Bia: Kannst Gedanken lesen, oder?

Sarah 1987: Danke für das Kompliment und die Review!

Kapitel 20

Katastrophe

Das Ende der Weihnachtsferien wurde für Alexa zur Nebensache. Mit jedem Tag, der verging, fühlte sie sich befreiter. Es lag nicht daran, dass Snape sie nach jener Neujahrsnacht noch einmal an sich herangelassen hätte. Im Gegenteil, er ging ihr aus dem Weg und eigentlich war es ihr Recht. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Gedanken und Gefühle so weit geordnet hatte, damit sie die Geschehnisse als das begreifen konnte, was sie gewesen waren – eine wunderbare Ausnahme, eine Flucht aus der Realität, die sie sehr genossen hatte.

Ihre Gefühle hatte sie niederkämpfen können, indem sie sich einredete, dass die ungewohnte Zärtlichkeit, die sie für Snape empfand, die Überreaktion auf die ungewohnte Nähe gewesen war, die er ihr gegeben hatte. Nicht zu leugnen war, dass sie ihm dankbar war und vielleicht ein wenig zu leicht zu vergessen bereit war, was für einen Charakter der Lehrer besaß.

Die erste Unterrichtswoche plätscherte träge dahin und Alexa fand sich ohne Probleme im Stoff wieder, den sie eine Weile vernachlässigt hatte. Es war Samstag und die große Halle summte vor Geschäftigkeit. Der erste Ausflug des Jahres nach Hogsmeade stand bevor und alle Zweitklässler, denen es zum ersten Mal erlaubt war, waren nur noch mit Mühe von ihren Hauslehrern davon abzuhalten, einfach loszustürmen.

Alexa aß Müsli mit Schokoladenstückchen, hatte sich in ein Buch mit dem Titel „Verwandlungszauber leicht gemacht" vergraben und bekam wenig von dem Trubel um sie herum mit. Plötzlich zupfte sie jemand am Ärmel und sie blickte auf, direkt in das Gesicht ihrer Schwester Liza, die neben ihr stand und nervös aussah.

„Lexi, Du, ich habe eine Frage."

„Raus damit!" Sie strich ihrer kleinen Schwester eine blonde Strähne aus dem Gesicht, auf der sie aus Gewohnheit rumzukauen pflegte und lächelte. „Hat es mit einem Jungen zu tun?"

Liza schüttelte verlegen den Kopf.

„Ich wollte nur wissen, also, wenn ich etwas tun würde, was verboten ist und es rauskäme, wärst Du dann sauer?" Sie verschränkte die dünnen Arme und schob trotzig die Unterlippe vor. „Mehr sage ich aber nicht."

Aufgrund der seltsamen Frage runzelte Alexa die Stirn, doch dann musste sie an ihre ersten Jahre in Hogwarts denken.

„Dann mach nichts Gefährliches und lass Dich nicht erwischen!"

Liza nickte, lachte sie an und verschwand mit wehender Robe aus den Großen Halle. Alexa blieb mit einem unguten Gefühl in der Magengrube zurück, das nicht besser wurde, als sich die Halle mit den Ausflüglern leerte. Als schließlich Kelly auf sie zukam und ein reichlich betretenes Gesicht zeigte, wurde Alexa klar, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

„Was ist?", blaffte sie, sich im letzten Moment an ihre erzwungene Zurückhaltung gegenüber Kelly erinnernd und ihre ehemals beste Freundin trat einen Schritt zurück. Dann jedoch richtete sie sich auf und hob den Kopf.

„Lexi, ich – ich habe mit Deiner Mutter und Deinem Stiefvater geredet. Dass Du so komisch bist und niemanden mehr an Dich ranlässt." Mit jedem Wort wurde Kelly selbstsicherer und Alexa spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sie wollte etwas sagen, doch Kelly schnitt ihr das Wort ab. „Nein, lass mich ausreden. Sie macht sich große Sorgen um Dich und hat mir erzählt, dass Du schon an Weihnachten wieder hergekommen bist, um bei Professor Snape zu arbeiten. Snape? Ich bitte Dich!" Kellys Gesicht rötete sich. „Du kannst ihn nicht mal leiden. Jetzt sag endlich, was los ist!"

Alexa seufzte und hob abwehrend die Hände.

„Kelly, bitte, es ist wirklich alles in Ordnung." Sie wollte weiter abwiegeln, als sie plötzlich in der Tür der Großen Halle Albus Dumbledore auftauchen und auf sie zukommen sah. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war besorgniserregend und als er in seine Robe griff, um ein Stück Pergament hervorzuziehen, meinteAlexa, dass ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten. Doch sie fing sich und blickte den Schulleiter an. Dieser räusperte sich unbehaglich.

„Miss Hammond, ich habe leider schlechte Neuigkeiten. Ihre Mutter befindet sich in St. Mungos und Ihr Stiefvater ist verschwunden."

In Alexas Ohren rauschte es und sie erkannte ihre eigene Stimme nicht, als sie fragte:

„Ist sie – tot?"

Dumbledore schien ein Stück in sich zusammenzusacken, schüttelte jedoch den Kopf.

„Nein, aber ihr Zustand ist sehr ernst. Wenn Sie es wünschen, Miss Hammond, dann können Sie sofort-."

Doch Alexa hörte schon gar nicht mehr, denn in die Betäubung, die die Nachricht in ihr zurückgelassen hatte, war ein neuer, schmerzender Gedanke gedrungen. Sie rannte los, an dem verblüfften Schulleiter vorbei, rücksichtslos andere Schüler aus dem Weg stoßend, bis sie den Haupteingang passiert hatte und in die schneidende Kälte des Wintertages eingetaucht war. Dann konzentrierte sie sich auf das Apparieren. Die Prüfung hatte sie zwar im letzten Jahr ohne Probleme bestanden, doch sie hasste das Gefühl, sich auf diese Weise zu bewegen.

Den Bruchteil einer Sekunden später fand sie sich hinter einem der kleinen Häuser in Hogsmeade wieder. Der Schnee lag so hoch, dass er es ihr unmöglich machte, so schnell fortzukommen, wie sie es wollte. Das ungute Gefühl in ihr, als sie ihrer kleinen Schwester erlaubt hatte, ein wenig ‚Unsinn' zu machen, wurde nun fast zu einem Kreischen in ihrem Inneren und als sie auf die Hauptstraße taumelte, begann sie sofort, wie verrückt Lizas Namen zu rufen. Die Köpfe der Schüler und der Erwachsenen schossen zu ihr herum, und Alexa brüllte ihnen entgegen, sie sollten mit nach ihrer Schwester suchen, die irgendwo sein musste.

Die beißende Feuchtigkeit des Frostes und Schnees drang durch Alexas Robe, doch sie kümmerte sich nicht darum, obwohl sie vor Kälte und Angst keuchte und zitterte. Sie stürmte in den „Honigtopf" und in „Zonkos", da sie wusste, welche Anziehungskraft diese Geschäfte auf die jungeren Schüler hatten, doch nirgendwo war Lizas blonder Kopf zu sehen. Die „Drei Besen" waren wegen Umbauarbeiten geschlossen, wie ein Schild verkündete und Alexa fuhr sofort herum, als sie es lesen konnte. So rannte sie dorfauswärts, in den Teil von Hogsmeade, der weniger bevölkert war und ließ den Lärm und die fröhliche Atmosphäre des Dorfes hinter sich zurück. Das Heulen des Windes verstärkte sich, als sie in jeden Winkel, jede Gasse blickte, die Hand inzwischen fest um ihren Zauberstab geschlossen. Verharschter Schnee wehte ihr in das eiskalte Gesicht und ließ ihre Tränen aus Schmerz und Wut fast gefrieren.

Als sie in eine vom Schnee fast völlig befreite Gasse bog, eng beschirmt von zwei Häusern, die einen düsteren Schatten warfen, blieb ihr fast das Herz stehen, denn dort sah sie Liza. Ihre Schwester lag zusammengekrümmt auf einem Schneehaufen und rührte sich nicht. Alexas Füße machten die ersten Schritte, bevor ihr Verstand einsetzen konnte und als eine Stimme aus einem von der Straße nicht einzusehenden Winkel erklang, wusste sie, dass es zu spät war.

„Expelliarmus!" Der Schock des Zaubers schleuderte Alexa gegen die bröckelige Wand des Hauses und ihr Zauberstab entglitt ihren erstarrten Händen. Ronan löste sich aus den Schatten der Wand ihr gegenüber und lächelte. „Ach, Alexa. Warum konntest Du nur die Klappe nicht halten." Er sah gut aus, entspannt und fast so, als sei er auf einem Vergnügungsausflug. Doch die Wahrheit über ihn stand in seinen Augen geschrieben, die sich bösartig auf Alexa gerichtet hatten. Als sie ihre Hand ausstreckte, um ihren Zauberstab zu erreichen, sprang er vor und trat ihr mit Wucht auf die Hand. Knochen brachen knackend und Alexa schrie gequält auf. Ronan beugte sich zu ihr hinunter. „Glaub mir, Du weißt gar nicht, was Schmerzen sind. Crucio."

Und Alexas Welt explodierte.