Dritter Tag:

Berührungen

„Guten Morgen!"

Sirius hatte bemerkt, dass Remus sich langsam regte. Er selbst war schon länger wach und hatte seinem Freund beim Schlafen zugesehen.

„Morgen, Sirius", grüßte Remus verschlafen zurück.

Sirius lächelte ihn an.

„Hast du Lust, mit mir zum See zu gehen?", fragte er, „So ganz ohne Wasser halte ich es morgens nicht aus. Und wenn man schon nicht duschen kann…"

Remus nickte zustimmend und schälte sich aus seinem Schlafsack.

„Ja, es kann bestimmt nicht schaden, sich ein bisschen frisch zu machen", sagte er und griff nach seinem Handtuch.

Bald waren die beiden Jungen am Ufer.

„Man fühlt sich auch gleich viel wacher!", rief Remus ausgelassen und bespritzte Sirius mit etwas Wasser.

„Ich glaube eher, dass du schon viel zu wach bist", lachte Sirius und strampelte mit den Beinen in Remus' Richtung. Remus tauchte schnell ab und bald darauf spürte Sirius, wie etwas an seinem Bein zog. Er fing an zu zappeln, bis Remus prustend direkt vor ihm auftauchte. Mit einer kleinen Handbewegung schob er sich die nassen Haare aus dem Gesicht und lachte Sirius an.

„Du hättest mich beinahe an einer ziemlich empfindlichen Stelle mit deinen Füßen getroffen", bemerkte er und grinste, „Und nein, es ist nicht das, was du jetzt denkst."

Sirius sah ihn fragend an.

„So? Wo hast du denn sonst noch empfindliche Stellen?" Mit diesen Worten stürzte er sich auf Remus und fing an, ihn überall zu pieksen. Remus quietschte und versuchte, Sirius' Fingern zu entkommen. Schließlich schaffte er es, seine Hände zu ergreifen und festzuhalten.

„Du hast eindeutig zu viel Energie!", meinte Remus und hielt Sirius' Hände über dem Wasser fest. Wieder wurde Sirius bewusst, wie schön Remus' Finger waren und gleich darauf, dass diese Finger ihn gerade anfassten. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich immer mehr in ihm aus. Es war wie ein warmes Kribbeln, das ihn ganz erfüllte.

Doch dann unterbrach Remus den Kontakt und ließ Sirius los.

„Ist irgendwas?", fragte Remus.

Sirius starrte ihn an und besann sich wieder.

„Nein…es ist…alles okay", antwortete er und rannte gleich darauf aus dem Wasser und zu seinem Handtuch. Schnell ging er weiter zu seinem Zelt, wo er sich schnell trockene Sachen anzog. Danach machte er sich auf den Weg in den Wald. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte, doch er musste sich bewegen. Irgendwie wieder einen klaren Kopf kriegen und verstehen, was da eben mit ihm los gewesen war.

Nach einer Weile hörte er Schritte hinter sich.

„Sirius! Warte doch!", drang Remus' Stimme zu ihm durch.

Sirius blieb stehen und wartete, bis Remus aufgeholt hatte.

„Wo willst du hin?", fragte Remus schnaufend.

„Ins Dorf, Brötchen holen", log Sirius, dem gerade ein kleiner Wegweiser zum Dorf ins Auge gesprungen war.

„Gut, ich komme mit", beschloss Remus.

„Okay", murmelte Sirius abwesend.

Remus sah ihn skeptisch an.

„Wenn du lieber einen Moment alleine sein willst, musst du's nur sagen!"

„Nein, ist schon gut", sagte Sirius und versuchte dabei, halbwegs freundlich zu klingen.

Sie gingen ungefähr zehn Minuten nebeneinander her, bis sie die kleine Ansammlung von Häusern sahen.

Als sie dort waren, fanden sie sofort den kleinen Bäckerladen und es stellte sich als sehr hilfreich heraus, dass Remus mitgekommen war, denn Sirius kannte sich weder mit Muggelgeld aus, noch hatte er welches dabei.

„Gut, dass du dabei warst", meinte Sirius, sobald sie aus dem Laden herausgetreten und ein paar Meter in den Wald hineingegangen waren.

Remus grinste.

„Und das aus deinem Munde…"

Sirius schnupperte dann an der Brötchentüte.

„Die sind ganz frisch", stellte er fest, „Eigentlich müssten wir sofort eins essen. Bis wir am Lagerplatz angekommen, sind sie kalt."

Remus nickte.

„Gute Idee", stimmte er zu, „Wir müssten bloß einen Platz finden, wo man gemütlich sitzen kann."

Sirius, der eigentlich nicht damit gerechnet hatte, dass Remus seinem Vorschlag zustimmte, fiel wieder die Hütte ein, die er am Vortag entdeckt hatte.

„Ich weiß einen schönen Platz", meinte er und führte Remus zu der Lichtung, die nicht weit entfernt lag.

An dem Schuppen angekommen, setzten sie sich an die Hauswand gelehnt in die Sonne und bedienten sich aus der Brötchentüte.

„Hmmmm, lecker", murmelte Remus und steckte einen Bissen in den Mund. Anschließend rutschte er an der Wand entlang nach unten, so dass er flach im Gras lag.

Mit geschlossenen Augen wandte er sein Gesicht der Sonne zu.

Sirius musste lächeln. Er wusste, wie sehr Remus die Sonne mochte. Während er weiter an seinem Brötchen knabberte, sah er Remus wieder an.

Zuerst fiel sein Blick auf die Narben, von denen er wusste, dass sie fast Remus' ganzen Körper überzogen.

Ein paar Wunden waren noch nicht ganz verheilt, da die letzte Vollmondnacht erst eine Woche her war. Doch nachdem er sich an den Anblick gewöhnt hatte, achtete Sirius nicht mehr auf die Entstellungen. Sein Blick fiel nun auf die auf die glatte Haut, die kleinen Härchen, die darauf wuchsen und die Hand, die ruhig auf seinem Bauch ruhte.

Wieder durchfuhr Sirius das seltsame Gefühl, das er schon am Morgen gespürt hatte und mit einem Mal wünschte er sich nichts mehr, als diese Hand nur einen Augenblick anzufassen.

Er zögerte einen Moment, doch als er sah, dass Remus die Augen immer noch geschlossen hatte, wagte er es einfach.

Ganz vorsichtig fuhr er mit dem Finger über Remus' Handrücken.

Es fühlte sich genauso glatt und weich an, wie er es sich vorgestellt hatte.

Doch bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, merkte er, dass Remus ihn ansah.

Sirius drehte sich zu ihm um und grinste unbeholfen.

„Ich…äh…", fing Sirius zu reden an.

Remus lächelte ihn bloß an.

Langsam drehte er seine Hand um und griff nach der von Sirius.

Dieser sah ihn verwirrt an.

Remus lachte.

„Was denn? Mich hat auch schon immer mal interessiert, wie sich deine Haut anfühlt", meinte er und fuhr nun seinerseits mit den Fingern über Sirius' Hand.

Sirius starrte Remus an.

Er wunderte sich über das, was Remus gerade gesagt hatte.

Seit wann fragte man sich, wie sich die Haut eines anderen Jungen wohl anfühlte und gab das auch noch offen zu?

Aber das war nicht alles.

Nein, Sirius war auch darüber erstaunt, was diese Berührung in ihm auslöste.

Es war… einfach anders.

Anders als alles, was er bisher erlebt hatte.

So etwas wie das hatte er noch mit keinem der Mädchen empfunden, mit denen er zusammen gewesen war und auch James oder Peter hatten mit so einer einfachen, fast beiläufigen Berührung nie etwas Ähnliches ausgelöst.

Es erfüllte ihn mit Wärme und Geborgenheit und dem Wunsch, dass diese Verbindung nie mehr unterbrochen werden sollte.

Remus sah von seiner Hand zu Sirius auf.

Als er dessen Gesicht sah, lächelte er.

„Ich hätte nie gedacht…", sagte er leise und ließ Sirius' Hand los. Sirius sah an sich herab und merkte, dass er eine Gänsehaut hatte, als ob man ihm einen ganzen Eimer Eiswürfel in den Nacken gekippt hätte. Er musste über diese Vorstellung grinsen.

„Wir…wir sollten zu den anderen gehen", sagte er, nur um überhaupt etwas zu sagen.

Remus nickte.

„Ja, du hast wohl recht."

Irgendwie klang seine Stimme traurig.

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