Kapitel 7

Zaubertränke

Die Woche floss träg dahin. Alles blieb beim Alten – zumindest für die meisten Schüler von Hogwarts. Die Aufstellung für die Quidditch-Teams wurden unter großem Jubel bekannt gegeben – Harry Potter, der Wunderknabe von Hogwarts, blieb auch in seinem vorletzten Schuljahr Sucher bei Gryffindor. Das ganze alte Gebäude summte vor Aktivität und Lebensfreude und auch wenn so mancher über die Last der Hausaufgaben und des endlosen Stundenplans stöhnte, so waren sich doch alle bewusst, welches Glück sie hatten, diese Schule gemeinsam mit ihren Freunden besuchen zu können.

Alexa verbrachte die Woche mit Studien und größtenteils allein. Nur hin und wieder führte sie ein paar belanglose Unterhaltungen mit anderen schülern, die sie schnell beendete, weil ihr der Nerv dazu fehlte. Darüber hinaus beschlich sie stets das Gefühl, als sei es ihr ins Gesicht geschrieben, was ihr in den Ferien passiert war. Aber vielleicht war es auch ihre knappe Art, die die seltsamen Reaktionen bei den Anderen auslöste. Was auch immer, sie zog sich so gut es ging zurück.

Ihr Donnerstag begann mit zwei Stunden Zaubertränken und schon bevor sie den Keller betrat, stülpte sich ihr Magen beinahe um vor banger Erwartung und Hassgefühlen. In Snapes Welt war es dunkel und kühl, das einzige, was in dem Klassenzimmer Leben zu besitzen schien, waren die Ingredienzien für die Tränke, die in den Regalen standen und im Licht der Kerzen geheimnisvoll in allen Farben leuchteten.

In Gedanken versunken wäre sie fast zu ihrem angestammten Platz gegangen, zweite Reihe, direkt neben Kelly, aber ihr Stuhl war schon besetzt mit einem Jungen aus Hufflepuff. So blieb sie abrupt stehen und setzte sich in die letzte Reihe. Ruhig rollte sie ihr Pergament auf und griff zur Feder, um das Pergament vorzubeschriften.

In dem Moment schlug auch schon die Tür donnernd zu und eine schwarze Gestalt fegte durch die Mittelreihe. Wie stets hielt Snape sich nicht mit einleitenden Worten auf, sondern kam direkt zur Sache:

„Notieren sie die Inhaltsstoffe der folgenden Tränke: Nachtmahrtrank, Steinfleischtrank, Animatrank. Beschreiben sie Wirkung und die genau Zubereitung."

Ein sehr leises Stöhnen ging durch die Reihen, denn dies war so viel rbeit, dass sie in einer Dopplstudne kaum zu schaffen war. Als Snape abrupt den Kopf hob und seine dunklen Augen scharf durch den Raum schweifen ließ, sank den Aufrührern jedoch der Mut. Bald darauf war nur noch das Kratzen der Federn zu hören.

Alexa versuchte sich zu konzentrieren und am Anfang gelang es ihr recht gut. Der Nachtmahrtrank war keine große Herausforderung – er bewirkte, dass sich der Konsument von schlimmsten Ängsten gequält sah. Alraune, Nachttkerzenöl, Helleborus Niger. Pfeffer, ein Stück Ziegenhaut, eine weiße Feder und noch zehn andere Zusatzstoffe. Flüssig schrieb sie eine ganze Seite voll.

Gerade als sie sich dem Steinfleischtrank widmen wollte, bemerkte sie, dass sich ihr Schritte näherten. Sie kannte den Gang, geschmeidig, lauernd. Den Nacken tief über das Pergament gebeugt, hoffte sie, Snape würde bei seinem Kontrollgang durch die Reihen an ihr vorbeigehen. Ihre Hand begann leicht zu zittern und knackend setzte die Spitze ihrer Feder auf dem Papier auf und brach.

Ein hässlicher, schwarzer Tintenfleck sickerte über das Papier. Alexa starrte wie gebannt darauf. Tinte auf unbeschriebenem Pergament. Wie Blut auf weißer Haut.

„Miss Hammond."Sie legte die Hand mit der kaputten Feder auf dem Pult ab und zwang sich, aufzusehen. Der Lehrer – der Mitwisser, wisperten ihre Gedanken – stand neben ihrem Pult und blickte auf sie herab. Seine Mundwinkel zuckten, so als amüsiere er sich über irgendetwas. Hass wallte in Alexa auf, doch sie zähmte ihren Impuls aufzuspringen und etwas zu tun, irgendetwas zu tun. „Wie ungeschickt. Schreiben Sie es noch einmal. Alles. So eine Schmiererei dulde ich nicht."

Dieses Mal war der Impuls nicht mehr zu unterdrücken. Zornbrodelnd warf sie die Feder auf das Pult, sprang auf und lief. Lief aus dem Raum, schmetterte die Tür hinter sich zu, hastete die Treppe hinauf und immer weiter durch die Flure.

Sie rannte, bis sie auf dem Hof der Schule stand und ihr Herz schmerzhaft gegen ihre Rippen hämmerte. Ihre Lungen pfiffen und die heiße Pein von ihrer verletzten Seite drohte übermächtig zu werden. Mit einer Hand stützte sie sich an einer Mauer ab und atmete keuchend ein und aus.

Ihre Wut und ihre Schmerzen raubten ihr gleichermaßen die Sinne. Bilder zuckten durch ihren Kopf, Vorstellungen, was sie am liebsten getan hätte, wie sie Snape in das verhasste Gesicht geschlagen und gelacht hätte. Es erschreckte sie. Bilder voller Gewalt. Ronans Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge und fast sah sie ihn höhnisch grinsen. Sie war nicht nur ein Körper, den er benutzte – sie war ihm auch ähnlich geworden.

Der Gedanke raubte ihr den letzten Halt. Sie fiel gegen die Mauer, prallte hart darauf und sah dann nur Dunkelheit. Jegliches Gefühl schwand und sie begrüßte es fast.

Wirre Bilder.

Echos von Schmerzen in ihrem Körper und ihrem Kopf.

Ekel. Abscheu. Selbsthass.

Zeit verging.

Sie hört ein Wimmern und es kam von ihr selbst. Irgendwann sah sie wieder, sah den Himmel. Und hörte Stimmen. Sie blinzelte. Ein kleiner, etwas hutzeliger Kopf tauchte über ihr auf und sie brauchte etwas Zeit, um ihren Hauslehrer zu erkennen. Sie atmete durch und stellte fest, dass es wieder besser ging.

„Alles in Ordnung?", erkundigte sich Flitwick und half ihr auf die Beine. In seinem kleinen Körper steckte eine Menge verborgene Kraft, um die sie ihn hin und wieder beneidete. Doch sie war auch stolz auf sich, plötzlich wieder so sicher zu stehen, obwohl sich alles drehte. Sie hatte Kopfschmerzen, ertastete an ihrer Schläfe aber nur eine Beule an der Stelle, mit der sie an die Wand geschlagen war. „Sie sollten zu Poppy, ehm, Madam Pomfrey gehen."

Hinter Flitwick bemerkte Alexa den Besitzer der anderen Stimme, die sie gehört hatte. Bei Snapes Anblick hob und senkte sich ihr Magen ruckartig und sie zwang sich, ruhig zu sprechen, als sie sich mit einem halben Lächeln ihrem Hauslehrer zuwandte:

„Mir geht es gut, wirklich. Ich habe kaum geschlafen und nichts gegessen. Kein Wunder, das mir im Unterricht schlecht wurde. Aber es ist alles wieder in Ordnung."Sie hob den Blick Snape entgegen, der nun auch näher kam und sie musterte, so als wisse er genau, dass sie log. Ihre innere Ruhe kehrte zurück und sie schaffte es sogar, ihn anzulächeln. „Professor Snape, mein plötzlicher Aufbruch tut mir leid. Selbstverständlich werde ich die Aufgabe der Stunde nachreichen."

Wieder das dünne Lächeln. Am liebsten hätte sie ihm das Wort „Heuchler" entgegen geschrieen, doch sie tat es nicht.

„Seien sie morgen um zwanzig Uhr in meinem Büro, dann werden wir das klären", antwortete der Tränkemeister unverbindlich und wandte sich dann zum Gehen. Keine Regung war in seinem scharf gezeichneten Gesicht zu sehen. Seine Robe bläht sich hinter ihm im scharfen Wind, der über den Hof pfiff. Alexa folgte ihm mit den Augen, bis er verschwand. Sie fröstelte und Flitwick nahm ihre Hand.

„Der Professor hat sich an mich gewandt, da sie seinen Unterricht so abrupt verlassen haben. Wer konnte denn ahnen -? Nein. Nein. Nein. So etwas. Und jetzt gehen wir in mein Büro und Sie ruhen sich aus."

Willenlos ließ sie ihn gewähren.