Da sind wir also, es ist Montag, der fünfte von fünf Tagen aus dem Leben des Remus Lupin. Bei mir geht es erst mal mit „Oktobermond" weiter, aber falls jemand aus der geneigten Leserschaft eine Vorstellung oder einen Wunsch hat, was er/sie als kleinen Oneshot gerne mal lesen würde, Vorschläge werden gerne entgegen genommen :o) und in Reihenfolge des Einganges bearbeitet :o))

Disclaimer: immer noch nicht meins.

Soundtrack: Robbie Williams: Feel / Supertramp: Take the Long Way home.

Anekdote: Den gelben "Lotus Elise" widme ich meinem Sohn (zweieinviertel), dessen Vorschlag das war. Ich stand in der Küche, knetete einen Hefeteig, in Gedanken bei meinem Text, und fragte eher so vor mich hin: „Was könnte man denn noch in so eine Schuhschachtel tun?" Worauf er sein Dreirad anhielt, mit dem er gerade unterwegs war, mir seinen kleinen gelben Lotus Elise unter die Nase hielt und mit großem Ernst sagte: „Kannst du ein Lotus-Auto rein tun." Gesagt, getan.

Außerdem verbeuge ich mich literarisch vor den Machern des großartigen Shoebox-Project, Link in meinem Profil, das könnte Euch die Wartezeit auf Oktobermond vertreiben. Ich glaube, es war Shoebox, als ich mich in Sirius verliebte :o)))

So. Letzthin gab's Beschwerden wegen des Wolfsbann, deshalb diesmal eine Runde Kaffee "afrikanische Art" für alle, und los geht's.

Come on, hold my hand,

I want to contact the Living.

MONTAG

Bei den Affen lässt es sich noch wie ein völlig normaler Familienausflug an. Die Sonne scheint, es ist ein milder, nicht zu heißer Sommertag. Kathy trägt ihren Zopf und eine blaue Bluse, und ein goldenes Kettchen schmiegt sich um ihren Hals. Remus fühlt sich nach fünf Stunden Wochenanfangshektik im Cafe (am Tag nach dem Tag danach) reichlich angegriffen, aber er ignoriert die Schmerzen in seinen Füßen und im Rücken und den latenten Druck auf seinen Schläfen. Kathy findet ihn blass und noch schmaler als sonst, und er stimmt ihr zu, ein bisschen frische Luft wird ihn besser wieder auf die Beine bringen. Josie hat die erwachsene Würde einer vorpubertären Elfjährigen vollständig fahren lassen und tollt mit Padfoot auf der Wiese herum, bis ein erboster Wärter sich nähert und sie scharf auf die Leinenpflicht hinweist. Remus grinst vergnügt, als er einen zerknirschten Padfoot an die Leine legt, die er vorsichtshalber aus dem Gürtel seiner Robe transfiguriert hat, ehe er heute morgen aufgebrochen ist.

Es ist das erste Mal, dass sie sich in privatem Raum begegnen, und der Zoo war eine gute Wahl, sie können sich mit „Sieh mal, wie der springt" und „Schau, der hat ein Kleines dabei" und „Da hinten ist noch einer" behelfen, bis sie sich aneinander aufgewärmt haben.

Bei den Papageien hat Josie Padfoots Leine und Remus in eine längere Unterhaltung über Reitstunden und deren Notwendigkeit für elfjährige Mädchen verstrickt, im Speziellen dreht es sich um ein Pony namens Hurricane, und Remus nimmt ihr den Wind aus den Segeln, als er ihr versichert, dass er, hätte er eine Tochter, sie niemals auf einem Pony reiten ließe, das einen solchen Namen trägt. Josie seufzt, und Kathy bewundert das farbenprächtige Federkleid der Papageien in der Voliere, während Remus das Blau und Weiß und Schwarz ihrer Erscheinung betrachtet, er hat sich ohnehin nie sonderlich für Papageien interessiert.

Im Aquarium stehen sie alleine im Halbdunkel nebeneinander und lassen das kühle, bunt gemaserte Licht über ihre Gesichter spülen. Josie ist mit Padfoot draußen geblieben, sie hat etwas gegen Fische.

„Er ist ein Mistkerl" sagt Kathy und meint ihren zukünftigen Ex-Ehemann. „Er hat versucht, mich zu schlagen. Ich hab ihm gesagt, wenn er mich noch einmal anfasst, stech' ich ihn ab, mit einem Küchenmesser, wenn's sein muss. Ich bin so froh, dass er ausgezogen ist. Es ist natürlich schlimm für Josie, im Augenblick, aber auf lange Sicht sicher das Beste. Sie ist schon viel ruhiger, seit er weg ist. Hat aufgehört, schlimme Sachen zu träumen."

Bei den Kamelen schweigen sie und versuchen, sich vom eintönigen Kauen der breiten Mäuler hypnotisieren zu lassen, es funktioniert nicht, weil sie lächeln und sich ansehen müssen, und ihre Fingerspitzen berühren sich, so zart und flüchtig, dass es kaum wirklich ist.

Im Amazonienhaus ist die Luft dick und feucht, und üppig wuchernde Grünpflanzen verdecken den Blick auf die hohe gläserne Kuppel und filtern das Licht. Josie ist fasziniert von den handtellergroßen Schmetterlingen, die frei herum fliegen und wie kleine Gemälde auf den fleischigen Blättern sitzen. Remus und Kathy stehen ganz still und warten, ob einer auf ihnen landen will, und endlich setzt sich einer auf Kathys ausgestreckte Hand und klappt träge mit den rot schillernden Flügeln, und Remus betrachtet ihr Gesicht, auf dem ein Zauber liegt, und die winzigen Schweißperlen, die sich auf ihrer Haut gebildet haben und ihr den Hals hinunter laufen, und dann streicht er ihr den Zopf über die Schulter nach vorne und küsst ihren Hals, der weiß und wundervoll vor ihm ausgebreitet ist, ihre Haut schmeckt salzig und süß und noch besser, als er es sich vorgestellt hat, und der Schmetterling fliegt davon, und sie bemerkt es gar nicht.

„Ihr haltet ja Händchen" stellt Josie fest, als sie das Amazonienhaus verlassen und Padfoot abholen, der im Schatten gewartet hat, und sie sehen sich an und lachen ein bisschen verlegen.

„Ist okay" sagt Josie großzügig. „Ich hab' nichts dagegen. Krieg ich ein Eis?"

Mit dem schwanzwedelnden Padfoot im Schlepptau spazieren sie hinüber zum Kiosk, und während Josie um ein Eis ansteht, halten sie sich bei den Händen und sehen sich an, und dann legt Kathy den Kopf an seine Schulter, und er atmet ihr süßes Parfum und denkt, wann er sich zuletzt so lebendig gefühlt hat, er kann sich nicht erinnern, aber es ist berauschend, und er hebt ihr Gesicht von seiner Schulter und legt seine Lippen auf die ihren und küsst sie, nur dieses Gefühls wegen, und Padfoot kläfft und winselt und versucht vor lauter Überschwang, seinen eigenen Schwanz zu fangen.

Sie küssen sich durch die Australienabteilung, die Löwen und die Elefanten, werden stiller bei den Flamingos und fangen bei den Eisbären doch wieder an zu reden. Kathy spricht, es sind Sätze, die mit „Ich kann nicht…" und „Es geht nicht…" und mit „Du weißt doch…" anfangen und mit „Trennungsjahr" und „Rechtsanwalt" und „nicht bereit" enden, und Remus nimmt sie um die Schulter und sagt ihr, dass sie sich keine Sorgen machen soll, dass es in Ordnung ist, dass er weiß und versteht und ihre Entscheidung achtet, und es kommt ihm von Herzen und ohne Reue, denn vielleicht hat er wirklich nie mehr tun wollen, als sie auf den Hals zu küssen, nur um heraus zu finden, ob er noch unter den Lebenden ist.

oooOOOooo

„Mrs. Craig aus dem zweiten Stock sagt, Sie hätten den Hund immer noch" sagt die Hausmeisterin, die Remus den Weg zur Treppe abschneidet.

„Was will die denn" murmelt Sirius, der auf zwei Beinen hinter Remus steht.

„Nein" sagt Remus und lächelt entwaffnend. Es geht ihm gut, er spürt noch Kathys Parfum auf seinen Kleidern, da kann die sauertöpfische Matrone nach Zwiebeln stinken und ihn anreden, wie sie will. „Der Hund ist weg" sagt er. „Ganz Ihrer Anordnung entsprechend."

„Mrs. Craig hat den Köter heute morgen im Treppenhaus noch gesehen" schnappt die Hausmeisterin.

„He! Mal langsam!" sagt Sirius. „Was sind das denn für Ausdrücke!"

„Und jetzt ist er weg" sagt Remus sachlich. „Machen Sie die Treppe frei, freundlicher Weise?"

„Mischen Sie sich da nicht ein" faucht die Hausmeisterin Sirius an. „Oder ist das vielleicht Ihr Köter?"

„Ganz recht" sagt Sirius, „und ich mag es gar nicht, wenn man abfällig über ihn spricht."

„Hunde sind verboten, in diesem Haus!"

„Aber fette, hässliche Drachen wie Sie sind erlaubt, oder was?"

Die Hausmeisterin öffnet und schließt den Mund.

„Das war's dann wohl" sagt Remus. „Danke schön, Orion."

„Das ist unerhört" sagt die Hausmeisterin, als sie ihre Stimme wieder gefunden hat. „Eine bodenlose Frechheit! Ich weiß ja nicht, wo man Sie rausgelassen hat, aber ich werde dafür sorgen, dass man Sie da wieder einsperrt! Was ist so verflucht lustig?" faucht sie Remus an, der einen Schwall von Gelächter nicht in den Griff bekommt, er hört selbst die Verzweiflung, die wie ein dicker Klumpen unter der Heiterkeit liegt.

„Entschuldigung" murmelt Remus, die Hand vor dem Mund, um Fassung bemüht.

„Ihnen wird das Lachen noch vergehen" sagt die Hausmeisterin finster. „Morgen haben Sie die Kündigung im Briefkasten."

„Bitte" sagt Remus und fühlt sich knapp an der Grenze zur Hysterie. „Warten Sie. Es wird nicht mehr vorkommen. Keine Hunde mehr. Und mein Freund hier, er ist ein bisschen empfindlich, wenn es um den Hund geht, aber er wollte Sie bestimmt nicht beleidigen."

„Doch" sagt Sirius finster. „Wollte er."

„Kündigung" spuckt die Hausmeisterin.

„Aber" sagt Remus hilflos.

„Vergiss es, Moony" sagt Sirius. „Wir brauchen die blöde Wohnung nicht."

„Doch" sagt Remus, bereits mit einem Fuß in einem hysterischen Anfall. „Brauchen wir."

„Brauchen wir nicht" sagt Sirius. „Wir finden etwas anderes."

Wir?" sagt die Hausmeisterin.

„Ich" sagt Remus. „Er… er identifiziert sich nur."

„Ich hab' keine Lust, in einem Haus zu wohnen, in dem Hunde verboten, aber Drachen erlaubt sind!" schnaubt Sirius.

„Sie wohnen hier?" fragt die Hausmeisterin und kneift die Augen zusammen.

„Nein" sagt Remus verzweifelt.

„Was dagegen?" fragt Sirius.

„Zu zweit? Auf dreiundzwanzig Quadratmetern?"

„Wir lieben uns" sagt Sirius sanft und legt Remus von hinten die Arme um die Schultern. Remus gibt etwas von sich, das zwischen Lachen und Weinen liegt.

„Das ist abartig" knurrt die Hausmeisterin und beugt sich zu Remus. „Ich wusste von Anfang an, dass etwas mit Ihnen nicht stimmt."

„Ach ja?" sagt Remus und blinzelt Lach- oder Verzweiflungstränen aus den Augen. „Sie sind mit besonderem Scharfsinn gesegnet. Alle Achtung."

„Packen Sie schon mal Ihr Zeug" sagt sie und gibt endlich die Treppe frei. „Donnerstag sind Sie raus, oder ich lasse räumen."

„Merkst du was?" sagt Remus zu Sirius, als er die Wohnungstür aufgesperrt hat, die noch bis Donnerstag seine ist, und in den winzigen, dunklen Flur tritt. „Alles beim Alten. Du tauchst auf und brauchst keine fünf Minuten, um mein Leben in einen Trümmerhaufen zu verwandeln."

„Na ja" sagt Sirius. „Das finde ich jetzt aber ein bisschen pathetisch."

„Weißt du, wie ungeheuer schwierig es ist, eine Wohnung zu finden, die ich bezahlen kann? In London, laut Statistik der dritt-teuersten Stadt der Welt? Weißt du, wie lange ich nach dieser hier gesucht habe?"

„Warum ziehen wir dann nicht weg aus London?"

„Weil hier mein verdammter Job ist!"

„Schrei nicht rum, Moony."

„Ich schreie nicht! Ich schreie niemals! Ich stehe nur kurz vor einem verfluchten Anfall!"

„Ich versteh' nicht, warum du dich so aufregst. Du benimmst dich ja gerade, als wärest du ein Muggel. Du könntest in Cornwall wohnen und in London arbeiten, na und?"

„Könnte ich nicht. Ich muss einen Wohnsitz angeben bei meinem Arbeitgeber, und der muss plausibel sein. Mein Arbeitgeber ist ein Trekkie, aber er würde mir wohl trotzdem nicht glauben, dass ich mich jeden Tag beame."

„Was?"

„Vergiss es."

„Na, wenigstens haben wir wieder Zimmerlautstärke. Geht's besser jetzt?"

„Nicht wirklich" sagt Remus und lässt sich auf das kaputte Sofa fallen. „Ich hätte nämlich immer noch gerne diese Wohnung behalten. Hast du Geld?"

„Ja."

„Dann bleibt uns wenigstens nur das Problem mit der kurzen Frist."

„Ich habe es, aber ich komme nicht ran" sagt Sirius und streift sich die Schuhe von den Füßen. „Die haben mein Gringott's-Konto eingefroren."

„Und wie bist du an das Geld für Harrys Feuerstrahl gekommen?"

Blitz, Moony. Feuerblitz. Merlin. Du gehst immer noch durchs Leben ohne die geringste Ahnung von den wirklich wichtigen Dingen."

„Entschuldige. Ich weiß dafür, wie man eine Wohnung behält. Und wie kamst du nun an das Geld?"

„Durch einen Trick. Deshalb ist das Konto ja jetzt eingefroren."

„Na großartig. Prima. Was für eine unglaublich vorausschauende Planung. Hauptsache, Harry hat sein irrsinnig überteuertes Spielzeug."

„Es ist ein Sportgerät, kein Spielzeug, und es ist auch nicht überteuert. Er hat eine Spitzengeschwindigkeit von dreiundneunzig Meilen pro Stunde, und geht von null auf Spitze in vier Sekunden! Der alte Nimbus fliegt sich dagegen wie eine Zahnbürste."

„Vielen Dank für dieses total nutzlose Stück Information."

„Moony" sagt Sirius und lässt sich neben Remus auf das Sofa fallen. „Moony-Loony. Komm schon. Sei nicht mehr sauer. Wir finden schon eine Möglichkeit."

„Es gibt eine" sagt Remus düster. „Oder sollte zumindest. Falls da nicht auch etwas eingefroren ist. Zumindest hätten wir ein Dach über dem Kopf, wenn es funktioniert."

„Was denn? Wo denn?"

„Du wirst dir noch wünschen, du hättest der zauberhaften Mrs. Perkins die Füße geküsst."

„Das glaub' ich kaum" sagt Sirius und verzieht das Gesicht.

„Warte nur ab" sagt Remus, steht auf und holt eine mit Paketband verschnürte, nicht mehr ganz frische Schuhschachtel aus dem Regal.

„Die wollte ich dir sowieso geben" sagt er und hält sie Sirius hin. „Es sind ein paar Sachen von dir drin."

„Was für Sachen?" fragt Sirius verwundert und nimmt die Schuhschachtel entgegen.

„Sentimentaler Kram" sagt Remus mit dünnem Lächeln. „Und ein paar kleine Nützlichkeiten. Mehr konnte ich nicht mitnehmen, als ich aus der Wohnung raus musste."

„Wieso musstest du aus der Wohnung raus?"

„Ich konnte alleine die Miete nicht aufbringen. Ich konnte zuvor schon nicht mal meinen Anteil aufbringen, aber du hast immer drüber hinweg gesehen."

„Klingt, als wäre es dir schwer gefallen, dort auszuziehen."

„Ist es auch."

„Warum? Ich meine, wie konntest du auch nur eine Sekunde diese Umgebung ertragen, nach – nach – allem?"

Remus hebt die Hände und lässt sie wieder fallen. „Es ist alles viel komplizierter" sagt er. „Deine anderen Sachen, die konnte ich nicht mitnehmen. Ich habe deine Mutter benachrichtigt, damit sie sie abholen lässt, aber ich weiß nicht, ob sie's getan hat. Sie hat ja damals noch gelebt. Du weißt doch, dass sie…?"

„… in ihrem Bett gestorben ist und erst vierzehn Tage später gefunden wurde, als sie schon halb verwest war? Ja, das weiß ich."

Remus senkt den Blick und betrachtet seine Stiefelspitzen, an denen sich die ehemals schwarze Farbe längst zu stumpfem Grau abgestoßen hat.

„Es braucht dir nicht leid tun" sagt Sirius. „Das am allerwenigsten."

Remus räuspert sich und zupft an seinen Haaren.

„Warum hast du den ganzen Kram nicht weggeschmissen?" fragt Sirius. „Oder ein großes Feuer draus gemacht? All das Zeug, was der Mörder übrig gelassen hat."

„Ich schätze, das sieht mir einfach nicht ähnlich" sagt Remus.

„Statt dessen hast du's dreizehn Jahre lang aufgehoben" sagt Sirius fast staunend und hält die Schachtel auf den Knien wie ein Neugeborenes.

„Du weißt, dass bei mir selten was verloren geht" sagt Remus. „Willst du nicht mal rein schauen?"

„Was ist, wenn ich mich nicht erinnere?" sagt Sirius, sein Blick ist plötzlich groß und geht ins Leere. „Was, wenn ich nicht mehr weiß, dass es meine Sachen sind? Ich hab' so viel vergessen."

„Aber ich nicht" sagt Remus und setzt sich vorsichtig. „Ich erinnere mich für dich."

Sirius klammert sich an die Schachtel und sieht plötzlich aus wie ein Kind, nur dass Remus ihn als Kind nie so verängstigt erlebt hat. Sirius war ein starkes, wildes, strahlendes Kind, er ist auf dem Schulhof auf die Drittklässler losgegangen, mit ungestümen Hexen und bloßen Fäusten, wenn er es für nötig fand, er hat gelacht und nichts als Unsinn im Kopf gehabt und seinen ersten Accio mit Remus' Büchern quer durch den Schlafraum praktiziert. Remus fragt sich, ob dieser stürmische, glückliche Elfjährige noch irgendwo verborgen ist, der brillante und witzige Siebzehnjährige, der leidenschaftliche, loyale und leicht entflammbare Fünfundzwanzigjährige, oder ob sie alle in der feuchten Einsamkeit von Azkaban geblieben sind. Einige ihrer Schatten hat er bisher entdecken können, und die Schatten geben ihm Hoffnung, denn wo ein Schatten ist, da ist auch etwas, das ihn wirft.

„Na, komm" sagt er und lehnt seine Schulter an das dreiundvierzigjährige Kind mit den großen Augen. „Wir haben nur noch bis Donnerstag. Meinst du, du kannst das schaffen?"

„Idiot" sagt Sirius und kommt von weit her.

„Was immer du sagst, mein kluger Freund."

Sirius betrachtet die Schachtel auf seinen Knien und spielt mit dem Paketband.

„Ich bin ja da" sagt Remus, und Sirius zupft den Knoten in der Schnur auf und hebt den Deckel.

Die regelmäßige und sorgfältige Erneuerung des Konservierungszaubers hat sich ausgezahlt. Die Sachen sind praktisch unverändert, als hätte Remus sie gestern erst zusammen gesucht. Remus beißt sich auf die Unterlippe. Er könnte gerade sehr gut selbst jemanden brauchen, der ihn um die Schultern fasst. Er schließt die Augen und denkt an Kathy, während Sirius in der Schachtel kramt. Es klimpert, und Remus öffnet die Augen.

„Meine alte Norton" flüstert Sirius und betrachtet den Schlüsselbund, an dem ein emaillierter Anhänger mit dem Schriftzug baumelt. „Merlin. Was ist aus der wohl geworden?"

„Hagrid hat sie" sagt Remus. „Ich hab' ihm den Zweitschlüssel gegeben, und die Papiere. Er fährt sie immer noch gelegentlich. Fliegt sie, sollte ich wohl besser sagen."

„Warum hast du sie nicht behalten?"

„Ich kann nicht fahren. Und fliegen schon gar nicht. Ich kriege kaum einen Besen unter Kontrolle, geschweige denn eine zweihundert-Pfund-Maschine."

Sirius seufzt und legt die Schlüssel in den Deckel, den er umgedreht neben sich auf dem Sofa hat. Ein silbernes Feuerzeug kommt als nächstes, das er zwischen den Fingern dreht und die Gravur auf der flachen Seite betrachtet, ein Wolf, der einen unsichtbaren Mond anheult.

„Hast du mir das geschenkt?" fragt er unsicher.

„Nein" sagt Remus. „Du hast es aus Amerika mitgebracht."

„Ich war in Amerika?"

„Neunzehnhundertvierundachtzig. Florida, glaube ich. Irgend etwas mit Palmen. Du hattest in Oxford eine Austausch-Studentin kennen gelernt, und ihr habt euch ganz gut verstanden, um es mal so zu umschreiben."

„Und dann hat sie mich zu sich nach Hause eingeladen."

„Genau."

„Wow" sagt er und bläst die Backen auf. „Ich weiß, ich habe mich seltsam erinnert gefühlt, als ich an diesem Palmenstrand in der Karibik war, aber ich konnte es nicht auf den Punkt bringen."

„Du warst in der Karibik?"

„Den Winter über." Sirius grinst. „Ich sage dir. Es gibt keinen besseren Platz auf der Welt. Sollte es uns hier irgendwann mal zu blöd werden, wandern wir dorthin aus."

„Ich weiß nicht" sagt Remus und wundert sich, wie schnell Sirius sich an uns gewöhnt hat. „Lass uns das besprechen, wenn es so weit ist, ja? Ist nicht noch ein Schlüssel drin? Er muss doch da sein."

Sirius beugt sich über die Kiste und zieht ein Modellauto heraus, aus dottergelbem Blech, etwa halb so lang wie seine Hand.

„Was ist das denn?" sagt er verblüfft und dreht das kleine Auto in der Hand.

„Ein Lotus Elise, Maßstab eins zu dreiundvierzig" sagt Remus. „Du wolltest ihn Harry zu seinem ersten Geburtstag schenken."

„Oh" sagt Sirius, und der letzte Rest Karibik-Strahlen weicht aus seinem Gesicht. „Na, dafür ist es jetzt ein bisschen spät." Er setzt das Auto auf den Fußboden und schubst es mit dem Fuß an, und es rollt unters Regal.

„Warum hast du das gemacht" sagt er und stützt den Kopf schwer auf die Fäuste. „Den ganzen Mist aufgehoben? Lauter wertloser Plunder. Was soll ich mit einem Scheiß-Feuerzeug, wenn ich mich nicht mehr an die Frau erinnere?"

„Ich hab' es aufgehoben, weil du es mochtest. Nicht, damit es dich an eine Frau erinnert, die dir damals schon nicht wirklich etwas bedeutet hat."

Sirius seufzt und sieht in die Schachtel.

„Fotos" sagt er und kramt darin herum. „Fotos sind gut, um sich zu erinnern… oder?"

„Ja" sagt Remus.

„Erinnerst du mich mal?" fragt er und drückt Remus einen Stapel Fotos in die Hand, und gemeinsam blättern sie sich durch eine Zeit, in der nicht alles gut, aber alles besser war, und Sirius lässt Remus erzählen von Halloween-Partys, gewonnenen Quidditch-Pokalen, Urlaub an der Bernsteinküste und der gemeinsamen Wohnung in Oxford, und die einzigen Bilder, die Sirius rasch in die Schachtel zurück wirft, sind die von James' und Lillys Hochzeit.

Sie arbeiten sich auf den Grund der Schachtel vor, vorbei an Sirius' Abschlusszeugnissen und seinem Gryffindor-Abzeichen, bis nur noch wenige schwere, kleine Gegenstände übrig bleiben.

„Mein Messer" sagt Sirius mit fast etwas wie Erleuchtung auf dem Gesicht. „Mein Türöffner! Ich erinnere mich."

„Dein erstes selbst bezaubertes Muggelartefakt" fügt Remus lächelnd hinzu, sein Inneres ist ein wenig wund von der langen Wanderung durch die besseren Zeiten, aber er weiß, es wird davon in nächster Zeit noch mehr auf ihn zu kommen, er wird sich abhärten müssen. „Wer hätte ahnen können, dass du nicht mal vor Motorrädern Halt machst."

„Ich war gut" sagt Sirius mit der ihm so eigenen Bescheidenheit. „Mann, war ich gut. Ich brauche unbedingt wieder einen Zauberstab."

„Du hast keinen?"

„Meinen haben sie vernichtet, damals. Und im vergangenen Jahr hat es sich nicht gelohnt, einen zu beschaffen. Die Dementoren waren viel zu hektisch. Nur eine Spur von meinem arkanen Signum, und sie hätten mich sofort geschnappt. Ich bin immer noch extrem vorsichtig."

„Die Dementoren sind ziemlich abgelenkt durch den Zusammenschluss mit Voldemort" sagt Remus. „Ich denke, du bist nicht länger im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Was man vom Ministerium allerdings nicht behaupten kann. Sie haben extra eine Abteilung für dich ins Leben gerufen."

„Ich weiß" sagt Sirius grinsend. „Und Kings zum Chef gemacht. Manchmal muss man einfach nur Glück haben." Er legt das Messer beiseite und fischt einen weiteren Gegenstand aus der Schachtel, schwer und golden ruht er auf seiner Handfläche.

„Mein Siegelring" sagt er erstaunt. Er fährt mit dem Zeigefinger hinein, und der Ring gleitet bereitwillig über sein schmales Gelenk. Die Siegelfläche schimmert matt, der darin eingelassene siebenzackige Saphirstern hat über die Jahre nichts von seiner Leuchtkraft verloren.

„Mann, Moony" sagt er. „Ich dachte, du bist knapp mit Geld. Warum hast du ihn nicht verkauft? Weißt du, wie lange du davon hättest leben können?"

„Muss ich dir das wirklich erklären?" sagt Remus.

„Nein" sagt Sirius und lächelt und seufzt gleichzeitig.

„Da muss noch ein Schlüssel drin sein" sagt Remus und macht den Hals lang, um in die Schachtel zu schauen. „Sag nicht, dass ich ihn verloren habe. Den Schlüssel. Aus einer verschlossenen Schachtel."

„Nein" sagt Sirius, „kein Schlüssel drin" und dreht sich mit der Schachtel weg, aber Remus hört etwas schwer gegen die Pappe rutschen und greift unter Sirius' Arm hindurch in die Schachtel.

„Hier ist er" sagt er und hält ihn hoch. „Blindfisch. Du brauchst eine Brille, keinen Zauberstab."

Sirius mustert den Schlüssel wie ein hässliches Insekt.

„Den hättest du ruhig verlieren können" sagt er.

„Ich verlier' keine Schlüssel" sagt Remus. „Quod erat demonstrandum."

„Wir finden eine andere Wohnung."

„Bis Donnerstag?"

„Wir verkaufen den Ring, dann haben wir Geld für ein Jahr Miete im Voraus."

„Verlockende Vorstellung, aber zu gefährlich. Das Siegel hat einen hohen Wiedererkennungswert, und wir sollten nicht riskieren, persönliche Gegenstände von dir in Umlauf zu bringen, wo es gerade etwas ruhiger um dich wird."

„Verdammt" sagt Sirius und starrt den Schlüssel an.

„Komm schon" sagt Remus. „So schlimm wird es nicht werden."

„Du hast keine Ahnung" sagt Sirius düster.

„Es ist nur ein Haus" sagt Remus. „Wir werden es renovieren, und ein paar alte Sachen raus schmeißen…"

„… den Leichnam meiner Mutter beispielsweise…"

„Sirius! Das ist abstoßend, wirklich. Geschmacklos. Man hat sie ordentlich und würdevoll begraben, wie es sich gehört."

„Ich will nicht in ein Haus, in dem zwei Wochen lang der Leichnam meiner Mutter gelegen hat!"

„Eine Themsebrücke ist auf die Dauer nicht viel erfreulicher, glaub mir."

„Ich wette, sie spukt noch dort herum."

„Dann tun wir, was nötig ist, um das zu unterbinden."

„Warum hast du nicht dort gewohnt, wenn es doch so toll ist?"

„Weil das Haus mich nicht rein lässt. Ich hab's versucht, aber ich bin kein Black. Und ich habe nie behauptet, dass es toll ist. Genau genommen weiß ich überhaupt nicht, wie es ist. Als ich zuletzt dort war, hast du noch dort gewohnt. Das war mit vierzehn oder fünfzehn, oder so etwas."

„Vielleicht ist es in der Zwischenzeit eingestürzt" sagt Sirius hoffnungsvoll. „Oder sonst wie unbewohnbar."

„Du hast wirklich nie unter einer Brücke geschlafen" sagt Remus kopfschüttelnd.

„Okay" sagt Sirius. „Wir werfen mal einen Blick rein. Und wenn es schrecklich ist, suchen wir uns was anderes."

„Einverstanden" sagt Remus, der begreift, dass er mehr von Sirius heute nicht bekommen wird. „Und jetzt brauch' ich einen Tee. Du auch?"

„Nein" sagt Sirius und springt auf, „aber was zu essen."

Sie wechseln in die Küche, und Sirius vernichtet die letzten Reste Hühnersalat, bevor er zu der Erdnussbutter übergeht, die er mit dem Löffel aus dem Glas isst. Remus holt seine Tasse aus dem Schrank, hängt Teebeutel hinein und setzt Wasser auf. Sirius lehnt mit seinem Glas an der Spüle und sieht ihm zu.

„Weißt du" sagt er und lutscht am Löffel, „ich glaube, Erinnern hilft wirklich. Es kommt immer mehr zurück, wie eine Kettenreaktion. Diese Tasse, zum Beispiel. Die ist mir plötzlich irgendwie vertraut. Gestern war sie's noch nicht, aber heute denke ich, hast du die früher schon gehabt?"

„Ich nicht" sagt Remus und fährt behutsam mit dem Daumen über die Stelle am Rand, wo ein Stück der Glasur fehlt. „James."

Es knallt. Sirius hat das Glas mit der Erdnussbutter fallen lassen. Er streckt eine zitternde Hand nach der Tasse aus, nimmt sie und dreht sie in den Händen.

„Wir haben damit gefrühstückt" sagt er, seine Stimme ist kaum mehr als ein tonloses Flüstern. „Es gab noch Teller dazu, einen ganzen Tisch voll, und – und Blumen. Es war draußen."

„Sonntag morgen" sagt Remus sanft. „Bei Potters, im Garten. Wir haben das häufig gemacht. Es war der Sommer, in dem Harry geboren wurde."

„Ja" flüstert Sirius. „Lilly war schwanger, und sie hat – sie hat Kuchen gebacken, und wir haben dieses kleine Zimmer gestrichen. Rosa, weil sie dachte, es wird ein Mädchen."

„Er hat Glück gehabt" sagt Remus und versucht ein Lächeln. „Er hätte sonst Henriette heißen müssen."

„Woher hast du sie?" fragt Sirius und streicht über den Sprung.

„Sie lag im Feld, auf dem Nachbargrundstück" sagt Remus. „Ich hab' sie leuchten sehen, gegen die braune Erde. Sie hat als einzige überlebt. Ich denke, wir passen ganz gut zusammen, sie und ich."

„Sie hat einen Sprung" sagt Sirius.

„Na und" sagt Remus, und Sirius atmet tief und zitternd und umklammert die Tasse, dass seine Fingerknöchel weiß hervor treten, und dann geben ihm die Beine nach und er geht in die Knie und kauert sich auf dem Küchenboden zusammen, und sein Atem geht, als würde man ihm die Luft abschnüren.

Remus schiebt den Teekessel vom Herd und schaltet das Gas aus, und dann setzt er sich sehr vorsichtig zu Sirius auf den Boden. Und während Sirius vergeblich versucht, das, was ihn würgt, durch Tränen aufzulösen, versucht Remus vergeblich, ihn in den Arm zu nehmen und ihn zu trösten und zu wiegen, bis der Schmerz vergeht, aber sie sind noch viel zu alleine nebeneinander, Sirius will nicht und Remus kann nicht, und er denkt, dass er nicht zu viel erwarten darf, es sind dreizehn Jahre gewesen und kaum fünf Tage. Er lehnt seine Schulter gegen Sirius, den es schüttelt vor innerer Anspannung, und nimmt seine Hand, das kann er, ohne Grenzen zu verletzen, und befreit die Tasse aus Sirius' hartem Zugriff, denn er will nicht, dass etwas zu Bruch geht.

„Schmeiß sie weg" sagt Sirius, der seine Stimme kaum unter Kontrolle hat. „Sie ist kaputt, siehst du das nicht?"

„Sie hat einen Sprung" sagt Remus. „Das ist alles. Es gibt doch keinen Grund, etwas wegzuwerfen, nur weil es einen Sprung hat."

Sirius atmet stockend ein und aus, sein Blick ist leer und verliert sich irgendwo unter dem Küchentisch, und mit der freien Hand nimmt er sich eine lange Haarsträhne und zieht, eine unbewusste Geste, obwohl es wehtun muss. Remus greift hinüber und befreit seine Hand, ihm wird ein wenig kalt, als würde irgendwo ein Dementor sich nähern, aber seine Stimme klingt ruhig und warm.

„Sie hat es nicht verdient, weg geworfen zu werden" sagt er. „Sie hat mehr erlebt als die meisten Tassen im Königreich. Und überlebt. Sie war im Zentrum der Katastrophe. Sie hat das Dunkle Zeichen gesehen. Ich meine, sie hat sich das alles nicht ausgesucht, und ich kann trotzdem noch jeden Morgen meinen Tee aus ihr trinken. So was werfe ich doch nicht weg."

„Du warst schon immer ein Sparbrötchen" sagt Sirius erstickt.

„Wenn du mir zugehört hast, weißt du, dass Sparsamkeit nichts damit zu tun hat" sagt Remus.

„Ja" sagt Sirius, hebt eine zitternde Hand und streicht sich Haare hinter die Ohren.

„Ich hatte eine solche Scheiß-Angst" sagt er nach einer Weile, und sein Atem geht ruhiger. „Ich wurde das Bild nicht los. Der Wolf kommt, und er stürzt sich auf mich mit einer solchen Wut, ich sehe nur dieses Gebiss, es war… ich dachte, ich muss sterben, wirklich. Du bist mir an die Kehle, mir, nicht Severus, nicht Peter, nicht einem von den Kindern, du hattest so viel Auswahl, aber du bist auf mich, ausgerechnet. Es war das letzte, was ich von dir sah in dieser Nacht, ich musste fliehen, und ich dachte immer nur, wie unglaublich wütend du auf mich sein musst…"

„Der Wolf ist dumm" sagt Remus. „Seine Aktionen sind nicht repräsentativ für das, was ich denke."

„Aber für das, was du fühlst" sagt Sirius. „Warum bist du nicht auf Peter? Sagt man nicht, Werwölfe gehen am liebsten auf Menschen?"

„Ich weiß es nicht" sagt Remus mit einem Anflug von Ungeduld. „Ich erinnere mich nicht, an nichts von all dem. Ich habe es mir lediglich erzählen lassen. Und du solltest den Vorfall nicht überbewerten."

„Ich hatte ein Jahr lang Zeit, darüber nachzudenken."

„Du hättest früher vorbei kommen können. Das hätte die Denkerei abgekürzt."

„Ich hab' mich nicht getraut. Immerhin, wenn ich nicht gedacht hätte, dass du… auf der anderen Seite stehst… wenn ich dir mal zugehört hätte… dann wäre vielleicht gar nichts passiert. Vielleicht wären sie alle noch am Leben."

„Tu das nicht" sagt Remus. „Kein Hätte-ich-nur und Was-wäre-gewesen-wenn. Es führt zu nichts."

„Aber tust du es nicht? Denkst du nie darüber nach, was du anders hättest machen müssen?"

„Natürlich" sagt Remus. „Es ist nicht gerade einfach für einen Lehrer, an einer Erklärung zu scheitern, weißt du? Wahrscheinlich hättest du das mit Sophie und den ganzen Rest begreifen können, wenn ich's dir nur vernünftig erklärt hätte. Aber es ist eine Falle. Es ist verführerisch, das immer wieder raus zu holen und immer wieder durch zu spielen, aber man wird nur verrückt dabei."

„Wenn man es nicht schon ist" flüstert Sirius. „Azkaban macht die Leute verrückt, wusstest du das? Man kann nicht dort sein und seinen Verstand behalten."

„Man kann auch nicht von dort fliehen" sagt Remus, „und wie, bitte schön, kommst du dann in meine Küche?"

Sirius ringt sich etwas ab, das Remus mit gutem Willen als Lächeln deutet.

„Ich nehme an, ich bin immer noch für eine Überraschung gut" sagt er.

„Ja" sagt Remus.

„Und?" sagt Sirius nach einer Weile.

„Nein" sagt Remus. „Immer noch nicht."

„Was?"

„Wir können nicht alles, was war, in dieser Küche begraben und rausgehen, als wären wir noch in der Abschlussklasse. Du weißt, dass es nicht funktionieren wird, also versuch nicht, es zu erzwingen."

„Und was schlägst du vor?"

„Warum kümmern wir uns nicht zunächst um das Naheliegende?"

„Nummer Zwölf."

„Zum Beispiel. Und um den Orden. Wir sollten eine Art Gründungsversammlung einberufen, und wir brauchen ein Hauptquartier."

Sirius seufzt abgrundtief.

„Keine Sorge" sagt Remus und kommt ein wenig steif vom Boden hoch. „Diese Tasse hat einen Krieg überstanden, sie übersteht auch einen zweiten, wenn es sein muss."

„Ich weiß nicht" sagt Sirius. „Sie ist schon angeknackst. Sie hält nicht mehr so viel aus wie beim ersten Mal."

„Und selbst wenn" sagt Remus. „So lange man Scherben hat, kann man's kleben."

„Du meine Güte" sagt Sirius und sieht zu Remus hinauf, der den Teekessel zurück auf den Herd schiebt, es sich dann anders überlegt und das Wasser mit einem raschen Zauber zum Kochen bringt. „Dich kann nichts umwerfen, oder?"

„Das weißt du besser" sagt Remus und bückt sich nach der Tasse.

„Aber du bist zäh" sagt Sirius. „Nicht unterzukriegen. Ich bewundere das."

„Zähigkeit ist nur der Ersatz für mangelnde Stärke" sagt Remus und hängt die Teebeutel, die vorhin heraus gefallen sind, wieder in die Tasse. „Wenn ich nicht wenigstens zäh wäre, hätte ich mich schon vor Jahren aufgehängt."

„Ja" sagt Sirius, „vielleicht." Er lehnt den Kopf gegen den Küchenschrank und betrachtet Remus, der sich durch den Menschenblick aus der Hundeperspektive etwas irritiert fühlt.

„Was ist mit dir und Kathy?" fragt er, während Remus seinen Tee aufgießt. „Wird das was?"

„Was ist das denn für eine Frage? Als ob es gerade nichts wäre."

„Ich meine, wird es ernst werden mit euch?"

„Das, was ist, hat durchaus seine ernsten Seiten."

Sirius stöhnt, und Remus erlaubt sich ein Lächeln.

„Du hast sie gehört" sagt er. „Ihr Ehemann ist gerade erst ausgezogen, sie steckt mitten in einem Scheidungskrieg. Ich glaube nicht, dass sie mehr sucht als ein bisschen Trost. Und wie die Dinge liegen, sollte ich mich auch eher wieder zurück zu den Zauberern orientieren, als noch tiefer in die Muggelwelt."

„Aber zuvor könntest du sie ein bisschen trösten."

Remus lächelt. „Mal sehen" sagt er. „Ich will mich da noch nicht festlegen."

„Das ist mein Moony" sagt Sirius und verdreht die Augen. „Immer der Draufgänger."

„Tee?"

„Nein. Immer noch nicht. Aber ich frage mich, ob dieser Kaffee zur Zierde in deinem Schrank steht."

„Nicht wirklich. Bedien dich."

Sirius steht vom Boden auf und holt die Packung aus dem Schrank. Das Wasser ist noch heiß genug, und Remus beobachtet mit leisem Schaudern, wie Sirius Wasser und Kaffeepulver in einer zweiten Tasse zu einer hässlichen schwarzen Brühe mischt, „afrikanische Methode" nennt er das, Remus ist überzeugt, dass es mit reiner Faulheit zu tun hat, aber bereitwillig zaubert er den Separatis, um den Sirius ihn bittet, um das Kaffeepulver aus dem fertigen Kaffee zu entfernen. Dann lehnen sie nebeneinander an der Spüle mit ihren Tassen, es ist still, und Remus denkt, dass es sich gar nicht schlecht anfühlt und das Warten sich vielleicht doch gelohnt hat, und er beobachtet, wie der Sprung in seiner Tasse eine Teeträne nach draußen entlässt und wischt sie vorsichtig mit dem Daumen ab, und als er einen Schluck nimmt, muss er wieder lächeln, denn es ist der erste Tee seit dreizehn Jahren, der nach Kaffee schmeckt.