Kathi: Ja, ich liebe es, meine Leser auf die Folter zu spannen. Leider muss ich nach diesem Kapitel erst mal eine Woche Pause machen, weil ich von der Arbeit aus eine Woche wegfahre. Aber die Kekse und den Ansporn nehme ich mit! Ich danke Dir!

Isidra: Ach Süße! Du bist einfach lieb. Danke fürs Mitzittern und Motivieren+knuddel+

Kapitel 33

Ascylpa

Ascylpa Snape saß auf einem Stuhl in der Ecke, die Füße parallel gestellt, die Hände gefaltet im Schoß ihrer abgetragenen schwarzen Robe, den Kopf gesenkt. Sie war winzig klein, kleiner noch als Alexa und ihre Handgelenke, die aus den Ärmeln schauten, waren beängstigend dünn, wie die eines Skeletts. Ihr Haar, das ihr Gesicht verbarg wie ein Vorhang, war dunkel, doch es war im schwachen Licht nicht zu erkennen, welche Farbe sie genau hatten, nur, dass sie von zahlreichen silbernen Fäden durchzogen wurden.

Alexa machte zögerlich ein paar Schritte ins Innere der Zelle und sah sich um. Ein Tisch in der Mitte, ein Bett und eine Kommode an der Wand. Ein Sichtschutz, hinter dem Wohl der Nassbereich lag. Es roch durchdringend nach Urin und etwas anderem, das Alexa nicht einordnen konnte. Ihre Nackenhaare sträubten sich, doch sie zwang sich, weiterzugehen, auf diese stille Gestalt zu, die dort nur saß und sich nicht bewegte, deren Atem Alexa wie eine Geduldsprobe erschien, die sie abstieß und ekelte. Vor dem Stuhl in der Ecke ließ sie sich auf ein Knie nieder und blickte zu Severus Snapes Mutter auf. Noch immer war deren Gesicht nicht zu sehen, doch Alexa meinte plötzlich zu sehen, wie in den Schatten der Haare jettschwarze Augen aufblitzten. Sie hob eine Hand, um sie auf Ascylpas Arm zu legen und plötzlich, ohne Warnung, schossen die knochigen Hände der alten Frau vor und umklammerten Alexas Handgelenk.

„So", sagte sie mit dünner Stimme, die jedes Gefühls entbehrte und Alexa erschauderte, als die Gefangene den Kopf hob und sie anblickte. Ihr Gesicht glich einem alterslosen Totenkopf, nur noch bedeckt mit dünner, pergamentsfarbener Haut, die sich straff über jeden Muskel gelegt hatte und der Schock traf Alexa, als sie in diesen Zügen, diesen Bewegungen und in dieser Gestalt der Mutter den Sohn wiederfand. Unfähig, sich aus Ascylpas Griff zu lösen, auch wenn keine Kraft in ihm lag, starrte Alexa sie an. Doch sie wurde ihrerseits gemustert und dann plötzlich losgelassen. Snapes Mutter lächelte dünn und boshaft, doch es lag etwas hinter dieser Geste, das Alexa erbleichen ließ. Es war der Wahnsinn, der aus Ascylpas Augen sprach, als sie diese über Alexas Gesicht wandern ließ. „Du bist also gekommen. Du hast mich die ganze Zeit alleine gelassen, aber ich wusste es trotzdem." Mit einer ungeduldigen Geste strich sie sich mit den von Kälte und Feuchtigkeit gekrümmten Fingern etwas Haar aus dem Gesicht und richtete sich auf, so gut sie es vermochte. Alexa spürte unvermittelt, wie etwas in sie tastete und brauchte den Bruchteil einer Sekunden, um zu begreifen, dass es Ascylpa war, die sich ihrer Gedanken und Erinnerungen bemächtigen wollte. Sofort leerte sie ihren Geist von all dem, was sie in diesem Moment bestürmte, ihre Gefühle, ihre Hoffnungen ließ sie fortfließen und baute einen Schutz gegen das Vordringen auf, wie sie es in den letzten Jahren gelernt hatte. Mit einem unwilligen Laut lehnte sich Ascylpa wieder zurück und fiel sichtlich in sich zusammen. „Versuchst wohl alle kleinen schmutzigen Tricks, nicht wahr, meine Kleine?"

„Das machst Du auch, Mutter", gab Alexa zurück und bemühte sich um einen selbstsicheren Tonfall. Ascylpa kicherte plötzlich und wiegte den Kopf, sie dass ihr das Haar erneut ins Gesicht fiel. Dann begann sie, ihren Oberkörper rhythmisch vor und zurück zu bewegen, so wie ein Kind, das sich selbst in den Schlaf wiegen wollte.

„Ach, Mädchen, ich habe mich oft gefragt, wie Du wohl aussiehst, wenn wir uns wieder begegnen. Und jetzt erkenne ich all das Gute von mir in Dir wieder, wie schön", flüsterte sie und lachte knarzend. „Es ist nicht der äußere Schein, oh nein. Ich kann in Dich sehen, trotz Deiner Bemühungen. Du bist genau wie ich, so, wie es sein soll. Du hast Rache im Herzen und Wut, endlose Wut, für deren Befriedigung Du alles tun würdest, nicht wahr?" Alexa prallte zurück, sich erkannt fühlend und auch wenn ihr Verstand sagte, das Ascylpa Dinge auf sie projizierte, wurde sie den Eindruck nicht los, dass Snapes Mutter hinter ihre Fassade sah. Irritiert wendete sie den Blick ab, ließ ihn erneut durch die Zelle wandern. „Das ist nicht das, was ich verdient habe, Sophie und bald wird sich das ändern. Ich warte schon so lange und nun bist Du da. Das zweite Zeichen, weißt Du? Jetzt wird der Lord mich bald zu sich holen und mir danken für meine Treue."

„Das hast Du Dir verdient, Mutter", flüsterte Alexa fast unhörbar und widerstand dem Impuls, auszuspringen und so weit zu rennen, bis sie Ascylpas Stimme, ihr Atmen und den hasserfüllten Klang ihrer Stimme nicht mehr hören konnte. Doch sie zwang sich dazu, sich an den Grund ihres Besuches zu erinnern und ganz gleich, wie schlecht sie sich fühlte, sie brauchte Informationen. „Was war das erste Zeichen?"

Ascylpa erhob sich würdevoll, wie eine entthronte Königin und Alexa ließ sie passieren, richtete sich dann ebenfalls auf, um Snapes Mutter nachzusehen. Unsichere Schritte trugen die Gefangene durch die Zelle, die Sohlen ihrer nackten Füße strichen über den Stein. Am Tisch blieb sie stehen und legte eine Hand auf die abgewetzte Platte, um sich zu stützen, und dann drehte sie den Kopf, sie dass sie Alexa wieder ansehen konnte. Purer Hohn sprach aus ihrer Stimme und ihrem Blick, doch auch eine Art perverser Zärtlichkeit, von der Alexa wusste, dass sie ihr galt.

„Arme Süße. Du hast gebüßt für Deinen Bruder, dabei bist Du doch tausend Mal mehr wert als er." Sie spuckte auf den schmutzigen Boden. „Ihn überhaupt zur Welt zu bringen war ein Fehler. Als ich ihn das erste Mal sah, wusste ich bereits, was für ein elender Schwächling er sein würde, genau wie sein Vater. Ich habe mich geschämt für ihn. Mit Dir habe ich den Fehler nicht gemacht. Ich habe den Mann genommen, den der Lord mir gab und das Ergebnis warst Du. Rein und genauso wie ich." Ihr Bericht schien sie aufzuregen und ihre Finger krallten sich in das Holz des Tisches. „Aber nun ist es ja gut und jeder bekommt, was er verdient."

„Ja, jeder bekommt, was er verdient", echote Alexa und nickte leicht, wie betäubt. Sie erkannte, dass sie diese Frau hasste, abgrundtief hasste und dieses Gefühl erschreckte sie maßlos, denn es war, als würde sie einen alten Bekannten willkommen heißen, den sie lange vermisst hatte. In all den Jahren, die sie Ronan nicht gesehen hatte, hatte sie gemeint, diese Gefühle aus sich verbannt zu haben und nun, da sie frisch in ihr aufloderten, war es, als brächen Wunden wieder auf, die sie schon lange geheilt gewähnt hatte. Zittrig atmend, schloss sie ihre Finger in ihrer Tasche um den Zauberstab, von dem ohnmächtigen Wunsch besessen, diese Frau zu töten, sie zu bestrafen für das, was sie getan hatte. Aber dafür war sie nicht hergekommen, sagte sie sich und presste eine weitere Frage hervor, von der für sie alles abhing. Denn sie wusste, dass sie nicht mehr lange in dieser Zelle bleiben konnte, ohne ihrer Wut nachgeben zu müssen. „Wo ist mein Bruder?"

Ascylpa warf den Kopf in den Nacken und lachte schrill.

„Da, wo er hingehört. Bei seiner Lordschaft." Sie taumelte auf Alexa zu, griff sie am Arm, um eine Stütze ringend. „Du wirst ihn sehen wollen, nicht wahr? Um Dich bei ihm zu bedanken, nicht wahr? Du wirst schon bald die Gelegenheit haben, meine Süße. Triff mich bei unserem Haus, wenn ich hier fort bin und dann werden wir ihm beide ins Gesicht spucken. Versprich es mir!"

„Natürlich, Mutter, nur Du und ich, so, wie es schon immer hätte sein sollen." Alexa war übel und sie schmeckte bittere Galle in ihrem Mund, erkannte sie doch in Ascylpa Ronan, entdeckte die Züge von Gewalt und Verachtung, die ihr Leben zerstört hatten. Verschwommen erinnerte sie sich an Severus Snapes Worte, in denen er sie warnte, so zu werden wie er und erkannte, dass sie kurz davor, die endgültige Kontrolle darüber zu verlieren. Die Bösartigkeit, die Ascylpa zu Eigen war wie eine zweite Haut, empfand sie nun selbst, verlor sich in dem Gedanken zu töten und Rache zu nehmen für das, was man ihr angetan hatte, stärker als jemals zuvor. Doch es gab etwas, das sie zurückhielt, das sie gemahnte, sich nicht zu verlieren und zu bedenken, was sie tat. Es war die Erinnerung an jene Nacht in Severus Snapes Bett, in der sie in seine Seele geblickt hatte, hinter seine mühsam aufgebaute Maske, die dem Verhalten seiner Mutter so sehr ähnelte. Dort war Menschlichkeit gewesen, Verletzlichkeit und Gefühl, das Alexa dort nicht vermutet hatte. Dafür setzte sie sich ein, für diese Essenz, die in Severus verblieben war und die ihr so wertvoll erschienen war. Mensch wollte sie bleiben und wenn sie nun handelte, tötete, die Kontrolle verloren, dann würde sie vielleicht niemals mehr den Weg zurück finden. Das schuldete sie Severus Snape, den sie immer noch liebte in einem Winkel ihres Herzens, von dem sie sich abgewendet hatte. „Ich verspreche es Dir, Mutter. Wir beide gemeinsam."

Alexa vergaß ihr Versprechen an Dumbledore nicht, aber sie wusste nun, dass sie es brechen musste. Wenn in den Worten der alten Frau über ihre baldige Befreiung nur ein Funken Wahrheit lag, dann würde Alexa alles tun, alles, um Severus Snape zu finden.