, stand ruhig am Durchgang zu ihrem Wohnzimmer und sah Garret an. Sie wirkte müde und unerfreut über Garrets Hier sein. Ein wenig verkrampft und doch noch mit genug Kampfeslust, als ihre Augen sich verengten.
Doch sie schwieg und irritierte damit Garret – er hatte mit einem verbalen Angriff gerechnet, mit Vorwürfen... doch sie sagte nichts. Ihm erstarb das Wort auf den Lippen und er sah sie fassungslos an. Eine stumme Frage schien in seinem Blick zu liegen, den sie doch ignorierte. Wenn er eine Erklärung ihres Verhaltens brauchte, musste er sich schon mehr anstrengen.
Garret hielt die Stille zwischen ihnen nicht mehr länger aus und machte mit zur Seite ausgestreckten Armen in den Raum einige Schritte auf sie zu. „Was ist? Kein Gift mehr? Oder habe ich was falsches gesagt?"
„Oh du hast sehr viel gesagt. Klar und deutlich," sagte sie schließlich, während sie mit sich kämpfte... ‚es ist aus'.. so sah er das also? Sie hatte doch nur etwas Zeit zum Nachdenken für sie beide vorgeschlagen.. nicht einen neuen Partner, um zu merken was man aneinander hatte. „Glasklar... vielleicht gehst du jetzt besser."
Garret, noch immer von ihr verwirrt, versuchte keinen Widerstand zu leisten, zuckte mit den Schultern und tat, wie befohlen... er ging an ihr vorbei, ohne eines weiteren Blickes zu verschwenden und stürmte auf den Flur hinaus. Sie hatten sich in eine schier auswegslose Situation manövriert und statt ein wenig Frieden zu schließen hatte er es geschafft, dass sich die Fronten noch mehr verhärtet hatten.
tbc
