Title: Erinnerung (2/3)

Fandom: BSG2003

Author: crimson

Date: 14.11.2005

Series/Season: keine im besonderen

Rating: PG-14/T

Category: Angst/Drama

Pairing/Focus: Kara

Summary: Die Töne kamen von allein, setzten sich in ihrem Kopf fest. Das Lied besaß keinen Text. Nur die leise sanfte Melodie.

Spoiler: Season2 bis Farm

Word count: 1.202

Disclaimer: Die Charaktere und der Backround gehören leider nicht mir, aber Ron Moore meinete mal, wir dürften auch mit ihnen spielen. :D Wenn sie nicht mein sind, dann besitzen NBC, Universal, Larson und Moore die Rechte an der Serie.

Authors note: -


Part 2

Mühsam stand sie auf. Lehnte sich über den alten Sessel und suchte nach neuen Batterien. Das regelmäßige Hämmern des Regens verstärkte sich, Sturm brandete gegen die wackeligen Scharniere des Fensters. Der alte Rahmen knarrte mit jeder einzelnen Böe, die gegen ihn schlug. Fluchend kramte Kara in dem kleinen Schubfach. In der Dunkelheit streiften ihre Finger über vergilbte Notenblätter. Bitter umfasste sie die vertrauten Seiten.

Stumm schaute sie auf das Klavier, hielt jede Kurve in der Maserung fest. Bedächtig berührte sie das kostbare Holz, die feine Struktur der Tasten. Unbedarft schlug Kara einen Ton an. Er verstarb in dem verlassenen Raum. Die Linderung, welche von dem vertrauten Geräuschs der schwingenden Saiten ausging, wusch über ihre zerschundenen Seele. Versprach Heilung. Langsam ließ sie sich auf dem abgenutzten Hocker nieder. Fühlte das raue Leder unter ihren zarten Fingern. Liebevoll betrachtete sie die verlassenen Arbeiten auf dem Absatz. Behutsam, als drohe das stabile Papier unter dieser Verbindung zu zerfallen, fuhr sie mit dem Daumen über die klare Schrift.

Ein greller Lichtstrahl fiel durch die regennassen Scheiben und ihr Blick auf die gesuchten Stromspender. Die kostbaren Blätter legend nahm sie die Batterien aus der Schublade und wand sich dem Radio zu. Mit zittriger Hand öffnete Kara das Fach und schüttelte die verbrauchten Batterien aus dem alten Radio. Polternd rollten sie über den hölzernen Fußboden.

Sag mir, wo Du sie versteckt hast." Ihre Wange brannte. Ihre Ohren dröhnten noch immer von der harten Berührung. „Wo hast Du dieses verdammte Teil versteckt, Du kleines Miststück?"

In ihren tiefgrünen Augen stand der Schmerz, der sich ihrer bemächtigt hatte, sich tief in ihr kleines Herz bohrte. „Nein." Tränen erstickten ihre Stimme. „Du wolltest sie wegschmeißen." Verletzt sah sie in den trüben Blick ihrer Mutter. „Es ist das letzte, das uns geblieben ist." Verrat stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Du hast sie einfach in den Müll geworfen, als wäre sie ein wertloses Stück Metall."

Sie IST ein wertloses Stück Metall. Er ist gegangen." Wut kochte in Karen auf. Zorn, den sie nicht kontrollieren konnte und selten wollte, fegte über ihre kleine Tochter hinweg.

Liebe leuchtete in den kleine Smaragden auf, die Kara ihr eigen nennen durfte. Sie umarmte die schmale Taille der Frau vor sich. Umklammerte, was sie einmal teilten.

Ihre Finger verkrampften sich um die Batterie in ihrer Hand. Schmerzhaft drückten ihre Nägel ins Fleisch.

Der Zorn flammte in den Augen ihrer Mutter. Unsicher trat sie einen Schritt zurück, der ausholenden Hand ausweichend. „Warum?" Das leise, fast unhörbare Wort stand zwischen den beiden. Verbannt und trennte sie. „Warum kann es nicht mehr sein, wie früher?" Sie musste heftig schlucken. „Wieso darf ich nicht mehr in Daddys Zimmer?" Ihre Hände zitterten. „Weshalb sprichst Du nicht mehr von ihm?" Den glühenden Grimm ihrer Mutter wahrnehmend stockte Kara. Ein letztes Mal Mut fassend hauchte sie, was ihr ständig durch den Kopf zu donnern schien. „Warum?" Tränen rannten ihr die Wangen hinunter.

Unbändiger Hass sprang ihr in den gezischten Worten entgegen. „Weil er Tod ist. Es kann nicht mehr sein wie früher, weil es kein früher mehr gibt. Wir sind allein, er wird nicht wiederkommen. Deshalb lohnt es nicht weiterhin von ihm zu sprechen. Darum verschwindest Du jetzt, geh, lauf solange Du kannst." Mit einer schnellen Bewegung fasste sie Kara am Arm. Bevor diese sich umdrehen konnte. „Ich will diese Disk nie wieder hören. Verstanden?" Mit dem Gefühl des Verrats nickte Kara. Sie spürte die Geste nicht, doch sie wusste, sie war da.

In dem Nebel aus Wut und Verzweiflung konnte sie nicht ausmachen, womit sie wen mehr betrog. Mit dem Vortäuschen, dass sie dieses Stück nicht mehr abspielen würde oder mit dem Zustimmen, dem Mitwirken in diesem falschen Spiel des Vergessens.

Besänftigend begann der wohltuende Klang des Pianos durch den formlosen Raum zu strömen. Erfasste jeder Faser in Karas Körper. Verlieh ihrem Sein einen schützenden Mantel. Eine Decke aus Wärme und Wohlwollen. Vermischte sich mit dem Tropfen des Regens in einem surrealen Reigen der Töne.

In dem baufälligen muffigen Keller herrschte Totenstille. Die Furcht, welche sie bei den ersten malen heimgesucht hatte, war zu einem Schatten in der unheimlichen Finsternis geworden. Kara hatte gelernt mit der Einsamkeit umzugehen. Sie verspürte keine Angst mehr, als sie gedämpft vor sich hinsummte. Die Töne kamen von allein, setzten sich in ihrem Kopf fest. Das Lied besaß keinen Text. Nur die leise sanfte Melodie.

Vor sich konnte sie die fragilen Finger über die Klaviatur huschen sehen. Die Freude, mit der ihr Vater jeden einzelnen Ton anschlug. Jede einzelne Note fühlte. Lebte.

Kara hatte das Gefühl ihr Herzschlag hätte ausgesetzt. Für einen flüchtigen Moment wünschte sie, es wäre der Fall. Schwankend betrachtete sie ihre Finger. Der stechende Schmerz wich einer betäubenden Leichtigkeit. Ein Nebel aus Verzweiflung und Wut legte sich über ihr Bewusstsein. Angst stieg in ihr auf. Tränen bahnten sich ihren Weg durch den Dunstschleier des Verlusts.

Noch immer dröhnte der dumpfe Schlag durch ihre Ohren. Verdrängte das sanfte Geräusch des Klaviers. Ein Schrei folgte dem hohlen Geräusch, der zufallenden Abdeckung. Hoffnungslosigkeit drohte sie zu ersticken.

Plötzlich sog Kara die Luft ein, als wäre sie soeben aus den Tiefen des Ozeans aufgetaucht. Sie versuchte verzweifelt zu atmen. Keuchend umklammerte sie die Lehne des Sessels, in dem sie saß. Rutschte auf den kahlen Boden. Sie bemerkte, wie sie ihre Hände knetete. Nach und nach über die einzelnen Finger, die alten Narben fuhr. Unsichtbar für andere, besaßen sie für sie eine nachhaltige Wirkung. Sie trugen eine Erinnerung, die schwer auf ihr lastete. Sie streckte jeden Finger, um sich ihrer Funktion bewusst zu werden.

Unfähig sich zu bewegen starrte Kara auf die reglose Figur ihrer Mutter. Sie konnte mit den Beschimpfungen, den Schlägen und dem Einsperren leben. Die Wutausbrüche ihrer Mutter besaßen für sie eine seltsame Routine, etwas beruhigendes und reines. Sie erinnerten sie an das was einst war, was wieder sein könnte. Sie konnte mit der Verachtung umgehen, welche sie ihr jeden Tag neu offenbarte. Mit dem Hass, der aus ihren Augen sprach, wenn ihre Mutter sie ansah. Es gab ihr ein verwirrendes Gefühl von Stärke, Überlegenheit... Sicherheit. Es sagte ihr, dass ihre Mutter noch etwas für sie empfand. Doch die Gleichgültigkeit, die sie ihr nun entgegenbrachte konnte Kara nicht verkraften. Der übermächtige Drang zu schreien überkam sie. Das Bedürfnis irgend eine Reaktion von ihrer Mutter zu erpressen verstärkte sich mit jeder Minute. Die Reglosigkeit beängstigte sie.

Schatten tanzten über ihre Wände. Das Lichtspiel des Gewitters verbreitete eine ungewöhnliche Stimmung. Sie konnte den Verlauf des Regens an ihrem Fenster beobachten, wenn ein Blitz die Wolken erhellte. Sah die feuchten Linien, die das Wasser hinterließ.

Diesmal weinte sie nicht. Nicht eine Träne entrann ihren verblassten Augen. Sie konnte nicht trauern, zu stark lastete der Verlust auf ihr. Der Wunsch diese Welt zu verlassen wuchs in ihr heran. Sich mit ihrer Familie wiederzuvereinen, die Vergangenheit mit einem Schuss, einem Schnitt, einem Sprung zurückzuholen. Den Kreis zu schließen intensivierte sich mit jedem Tag.

Dann fiel der erste salzige Tropfen. Landete auf dem Photo ihrer Eltern. Der zweite vereinte sich mit ihm auf ihrer Erinnerung. Der dritte glitt brennend über ihre Haut.

Wie Feuer schnitt eine einzelne Träne über ihre Wange. Entzündete in ihrer Kehle ein Schluchzen, dass in ihrer Seele den empfindsamen Teil, den sie vor langer Zeit weggesperrt hatte, zu zerbersten drohte.


Liest das hier eigentlich auch jemand? Klar schreib ich hauptsächlich, weil ich sonst durchzudrehen drohe, aber ein klein bisschen feedback ist gut für die Seele. Also bitte...