Teil 5
Jordan's
Haus
Nächster Morgen
Woody ließ seinen Wagen vor
Jordans Eingangstor ausrollen und stellte den Motor mit einem Blick
auf die Uhr erst gar nicht ab. Er war mit Jordan verabredet und mit
ihrer gewöhnlichen Verspätung musste sie gleich
kommen.
Unruhig wanderte sein Blick an dem Gebäude nach oben. Er freute sich nicht wirklich auf die Begegnung. Der gestrige Abend lag ihm noch schwer im Magen. Er hatte sich wieder einmal zum Trottel gemacht. Und nur ein Anruf der Zentral hatte ihn wegen eines Einsatzes vor einer Erklärung gerettet. Leider hatte er aber auch verhindert, eine Antwort oder eine entsprechende Reaktion von Jordan darauf zu bekommen. Aber eigentlich hatte er genau davor Angst gehabt. Wieso trauerte er trotzdem der vertanen Chance nach?
Das er sie jetzt abholte machte ihm das Ganze nicht einfacher, aber er hatte ihr versprochen sich zu melden, falls es Neuigkeiten gab. Die gab es zwar noch nicht, aber er war auf dem Weg dorthin.
Als die Tür sich öffnete und Jordan heraustrat, hatte er für einen Moment nur Augen für ihr offenes Haar, das in der kalten Briese hinter ihr her flatterte, und wünschte sich eines Tages mit darin vergrabenem Gesicht neben ihr aufwachen zu dürfen. Verdammt.. das ging schon wieder in die falsche Richtung, aber es war schwer abzustreiten, dass sie heute Morgen mal wieder unglaublich schön war. Vielleicht wurde es für ihn einfacher, wenn er sich eher ihre Dickköpfigkeit und ihr stures, schwieriges Wesen ins Gedächtnis rief...
„Morgen, Woody. Hallo? Erde an Woody!"
„Oh... hey. Morgen," ertappt starrte Woody zu Jordans Gesicht auf, die gerade die Beifahrertüre öffnete, ihn angrinste und einstieg.
„Alles in Ordnung?", Jordan schlug die Tür zu und schnallte sich an.
„Ja.. ja sicher," Woody sah zurück auf die Straße und legte den Gang ein. Dann hielt er inne und sah zu Jordan. Er wollte das gleich jetzt klären, bevor sich wieder etwas anstaute und sich unüberlegt zu einem falschen Moment laut äußerte. „Hör mal, Jordan. Wegen Gestern. Das tut mir leid. Ist mir einfach so rausgerutscht. Ich will nicht, dass du dich davon irgendwie bedrängt oder so fühlst..."
„Ist schon okay, Woody," sagte Jordan mit einem sanften Lächeln, in das sich Woody sofort hätte verlieren können, wenn er nicht geahnt hätte, dass sie ihm gleich wieder das Herz ausreißen würde. Nicht nur das, sie erhöhte seine Qualen, in dem sie ihm beruhigend eine Hand auf den Schenkel legte und ihn tätschelte. Fast hätte sich Woody unter der Qual gewunden, aber er beherrschte sich ziemlich gut und verzog nur ganz kurz das Gesicht, ehe er versuchte sie ernst anzublicken. „Inzwischen bin ich so was ja von dir gewöhnt. Und hey.. das war nur eine ehrliche Antwort auf eine dumme Frage."
Schlimmeres hätte sie nicht sagen können und Woody beschloss seinen Mund zu halten, lächelte sie gequält an, tat so als wäre er durch ihre Antwort beruhigt und fuhr los.
Doch in seinem Inneren tobte und brodelte es...
Woodruff & Robertson
Etwas
später
Woodruff saß an seinem Schreibtisch mit
einer dampfende Tasse Kaffee vor sich und blätterte in einigen
Akten hin und her, als die Tür aufgerissen wurde. Erstaunt
blickte Woodruff auf und sah diesem jungen Detective Hoyt entgegen.
Als auch noch diese Pathologin in seinem Büro auftauchte, stand
Woodruff mit leicht verärgertem Gesichtsausdruck auf.
„Was soll das?"
„Ich konnte sie nicht aufhalten, Mr. Woodruff," rief seine Sekretärin resignierend hinter Cavanaugh und Woodruff her.
„Wie es scheint haben Sie offensichtlich Neuigkeiten, die so brennend heiß sind, dass Sie sie mir mitteilen möchten?"
„So könnte man es auch beschreiben," nickte Woody grimmig und entschlossen. „Wir haben da etwas läuten gehört... ein großer Fall. Robertsons letzter Fall..."
„Oh... der Lockeley-Fall? Wie ..."
„DNA," sagte Jordan gelassen. „Sie glauben ja nicht, was man dank dieser so alles herausfinden kann."
„Ich glaube ich verstehe nicht so ganz..."
„Warten Sie, ich helfe Ihnen auf die Sprünge," Woody trat dicht an den Schreibtisch heran. „Erklären Sie doch mal, wieso in Mrs. Robertsons Wagen die DNA eines Mafia-Handlangers zu finden war? Eines Mannes, der gegen einen ihrer Klienten aussagen sollte?"
„Nun," Woodruff machte ein bedauerndes Gesicht. „Ich kann nicht für Anne reden. Falls sie diesen Zeugen schmieren wollte... geschah es ohne meines Wissens. Anne sollte einen Mann vertreten, der von der Staatsanwaltschaft beschuldigt wird, mit der Mafia Kontakte zu haben, für sie sogar ein Auftragskiller zu sein scheint. Lockeley ist Walcotts Kronzeuge. Ein kleiner Ganove, der bei der Mafia als Handlanger diente. Er will sich wohl hervorheben, ein wenig Wind aufwirbeln.. er hat sich als Kronzeuge gemeldet. Mehr weiß ich auch nicht. Meine Partnerin ist nicht verpflichtet mir genaue Berichte abzuliefern."
„Schmieren?", Woody sah kurz zu Jordan, die nicht überzeugt wirkte. Das war er auch nicht. „Hören Sie Mr. Woodruff, das Bild, das man uns von Anne Robertson gab, entspricht nicht dem einer korrupten Anwältin."
„Und wenn ich Ihnen doch sage, dass ich keine Ahnung habe, was Lockeley von Anne wollte, müssen Sie mir das glauben. Fragen Sie ihn doch selbst."
„Das werden wir auch," sagte Woody frustriert. „Wir wollten Ihnen nur eine Chance geben, alles zu erklären."
„Es gibt nichts zu erklären!"
Fünf Minuten
später
„Was wollen wir jetzt tun?" Jordan schnallte
sich an, als Woody den Wagen startete.
„Wir? Also ich werde versuchen Lockeley zu finden. Das Walcott uns nicht mit ihm reden lässt, grenzt an Wahnsinn. Denkt sie, sie ist Gott persönlich und kann über so etwas alleine bestimmten? Hier geht's um Garrets Kopf. Das kann ihr doch nicht völlig egal sein."
„Anscheinend? Ist kaum zu übersehen, dass die beiden einen kleinen Machtkampf austragen. Was auch verständlich ist, wenn ich das mal als Frau betrachte und nicht als Erzfeindin. Ich würde Garret für sein kleines Spiel mit dem Feuer auch leiden lassen," grinste Jordan. „Aber eines ist klar... ich fahr jetzt nicht ans Institut und drehe Däumchen. Ich helfe dir natürlich dabei," etwas gereizt sah Jordan Woody an. Sie mochte es nicht, wenn er es doch immer mal wieder versuchte sie von seinen Fällen auszuschließen. Inzwischen musste er es doch einfach besser wissen.
Und tatsächlich - Wood seufzte. „Ich habe nichts anderes angenommen."
Keine der beiden bemerkte den schwarzen Mazda, der sich einig Autos hinter ihnen einreihte und ihnen zu folgen versuchte.
Institut
selbe
Zeit
Garret saß in seinem Stuhl, mit dem Rücken zur
Tür, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt
und blätterte den Bericht über Annes Autopsie durch. Hin
und wieder brummte er eine Zugeständnis, bis er sich auf einmal
abrupt aufrichtete.
„Hör mal Renee... nein, ich weiß nicht wo Jordan steckt... lass mich verdammt noch mal ausreden...ich... schrei mich nicht an," brüllte er selbst etwas lauter und gereizter in den Hörer und knallte dann den Hörer einfach auf die Gabel und beendete das Gespräch in mitten der Diskussion. Langsam sah er größere Schwierigkeiten in seiner und Renees beruflichen Beziehung als früher, als sie noch „fest" zusammen waren. Eine Entwicklung, an der er sicher Mitschuld trug. Und das beunruhigte ihn fast ein wenig, mehr als die Angst davor Renee ganz zu verlieren. Allerdings hatte er jetzt ganz andere Probleme.
Mit mürrischem Gesichtsausdruck stand er auf, ging zur Tür, öffnete und rief nach Lily, die mit erstauntem Ausdruck an der Tür ihres Büros erschien. Sie war sich keiner Schuld bewusst, die Garrets Laune hätte auslösen können.
„Garret?"
„Komm bitte in mein Büro."
Ohne eine Antwort abzuwarten verschwand er wieder hinter seiner Tür und wartete auf Lily, die sofort erschien. Ihr Gesicht war eine Mischung aus Sorge, Verärgerung und stumme Frage.
„Was ist los, Garret?"
„Wo ist Jordan?"
„Woher soll ich das wissen...,"
„Weil es mir in letzter Zeit so erschien, als wärst du zu einer Art Anlaufstelle für sie geworden. Ich hatte gerade einen unerfreulichen Anruf unserer geschätzten Staatsanwältin," erklärte Garret schließlich Lily den Zusammenhang. „Sie hat herausgefunden, dass Woody einige Erkundigungen eingezogen hat, die ihren Zeugen in Gefahr bringen könnten. Sie vermutet natürlich Jordan dahinter. Und sie hat gedroht, falls Lockeley etwas zustößt, würde sie sich persönlich dafür einsetzten, dass Jordans Karriere ein schnelles Ende findet und ich befürchte fast, in meiner momentanen Situation nicht sehr viel dagegen unternehmen zu können."
„Das klingt aber gar nicht gut," sagte Lily beunruhigt. „Hast du es auf ihrem Handy versucht oder bei Woody?"
„Beide abgeschaltet. Falls sie sich meldet oder du sie siehst..."
„Schick ich sie dir sofort vorbei, versprochen."
Straßenzug
Boston
Etwas später
„Ja, danke," Woody steckte dem
kleinen Mann, mit seinem langen, alten, verdreckten Trenchcoat,
einige Dollarscheine zu und kam zurück zum Wagen, in dem Jordan
etwas nervös auf ihn wartete.
Woody sah sich nach allen
Seiten um und als er nichts verdächtiges sah, auch nicht den
schwarzen Mazda ganz in seiner Nähe, stieg er wieder ein.
„Und? Hatte er etwas brauchbares?"
Woody lächelt sie vielsagend an und nickte. „Es gibt da einige leerstehende Häuser von denen er weiß, das sie die Polizei benutzten, und eines sei vor einigen Wochen bezogen worden."
„Adresse?"
„Wenn du noch zwei hundert Dollar bei dir trägst?"
„Was? Sag mal.. du lässt dich von dem Kerl ausnehmen?"
„Solche Informationen sind teuer und ich hab meine Brieftasche schon geleert."
„Schon gut," stöhnte Jordan und zog ihr gesamtes Geld aus ihrer Hosentasche. Lauter zerknüllte, lose Scheine.
„Hm... ich hoffe in deinen Schränken sieht es nicht ganz so chaotisch aus," grinste Woody.
„Wieso? Würdest du es dir dann doch mit einer Hochzeit anders überlegen?", grinste Jordan zurück und hielt ihm dann die Scheine hin. „120... das wird ihm wohl reichen müssen."
„Muss es," nickte Woody ernst und stieg wieder aus.
Gerichtsmedizin
selbe Zeit
Bug saß
über ein Mikroskop gebeugt und runzelt die Stirn. „Hm, dass
gibt es doch nicht. Nigel... komm rüber und schau dir das
an."
„Du brauchst etwa meine geschätzte Meinung?", voller Tatendrang kam Nigel an Bugs Tisch. „Was soll ich mir anschauen?"
„Das da," Bug zeigte auf sein Mikroskop und Nigel blickte hinein.
„Hm.. Dreck? Erde?"
„Erde. Jordan hat sie im Rückbereich des Wagens der Toten gefunden."
„Torf?"
„Richtig. Und fällt dir noch was auf?"
„Ja einige Pflanzeteile, die ganz bestimmt nicht bei uns vorkommen. Was ist dass? Spann mich nicht so auf die Folter."
„Das ist eine teure, spezielle Mischung für asiatische Zierpflanzen."
„Wow.. ich glaube dann kommt der Klumpen nicht aus dem Moor."
„Ganz recht. Dieser Ex-Mann der Toten.. er arbeitet doch im Zoo?" Nigel nickte. „Fein, dann ruf an und frag nach exotischen Pflanzen, Gewächshäuser..."
„Oh woah, halt. Seine DNS war aber nicht im Wagen..."
„Na und... ein Beweis alleine entlastet doch noch nicht."
„Hast recht Bugilein. Bin schon unterwegs..."
Rheinhäusersiedlung
„Das
ist es also?" Jordan blickte skeptisch zu dem kleinen, schmutzigen
Reihenhaus in einer schmalen Sackgasse.
„Na ja, unauffällig ist es ja. Ganz das, was das FBI benötigt."
"Okay, dann steig ich jetzt mal aus und..."
„Und was? Klopfst an und fragst nach Lockeley? Die verhaften dich schneller, als du „A" sagen kannst. Nein, du bleibst hier und ich versuche es mal mit meiner Dienstmarke."
Jordan wollte widersprechen, aber da war Woody schon einfach ausgestiegen und eilige über die Straße gerannt. Kurz spielte sie mit dem Gedanken einfach auch auszusteigen, und Woody zu folgen. Aber ihr war bewusst, wie wichtig das hier war und sie mehr kaputt machen konnte, als gut für sie, den Fall und Woody sein würde.
Woody ging zielgerichtet auf das Haus zu, klopfte selbstbewusst an und wartete. Als sich nichts rührte, klopfte er erneut. Dann hörte er ein Husten und Schritte die näher kamen.
„Ja? Wer ist da?", hörte er es hinter der Tür fragen.
Woody hielt seinen Ausweis vor das Kuckloch. „Det. Hoyt. Boston Police. Ich muss dringend mit ihnen sprechen."
Erst passierte nichts und Woody sah sich schon wieder auf dem Weg zurück zum Wagen, doch dann wurde die Tür aufgeschlossen, der Riegel wurde weggezogen und ein kaum zu übersehender FBI Agent öffnete ihm die Tür - schwarze Hose, schwarze Schuhe, weißes Hemd mit schwarzer Krawatte...
„Was wollen Sie?"
„Ich muss mit dem Herrn da drinnen reden," versuchte Woody so leise und neutral sein Anliegen vorzubringen, um neugierige Ohren nicht auf die richtige Spur zu führen.
„Ohne Beschluss der Staatsanwaltschaft sehe ich da schwarz für Sie. Egal aus welchem Anlass Sie hier sind."
Woody verzog enttäuscht das Gesicht. Aber eigentlich hatte er nichts anderes erwartet.
„Es geht um Mord," versuchte er es trotzdem noch einmal.
„Könnte ich ihre Marke noch mal sehen?" Der FBI Agent trat einen Schritt vor die Tür und sah die schmale Straße alarmiert hoch und runter. Woody reichte ihm das gewünschte und bemerkte mit einem unguten Gefühl, wie genau sich der Agent seine Dienstnummer ansah. „Tut mir leid. Die ist zwar echt, aber ich kann und darf sie nicht reinlassen. Selbst wenn ich es tue.. der Mann steht unter Schutz." Und damit wurde auch schon wieder die Tür vor seiner Nase geschlossen.
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„Nichts zu machen," sagte Woody durch die offene Fensterscheibe zu Jordan, die enttäuscht drein blickte, während er wieder einstieg. „Nee Sackgasse."
„Lass es uns morgen noch mal versuchen? Ich kann mich als Pizzalieferantin oder so verkleiden. Irgendwie..."
„Wir sollten die Finger davon lassen, Jordan. Wenn dieser Agent Walcott oder meinen Chef anruft, bin ich am Arsch. Und das weißt du auch."
Er fuhr wieder los und während sie noch darüber stritten, ob sie es noch einmal versuchen sollten oder nicht, sah keiner von ihnen die drei Männer aus dem schwarzen Mazda aussteigen und die Straße überqueren.
Reihenhaus
Eine Minute später
Der
Agent kam gerade zurück ins Wohnzimmer, mit dem tragbaren Hörer
des Telefons am Ohr, als es an der Tür erneut klopfte. Ein
Kollege saß vor dem Fernseher und sah mit einem Stirnrunzeln
auf, während ihr zu bewachender Mann kurz aus dem Badezimmer
sah.
"Brown," meldet er sich im selben Moment, als jemand auf der anderen Seite ans Telefon ging. „Ich bräuchte eine Prüfung einer Dienstmarkennummer eines gewissen Det. Hoyt... ja ich kann später noch mal anrufen. Bis dann." Er drückte das Gespräch fort.
Erneut wurde geklopft. Dieses Mal heftiger.
„Ich hab Ihnen doch gesagt... verschwinden Sie," Agent Brown ging zurück in den Flur und als sich das Klopfen noch einmal wiederholte, öffnete er mit den Worten: „Muss ich erst ein paar Anrufe machen bevor Sie...,"
Er erstarrte, als er in den Schalldämpfer einer Waffe blickte. Ehe er Alarm schlagen konnte, traf ihn die Kugel in die Stirn. Er sackte sofort tödlich getroffen zu Boden. Die drei Männer stürmten ins Haus, schalteten den FBI-Agenten vor dem Fernseher mit einem Schuss durch den Hinterkopf aus, erledigten die beiden Agenten im Garten, sahen im oberen Stock nach und rissen dann die Badetür auf.
Lockeley stieg gerade in die Dusche ein, drehte sich überrascht herum und erstarrte. Noch bevor er richtig begriff, was passierte, wurde er wurde von zwei Kugeln niedergestreckt - ein Schuss in den Kopf ein zweiter ins Herz - und sackte sofort tödlich getroffen in der nassen Dusche zusammen...
