Erwachen - Kapitel 4

Entdeckungen

Das Essen war köstlich und die Unterhaltung gelöst. Niemand fragte, was Harry in den letzten drei Jahren erlebt hatte und dafür war er dankbar. Er genoss den Abend, saß neben Draco und legte bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine Hand auf die seines Geliebten. Draco lächelte ihn an. Hatte Hermine nicht gesagt, Draco hätte nicht mehr gelächelt? Heute tat er es oft. Seine Augen waren so voller Liebe und Harry wunderte sich im Stillen, dass er noch nicht ein Zeichen des Vorwurfs von ihm entdeckt hatte. Kein einziges, obwohl Draco allen Grund dazu gehabt hätte.

Hannah wurde quengelig und Hermine brachte sie zu Bett. Draco ergriff Harrys Hand und ging mit ihm hinauf, um der Kleinen gute Nacht zu wünschen. Vor der Tür steckte er Harry das Kuscheltier zu, damit der das herschenken konnte. Sie freute sich sehr, drückte es an sich und fragte Harry mit großen Augen: "Onkel Harry? Bleibst du jetzt für immer bei Onkel Draco?" Harry lächelte, streichelte ihr sanft das Gesichtchen und antwortete: "Ja, Schätzchen, für immer." Das schien ihr zu genügen und sie kuschelte sich in ihr Bettchen und an ihr neues Spielzeug und war gleich darauf eingeschlafen.

Die beiden Männer verließen das Kinderzimmer und schlossen leise die Tür. Draco zeigte keine Emotion. Keine Trauer, keine Erleichterung, nichts. Harry wunderte sich. Nach allem was er heute gehört hatte, hätte er erwartet, dass er irgendeine Reaktion auf sein Versprechen an Hannah von Draco hätte erkennen können. Er würde mit Draco sprechen, wenn sie wieder zu Hause wären.

Er folgte ihm die Treppe hinunter und ins Wohnzimmer. Die Weasleys hatten inzwischen den Tisch abgeräumt und erwarteten sie auf dem Sofa sitzend. Sie setzten sich dazu. Ron räusperte sich und verkündete die frohe Botschaft. Harry sah nun endlich auch das Strahlen in Hermines Augen. Draco hatte Recht gehabt. Er rutschte ein wenig näher an ihn und war so unglaublich stolz auf ihn, als dieser den werdenden Eltern das hübsche Päckchen überreichte. Ein niedlicher Drache war auf den sonnengelben Strampelanzug gestickt. Harry dachte an Hagrids Norbert und musste grinsen.

Gegen halb Elf verabschiedeten sie sich, stiegen gemeinsam in den Kamin und traten kurz darauf in ihrer eigenen Küche aus der Asche. Noch bevor sich Harry zu Draco umdrehen konnte, hatte der schon den Reinigungszauber über sie beide gesprochen, nahm Harry den Umhang ab und hängte ihn mit seinem in die Garderobe.

"Möchtest du noch etwas trinken, Harry?", Draco sprach sehr höflich. Harry überlegte: 'Als ob er mich bedient.' "Tee vielleicht? Oder bist du müde?" Draco wartete ab, wie sich Harry entscheiden würde. Eine Tasse Tee wäre eine prima Gelegenheit, mit Draco zu reden. Er verhielt sich so seltsam und Harry hatte den Verdacht, dass es nicht an den Ereignissen dieser einen Nacht oder den darauffolgenden drei Jahren lag. "Trinkst du eine Tasse mit?", fragte Harry und Draco antwortete: "Natürlich." Ehe er sich es versah, hatte Draco das Wasser aufgesetzt, Tassen aus dem Schrank geholt, Teebeutel hineingeworfen und auf ein Tablett gestellt. Milch und Zucker folgten, dazu Löffel und ein kleines Tellerchen, um die Beutel abzulegen. Harry sah fasziniert zu und folgte dann Draco ins Wohnzimmer. Sie setzten sich auf die Couch, der Tee zog und Harry überlegte sich, wie er beginnen sollte.

"Draco", begann Harry und Draco sah ihn erwartungsvoll an, er wirkte angespannt, "ich habe heute Abend mit Hermine gesprochen und sie hat mir erzählt, was passiert ist." Draco nickte. "Ich hatte es total verdrängt und wenn ich ehrlich bin, kann ich mich immer noch nicht wirklich daran erinnern." Draco nickte erneut, er wirkte extrem angespannt und zuckte zusammen, als Harry sich ein wenig zu ihm beugte, ihm die Hand auf den Arm legte und ihn eindringlich ansah. "Es tut mir Leid, Harry.", flüsterte Draco und senkte den Blick. "Es tut dir Leid?", was um Himmels Willen konnte ihm denn Leid tun? Er hatte ihm das Leben gerettet und unerträgliche Schmerzen ertragen und das Einzige, das ihm einfiel war... es klang, als bitte Draco ihn um Verzeihung... Draco nickte nur. "Was tut dir Leid, Draco?", Harry wollte wissen, was in Dracos Kopf vorging. "Ich habe mich dir widersetzt", flüsterte Draco. "Bitte, was?" "Ich habe mich dir widersetzt", wiederholte Draco wenig hilfreich, sah Harry aber dabei fest in die Augen und sprach nicht mehr ganz so leise. "Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, Draco" Harry hatte ein ungutes Gefühl im Magen, Draco schien all die Jahre vor diesem Gespräch Angst gehabt zu haben. "Ich habe mich..." "Ja, widersetzt. Ich weiß. Aber ich weiß nicht, was du damit meinst.", Harry wurde ungeduldig. Der ehemalige Slytherin war nicht gerade klein, schien aber unter Harrys harschen Worten regelrecht zusammenzusinken. 'Keine lauten Stimmen oder Geräusche', hallten Hermines Worte in Harrys Ohren wider. "Entschuldige", Harry hatte die Stimme gesenkt und einen sanfteren Ton angeschlagen. Draco sah zu Boden und nickte nur stumm. Dann beugte er sich vor, fischte die Teebeutel aus den Tassen, süßte ihn und gab so viel Milch hinein, wie es Harry gern hatte. Harry spürte den imaginären Riss durch sein Herz schmerzhaft, als er die Tasse entgegennahm. Eine Weile sprachen sie nicht.

Draco sprach überhaupt nicht sehr viel mit Erwachsenen, fiel Harry dann ein. Eigentlich nur, wenn er direkt angesprochen wurde oder Hilfe anbot. Harry ließ den vergangenen Abend Revue passieren. Gelacht hatte Draco nur mit Hannah. Gelächelt nur gelegentlich. Schweigend tranken sie von ihrem Tee.

"Wie hast du dich mir widersetzt?", Harry versuchte es erneut. "Ich habe dich außer Gefecht gesetzt und dich vor den Todessern versteckt.", Draco sprach ohne Emotion. Es klang weder nach Reue noch nach Lobheischerei. "Und, wieso hast du dich mir damit widersetzt?", auf die Antwort war Harry nun wirklich neugierig. "Ich habe dir damit die Möglichkeit genommen, sie alle auf einmal zu erledigen" Harry wusste, dass er ihnen unterlegen gewesen wäre und sie ihn ohne Schwierigkeiten getötet hätten "so musstest du dir mein Geschrei anhören, hast Wochen in meinem Krankenzimmer verbracht, musstest alleine umziehen und dann drei Jahre nach ihnen suchen." Wie? Harry hätte fast die Tasse fallen lassen, er starrte Draco an. Der spielte nervös am Henkel herum und wagte nicht, aufzusehen. Hallo? Irgendwas lief hier falsch! "Draco", flüsterte Harry, stellte seine Tasse weg und berührte sanft Dracos Wange. Der zuckte erschrocken zusammen, fiel vor Harry auf die Knie umfasste ihn und schluchzte: "Verzeih mir!" Harry war so betroffen, dass er es gerade noch schaffte, Draco in die Arme zu schließen und ihn beruhigend hin- und herzuwiegen. Er flüsterte sanfte Trostworte. Irgendwann beruhigte sich sein Geliebter tatsächlich.

Immer noch schockiert von Dracos Reaktion und seinen merkwürdigen Schuldgefühlen, schlug Harry vor, schlafen zu gehen. Draco stand sofort auf, räumte das Geschirr in die Küche und spülte es ab. Harry überlegte krampfhaft, ob das wirklich passierte, musste sich aber eingestehen, dass es kein Traum war, oder eher Albtraum, was er da gerade erlebte.

Morgen würde er dringend noch einmal mit Hermine sprechen müssen.

Es würde kein angenehmes Gespräch werden.

Harry ging ins Bad, wusch sich, putzte sich die Zähne und zog sich um. Draco folgte ihm kurz darauf.

Als sie nebeneinander im Bett lagen, kramte Harry noch in seiner Nachttischschublade. Er wusste selbst nicht, ob und was er darin zu finden hoffte, allerdings zog er grinsend ein paar Handschellen heraus: "Ach schau, was ich gefunden habe." Dracos panischen Gesichtsausdruck ließ sein Grinsen ersterben. "Tut mir Leid, Draco, ich wollte dich nicht erschrecken." Harry warf die Handschellen zurück in die Schublade und umarmte den erstarrten Mann. Unter vielen Streicheleinheiten und Küssen entspannte der sich schließlich. Als er sich jedoch Harrys Glied widmen wollte, hielt der ihn zurück: "Nein, mein Schatz, jetzt bist du dran." Harry genoss Dracos Keuchen und vor allem, dass er sich ins Laken krallte als er kam. Weit nach Mitternacht schliefen sie endlich zufrieden ein. Sie hielten einander die ganze Nacht in den Armen und die Sonne weckte sie am nächsten Morgen.