Ohje, ff.net war so lange nicht zugänglich, und ich habe nur dieses eine Kapitel geschafft -. Hoffe, Ihr seid nicht böse? Eure Demetra
Kapitel 3
Tränen
„Pass gut auf Dich und Deine Schwester auf!", sagte Charlotte und schloss ihre ältere Tochter liebevoll in die Arme. Alexa verzog leicht das Gesicht, als ihre Mutter dabei Druck auf ihre Rippen ausübte. Sie schätzte, dass zwei von ihnen angebrochen waren – wenn die übrigen Verletzungen an ihrem Körper verheilt waren, würde sie in die Krankenstation gehen und der Krankenschwester etwas von einem Unfall erzählen. „Ich hoffe, ihr beide kommt ins selbe Haus."
„Ja", gab Alexa nachdenklich zurück. „Das wäre schön." Sie zweifelte daran, dass Liza, die das Herz einer Kämpferin besaß und mit Büchern wenig anfangen konnte, in ihr Haus kommen würde. Aber eigentlich war es ihr ganz recht. Wenn irgendeinem Mitschüler ihre blauen Flecken und die Spuren des Zaubers auffielen, dann würde Liza unweigerlich davon erfahren. Je weiter ihre Schwester von ihr fort war, desto weniger würde sie Alexas Zustand belasten.
Auf dem Bahnsteig herrschte reges Chaos, doch die meisten Schüler waren bereits in die Wagen des Hogwarts-Express gestiegen. Liza war bereits im Zug, mit einem Mädchen, mit dem sie sich auf Anhieb gut verstanden hatte, und ihr blonder Kopf ragte aus einem der Fenster.
„Wir sehen uns Weihnachten, mein Schatz!" Alexa nickte ihrer Mutter zu, lächelte sie an und kehrte dann dem Bahnsteig den Rücken. Sie fand ein leeres Abteil, in dem sie sich aufatmend auf einen der samtbezogenen Bänke niederließ. Ronan hatte die Familie zum Glück nicht zum Bahnhof begleitet, eine dringende Besprechung im Ministerium hatte ihn aufgehalten. Sie hätte es nicht ertragen, ihm bei der Abfahrt sehen zu müssen und beim Blick seiner kalten Augen genau zu wissen, dass sie ihm nicht entkommen konnte.
Schnaufend setzte sich der Zug in Bewegung. Ein Ruck ging durch die Wagen, dann nahm die Lokomotive langsam Fahrt auf und dampfte aus dem Bahnhof. Alexa blickte nicht zurück. Sie legte den Kopf gegen die weiche Rückenlehne und schloss die Augen.
Unter den geschlossenen Lidern, durch die sie das Spiel von Schatten und Licht der vorbeiziehenden Landschaft erahnen konnte, sammelten sich die Bilder der vergangenen Tage. Das Atmen schmerzte sie, erinnerte sie daran, dass Ronan ihr ein letztes Souvenir hinterlassen hatte.
Am Abend nach seinem Versuche, sich ihr in der Nocturngasse aufzudrängen, hatte er sie zu sich gerufen, wohl wissend, dass er sie eine lange Zeit nicht in die Finger bekommen würde. Liza schlief zu dieser Zeit schon und ihre Mutter war mit einer Freundin ausgegangen. Charlotte liebte London, in das sie aus dem ländlichen Chestershire gezogen waren, damit Ronan nahe an seiner Arbeitsstelle war. Die Mädchen mochten es nicht.
Alexa hatte geahnt, dass sie Snapes Einmischung bereuen würde. Tatsächlich war Ronan den ganzen Tag über wütend gewesen und das hatte sie ein erstaunt. Normalerweise behielt ihr Stiefvater stets die Ruhe, selbst wenn er die grausamsten Dinge tat. Erst als er sie gestern zum ersten Mal geschlagen hatte und ihr Blut floss, wohl wissend, dass er im Zusammensein mit ihr die absolute Kontrolle hatte, war seine Frustration verflogen.
Sie tastete nach ihren Rippen und verzog gepeinigt das Gesicht, als sie plötzlich Sterne sah. Er hatte ihr, nachdem sie unter seinen Schlägen zusammengebrochen war, mit voller Wucht mehrere Male in die Seite getreten. Damit, das wussten sie beide, hatte er sie schwer genug verletzt, um sie möglicherweise der Entdeckung durch Charlotte preiszugeben. Doch Alexa hatte sich zusammengerafft und ihre Mutter nichts bemerkt. Vielleicht hatte sie es nicht gewollt.
Die Abteiltür flog auf und in der Öffnung erschien ein blondes Mädchen, an dessen wütender Miene ihre Stimmung leicht abzulesen war. Alexa zwang sich, nicht aufzuspringen und sich Kelly Reynolds in die Arme zu werfen. Sie waren beste Freundinnen seit ihrem ersten Tag in Hogwarts, an dem der singende Hut sie beide nach Ravenclaw geschickt hatte. Seit jener glücklichen Zeit schliefen sie gemeinsam in einem Schlafsaal, teilten alles Geheimnisse. Bis auf eines, das Alexa nun zu dem zwingen würde, was sie sich schon seit Tagen zurechtlegte.
„Kelly!", sagte sie mit einem abwesenden Lächeln. „Hallo, ich habe Dir gar nicht gesehen!"
Ihr Gegenüber stutzte, dann brach es aus ihr heraus:
„Alex, Du hast nicht mal nach mir gesucht! Und überhaupt, warum hast Du nicht geschrieben? Ich habe die ganzen Ferien auf eine Eule gewartet."
„Ich hatte Wichtigeres zu tun", gab Alexa scheinbar gelangweilt von sich und betrachtete hochnäsig ihre Fingernägel, eine von Ronans Gesten, von denen sie wusste, wie wirkungsvoll sie war. Kelly erbleichte sichtlich.
„Etwas Wichtigeres? Wie kannst Du nur so etwas Gemeines sagen?"
Alexa zwang sich, ihrer Freundin in die Augen zu sehen. Es zerriss ihr beinahe das Herz, doch sie wusste, dass Kelly irgendwann etwas merken würde. Sie war ein heller Kopf und dazu noch sehr neugierig. Und dieses Risiko konnte Alexa nicht tragen.
„Weil mir Deine Briefe auf die Nerven gegangen sind." Kelly machte einen Schritt zurück und rückte verwirrt an ihrer Brille, die sie nach dem Vorbild verschiedener Lehrer trug. Alex beschloss, dem ganzen Theater ein schnelles Ende zu machen, denn von Sekunde von Sekunde wurde sie sich mehr bewusst, dass ihr Spiel ebenso grausam war wie das, was Ronan treib und sie kein bisschen besser war als er. „Wenn ich dieses Jahr die Schule verlasse, will ich keine solche Klette wie Dich um mich haben."
Bevor sie den Satz beendet hatte, flog schon die Abteiltür zurück ins Schloss und Kelly war fort. Alexa atmete tief und zittrig durch. Fürs Erste war sie in Sicherheit. Doch diese Sicherheit fühlte sich an, als wäre erneut ein Schlag auf sie niedergegangen, härter als jeder, den Ronan er hätte verpassen können.
Mit Kelly hatte sie die einzige Freundin verloren, die sie in Hogwarts an ihrer Seite gehabt hatte. Nun war sie endgültig allein und sie spürte, wie ihr die Tränen endgültig in die Augen stiegen.
