Teil 8
DA's
Office
Parkgarage
Am nächsten Morgen
Ein
geschäftiges Treiben war im Gange, um die Zufahrt als Tatort
abzusichern, als Woody und Jordan an parkenden Einsatzwägen,
Streifenwagen und Reportern vorbei die Einfahrtsrampe hinunter
eilten. Auch hier unten war jeder damit beschäftigt die Umgebung
um den betreffenden Wagen herum zu sichern und zu
untersuchen.
Besorgt sahen sie sich an und gingen rasch weiter. Es
schien doch ernster zu sein, als sie nach Garrets Anruf vermutet
hatten.
Allerdings wollte man sie am Absperrband nicht durchlassen, da sie beide durch die Suspendierung ihrer Ausweise beraubt, keine Möglichkeit hatten, dem Uniformierten klar zu machen, dass sie dazu gehörten.
Charmant wie immer, eilte ihnen Seely zur Hilfe, der zwischen den Officers plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte. Er gab dem Kollegen zu verstehen, dass die beiden tatsächlich die waren, die sie behaupteten zu sein.
„Okay, wenn das hier raus kommt bin ich meinen Job los. Also schuldet ihr mir was," sich der Oberhand bewusst zog Seely arrogant die Luft laut durch die Nase und zeigte dann mit dem Kugelschreiber in der Hand auf die Gruppe Kollegen, die um den Wagen herumstanden, Fotos machten, Beweisnummerschilder aufstellten und Fingerabdrücke vom Wagen nahmen. „Muss gestern Nacht so zwischen zehn und halb elf passiert sein. Wir warten noch auf das Überwachungsvideo. Ihre Kollegen kriechen auch schon um den Wagen rum," wandte sich Seely an Jordan und legte mit einem bedauernden Gesichtsausdruck den Kopf leicht schräg. „Wer auch immer den Gerichtsdrachen entführt hat.. ich frag mich gerade wer mir mehr leid tun soll. Der Entführer oder sie."
Ehe Jordan oder Woody eine Bemerkung über seinen schlechten Geschmack in Sachen Humor machen konnten, waren sie auch schon bei den anderen angekommen. Jordan machte sofort Garret aus, der mit verschränkten Armen vor der Brust alleine am Wagen stand und ihn mit düsterem Blick, hängenden Kopf anstarrte.
„Geht so schon seit fast einer halben Stunde," kommentierte Seely und sah dabei in dieselbe Richtung wie Jordan. „Macht ihn ganz schön fertig. Wenn ihr mich fragt, sollte er eine Flasche Schampus aufmachen und froh sein, dass er endlich seine Probleme los ist."
„Ich glaube es ist jetzt besser, wenn Sie ihre Klappe halten und von hier verschwinden," sagte Jordan trocken, ohne Seely anzusehen und ging dann die wenigen Schritte weiter, um an Garrets Seite zu treten. „Hey."
Garret schwieg, drehte nur kurz seinen Kop zu ihr, dann sah er zurück zum Wagen. Jordan verstand zwar, dass es Garret nicht zum Reden zumute war, aber hier zu stehen, die offene Tür, die Handtasche am Boden mit herausgefallenen Utensilien anzustarren, brachte sie bestimmt auch nicht weiter. „Was wissen wir schon?"
„Nichts! Zieht mich mal einer wieder raus?", ertönte Nigels Stimme unter Walcotts Wagen hervor. Bug tauchte von der anderen Seit des Wagens auf und griff rasch zu, um den Briten mit einem Grinsen hervorzuziehen.
„Du hast da was," er langte sich selbst an die Nase und grinste noch immer, als Nigel sich panisch hinfasste und dabei die Bremsflüssigkeit an seinen Händen, über seine Nase verwischte.
„Haha sehr komisch," brummte Nigel, wurde dann jedoch rasch sehr ernst, als er Garret mit Jordan zusammenstehen sah und sich der Blick des Chefs nicht sonderlich erbaut über ihre Spielereien verdüsterte. „Also - nichts, Chef. Hab jedenfalls nichts unter dem Wagen gefunden, was uns weiterhelfen könnte. Und das gilt auch für deine Frage, Jordan."
„Das ist schlecht," murmelte Jordan. „Was ist eigentlich genau passiert?"
„Sie ist gestern gegangen wie immer," fing Garret leise mit rauer Stimme an. „Als sie heute morgen nicht ins Büro kam, nicht ans Handy ging oder an ihr Telefon wurde man misstrauisch. Und als dann einer der Parkwächter ihr klingelndes Handy hier unten immer wieder hörte, dem Geräusch nach ging und den Wagen fand...", er machte eine knappe Bewegung zum Auto.
„Und sonst nichts? Ich meine keine Notiz, keine Nachricht, kein Anruf vom Entführer...", unterbrach Jordan schnell, um Garret, dessen Gesicht deutlich sagte, was er dachte, von seinen Gedanken abzulenken.
„Bis jetzt noch nicht," schüttelte Garret den Kopf.
„Okay, Leute, aufgepasst. Es geht voran," verkündete Woody mit gewohnt schwungvollem Elan. Dabei trat er zu der kleinen Gruppe heran. „Das Band ist bereits bei der Spurensicherung und jemand hat das hier nur zwei, drei Wagen weiter gefunden," Woody hielt einen Beweisbeutel in die Höhe, in dem ein weißes zerknittertes Tuch lag. „Riecht nach Chloroform."
„Chloroform," fragte Garret erstaunt und klammerte sich an die erste Spur Hoffnung.
„Mhm," nickte Woody.
„Toll," begeisterte sich Jordan und nahm ihm den Plastikbeutel ab. „Ich bin ja mal gespannt, was wir noch daran finden werden, wenn hier schon nichts ist..."
„Dann vergeuden sie keine Zeit. Ab ins Labor." Garret wartete keine Antwort ab, sondern trat wieder von der kleinen Gruppe weg auf Renees Wagen zu. Es war noch alles unverändert geblieben, obwohl die Spurensuche schon den größten Teil ihrer Arbeit abgeschlossen hatte. Egal wie lange er noch die herausgekullerten Gegenstände anstarrte.. es half ihm nicht gerade dabei zu verhindern, dass er alle Eventualitäten durchspielte.. er wollte nicht daran denken, was alles passieren könnte. Nein, denn sie würden sie finden .. ganz bestimmt. Sie hatten schon ganz andere Fälle glücklich gelöst und Zeit für Vorwürfe war jetzt nicht. Auch wenn die leise Stimme in seinem Kopf nicht aufhören wollte, ihm klar zu machen, dass er ihr noch so vieles hatte sagen wollen, zudem er jetzt vielleicht nie wieder die Chance bekam...
Boston,
Industriegebiet
Lagerhalle
Am Morgen, etwas später
Als Renee langsam wieder zu sich kam, fühlte sie für einen endlosen Moment nichts.
So rein gar nichts!
Als wäre jedes Körperteil eingeschlafen. Und die Vorstellung wie in wenigen Minuten Leben zurück in ihren Körper kommen würde, begleitet von einem furchtbaren Kribbeln, ließ sie etwas erschaudern. Keine schöne Vorstellung.. erst dann realisierte sie mit aufkommender Panik ihre eigentliche Situation ... sie lag auf einer harten Bahre, die ganz eindeutig nicht ihr 1,80 m breites Designerbett war, mit der Körperzonen angepassten Matratze. Das schmale, weiche Kissen in ihrem Nacken täuschte sie nicht über die unbequeme Lage hinweg. Und als sie langsam gegen den Schleier vor ihren Augen erfolgreich angekämpft hatte, starrte sie an eine nackte, graue Decke. Auch diese hatte nichts vertrautes oder mit dem warmen Gelbton ihrer Schlafzimmerdecke gemein.
Den Kopf konnte sie leider nicht drehen, weil sie noch immer nicht die Kontrolle über ihren Körper zurück erlangt hatte. Also begnügte sie sich ergeben mit dem, was sie sah, um sich daran zu erinnern, wie sie ihr Büro verlassen hatte und vor ihrem Auto mit Chloroform betäubt wurde.
Entführt.
Das Wort kam in ihr Bewusstsein und nahm hässliche Züge an – Panik, Angst...sie wollte sich gerne beruhigen, sich selbst Mut zusprechen, aber das war verdammt schwer.
Als dann auch noch das gefürchtete Kribbeln einsetzte, schloss sie wieder ihre Augen und wusste nicht auf was sie sich mehr konzentrieren sollte... auf die plötzlich aufkommenden Kopfschmerzen, den trockenen, schalen Geschmack im Mund, den rauen, spröden Lippen oder den zu sich kommenden Körperteilen...
Ein frustriertes Stöhnen kam ihr über die Lippen – mit so etwas hatte sie jetzt über zehn Jahre gerechnet und seit zwei Jahren sogar fest in ihr Leben einkalkuliert. Als Staatsanwältin stand man ständig auf der Abschussliste irgendeines Verbrechers, den man erfolgreich hinter Gitter gebracht hatte. Erst recht wenn man auch noch die Chefin der gesamten Staatsanwaltschaft des Countys war. Es sich aber als einkalkuliertes Risiko tag täglich vorzustellen und es dann durchzuleben waren zwei verschiedene Dinge.
"Ach verdammt," murmelte sie schlecht gelaunt gegen die Decke und versuchte so die Panik in ihr zu verdängen. Aber irgendwie wollte das nicht so ganz funktionieren.
Als sie plötzlich eine Tür hörte und Schritte, dachte sie kurz darüber nach sich einfach wieder schlafend zu stellen. Doch da sie wissen wollte, wer sie entführt hatte und vor allem warum, wagte sie einen erneuten Versuch ihren Kopf zu wenden. Mühsam gelang es ihr, auch wenn sie das Gefühl hatte, als würden ihr tausend feine Nadeln in den Nacken stechen.
„Sieh an, unser Gast ist wach."
Eine Stimme, die sie nicht kannte, hässlicher Umgangston, rau.. und wie befürchtet – der Mann war maskiert. Renee schloss wieder ihre Augen und stöhnte erneut. Das war alles ... aussichtslos. Nein an dieses Wort wollte sie jetzt nicht denken... man würde ihren Wagen finden, ihre Sachen und dann eins und eins zusammenzählen. Man würde sie finden...
Ja, red dir das ruhig ein. So dumm bist du nicht. Wo sollten sie denn anfangen, flüsterte ihr eine leise Stimme in ihrem Kopf zu. Ach halt die Klappe, befahl sie sich selbst und wollte nicht darauf hören. Garrets Team hatte schon ganz andere Leute wieder gefunden...
„Machen wir es kurz...," ein Stuhl wurde an ihre Liege gezogen und der Mann ließ sich darauf fallen. Er beugte sich auf die Knie abgestützt etwas nach vorne. „Ich denke sie wissen, wer sie hier haben will. Also schenken wir uns das Vorspiel. Wir wollen die Beweise. Egal was sie haben, alles was gegen Andrew Woodruff vorliegt."
Renee hatte mit vielem gerechnet, doch das brachte sie überrascht zum Lächeln, was fast ein wenig erleichtert wirkte. Trotzdem war es mehr Verzweiflung, die darin lag. Ein Verbrecher der Rache wollte, hätte mit ihr wahrscheinlich ganz andere Pläne gehabt. Schrecklichere, an die sie nicht einmal denken wollte. Vielleicht war die Situation hier nicht ganz so ernst, wie sie befürchtet hatte.
„Sie kapieren es wohl nicht," sagte der Maskierte ruhig, aber scharf. „Sitzen wohl noch immer auf Ihrem hohen Ross... tststs... dass ihr Klugscheißer nicht mal kapiert, wann ihr bis hier," er machte eine rasche Bewegung Richtung Kehlkopf, „in der Scheiße sitzt. Soll ich meine Bitte noch mal vorbringen.. und nett nachfragen?"
„Drohen Sie mir ruhig," Renee erschrak über ihre Stimme. Sie hatte mit einer festen, kalten Stimme gerechnet, aber nicht mit diesem heißeren Kratzen. Das wirkte nicht so, wie sie es gerne gehabt hätte.
„Ich drohe nicht, Frau Staatsanwältin... also.. wir können das auf die sanfte Tour regeln oder aber auf die harte."
„Es liegt nicht in meiner Macht Ihrer Forderung nachzukommen und sie glauben doch nicht ernsthaft damit durchzukommen. Es ist ja wohl klar in wessen Auftrag sie arbeiten. Und so dumm bin ich auch wieder nicht. Sobald sie haben was sie wollen, lande ich tot zwischen irgendwelchen Müllcontainern..."
„Also auf die harte Tour ...," seufzte der Mann und unterbrach Renee damit endgültig...
Gerichtsmedizinisches Institut
Eine
Stunde später
Jordan saß über ein Mikroskop gebeugt da und stellte es schärfer, während Garret hinter ihr an einem Tisch lehnte und sich müde über das Kinn fuhr. Seit man ihn wegen Renee angerufen hatte, waren nicht viele Stunden verstrichen, aber er fühlte sich jetzt schon als wäre er mehrere Tage am Stück wach geblieben.
„Das tut mir so leid, Garret, wirklich," unterbrach Jordan das Schweigen zwischen ihnen, sah dabei aber nicht von ihrer Arbeit auf. „Entführt... ich meine.. wer tut so etwas? Wer hat etwas von einer entführten Staatsanwältin?"
„Dieselben Leute vielleicht, die es schon bei ihnen versucht haben?", schlug Garret mit leiser Stimme vor, die seine momentane Verzweiflung nur erahnen ließ.
„Komisch.. dieselbe Idee hatte ich eben
auch schon gehabt. Sie wären die einzigen mit Vorteil, nicht?
Ein geplatzter Prozess, keine weiteren Ermittlungen," Jordan drehte
sich nun doch auf ihrem Stuhl zu Garret herum. Ihr drängte sich
auf einmal ihre unangenehme Begegnung mit Woodruff junior im
Geräteschuppen auf.. und das was sie gesagt hatte.. vielleicht
war sie am Ende sogar schuld an dieser Entführung... aber den
Gedanken wollte sie erst einmal für sich behalten.
Das hätte
Garret nur noch mehr aufgeregt.
„Was tun Sie hier eigentlich," wechselte Garret überraschend das Thema und Jordan sah ihn verdutzt an.
„Was ich immer tue. Arbeiten? Und in diesem Fall sollte ihre beste Mitarbeiterin an Ort und Stelle sein..."
„Sie dürften nicht mal hier sein..."
„Der einzige Mensch, der etwas dagegen hat, dass ich hier bin, hat im Moment ganz andere Probleme...," als Jordan kurz Garrets Augen begegnete, senkte sie ihren Blick und murmelte rasch schuldig ein: „.. tschuldigung," jetzt war keine Zeit für irgendwelche sarkastische Bemerkungen.
„Schon gut," stöhnte Garret. „Ich weiß, dass ich wohl der einzige Mensch bin, dem etwas an Renee liegt und der sich ernsthafte Sorgen um ihre Sicherheit macht."
„Das ist nicht wahr," lenkte Jordan ein. „Wir machen uns alle Sorgen."
"Ja, meinetwegen," nickte Garret mürrisch und sah Jordan direkt an. Lügen war unmöglich.
„Da könnten sie fast recht haben. Aber wissen Sie was? General Walcott tut doch alles dafür, dass es uns schwer macht sie zu mögen. Aber trotzdem sind alle hier, um zu helfen sie aufzuspüren und zwar lebend. Das tun wir, weil wir das für jeden tun würden, aber auch um ihretwillen Garret und manch einer tut es auch wegen Renee." Bei ihren letzten Worten zog sie viel sagend ihre Augenbrauen in die Höhe und entlockte damit Garret ein Lächeln. Darauf war sie irgendwie stolz. „Tun sie mir einfach den Gefallen und hören Sie auf Garret in Selbstmitleid zu baden. Sie sind nicht der einzige hier, dem das Ganze nahe geht. Wir tun was wir können."
„Okay.. das klingt nach einem Deal," seufzte Garret und stieß sich von der Theke ab. „Wenn es Neuigkeiten gibt – ich bin in meinem Büro."
„Dann können sie gleich bleiben, Boss," Nigel kam grinsend herein. „Bug und ich haben die Haare aus Woodruffs Kofferraum mit der Hautschuppe auf dem Seil verglichen. 100ige Übereinstimmung. Und ihr dürft raten, wem die DNS gehört. Genau richtig – Anne Robertson," redete Nigel einfach weiter, ohne ihnen die Chance auf eine Antwort zu geben. „Ich würde damit einfach mal behaupten, dass wir das Schwein haben."
„Ich habe auch gute Neuigkeiten," unterbrach Seely Nigels Verkündigungen, als er mit einem Videoband in der Hand wedelnd in das Labor kam, begleitet von Woody. „Wir haben eine schöne Aufnahme des Entführers. Ich weiß wirklich nicht, wieso die Kerle in den letzten 100 Jahren nicht klüger geworden sind." ...
...zwei Minuten später
„Er
schaut in die Kamera und nimmt die Maske ab?", Jordan blickte
fassungslos auf den Monitor. „Manche Verbrecher sind echt dümmer
als die Polizei erlaubt."
„Welch Vorteil für uns," murmelte Nigel, während er innerlich schmollte. Macy hatte es Bug übertragen aus dem schwarzweiß Band ein scharfes Bild für die Datenbank zu erstellen und das gesamte Team stand neugierig um den PC. Seine eigene Tat mit dem DNS Test schien vergessen zu sein.
„Okay...," mischte sich Bug ein und drückte die linke Maustaste. „Hier hätten wir es." Eine Vergrößerung zoomte sich auf den Monitor und ließ sie in das Gesicht eines Mannes mittleren Alters blicken. Bug zog die Maus darüber, markierte mit einem Rahmen das Gesicht und schickte es mit einem Mausklick an die Datenbank. „Wenn wir Glück haben..."
„Ist er Aktenkundig," beendete Woody den Satz.
Lagerhalle
Zur selben Zeit
Renee
kämpfte gegen die Ohnmacht an. Auch wenn sie wusste, dass sie
nichts dagegen tun konnte. Was auch immer ihr dieser Mistkerl
gespritzt hatte.. die Wirkung setzte endlich ein. Sie hatte unter der
„harten Tour" ganz andere, schrecklichere Dinge verstanden...
Drogen, die sie gefügig machen sollten, waren halb so schlimm, wie all die Dinge, die man mit ihr anstellen konnte, um das Ziel zu erreichen. Sie konnte einiges ertragen, aber darauf anlegen wollte sie es wirklich nicht.
Vielleicht half es ihr einfach an Dinge zu denken, die sie ablenken würden. Schöne Dinge... doch viele davon gab es aus der letzten Zeit nicht. Sie musste augenblicklich an Garret denken, an das was er mit Anne getan hatte, die ungeklärte Sache mit Annes Tochter und Garret, dem was sie Garret aus Rache angetan hatte... sie schüttelte den Kopf und stöhnte auf. Schwindel und Übelkeit kamen langsam zu der Erschöpfung und Müdigkeit hinzu.
Sie musste wohl Wochen, vielleicht Monate in Gedanken zurück gehen, um etwas Erfreulicheres zu finden, an das sie denken wollte.
Doch eine sich öffnende Tür und näher kommende Schritte lenkten sie von ihrem Plan ab. Als sie ihre Augen öffnete und versuchte in die Richtung zu blicken, woher sie die Geräusche vernahm, kam ihr ins Bewusstsein, dass sie auf einem Stuhl verschnürt saß und inzwischen den kleinen Raum seit einigen Stunden verlassen hatte.
„Netter Anblick geben Sie ab," seufzte ihr Entführer. „Fühlen Sie sich schon schlapp und müde genug, um meinen Fragen nicht mehr auszuweichen?"
„Gehen sie zum Teufel," brachte Renee schwach und ein wenig lallend hervor. Viel sehen konnte sie inzwischen auch nicht mehr. Die Sicht war verschwommen und ihr Kopf fiel kraftlos nach vorne. Doch ein harter Schlag riss ihr den Kopf wieder nach hinten und brachte sie schnell in die Wirklichkeit zurück. Droge hin oder her... das hatte sie schmerzhaft gespürt.
„Langsam gehen Sie mir auf die Nerven," zischte ihr der Mann ins Ohr und packte ihren Hinterkopf an den Haaren. Er war noch immer direkt neben ihrem Gesicht als er weiter sprach und ihr seinen schlecht riechenden Atem ins Gesicht stieß. „Ich warte noch eine halbe Stunde... dann wird die harte Tour wirklich zur harten Tour."
Er ließ sie grob los und ihr Kopf fiel wieder kraftlos nach vorne. Sie spürte Blut an ihrer Oberlippe und dann - nichts mehr... die Drogen hatten die Oberhand gewonnen.
Gerichtsmedizin
zur selben
Zeit
Ein Piepen vom Computer ließ alle im Raum sofort zurück an den PC-Platz eilen. Eine Akte öffnete sich in diesem Moment auf dem Bildschirm. Das Verbrecherkarteibild sprang sie regelrecht an und es bestand kein Zweifel, dass dies derjenige vom Videoband war.
„Paddy Riley," las Woody vor. "Saß wegen bewaffneten Raubüberfall, Autodiebstahl und wurde einmal wegen sexuellen Übergriffen angezeigt. Übler Bursche."
Bei Woodys Worten verzog sich Garrets Gesicht schmerzhaft und Woody bedauerte augenblicklich seine unüberlegte Äußerung.
„Wartet mal," Seely trat näher heran, starrte auf den Monitor und drehte sich dann zu einer Aktenmappe herum, die er mit sich getragen hatte. Er blätterte in einem Stapel Bilder wild herum, bis er fand was er suchte. „Bitte.. hier haben wir unsere Verbindungen." Er warf zwei Fotos auf die Tastatur. Auf einem war Riley mit Blackie auf der Straße zu sehen und wie Blackie ihm ein Päckchen reichte. Auf dem anderen sah man Riley mit Woodruff in einem Diner sitzen, wobei erneut ein Päckchen den Besitzer wechselte.
„Haben wir eine Adresse," meldete sich Garret zu Wort.
„Jep," vermeldete Woody erfreut. „Sein letzter längerer Sitz hinter schwedischen Gardinen ist einen Monat her. Also gibt es einen Bewährungshelfer und eine Wohnadresse..."
„Moment mal," Jordan runzelte die Stirn. „Das liegt aber im Industriegebiet. Und wenn mich nicht alles täuscht gibt es dort nur Lagerhallen."
„Das perfekte Versteckt," nickte Nigel und riss damit Seely und Woody aus ihrer leichten Erstarrung.
„Sie rufen die Verstärkung," rief Woody Seely zu, während er schon halb zur Tür raus war. Und Seely bereits das Handy gezückt hatte. Irgendwie vergaß Woody bei der ganzen Aufregung, dass er eigentlich suspendiert war. Aber das spielte wohl in diesem Notfall keine besondere Rolle mehr. „Nigel rufen sie auch einen Krankenwagen – für alle Fälle. Garret? Wollen Sie mitfahren?"
