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Kapitel 14
Dunkle Seele
Alexa fuhr mit einem leisen Schrei aus dem Schlaf und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Sie hatte wirr geträumt und war mehrere Male in dieser Nacht erwacht, weil sie fürchtete, Ronan könnte in jedem Schatten und jedem Winkel ihres kleinen Zimmers stehen und sie beobachten. Als sie trübes, graues Licht durch das Fenster fallen sah, atmete sie tief durch und schwang die Beine aus dem Bett.
Just in diesem Moment ging die Tür auf und Liza, nur im Nachthemd, kam mit nackten Füßen in den Raum getappt. Ihre Augen leuchteten voller Vorfreude.
„Mom ist schon wach. Sollen wir runter?"
Alexa betrachtete ihre kleine Schwester und stellte fest, dass Liza sehr viel erwachsener wirkte als noch vor wenigen Monaten. Ihre Stirn legte sich in Falten, als sie sofort wieder an Ronan denken musste.
„Zieh Dir besser etwas an, es ist kalt unten."
Liza huschte nickend hinaus und Alexa zog sich an, bevor sie den Weg nach unten in den Salon fand. Unter dem Weihnachtsbaum fand dann, als alle vier Bewohner des Hauses versammelt waren, die feierliche Überreichung der Geschenke statt. Alexa zwang sich zu einem Lächeln, als sie Ronan die von ihrer Mutter besorgten Bücher überreichte und machte selbst gute Miene zum bösen Spiel, als er sich eine dieser grässlichen Zigarillos ansteckte. Seine nächsten Worte zu Charlotte jagten jedoch einen freudigen Schauer durch ihre Adern.
„Ich werde heute Nacht wohl im Ministerium bleiben, Schatz, es gibt viel zuviel zu tun."
Das war der Zeitpunkt, auf den Alexa gewartete hatte und sie zog sich, sobald es ging, mit ihren Geschenken auf ihr Zimmer zurück, um sich vorzubereiten. Mit einem Lächeln legte sie die hübsche Haarspangen von Liza und das neue Täschchen mit Platz für Zaubertränke in ihren Koffer, um sie nach Hogwarts mitzunehmen – Ronans Geschenk hatte sie gar nicht erst ausgepackt und warf es in den Mülleimer.
Während die verhangene Sonne den Horizont passierte, rief sie sich noch einmal Snapes Unterricht ins Gedächtnis, murmelte leise die Worte vor sich hin und als sie zum Abendessen hinunter ging, war sie so selbstsicher, dass sie sogar am Tisch wieder lachen und mit Liza scherzen konnte. Nach Ronans Verabschiedung kehrte sie unter dem Vorwand, schon ins Bett gehen zu wollen, in ihr Zimmer zurück und wartete.
Erst als Mitternacht näher rückte, wagte sie es, ihren Zauberstab fest umklammert, den Raum zu verlassen und auf die dämmrige Diele zu treten. Sie wirkte den ersten Zauber und vollkommen lautlos huschte sie den Flur entlang und hielt vor den Türen ihrer Mutter und Schwester, um diese mit einem weiteren Wink des Zauberstabes zu versiegeln.
Ronans Arbeitszimmer, in dem niemand Zutritt hatte, lag im Keller und es dauerte eine ganze Weile, bis Alexa, zurückgeworfen von den Abwehrreaktionen des Schlosses, schließlich den Raum betreten konnte. Systematisch, wie ihr es Snape aufgetragen hatte, durchsuchte sie den Schreibtisch und seine Schubladen, dann die Bücher und zu guter letzt die Wände. Die Standuhr im Büro schlug eins, als Alexa den Illusionszauber über einem Teil der Wand entdeckte. Angespannt zuckte sie zusammen, als die Schläge des Uhrwerks im Zimmer wiederhallten.
Ronan hatte seine Geheimnisse gut verborgen und es kostete Alexa beinahe eine weitere Stunde, um die Illusion und den damit verbundenen Schutzmechanismus zu zerstören und die Papiere hervorzuholen. Es waren verschlüsselte Listen und Karten und da sie sich sicher war, dass sie nicht übersehen hatte, was von Wichtigkeit war, begann sie, mit dem Zauberstab die Daten einzulesen und dort sicher zu verwahren. Seine Ministeriumsangelegenheiten bewahrte er sicherlich an seiner Arbeitsstelle auf, da sie dort geschützter waren als in einem Keller. Dies musste einfach von Bedeutung sein.
Sorgsam legte sie nachher die Papiere an ihren Platz, löschte mit einem Zauber die Spuren ihres Unterfangens und brachte auch Illusion und Schutzmechanismus wieder in Gang. Es war einfach – weil sie so lange dafür geübt hatte. Mit einem Lächeln sah sie sich im Raum um, ob sie offenkundige Spuren hinterlassen hatte und ging dann zum Schreibtisch, um dort einige Bücher noch einmal zurechtzurücken. Eines, das sie achtlos zugeschlagen und weggelegt hatte, weil es Ronans Tagebuch war, schlug sie wieder auf und blätterte nach der richtigen Seite.
Unbewusst überflog sie einige Zeilen. Es ging um seien Arbeit, um ihre Mutter – zu Alexas Erstaunen Worte des Respekts und der Zuneigung - und als sie genauer hinsah, entdeckte sie auch einige Anmerkungen über sich, sehr kryptisch gehalten aber klar zu lesen. Das Buch fiel ihr aus der Hand. Wie in Trance hob sie es auf und legte es ordentlich zurück, dann verließ sie nach den letzten Säuberungen den Raum und verschloss das Zimmer wieder ordentlich. Sie hatte keinen Zweifel, dass Ronan nichts bemerken würde.
Ihr Herz schlug wie wild, als sie die Treppe hinaufging und auf dem Absatz dann wie angewurzelt stehen blieb. Dort hatte es gestanden und wenn es konnte war-. Es musste wahr sein. So viele Anzeichen. Die Übelkeit seit Beginn des Schuljahres. Und sie war längst überfällig.
Hoffe, das Biest hängt sich kein Balg an. Das hatte dort gestanden.
Alexa schloss die Augen. Vieles hatte sie ertragen können, aber das würde sie nicht können. Nicht Ronans Kind. Prompt wurde ihr wieder übel, doch sie schluckte das, was in ihrer Kehle aufstieg, hinunter. All ihre Gedanken richteten sich auf Charlotte und Liza. Sie würden bald außer Gefahr sein. Vielleicht in etwas weniger als einem Tag.
Mit schleppenden Schritten ging sie in ihr Zimmer, hüllte ihren Zauberstab in Papier ein, schreib Snapes Namen darauf und befestigte ihn am Fuß ihrer Eule Calliope.
„Bring es nach Hogwarts."
Weit stieß sie das Fenster auf und entließ das Tier in die bitterkalte Winternacht. Eine Weile stand Alexa noch am Fenster und blickte hinaus, dann schloss sie die Läden und verließ das Haus.
Der Vorort Londons lag friedlich da und nur wenige Muggel und Zauberer waren unterwegs. Sie genoss die Kälte, obwohl sie keinen Mantel mitgenommen hatte und lauschte den Glocken eines nahen Kirchturms. Es gab viel zu vermissen in dieser seltsamen Welt, aber sie wusste, dass es etwas gab, das ihr jeglichen Blick in die Zukunft verbauen würde. Allein schon das, was Ronan ihr angetan hatte, würde sie für immer belasten und noch eine Prüfung würde sie einfach nicht überstehen.
Es war, als hätte sie mit dem erfolgreichen Versuch, ihn auszuspionieren, alles getan, alles in die Wege geleitete, um ihre Familie zu beschützen und alles zum Guten zu wenden. Was blieb, war bleischwere Leere in ihr und ein ziehender Schmerz im Herzen.
Ein kleiner Weg führte von der Straße ab und sie folgte ihm durch eine gemütliche Laubenkolonie, in der im Sommer Grillfeste stattfanden und auch einige Zauberer lebten. Nahe der kleinen Häuser mit den liebevoll gepflegten Gärten zog sich eine Bahntrasse durch die Landschaft und eine Brücke führte zum zweiten Teil der Kolonie.
Alexa ging, bis sie mitten darauf stand und verharrte dann. Die Lichter der Signale glommen in der Dunkelheit wie rote Augen und ein leichtes Summen stieg von den Leitungen auf, wie Bienen in der Luft. Das Geländer war niedrig und leicht zu überklettern. Alexa tat es, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden. Sich mit beiden Händen noch am Geländer festhaltend, starrte sie hinunter in die Dunkelheit, die das Gleisbett versteckte. Schmerzliche Gedanken schossen durch ihre Kopf.
Es gab keine Lösung. Kein Vergessen. Außer diesem. Dann ließ sie los.
