„Komm schon George, gibs ihm!" Grinsend sehe ich neben mich auf die wenigen roten Haare, die unter einem dunkelroten Regenmantel hervorlugten, an die ich mich inzwischen schon so sehr gewöhnt habe.

Auch Rons Freundin Hermine Granger trägt, wie die meisten und auch ich hier, eine rote Regenjacke.

Das Wetter heute ist nicht zum aushalten und trotzdem sitzt der Großteil der Schüler heute auf diesen ungemütlichen Holzbänken und sieht den 14 Spielern hier bei ihren oft waghalsigen Manövern zu. Und alle tragen sie inzwischen diese lächerlichen Brillen.

Memo an mich: später damit alle aufziehen.

Fasziniert beobachte ich wie Oliver einen Quaffel hält und ihn gleich darauf, Alicia zuspielt. Nun ja, ich glaube zumindest, dass es Alicia ist – sicher, bin ich mir dabei keinesfalls, denn der Regen wird immer dichter und macht es so immer schwerer die einzelnen Spieler voneinander zu unterscheiden.

„He, schau doch mal da!" Interessiert sehe ich in die Richtung, in die irgendein Mädchen neben mir zeigt.

Harry Potter steigt immer höher und höher auf seinem Besen und schon bald ist er gar nicht mehr zu sehen.

Ich warte eine ganze Weile. Alle warten darauf, ihn wieder sehen zu können.

Ähm, so langsam könnte er wieder auftauchen. Das sind schon zu viele Sekunden, die er keine Ahnung wo verbringt. Was soll das?

Unsicher kratze ich mich am Hinterkopf und sehe zu Ron und Hermine, die immer noch ungläubig auf den Punkt sehen, an dem Harry Minuten zuvor noch zu sehen war.

Ich will gerade meine Augen von eben diesem Punkt abwenden, als ich irgendetwas daraus herausgleiten sehe. Nein, gleiten ist wirklich das falsche Wort. Es fällt.

Ich verziehe meine Augen zu Schlitzen, um besser sehen zu können.

Nicht es fällt. Er fällt. Harry fällt.


Aufgeregt laufe ich in Richtung der Umkleidekabinen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Harry inzwischen im Krankenflügel gut untergebracht ist.

Hermine und Ron jedenfalls sind, noch bevor ich überhaupt erkannt habe, was da vom Himmel fällt, so scheint es mir, gleich verschwunden und wachen jetzt sicher pflichtbewusst und mit sorgenreichen Gesichtern an seinem Bett. Die beiden sind noch weggekommen bevor dieses unglaubliche Chaos ausbrach – bevor alle verrückt spielten. Alle, wirklich alle. Natürlich inklusive mir.

Endlich habe ich die Umkleidekabinen erreicht, denke erst gar nicht daran, dass ich anklopfen könnte, sondern öffne die Tür mit einem kräftigen Schwung.

Kurz blicke ich mich um, entdecke nur George, gehe auf ihn zu und sehe ihn für ein paar Sekunden einfach nur an. Er steht mit dem Rücken zu mir und fährt sich durch die Haare (er macht das in letzter Zeit verdammt oft), dann schnappt er sich seinen Pulli und zieht ihn unsanft über seinen Kopf.

Ich setze mich auf die kleine Holzbank gegenüber von ihm und warte darauf, dass er sich umdreht.

Doch er scheint das nicht vorzuhaben. Zumindest nicht in der nächsten Zeit. Offensichtlich ist die Raumecke um einiges interessanter als ich. Jedenfalls scheint es mir so, als sei darauf sein gedankenverlorener Blick gerichtet.

Hat er mich überhaupt bemerkt?

Nach einigen weiteren Minuten, stehe ich wieder auf, möglichst leise. Ich gehe auf ihn zu und schlinge meine Arme um seine Hüfte.

Für einen Augenblick verkrampft sich sein gesamter Körper und ich will meine Arme fast wieder an meine Seiten ziehen, als er sich entspannt. Er legt seine kalten Arme auf meine, dreht sich dann in der Umarmung, legt seine Arme um meine Schultern, zieht mich fest an sich und vergräbt sein Gesicht in meinem Nacken.

Ich spüre seinen warmen Atem, der mir kalte Schauer über den Rücken jagt und drücke ihn noch ein wenig näher an mich, streiche ihm sanft über den Rücken.

Und so klischeemäßig es auch klingen mag, so stehen wir für Stunden. Jedenfalls kommt es mir so vor.

Ich erschrecke fast, als ich sein Murmeln vernehme. Er murmelt irgendetwas, doch ich kann nicht verstehen, was er da sagt.

Ich streiche ihm über das, immer noch ein wenig nasse, Haar: „Hm?"

Er hebt seinen Kopf kurz von meinem Nacken, sieht mir in die Augen: „Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen…"

Wieder zieht er mich an sich, fester als zuvor, näher als zuvor. Wieder vergräbt er seinen Kopf in meinem Nacken und scheint es fast tiefer als zuvor zu tun.

Ich streiche ihm ein weiteres Mal übers Haar und will gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, als er mir zuvorkommt.

„Widersprich mir nicht. Das hätte ich wirklich tun sollen…," Er hält kurz inne. „Ich hab es meiner Mom versprochen." Fügt er hinzu.

„Was hättest du denn tun sollen?", frage ich, während ich meine Finger weiter durch sein rotes Haar gleiten lasse.

Darauf weiß er offensichtlich keine Antwort. Sein Kopf liegt unbeweglich in meinem Nacken, während er keine Anstalten macht, zu sprechen.

Es fällt mir fast schwer, doch ich schiebe ihn von mir, sehe ihn leicht lächelnd an. Und ich streiche ihm ein letztes Mal übers Haar, befreie sein Gesicht von einigen Strähnen, ziehe meine Hand dann zurück und reiße mich von diesen blauen Augen hoch.

„Lass uns nach Harry sehen, ja? Ich bin mir sicher, es geht ihm inzwischen wieder gut." Ich versuche fröhlich zu klingen, doch meine Stimme klingt nicht fröhlich, sondern kratzig.

Ich lächle ihn aufmunternd an, drehe mich in Richtung der Tür und bleibe davor stehen, weil ich bemerke, dass er mir wider Erwarten nicht folgt.

Wieder drehe ich mich zu ihm. Doch starrt er nicht, wie zuvor als ich bei dieser Tür stand, in die Ecke, sondern auf den Boden.

„George?"

Er schüttelt den Kopf, als wolle er bestimmte Gedanken aus seinem Kopf befreien, sieht mich dann mit einem brillanten Lächeln an und kommt auf mich zu.

Doch irgendetwas an diesem Lächeln stört mich, irgendetwas ist nicht echt. Seine Augen. Sie haben nicht diesen Schimmer, den sie sonst förmlich versprühen, wenn er lächelt.

Ich beschließe das alles, einfach zu ignorieren. Zumindest für den Moment.

Ich halte ihm die Tür auf und folge ihm dann nach draußen, wo es immer noch regnet.

Ich mag Regen. Sehr. Na ja, ich mag Regen an warmen Sommertagen.

Ich hasse Regen an kalten, ekelhaften Herbsttagen. Diese Tatsache lässt mich wohl auch schneller laufen, sodass ich keinerlei Probleme habe, mit George Schritt zu halten – anders als sonst.

Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie seine Hand suchend tastet, dann meine ergreift. Er verkreuzt unsere Finger miteinander.

Ich drücke seine Hand leicht, richte meinen Blick dann wieder nach vorne, wo die Schule schon ziemlich nahe ist.

Ohne auch nur ein Wort zu sagen, durchqueren wir mehrere Gänge, besteigen Treppen und schlurfen durch Räume, bis wir schließlich vor der Tür des Krankenflügels stehen.

George vergräbt seine Hände in den Hosentaschen und sieht aus als wollte er unbedingt etwas loswerden, wüsste bloß nicht wie.

„Du solltest da alleine reingehen, weißt du?", meine ich und sehe ihn unsicher an. Warum zum Teufel bin ich auf einmal unsicher? Das hier vor mir ist nur George, verdammt!

Er nickt, fast gedankenverloren und sieht mir einen Moment in die Augen. Dann drückt er mich kurz, viel zu kurz, fest an sich und hält mich dann, mit ausgestreckten Arme, von sich weg.

Langsam lässt er seine Arme sinken.

„Danke, Anne… Ich…" Er hält inne. „Danke."

Für einen kurzen Moment sieht er mir wieder in die Augen, ich schaue ihn gespannt an.

Er beugt sein Gesicht zu meinen hinunter, nicht langsam, sondern fast überstürzt, als hätte er Angst, ich könnte weglaufen. Ich schließe automatisch meine Augen und spüre wie er seine Lippen sachte gegen meine drückt.

Als ich meine Augen wieder öffne, höre ich nur noch, wie sich die schwere Tür hinter ihm schließt.


OH NOES, it's a cliffhanger.

Na ja, nicht wirklich. Aber besser kriege ich so was eh nicht hin.

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