All Reviewer: Ich danke Euch für die Treue und den Durchhaltewillen bei all den Kapiteln – ohne Euch hätte ich weder meine Motivation noch meine Inspiration. Wir sehen und lesen uns beim nächsten Ausflug in die düstere Welt des Tränkemeisters. Eure Demetra

Kapitel 37

Unsere Dunkelheit

Severus Snapes warmer, bewegungsloser Körper ruhte neben ihr, als Alexa erwachte, steif und mit dem Gefühl, als sei ihr Innerstes mit Glasscherben gefüllt, die bei jeder Bewegung in ihr Fleisch schnitten. Dennoch setzte sie sich vorsichtig auf, um sich umzusehen und festzustellen, dass sich ihre hoffnungslose Situation nicht verändert hatte. Sie waren in einem kleinen Kellerraum, der bis auf eine schmale Pritsche aus Metall und einer schmutzigen Matratze vollkommen leer war. Mattes Licht fiel durch ein Fester über ihrem Kopf hinein, doch es stammte nicht von einer Öffnung, sondern von dem sachte funkelnden magischen Feld, der auch diese Fluchtmöglichkeit abschnitt, ebenso endgültig wie die schwere, gusseiserne Tür.

Mit fest zusammengepressten Lippen drehte sie sich um, um nachzusehen, ob Snape bei Bewusstsein war und schrak leicht zusammen, als sie sah, dass er die Augen geöffnet hatte und sie musterte. Sein Blick war müde und fern jener bohrenden Schärfe, die er sonst besaß. Seine blasse Haut wirkte fast durchscheinend und die Wunden, die seine Züge missgestalteten, dadurch nur noch hässlicher. Alexa schluckte trocken und formte ein zittriges Lächeln, das, so hoffte sie, nicht die Hoffnungslosigkeit ausdrückte, die sie empfand.

„Sie sind - wieder einmal fernab jeder Vernunft", beschied ihr Snape mit dunkler, brüchiger Stimme, der jeder Spott fehlte und hustete dann qualvoll. „Warum sind Sie, bei Merlins Willen, hier?"

Alexa wollte ihm alles erklären, ihre Dummheit vor ihm rechtfertigen, doch sie konnte es nicht, nicht, wenn sie seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen fühlte. Abrupt schwang sie die Beine von der Pritsche und erhob sich, obwohl es grauenhaft wehtat. Sie begann, auf und ab zu gehen, während sie berichtete, was geschehen war und starrte auf alles, nur nicht auf Snape, der sich während ihres Monologes nicht bewegte. Sie hoffte fast, dass er eingeschlafen oder in Ohnmacht gefallen war, als sie zu den Ereignissen im Garten von Snapes Elternhaus kam. Nicht um ihretwillen - noch immer tat ihr nicht leid, was sie getan hatte und sie hasste sich selbst für diese stumpfe Gleichgültigkeit. Es ging ihr um Snape und als sie berichtete, dass sie Ascylpa getötet hatte, bemerkte sie betroffen, dass er zusammenzuckte. Da verharrte sie und blickte zu Boden, unfähig, seinen Schmerz über den Tod dieser Frau zu teilen, sich falsch und verlogen fühlend, weil sie meinte, Snape so großen Schmerz angetan zu haben, obwohl sie so viel für ihn empfand. Schließlich brachte sie einige Worte hervor.

„Ich wünschte, ich hätte Ihnen das ersparen können", wisperte sie rau und sah Snape an, wartend, was er nun tun oder sagen würde. Ratlosigkeit und Angst überfielen sie, doch da drehte Snape den Kopf und blickte sie direkt an. Und da waren weder Hass noch Abscheu in seinen schwarzen Augen.

„Komm Sie her, Alexa und setzen Sie Sich." Willenlos folgte sie den sanften Worten, die nichtsdestotrotz einen Befehl beinhalteten und ließ sich auf der Bettkante nieder. Snapes Hand fing eine der ihren, die nervös zitterte, auf und hielt sie fest, barg sie in Wärme und Halt. „Es nützt nichts, sich mehr Gedanken zu machen als nötig wären. Habe ich Ihnen das nicht näher bringen können in all der Zeit?" Er sprach zu ihr bar jedes Spottes und sie nickte nur leicht, zu keiner anderen Regung fähig. Irgendetwas in seinem ruhigen Tonfall und dem fast erlösten Blick in seinen Augen alarmierte sie, doch sie wusste nicht, was es genau war. „Meine Mutter hat sich selbst getötet durch ihren Glauben an Voldemort und ihre Taten. Der Gedanke an sie berührt mich nicht mehr. Es gibt Dinge, die gehen vorbei, auch wenn man sie bis zum Tode in sich tragen wird." Er lächelte kurz und schmerzlich, als er vom Tod sprach. Alexa wäre fast das Herz stehen geblieben im Angesicht der Erkenntnis, die sie unvorbereitet und bis ins Innerste traf. Sie rang nach Luft und wollte ihm erzählen, dass er nicht sterben würde, dass alles gut werden und man sie finden würde, bevor Voldemort sein Werk verrichtete, doch sie konnte es nicht. Snapes bemerkte, was in ihr vorging und schloss seine Finger fester um die ihren, als er langsam weitersprach. „Es betrübt mich zu sehen, wie es mit Ihnen endet, doch ich fürchte, ich habe eine Bitte an Sie, die es Ihnen nicht einfacher machen wird."

Verwirrt blickte sie ihn an, nicht wissend, worauf er hinaus wollte.

„Ich – ich soll etwas für Sie tun? Sagen Sie es und ich werde versuchen-."

Snape schüttelte unwirsch den Kopf und starrte zu ihr hinauf, unfähig, sich zu erheben und seine bislang stets existente körperliche Überlegenheit auszunutzen. Alexa sah, dass er sich darüber ärgerte und fühlte mit ihm.

„Nicht versuchen, Alexa. Worum ich Sie bitte, müssen Sie mir unbedingt erfüllen, sonst ist alles verloren." Ein unangenehmes Prickeln lief über Alexas Nacken, eine leise Ahnung dessen, was auf sie zukommen würde und so nickte sie, Einverständnis mit dem zeigend, was er von ihr forderte. „Voldemort wird Sie benutzen, um mich zum Reden zu zwingen und so sehr ich mir einrede, dieses Mittel als keines zu akzeptieren, das mich zum Sprechen bringen wird, muss ich doch den Tatsachen ins Auge sehen." Alexa fühlte einen kleinen Moment irrationaler Freude bei dem, was er sagte, auch wenn die Umstände ganz und gar keinen Anlass zur Freude boten. Sie sah Snape in die Augen und erblickte dort, unverschleiert und ehrlich, ein bisher verborgen gehaltenes Gefühl, das nun seinen Weg nach außen fand. „Unter gar keinen Umständen möchte ich dafür verantwortlich sein, Ihnen Schmerzen zugefügt zu haben."

„Und ebenso wenig möchten Sie Voldemort erzählen, was Sie wissen", setzte Alexa leise hinzu. „Ich verstehe." Die Worte hingen in der Luft, drangen weit durch die Stille des kalten Raumes. Klarheit sickerte durch ihr Gehirn wie Wasser über einen Felssturz und sie begriff, warum Snape in diesem Moment mehr er selbst und mit sich im Reinen zu sein schien als jemals zuvor. „Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu verhindern. Ihr Tod."

Snape nickte leicht und die Qual, die er empfinden musste, zeichnete sich überdeutlich auf seinem totenbleichen, geschundenen Gesicht ab.

„Man wird Sie und mich töten, aber ich will meinen Tod zu meinen Bedingungen, auch wenn das bedeuten wird, Sie Voldemort zu überlassen."

Dieses Mal war es an Alexa, seine Hand fester zu greifen. Sie lächelte freundlos zu ihm herunter, unfähig, Trost zu empfinden neben dem nagenden Bewusstsein, dass sie seinen Wunsch erfüllen musste, ganz gleich, was sie dabei empfinden mochte.

„Da er von mir nichts erfahren kann, was ihn interessieren wird, wird es schnell gehen", brachte sie mit versiegender Stimme hervor und fragte dann: „Wie soll ich – es tun?" Und dann brach aus ihr hervor, was dort die ganze Zeit, die dieses unsägliche Gespräch gedauert hatte, in ihr gelauert hatte. Fort war der letzte Rest an Tapferkeit, fort die seltsame Taubheit ihrer Sinne und Gefühle. Nadelspitzer Schmerz fuhr durch ihr Herz und sie biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Es war nicht der Moment, um in Tränen auszubrechen und doch schwammen ihre Augen darin. Sie sah, dass Snape – Severus – sie beobachtete und straffte ihre Gestalt ein wenig und nickte leicht, um sich und ihm zu bestätigen, dass sie zu dem stand, was sie gesagt hatte.

„Im – Saum meines Umhanges- ist eine unzerbrechliche Phiole. Genug für – eine Person."

Alexa hob zögerlich die Hand und begann, den Stoff abzutasten, bis sie unweit einer zerrissenen Stelle den Umriss des Fläschchens fühlte. Sie legte es frei und nahm es in die Hand, innerlich zitternd und aufbegehrend gegen das, was sie zu tun gedachte. Doch dann schob ihr Fingernagel die Wachssicht zur Seite und zerstörte das Siegel. Ein leichter, süßer Duft erfüllte die Zelle, ausgehend von der trügerisch schön anzusehenden azurblauen Flüssigkeit. Alexa beugte sich über Severus, sah ihn an und erblickte den Wunsch in seinen Augen. Da hob sie die Hand und träufelte ihm das Gift in den Mund, nahm ihm Schmerz und Pein, so wie er sie ihr genommen hatte, in einer Zeit, die für sie unendlich weit in der Vergangenheit zu liegen schien.

Er sprach nicht mehr. Er regte sich schon nicht mehr, als sie das Fläschchen zu Boden gleiten ließ und eine seiner großen, feingliedrigen Hände in die ihren nahm, stumm weinend. Wenig später öffnete sich die Tür und Alexa hob den Kopf. Es war Zeit zu gehen.