4.Kapitel

„Idril!"flüsterte ich. „Iiiiidril!" Meine neue Freundin drehte sich seufzend zu mir um und wischte sich das strohblonde Haar aus dem Gesicht. „Was ist denn, Éo?" Ich zuckte leicht zusammen. Ich würde noch eine ganze Weile brauche, bis ich mich an den neuen Namen gewöhnt hatte. „Die Reiter. Werden sie kommen? Du musst es doch wissen." „Ja, werden sie."murmelte Idril verschlafen.

Wir lagen in einer Ecke des Hinterzimmers der Hobbits, in dem es ziemlich eng war mit vier Hobbits, einem ausgewachsenen und zwei 16-jährigen Menschen. Ich konnte nicht schlafen, denn die Hobbits schnarchten unglaublich laut. „Idril. Ich habe Angst."sagte ich leise. Nach den Erzählungen die ich von Idril, den Hobbits und vor allem diesen Aragorn gehört hatte, war mit den Nazgûl nicht gut Kirschen essen. Ehrlich gesagt erinnerten sie mich ein bisschen an Voldemorts Todesser, auch wenn ich noch nie einen reitend gesehen hatte. Jetzt drehte sich die Elbin vollständig um. „Ich auch, Éo, ich auch. Aber uns wird nichts passieren, denn Aragorn ist ja hier und die Tür haben wir auch verbarrikadiert." „Wenn ich ehrlich bin, finde ich den eher unheimlich. So seltsam wie er uns immer anschaut..." „Doch dazu besteht kein Grund."sagte eine raue Stimme hinter mir.

Ich drehte mich erschrocken um. Aragorn saß im Schneidersitz auf seiner Decke und musterte uns leicht belustigt. Na ja, da war ich mal wieder voll ins Fettnäpfchen getappt. Ich hatte mich selten so unangenehm gefühlt. „Es tut... es tut... es tut mir leid", stotterte ich. „Das war nicht so gemeint." „Doch, war es", meinte er schmunzelnd. „Doch ich weiß selbst, dass ich nicht sehr vertrauenerweckend aussehe." Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Er nahm es mir nicht übel. Auch Idril lächelte inzwischen.

Plötzlich hörten wir ein Krachen. „Sie sind da. Keinen Laut!"wisperte Aragorn. Die nachfolgenden Sekunden gehörten zu den unheimlichsten in meinem Leben. Wir hörten Krachen und das Ratschen von zerrissenem Stoff und wütendes Geflüster, gemischt mit dem leisen Klirren von Rüstungen und Schwertern. Dann war es still. Totenstill. Und das war schlimmer als alles andere zusammen. „Ich glaube, sie sind weg", sagte Idril etwas lauter. Wie zur Bestätigung hörte man in der Ferne einen Schrei, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

„Ich weiß, das war kein sehr schönes Erlebnis, aber ich finde, wir sollten alle noch mal versuchen zu schlafen. Wir sollten morgen früh zeitig nach Bruchtal aufbrechen und es wird ein harter Marsch. Ich hoffe nur, dass unsere kleinen Freunde hier", Aragorn warf denselben einen raschen Seitenblick zu, „es durchstehen. Besonders Frodo bereitet mir Sorgen, ohne dass ich ihren Grund zu erahnen weiß."sagte er jetzt sehr bestimmt. Es hat noch nie einen Menschen gegeben, den ich hätte weniger mit Dumbledore vergleichen können, doch diese Worte hätten von ihm stammen können. Mit diesem letzten Gedanken schlief ich endgültig ein.

~ ~ ~

Am nächsten Morgen ging es tatsächlich früh los. Hermione, Frodo, Pippin, Sam und Merry folgten Streicher in die Schlafzimmer, während ich noch einige Sekunden blinzelnd liegen blieb. Ich hatte einen seltsamen Traum gehabt. Er spielte auf einem Friedhof. Es waren viele Leute da. Hunderte. Ich kannte die meisten und einige waren entfernte Verwandte, die ich vielleicht einmal mit fünf auf der Beerdigung meines Urgroßvaters gesehen hatte. Den Rest hatte ich damals noch nie gesehen. Das hier sah genauso aus. Nur voller. Als wäre das ganze Dorf gekommen. Ganz vorne entdeckte ich schließlich meine Familie. Meine Mutter trug kein festliches, dem Elbischen nachempfundenen, unverschämt teueres, maßgeschneidertes Gewand, wie sonst bei festlichen Anlässen, sondern ein einfaches schwarzes, schnörkelloses Kleid und keinen Hut, was extrem selten war. Sie liebte ihre Hüte. Ich kam näher. Sie weinte leise. Das taten sie alle. Nur mein Vater nicht. Er hatte zuvor geweint. Jetzt fehlten ihm die Tränen. Er stand nur da und starrte bewegungslos auf den Sarg in der Mitte. Das war schlimmer als jede Träne. Schließlich wandte ich ihnen wieder den Rücken zu und ging durch die Reihen trauender Menschen. Was war los? Wer war gestorben? Ich verstand das alles nicht. In der hintersten Reihe stand Jan mit einem anderen Typen aus meiner Klasse. „Der Sarg ist leer. Sie fanden ihre Leiche nämlich nicht. Nur den ausgebrannten Rucksack in den Überresten der Hütte."flüsterte der andere, dessen Name mir nicht einfiel. Jan nickte nur. Eine einsame Träne rann ihm über das Gesicht. In diesem Moment verstand ich und wachte auf.

Ich zitterte noch. Ich wusste, dass alles was ich gesehen hatte real gewesen war. Ich konnte es fühlen. Hermione würde es mir nicht glauben. Sie gehörte zu den Menschen, die nur glaubten, was sie sahen. Die Hobbits würden es wahrscheinlich nicht verstehen, außer vielleicht Frodo. Er war nachdenklicher als die anderen. Aragorn würde es verstehen, da war ich mir sicher. Doch er wusste noch nicht, woher ich und Hermione stammten und ich hatte wirklich keine Lust, ihm das zu erzählen, bevor ich nicht mit Gandalf gesprochen hatte. Nicht, dass ich Aragorn nicht vertraute. Das war es nicht. Es war nur so ein Gefühl, und meinen Gefühlen habe ich bisher immer vertraut.

Damit riss ich mich zusammen, stand auf und folgte den anderen in die Schlafzimmer. Herr Butterblüm war auch da. Sie alle waren ziemlich aufgeregt. Der Grund war klar: Die Fenster waren aufgebrochen worden und hingen lose in ihren Rahmen, die Vorhänge flatterten im Wind, die Betten waren durchgewühlt, die Kissen lagen aufgeschlitzt am Boden und die braunen Decken war in Fetzen gerissen.

Aragorn ging den Wirt holen. Der arme Butterblüm. Sah ganz schön gestresst aus. Wir fingen an, schnell alles zusammenzupacken und Butterblüm rannte los, um die Ponies bereitmachen zu lassen. Er kam aber gleich wieder zurück und sah noch gestresster aus. Alle Pferde und Ponies waren fort, weil irgendjemand (dreimal dürft ihr raten, wer wohl...) die Türen geöffnet hatte. Alle jammerten schrecklich rum, außer mir. Ich war noch zu verschlafen, um mir Sorgen zu machen. Auch Aragorn fasste sich schnell wieder. Frodo dagegen war niedergeschmettert. Er machte ein Gesicht wie einige Jahre Regenwetter. Machte sich bestimmt Sorgen, wie wir jetzt nach Bruchtal kommen würden, ohne dass er laufen musste. Entschuldigung, Herr Hobbit, aber gewisse andere Leute laufen schon die ganze Zeit...

„Mit Ponies könnten wir den Reitern sowieso nicht entkommen", sagte Aragorn tröstend. O.k., was Frodos Gedankengänge anging, war das schon eine bessere Theorie, musste ich mir selbst eingestehen.

Die Hobbits machten trotz allem ein Riesentheater, was die Ponies betraf und schließlich trieben sie ein total abgemagertes Tier auf. Connemara-Pony wahrscheinlich. Ein bisschen Isländer war auch drin. So ein Mix halt. Der Arme (Sam taufte ihn Lutz, obwohl ich keine Ahnung hatte, wieso er ihn nach dem ehemaligen Besitzer benannte, der den Erzählungen der Hobbits nach ein ziemlich unangenehmer Kerl sein musste.) sollte das Gepäck und die reichlichen Vorräte tragen.

Insgesamt hatten wir durch diese Pony-Aktion etwa drei Stunden verloren. Wieso hatten die mich dann überhaupt so früh aus dem Bett getrieben??? Ich hatte doch sowieso nichts zum Packen.

Ich war ziemlich erleichtert, als wir endlich loskamen. Aragorn sah langsam auch ganz schön genervt aus. Er war ja sowieso eher der zurückgezogene, grummelige Typ. Irgendwie konnte ich mir ihn echt nicht als König vorstellen. Na ja, nach dem Buch war er ja dazu bestimmt und würde das dann schon hinkriegen...

Halb Bree folgte uns die Hauptstraße hinunter. Mir war das ziemlich unangenehm und Hermione und Frodo anscheinend auch. Sam kaute im Gehen fröhlich an einem Apfel. Pippin und Merry warfen ihm neidische Blicke zu. Aragorn hatte nicht zugelassen, dass sie schon nach zwanzig Metern wieder alles auspackten, um nach den Äpfeln von Bob und Nob zu suchen. Plötzlich rief ein unheimlicher Typ, der hinter einer Hecke stand Aragorn etwas zu. Ich bekam nicht wirklich viel mit, weil ich gerade mit Hermione über die Bedeutung der Zauberei für Muggel unterhielt. Sie war der Meinung, dass Muggel auf keinen Fall mit Zauberei in Berührung kommen durften, weil diese die Zauberer dann nur ausnützen würden und so. Ich stimmte ihr schon irgendwie zu, aber ich fand, dass Zauberei den Muggeln erheblich helfen würde, ihre vielen Streitigkeiten zu bewältigen. „Aber das sollte uns nun alles nicht mehr interessieren, denn ich bezweifle, dass wir jemals wieder auf die Erde zurückkehren werden", sagte sie schließlich und seufzte leise. „Sei nicht so verdammt pessimistisch!", meinte ich. „Ich bin sicher, dass wir heimkehren werden. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das überhaupt will." Hermione nickte verständnisvoll. Schließlich war Mittelerde wunderschön. Aber nach ihren begeisterten Berichten war Hogwarts auch nicht so schlecht. Und ich vermisste meine Familie.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir längst aus Bree hinaus und die Leute waren verschwunden. Die Hobbits ließen sich begeistert über einen Apfel aus, den Sam diesem Lutz Farnrich an den Kopf geworfen hatte. Sogar Aragorn lächelte vor sich hin. Wir befanden uns nicht mehr auf der von der Sonne beschienenen Straße, sondern stapften quer durch einen Wald. Mir gefiel das außerordentlich gut. Das Laub raschelte leise im Wind und Sonnenstrahlen fielen hier und da zwischen den Kronen der Bäume hindurch auf den Weg. Wieso war mir so etwas noch nie aufgefallen? Am liebsten hätte ich losgetanzt, über das weiche Laub zwischen den silbergrauen Baumstämmen hindurch. Die anderen (sogar die Hobbits) schienen das bemerkt zu haben. Sie lächelten mir zu.

Gegen fünf Uhr nachmittags machten wir eine Pause auf einer wunderschönen Lichtung. Ich ignorierte den Mantel, den Sam als Decke ausgebreitet hatte und schmiss mich einfach ins duftende Gras. Dann atmete ich tief durch. Ich war überhaupt nicht müde. Im Gegenteil - ich fühlte mich, als hätte ich gerade zwölf Stunden am Stück geschlafen. Die anderen (bis auf unseren super-abgehärteten Waldläufer, der sich natürlich nix anmerken ließ), lagen alle auf der Decke und machten sich über die Vorräte her. „Ich mache einen kleinen Spaziergang über die Lichtung. Will jemand mitkommen?", sagte ich und erntete komische Blicke von den anderen, nach dem Motto: ‚Ist die jetzt total übergeschnappt??? Wir machen nach sechs Stunden ununterbrochenem Marsch endlich Pause und die will einen Spaziergang machen???' Nur Streicher grinste. Ja, es gibt halt auch Leute, die schon mehr Elben kennen gelernt haben... „Na gut, dann halt nicht...", murrte ich und zog alleine los.

Die Lichtung war wirklich wunderschön. Dass ich so was als Mensch nie bemerkt hatte...! Irgendwann lehnte ich mich einfach an einen Baum und relaxte. Mir war klar, wieso ich plötzlich so einen Sinn für die Natur hatte. Das war die Elbin, die da durchbrach. In Gedanken versunken bemerkte ich nicht die Gestalt, die sich mir von hinten näherte und war so ziemlich erschrocken, als ich plötzlich einen kalten Dolch an meinem Hals spürte. „Keinen Mucks, Elbenbrut oder du weilst bald nicht mehr im Reich der Lebenden", sagte eine raue Stimme. Ein dunkler, beharrter Arm packte mich am Umhang und zerrte mich hinter den Baum. Ich warf einen schnellen Blick zu meinen Gefährten hinüber. Sie alle dösten mittlerweile im Gras. Keiner hatte etwas bemerkt. Ein kräftiger Hieb mit irgendetwas Hartem raubte mir im nächsten Moment das Bewusstsein.

Ich erwachte dadurch, dass mir jemand einen starken Trank einflößte, der wie Feuer in meiner Kehle brannte. Schockiert riss ich die Augen auf. Ich war an Händen und Füßen gefesselt und die Stelle, an der ich mich befand, musste tiefer im Wald sein, denn um mich herum ragten dunkle Baumstämme empor. Die Sonne schien längst untergegangen zu sein, denn die einzige Lichtquelle war ein loderndes Lagerfeuer. Um dieses saßen etwa ein Dutzend finstere Gestalten. Es waren aber keine Orks, denn die hätte ich wahrscheinlich erkannt, sondern Menschen. Sie sahen Orks allerdings ziemlich ähnlich. Klein und breit mit langen Armen. Ich hatte zwar noch nie echte Orks gesehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie auch ungefähr diese Statur haben mussten. Das hier waren bestimmt die Ork- Kreuzungen von Saruman, die das Buch beschreibt. Uääh...

Einer der Halb-Orks kam zu mir und stopfte mir ein Stück schimmliges Brot in den Mund. Das war so ziemlich das ekligste, was ich bisher durchgemacht hatte. Ich spuckte ihm dafür ins Gesicht. Volltreffer! Die anderen lachten schallend, während der bespuckte Halb-Ork sich fluchend meine Spucke aus dem Gesicht wischte. „Die Kleine scheint ihr Essen nicht zu mögen, Uteh!", rief ein anderer schadensfroh. „Das war's. Keine Schonfrist mehr. Jetzt bist du dran..."zischte Uteh. Er band mir die Füße auseinander, was mich zuerst wunderte, weil ich eigentlich angenommen hatte, dass er mich töten wollte. Auch die anderen schienen das zu denken. „Hey, es heißt, dass man Gefangene immer lebend abliefern soll! Vergiss das lieber nicht, Uteh", schrie einer. „Wer hat gesagt, dass ich unsere hübsche Elbenmaid töten will???", antwortete Uteh und grinste fies. „Ich habe da was ganz anderes vor..." Damit wollte er mich von den anderen wegzerren. Doch ganz schwer von Begriff war ich auch nicht. DAS ließ ich nicht mit mir machen. Das nicht. Lieber sterben. Ich zog meine Beine an und ließ sie direkt in seinen Bauch schnellen, wie ich es im Fernsehen gesehen hatte. Tja, glotzen ist halt doch für was gut. Ich traf auch wirklich und es hatte denselben Effekt wie bei James Bond: Uteh knickte in der Mitte zusammen und keuchte. Die anderen johlten. Ich riss mich von seiner Hand los, die immer noch meinen Arm umklammert hielt und rannte einfach in den Wald hinein. Die Halb- Orks schienen erst jetzt richtig mitzukriegen, was los war. Sie hörten mit dem Gejohle auf und ich hörte Krachen und Fluchen, als sie sich gegenseitig umrannten. Doch dann schienen sie die Verfolgung aufzunehmen. Orks sind aber nicht so wahnsinnig schnell, zumindest waren sie es in diesem Fall nicht und ich konnte meinen Vorsprung immer weiter ausbauen. Nach einer halben Stunde quer-durch-den-Wald-rennens war so gut wie ich sicher, alle abgehängt zu haben.

O.k., jetzt wäre es aber irgendwie angebracht, die anderen zu finden. Mal nachdenken. Die sind doch durch irgendwelche Sümpfe gekommen. Und dann zur Wetterspitze. Jetzt denk mal nach, Idril! Du hast dir diese Karte doch tausendmal angeschaut...

Also, Bree lag doch an so einer Weggabelung und Bruchtal war im Osten. Aragorn und die Hobbits sind da nach Norden von der Straße abgewichen, durch den Chetwald nordöstlich von Bree. Und noch weiter im Osten waren dann die Mückenwassermoore und anschließend die Wetterspitze! Ich hatte die Karte wieder genau vor Augen. Wenn ich jetzt noch Osten finden würde... Habe ich schon erwähnt, dass es mit meinem Orientierungssinn eher schlecht steht? Verzweifelt lehnte ich mich an einen Baumstamm. Der Wald war hier wieder lichter und die Sterne erhellten den dunkelblauen Nachthimmel. Ein wunderschöner Stern fiel mir besonders auf. Eärendils Stern! Als fleißiger HdR-Fan hatte ich natürlich das Silmarillion gelesen und kannte die Geschichte von Eärendil und Elwing. Und wo ging sein Stern immer auf? Bingo! Im Westen! Ich musste mich also nur mit dem Rücken zu ihm drehen.

Erleichtert lief ich wieder los und hatte bei Sonnenuntergang des nächsten Tages den Chetwald hinter mir gelassen und rastete endlich. Vor mir lag eine weite Sumpflandschaft und in der Ferne konnte ich einen einzelnen Berg erkennen: Die Wetterspitze.

Was war nur aus den Hobbits, Hermione und Aragorn geworden? Ich hatte noch gar nicht über sie nachgedacht. Ich war eine Nacht und einen Tag ununterbrochen gerannt, ständig in Angst, dass die Halb-Orks vielleicht doch irgendwo im Wald Pferde stehen gehabt hatten und mir dicht auf den Fersen waren. Meine Sportlehrerin wäre stolz auf mich gewesen. Sie hatte mich immer als hoffnungslosen Fall angesehen.

Ich legte mich ins Laub hinter einen dicken Baumstamm. So war ich nur sichtbar, wenn man direkt aus den Sümpfen auf mich zukam. Trotzdem konnte ich nicht schlafen. Was, wenn Halb-Orks oder - noch schlimmer - Nazgûl aufkreuzten? Auf unliebsame Überraschungen hatte ich im Moment wirklich keine Lust. Ich dachte an die anderen. Sie hatten mich bestimmt im Wald gesucht und dadurch kostbare Zeit verloren. Vielleicht dachten sie auch, ich wollte sie an die Nazgûl verraten. Ha, ha! Schlechter Witz! Ich musste sie auf jeden Fall finden - die Hobbits, Hermione und Aragorn meine ich, nicht die Ringgeister.

Ich erinnerte mich an die Nacht in Bree, als mich Hermione nachts aufgeweckt hatte. Sie war kreidebleich gewesen und hatte gezittert, obwohl es warm gewesen war. Nicht, dass ich nicht auch Angst gehabt hätte, aber ich wusste dank eines gewissen Buches, dass nichts passieren würde. Oder hatten Hermione, dieser unbekannte dritte Junge und ich die Geschichte mit unserer Ankunft schon beeinflusst? Ich starrte trübsinnig in die Sümpfe hinaus und schlief dabei ein. Es war seltsam. Ich sah die Sümpfe immer noch vor mir liegen, aber ich schlief auch gleichzeitig. Sehr praktisch.

~~~

Wir waren immer noch im Chetwald, doch die Suche nach Idril, die seit vorgestern spurlos verschwunden war hatten wir schließlich aufgegeben. Streicher beabsichtigte, morgen den Chetwald hinter uns zu lassen und die Mückensümpfe zu erreichen. Ich fühlte mich einsam. Natürlich waren da die Hobbits und Aragorn, aber Idril war die Einzige gewesen, mit der ich mich wirklich langsam angefreundet hatte. Schließlich waren wir beide Fremde in dieser seltsamen Welt. Streicher misstraute ihr nun offen. Er glaubte anscheinend, dass sie mit diesen düsteren, kreischenden Gestalten, die das Schlafzimmer der Hobbits auseinander genommen hatten unter einer Decke steckte. Ich hatte diesem seltsamen Waldläufer klipp und klar erklärt, was ich von seiner Theorie hielt: Nämlich gar nichts. Es war einfach zu abwegig. Andererseits fiel mir auch nichts Besseres ein, wie ich ehrlich zugeben musste. Streicher hatte nur gemein gegrinst. Idril war seltsam. Sie kam ganz klar von der Erde, das hatte ich in unserem Smalltalk vor dem Gasthaus sofort bemerkt. Aber manchmal war sie irgendwie anders. Sie erinnerte dann mehr an das Wesen, in dessen Körper sie steckte. Auf der Lichtung, von der sie später spurlos verschwunden war, hatte man das am deutlichsten gemerkt. Wenn wenigstens Harry, oder wie auch immer er jetzt hieß, hier wäre... oder Ron, aber der war wahrscheinlich noch weiter weg.

Am nächsten Tag erreichten wir tatsächlich die Sümpfe. Es war ziemlich schwül, obwohl schon Oktober war (ich hatte Sam danach gefragt). Außerdem trugen sie ihren Namen absolut berechtigt. Überall schwirrten alle Arten von Mücken und anderen Insekten. Ich mag keine Insekten. Wir waren bald alle von diesen lästigen Viechern zerstochen und hatten durchnässte Füße. Es gab leider Mücken die hohe, schrille, zu Tode nervende Geräusche machten (Sam nannte diese bösartigen Biester passenderweise Niiikerzriiiker) und die uns in der folgenden Nacht auch noch den letzten Schlaf raubten. Die Stimmung sank auf den absoluten Nullpunkt. Ich war schon versucht, ein paar gute Flüche und Sprüche auf die Viecher loszulassen, aber Idril und ich hatten uns in Bree geschworen, solange wie möglich unsere wahren Identitäten geheim zu halten, bevor wir nicht genau wussten, was hier lief.

Am nächsten Tag ließen wir die Niiikerzriiiker endlich hinter uns, aber es gab weiterhin tausende von bösartigen Verwandten der Stechmücke. Auch in dieser Nacht schlief ich kaum. Nach der absolut gelockerten (*g*) Stimmung unter den Hobbits und Aragorn (er hatte am ersten Tag unseres Trips quer durch die Sümpfe noch versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber inzwischen sah er genauso zerknautscht wie die anderen aus) zu urteilen, war es ihnen nicht besser gegangen. Frodo und Streicher erzählten, sie hätten im Osten einen Lichtschein gesehen. So eine Art Blitzen. Mich interessierte nur noch, dass wir an diesem Tag endlich aus dem Moor herauskamen. Vor allem das arme Pony konnte ich förmlich aufseufzen hören, als wir wieder trockenen Boden unter den Füßen hatten. Das Gelände stieg langsam wieder an. Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich wandern hasse? Streicher legte ein ordentliches Tempo vor und wir anderen waren alles andere als begeistert.

In der Ferne sah man jetzt eine Bergkette. Mein erster Gedanke dazu war: Oh nein! Bergsteigen! Vielleicht sollte ich lieber zurück in die Sümpfe...? Och nö, dann doch lieber Berge hochlatschen...

Der höchste Berg war kegelförmig und oben irgendwie abgeflacht. Habe keine Ahnung, wie so was durch die Verschiebung der Erdplatten entstehen kann... „Das ist die Wetterspitze", sagte Streicher. „Die alte Straße, die wir weit rechts von uns haben liegen lassen, verläuft südlich an ihr vorbei, nicht weit von ihrem Fuß..."

Ich unterbreche Leute normalerweise nicht, das gehört sich einfach nicht, aber das hier ging jetzt echt zu weit. „DA GIBT'S EINE STRAßE????", kreischte ich los. Alle Halb-Orks aus Bree und schwarzen Reiter waren mir in diesem Moment so was von egal. „Wir latschen erst durch diesen Wald, wo wir Idril verlieren und dann durch diese mörderischen Sümpfe und dann... und dann erzählst du hier so mir-nichts-dir- nichts dass es da auch eine bequeme, nette Straße ohne Mücken und Niiikerzriiiker und weiß der Teufel was sonst noch gegeben hätte??? Bist du total übergeschnappt???"

„Eigentlich nicht, nein...", setzte Streicher an, aber ich ließ ihn gar nicht ausreden.

„Und jetzt verlangst du wohl von uns, dass wir auf dieses verdammt Gebirge da vorne steigen, nur damit du uns hinterher erzählen kannst, dass es auch einen Aufzug gegeben hätte, was??" Mir war klar, dass keiner der Anwesenden ein Wort verstand, aber manchmal ist einem so etwas egal...

In diesem Moment packte mich Streicher mit einer Kraft, die ich seiner hohen, dünnen Gestalt gar nicht zugetraut hätte und hielt mir den Mund zu, so dass ich nur noch ein „wa... mm...dmmm"herausbrachte. „Ich verstehe ja, dass du sauer bist, aber das ist noch lange kein Grund, uns alle Nazgûls in der Umgebung von fünf Meilen auf den Hals zu hetzten.", schimpfte er. „Morgen Mittag können wir an der Wetterspitze sein. Aber ob wir das tun sollten?"sagte er nachdenklich, während er mich wieder losließ. „Was meinst du?", bohrte Frodo sofort nach. „Ich meine, wenn wir dort hinkommen, wissen wir nicht, was uns erwartet. Es ist nahe der Straße." „Aber wir hoffen doch, Gandalf dort zu treffen?" An dieser Stelle musste ich einfach noch mal dazwischenreden. Das zweite Mal in zehn Minuten. Egal. „Entschuldigt, ich will echt nicht unterbrechen, aber könnte mir mal endlich jemand erklären, wer dieser tolle Gandalf überhaupt ist? Idril meinte, wir sollten ihn finden und er wäre ein Zauberer oder so..."Das Wort Zauberer sagte ich leicht ironisch. Ich glaubte nicht dran, dass es hier echte Zauberer geben sollte, die das den nichtmagischen Wesen einfach so erzählten.

Ich bereute meine Worte allerdings sofort. Jetzt hatte ich doch echt was ausgeplappert. Aragorn drehte sich langsam zu mir um und schaute mich lange an, bevor er etwas sagte. Als ob er nicht wirklich glauben könnte, dass ich noch nie etwas von Gandalf gehört hatte. „Was? Du hast noch nie von Gandalf dem Grauen gehört? Das ist unmöglich! Er ist einer der mächtigsten Zauberer. Einer der fünf...!", sagte Frodo ungläubig. „Er macht die genialsten Feuerwerke überhaupt!", rief Pippin dazwischen. Toll, fünf Zauberer. Und er konnte sogar Feuerwerke machen. Suuuuper... „Gandalf ist vieles", sagte Aragorn jetzt nachdenklich. „Ein weiser Zauberer, ja. Und ein großer Feuerwerkskünstler auch, das stimmt", fügte er mit einem Seitenblick auf Pippin langsam hinzu.

Dann zogen wir weiter. Es war bereits dunkel, als wir lagerten. Und es war kalt. Die Hobbits schliefen schon und Aragorn saß ein Stück von mir entfernt und rauchte in Gedanken versunken Pfeife. Er hatte kein Lagerfeuer angezündet, weil er Angst hatte, damit die Ringgeister wieder auf unsere Fährte zu bringen. Ich hätte ja zu gerne einen guten Wärmezauber angewandt, aber ich beschloss zu warten. Erst wenn wir in Gefahr gerieten, würde ich Magie anwenden um uns zu verteidigen. Mir kam ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn meine Kräfte in dieser Welt nicht funktionierten? Wenn wir angegriffen würden, würde ich mich dann nicht zu verteidigen wissen. Es gab nur eine Möglichkeit: Ich musste sie testen. Vielleicht konnte ich es so hinkriegen, dass die anderen nichts davon erfuhren.

„Aragorn! Du kannst dich schlafen legen, wenn du willst. Ich übernehme die erste Wache. Ich werde sowieso nicht schlafen können." Er nicke und legte sich hin. Seltsam, dass er das so schnell gemacht hatte. Egal. Er war wahrscheinlich einfach übermüdet und froh, schlafen zu können. Den Hobbits konnte man kaum eine Wache zutrauen. Sie waren immer eingeschlafen. Der Gedanke beruhigte mich etwas. Ich brannte darauf, wieder zu zaubern. Ich blickte kurz um mich, dann zog ich endlich meinen Stab hervor. Was nun? Erst mal ein kleiner, einfacher Lichtzauber. Ich hatte ihn tausende Male angewandt. „Lumos!", flüsterte ich. Die Spitze des Stabs glühte hell auf. Keiner schien etwas bemerkt zu haben. Meine Gefährten schliefen alle tief und fest. „Nox!"sagte ich etwas selbstsicherer und der Zauberstab erlosch sofort. Ich atmete erleichtert auf. Jetzt ein paar schwierigere Sprüche. Nacheinander probierte ich Accio, Protego, Wingardum Leviosa und viele andere Zauber. Alles funktionierte wie sonst auch. Zugegeben, ich war etwas aus der Übung, aber ich hatte ja noch viele Nächte vor mir. Ich grinste, denn irgendwie war der Gedanke belustigend, jede Nacht in dieser Einöde Zaubersprüche zu üben.

„Gut. Wirklich verblüffend", meinte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Streicher blickte mir leicht grinsend in die Augen. So erinnerte er mich etwas an Sirius, obwohl die Zwei nicht verschiedener hätten sein können. „Du hättest genauer nachprüfen sollen, ob ich auch wirklich schlafe. Ich dachte mir bereits, dass du ein Geheimnis hast", fuhr er ernst fort. „Es war kaum zu übersehen. Sogar die Hobbits haben etwas gemerkt." Ich seufzte und setzte mich neben ihn. „Erzähl es mir. Ich werde es wohl hüten, glaub mir das." Na, mir blieb wohl nichts anderes übrig. „Also mein wahrer Name ist Hermione Granger. Ich stamme von sehr, seeeeeehr weit weg..." Ich redete lange und Aragorn hörte mir aufmerksam zu. Ich verschwieg nichts. Auch nicht Idrils Geschichte, denn ich hielt es für sinnlos, ihm noch irgendetwas zu verschweigen. Ich konnte nicht sagen, ob er mir glaubte, doch dann und wann nickte er verständnisvoll.

Als ich erwähnte, dass Idril den Ausgang dieser Geschichte zu kennen schien, fuhr er auf. „Was??? Das kann nicht sein! Das ist unmöglich!", zischte er ungläubig. „Doch. Es gibt darüber ein sehr berühmtes Buch. Von einem gewissen John Ronald Reul Tolkien..." „Tolkien? Es gab einmal einen alten Elben hier, der so ähnlich hieß. Ich kann mich seines Namens kaum noch entsinnen, denn viele Jahre sind vergangen, seit wir uns trafen. Ich glaube, er nannte sich tatsächlich Schontol Kienn. Ein seltsamer Name. Es rankten sich viele Geheimnisse um ihn. Niemand wusste woher er kam und eines Tages war er verschwunden und wurde von niemandem je wieder gesehen. Zumindest nicht in dieser Welt", fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. „Doch... oh nein!", rief er plötzlich, so dass Merry leise knurrte und sich auf die andere Seite drehte. „Hm?" „Wenn der Feind das erfahren würde, wäre alle Hoffnung für die freien Völker Mittelerdes verloren. Für immer." „Idril! Wir müssen sie finden, bevor andere das tun!", rief ich, als ich das, was er eben gesagt hatte begriff. Merry wachte auf und grunzte. Ich ging nicht darauf ein.

Aragorn fuhr ruhiger fort: „Éolind, oder Hermione, wenn dir das lieber sein sollte, wir können nichts für sie tun. Wir müssen nach Bruchtal gelangen. Doch mein Herz sagt mir, dass Idril wohlauf ist."

~~~

Es war eine lange Reise. Ich glaube, ich war noch nie so lange vollkommen alleine in der Wildnis gewesen. Einsamkeit war mein einziger Begleiter. Der Marsch durch die Sümpfe war anstrengend, doch ich rastete selten und nur kurz, immer in der Hoffnung Hermione, Aragorn, Frodo, Sam, Pippin und Merry einzuholen. Mein größtes Problem waren Hunger und Durst. Ich hatte einen Rest Cram und ein paar Äpfel sowie eine kleine Wasserflasche auf dem Rücken getragen, doch diese Vorräte waren beinahe erschöpft. Im Sumpf gab es nichts zu essen und ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich das Wasser aus dem Morast holen könnte. Ich war bereits leicht abgemagert.

Eine Woche war es her, seit wir aus Bree fortgegangen waren, als ich die abgeflachte Spitze eines kegelförmigen Berges erreichte. Ich erinnerte mich, dass sich im Buch auf einem Berg etwas Dramatisches zuträgt, doch ich konnte mich nicht genau erinnern. Mir war längst klar geworden, dass ich meine alte Welt langsam vergaß und versuchte mit aller Gewalt diese Erinnerungen festzuhalten. Doch es half nichts.

Ich beschloss, zu rasten. Ich war zum umfallen müde und heilfroh für die seltsame Gabe der Elben, mit offenen Augen schlafen zu können. Allein in der Wildnis herumzustreifen mit dem sicheren Gedanken, dass da noch irgendwas in dieser Gegend war, was man unbedingt wissen sollte, ist nicht besonders toll.

Ich fuhr zusammen, als ich ein Geräusch hörte: Hufschlag. Ich versteckte mich schnell hinter einer dicken Wurzel. Es war ein riesiges, schwarzes Ross, das ich keiner bestimmten Rasse zuordnen konnte, doch welches ich sofort als „nicht nett"einstufte. Der Reiter war noch unheimlicher. Er trug einen langen, schwarzen Mantel mit Kapuze, so dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte. Doch ich hörte deutlich das leise Klappern von Rüstung und Waffe unter dem Mantel. Ich weiß, dass es dumm ist, vor jemandem Angst zu haben, nur weil er zufällig schwarz angezogen rumläuft. Auf meiner ehemaligen Schule ziehen eine Menge Leute jeden Tag nur schwarze Sachen an. Doch ich hatte Angst. Panische Angst. Nie in meinem Leben hatte ich mich so sehr gefürchtet. Irgendetwas war verdammt unheimlich an diesem Reiter. So eine Art böse Aura oder Ausstrahlung. Einer der neun. Ein Ringgeist. Nazgûl.

Er brachte sein Pferd mit einem Ruck zum stehen und blickte sich um. Zumindest nahm ich das an, weil er den Kopf drehte. Aber ich glaube, es war eher eine Art schnüffeln. Sein Blick blieb an der Wurzel hängen, hinter der ich mich verbarg. Ich zitterte. Nein. Habe keine Angst, Idril Müller. Er wird dir nichts tun. Es war eine sanfte Stimme, die ich nicht kannte. Doch. Es war die Stimme der Elbin, in deren Körper ich steckte. Mir wurde in diesem Augenblick etwas klar. Mein Geist oder meine Seele oder was auch immer das war, steckte nicht zufällig in einem Körper irgendeiner Elbin, wie ich bisher angenommen hatte. Es war mein Körper. Genauso mein Körper wie der Körper auf der Erde. Ich war diese Elbenfrau, nicht ein Mädchen von der Erde, welches in den Körper einer Fremden versetzt wurde, sondern ich hatte mich geändert. Und diese Stimme, das war meine Stimme. Ich hatte bisher so ziemlich die gleiche Tonlage wie auf der Erde gehabt, doch auch das nur, weil ich mich daran festgeklammert hatte. Ich würde mich immer weiter dieser Welt anpassen.

Und ich, die Elbemaid Idril aus dem Düsterwald, ich konnte diesen unheimlichen Reiter verjagen. Ich wusste nicht, vorher ich das wusste. Ich wusste es einfach, so wie man weiß, dass auf die Nacht der Tag folgt.

Ich sprang hinter der Wurzel hervor und ihm in den Weg. Eine Art sanftes Licht schien mich plötzlich zu umgeben und ich fühlte eine seltsame Macht in mir. „Kehre zurück in die Schatten, Nazgûl, aus denen du gekrochen kamst!", rief ich mit derselben klaren Stimme, mit der ich vorhin mich selbst beruhigt hatte. „Du hast nichts verloren in diesen Landen!"

„Elbenweib!", zischte er. „Verschwinde, wenn du nicht einen grausamen Todes sterben willst. Weißt du nicht, wer ich bin?" „Ich weiß es, du jämmerlicher Geist. Und nun verschwinde! "

Er lachte leise und grausam und zog klirrend sein langes Schwert. Ich wusste, ich würde sterben, doch ich fürchtete mich nicht. Und ich würde kämpfen solange ich konnte. Dass ich es eigentlich gar nicht konnte, hatte ich schlicht vergessen. „Für Éolind und Harry und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Allein bin ich, doch werde ich kämpfen und dir den Weiterritt verwehren bis der Tod mich ereilt. Dessen sollst du gewiss sein!", flüsterte ich und zog ebenfalls mein Schwert.

„Nein. Ganz allein ist sie nicht!" Sowohl ich als auch der Nazgûl fuhren herum. Es war Aragorn. Hinter ihm standen Éolind und die Hobbits. Jeder von ihnen mit einem Schwert in der einen Hand und einem brennenden Holzscheit in der anderen. Nur Éolind hielt in einer Hand einen dünnen Holzstab. Ich hatte ja ihre Geschichte gehört und musste deshalb nicht lange raten, was das war. Doch noch andere Leute kamen heran. Und über deren Erscheinen war ich nicht ganz so erfreut. Ein schriller Schrei ertönte links von mir und ein weiterer Ringgeist trat aus dem kahlen Gebüsch. Ein weiterer kam von rechts und einer trat hinter dem ersten hervor. Wir waren immer noch in der Überzahl, aber ich bezweifelte, dass die Hobbits, Éolind und ich ihnen viel entgegenzusetzen hatten. Einer von ihnen, der der als letzter hervorgetreten war, lachte schrill. Er hatte eine Art eiserne Krone auf dem Kopf. „Na, immer noch so mutig, kleine Elbenbrut?", zischte der, den ich zuerst gesehen hatte, kichernd. Zumindest glaubte ich, dass er kicherte, denn es hörte sich eher wie das Zischeln der Klapperschlange an, die ich mal in einem Film in Bio gesehen hatte. Zur Antwort zündete Aragorn ihn einfach mit seiner Fackel an. Der Ringgeist kreischte und die anderen gingen auf uns los. Ich wehrte mich so gut ich konnte, obwohl ich ja noch nie mit einem Schwert gekämpft hatte. Doch das weiße Licht der Waffe schien die Nazgûl stärker zu verletzen als alles andere. Éolind verschoss mit dem Stab verschiedenfarbige, gleißend helle Blitze, die den Angreifern aber nicht viel auszumachen schienen. Natürlich. Sie waren ja ziemlich körperlos. Sie versuchte etwas herbeizuzaubern, murmelte dabei unablässig vor sich hin, aber es entstand nur eine Art weißer Nebel, der die Ringgeister nicht lange zurückhielt. Doch dann fing Éolind damit an, ihre Umhänge in Brand zu setzten, was den Nazgûl überhaupt nicht gefiel. Es sah gut für uns aus.

Plötzlich hörte ich wieder zwei Schreie. Der erste war der eines Ringgeistes. Der mit der Krone. Der zweite war der eines Hobbits. Zuerst sah es aus, als hätte sich der Ringgeist mit einem kurzen Dolch über eine leere Stelle gebeugt, doch jetzt war er zusammengefahren und da, wo zuerst noch nichts gewesen war, lag jetzt Frodo, der sich vor Schmerz krümmte. Die Nazgûl zogen sich geschlagen zurück. Mehrere schrille Schreie, die uns das Blut in den Adern gefrieren ließen, erschollen noch, dann war es still. Ich rannte zu Frodo hinüber. Aragorn und die anderen hatten sich bereits über ihn gebeugt. Er war bewusstlos und offensichtlich verletzt und mit einer Hand umklammerte er einen glatten Goldring. „Ich würde sagen, wir kehren zu unserem Lager zurück, bevor sie zurückkehren", sagte Sam, der einen erstaunlich kühlen Kopf bewahrte, was ich ihm, ehrlich gesagt, gar nicht zugetraut hätte. Aragorn nickte, hob den verletzten Hobbit auf und nach wenigen Minuten hatten wir ein hell loderndes Feuer erreicht, um welches die Rucksäcke der Hobbits lagen und Lutz stand an einem kleinen Busch angebunden daneben. Armer Lutz. Er hatte die Augen aufgerissen und tänzelte nervös auf der Stelle herum. Lag wahrscheinlich an diesem Gekreische, das die Nazgûl immer noch ausstießen.

Der Waldläufer legte Frodo sanft nahe an das Feuer und ging weg, um herauszufinden, was die schwarzen Reiter taten. Frodo hatte eine tiefe Wunde an der Schulter, die unheimlich weiß leuchtete und er war ganz kalt. Wir anderen waren in ziemlich trüber Verfassung. Merry und Pippin und Sam versuchten, Frodo wachzurütteln. Ich sah mir das schwarze Messer an, mit dem der König der Nazgûl ihn verwundet hatte. Es wies unheimliche Schnitzereien auf.

Dann setzte ich mich zu Éo. Sie weinte. Die letzten Minuten - denn es waren nur einige Minuten gewesen, die mir allerdings unendlich lang vorgekommen waren - waren einfach zu viel für sie gewesen. „Der... der Patronus. Harry hat es uns doch so oft gezeigt und ich habe versagt... dann wäre all das nicht passiert und alle wären noch heil...", wimmerte sie. „Dieser silberweiße Nebel, was?", fragte ich. Sie nickte. „Ein mächtiger Schutzpatron. Er hilft auch gegen Dementoren..." Ich hatte natürlich keine Ahnung, was Dementoren waren, aber ich hatte das dumpfe Gefühl, das wollte ich auch lieber nicht wissen...

Ich schlief bald darauf ein. Ich war müder, als ich gedacht hatte. Das letzte, was ich mitbekam war, wie Aragorn zurückkehrte.

~~~

Idril war eingeschlafen. Es war gut sie zurückzuhaben. Für alle war es ein Wunder gewesen, wie sie gekämpft hatte. Sie hatte mir selbst gesagt, dass sie noch nie zuvor ein echtes Schwert in der Hand gehalten hatte. Trotzdem hatte sie es zielsicher und schwungvoll geführt. Eine unvorstellbare Macht hatte sie ausgestrahlt, als sie den höhnischen Worten des Nazgûl getrotzt hatte. Es war mir unbegreiflich. Trotzdem hätte sie wahrscheinlich allen vier Ringgeistern, die aufgetaucht waren, nicht alleine standhalten können. Es war gut, dass wir unser Lager in der Nähe aufgeschlagen hatten und so ihre Stimmen gehört hatten.

Ich war nicht die einzige die noch wach war. Sam kümmerte sich hingebungsvoll um Frodo und die anderen konnten ebenfalls nicht schlafen. Nur Idrils Kräfte waren einfach ausgelaugt. Sie hatte uns alles erzählt. Von ihrer Entführung, ihrer Flucht, ihrem Marsch durch die Sümpfe, wobei sie kaum gerastet hatte. Der Kampf hatte ihre letzten Reserven erschöpft

Der Morgen graute schon und Frodo war endlich aufgewacht. „Was ist geschehen? Wo ist der bleiche König?", fragte er heftig. Wir waren so froh, dass er den Angriff überlebt hatte, dass niemand eine Antwort herausbrachte. Schließlich hatte Sam sich überwunden und erzählte Frodo, was geschehen war. Er wollte gerade anfangen, wieder mal Bedenken über Streicher anzumelden. Ich widersprach ihm sofort. Stände er auf der Seite der Nazgûl, hätte er uns längst getötet und uns nicht verteidigt. Während wir noch über ihn redeten, trat Aragorn plötzlich aus den Schatten. „Ich danke dir, Éolind. Denn ich bin kein schwarzer Reiter, Sam", sagte er leichthin, „und auch nicht mit ihnen im Bunde. Ich habe versucht, herauszufinden, was sie jetzt tun, habe aber nichts gesehen." „Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie sich verzogen haben und nicht noch mal angreifen", meinte Sam nachdenklich. „Na, das ist ja wohl klar", warf Pippin mit einem Seitenblick auf die schlafende Idril ein. „Ja... Idril...", meinte Streicher nachdenklich. „In ihr wohnt ein Teil der Macht des alten Volkes, die wir gestern Abend sahen. Ich habe selten Elben von solcher Reinheit und Macht gesehen. Und gerade das ist seltsam, wo sie doch..."Er warf mir einen schnellen Seitenblick zu und sprach weiter. „Ich glaube nicht, dass sie selbst es weiß. Doch ich weiß nicht, ob wir die Nazgûl ohne sie hätten besiegen können. Und doch, hätten wir ihr Licht nicht gesehen, wer weiß was dann geschehen wäre. Unbewusste Macht, und mag sie noch so groß sein, ist gefährlich."

Frodo döste schon wieder. Aragorn hatte sich auf den Boden gesetzt mit dem, was von Frodos Messer übrig geblieben war, auf den Knien. „Das war Frodos Schwert. Na ja, es hat seinen Feinden wohl nicht viel Schaden zugefügt. Und das ist die Klinge, die ihn verwundete." Interessiert beugten wir uns über den Dolch, den er aufgehoben hatte. Es war lang und dünn und eine Art kalter Schimmer ging davon aus. Es jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Dann schien die Klinge plötzlich anzufangen zu schmelzen und schließlich hatte sie sich ganz aufgelöst. „Uh, das sieht nicht gut aus...", meinte ich leise. „Nicht gut? Natürlich sieht das nicht gut aus! Was hast du eigentlich für Vorstellungen. Herr Frodo wurde verletzt und du kommst zu der Erkenntnis, dass das nicht gut aussieht???"Sam natürlich. Woher sollte ich denn wissen, dass die Leute hier keinen Sarkasmus kennen?

Aragorn schien mittlerweile ziemlich aufgeregt über das Messer. Er betrachtete es eingehend und wog es in den Händen, als die Klinge anfing zu schmelzen. Nach einigen Sekunden war nur noch das Heft übrig. „Oh weh!", sagte Aragorn erschrocken. „Frodo wurde von einer verzauberten Morgul-Klinge verwundet. Dazu reicht meine Heilkraft nicht aus. Wir müssen so schnell wie möglich nach Bruchtal!" „Das schaffen wir nie! Ich wette, bis dahin sind es noch ein paar Tagesmärsche. Das überlebt er wohl kaum, falls das Messer wirklich verzaubert war, wie du sagst, Aragorn. Falls wir nicht vorher von diversen schwarzen Reitern aufgespießt werden! Seid doch mal vernünftig und denkt realistisch!", rief ich und die Hobbits stimmten mir zu. „Natürlich können wir es schaffen, Éolind! Alles was wir brauchen ist ein schnelles Pferd." Ich hatte nicht bemerkt, dass Idril aufgewacht war. Sam meldete sich wieder: "Ein Pferd? Klar. Bleibt nur ein Problem, Frau Idril. Wir haben kein Pferd. Wir haben nur Lutz und der ist nicht schnell genug um so einen Reiter abzuhängen."

„Beruhigt euch. So kommen wir nicht weiter", rief Aragorn plötzlich energisch dazwischen und alle verstummten. „Ich habe hier noch einige Blätter mit denen ich die Vergiftung aufhalten kann. Trotzdem sollten wir so schnell wie möglich Bruchtal erreichen. Doch vielleicht kann Éolind uns helfen?"

„Was... oh du meinst..."Ich lachte leise. „Nein, ich kann ihn nicht nach Bruchtal zaubern. Dumledore könnte es vielleicht, ja. Doch ich nicht. Ich bin noch in der Ausbildung, sozusagen." „Ausbildung? Wie kann man Zauberei lernen...?", fragte Pippin neugierig. Idril sah mich leicht erstaunt an: „Du hast es ihnen also gesagt? Na ja, was macht das jetzt noch..." „Sag mal, Idril, du kennst doch die Geschichte. Vielleicht kannst du uns helfen...?", schlug ich vor. „Jaaa... wartet. Aragorn und die Hobbits treffen sich in Bree. Frodo... er tanzte auf dem Tisch!", murmelte sie nachdenklich. „Ja, das tat er allerdings. Und wie!", rief Merry und er und Pippin kicherten leise in sich hinein. „Wie... wie geht es weiter? Weit bin ich gereist und viel habe ich gesehen, doch das ist wohl das seltsamste, das ich je erfahren habe.", meinte Aragorn.

„Ich... ich kann mich nicht mehr erinnern. Es ist wie ein dunkles Loch in meinen Erinnerungen. Ich... ich weiß nicht was das bedeutet, aber in meinen Erinnerungen an meine Heimat, meine Familie und alles andere was geschah, bevor ich hierher kam, klaffen große Lücken, die ich einfach nicht zu füllen vermag. Ich... ich habe es zum ersten Mal gemerkt, als ich diesem schwarzen Reiter begegnete." Idril zitterte. Sie war bleich. Mir schien sich plötzlich auch eine eisige Hand um die Kehle zu legen. „Ob du es glaubst oder nicht, mir geht es genau so. Ich kann mich kaum noch an den Ort erinnern, an dem ich lebe. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich Geschwister habe oder nicht und ich weiß nicht mehr, wie meine Eltern aussehen...", sagte ich leise. Die Erkenntnis schnürte mir den Hals zu. „Wir vergessen uns. Unser Leben. Alles, was uns daran bindet. In wenigen Tagen werden wir vielleicht selbst unsere Namen nicht mehr wissen...", flüsterte ich entsetzt.

Idril sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Mir ging es genauso. Mittelerde war zwar schön, ja, aber wir hatten bisher wie selbstverständlich angenommen, irgendwie wieder zurückkehren zu können, auch wenn wir nicht gewusst hatten wie. Aragorn blickte von mir zu ihr und wusste offensichtlich nicht, was er sagen sollte. Das war eher selten bei ihm. Er hatte einfach nicht oft mit zwei Mädchen zu tun, die aus einer anderen Welt stammten und gerade im Begriff waren, unkontrolliert loszuheulen.

„Gandalf", sagte Merry schließlich. "Gandalf kann euch bestimmt helfen. Er weiß doch so vieles." „M... meinst du???", fragte Idril ein wenig hoffnungsvoller. Mir ging es auch gleich ein wenig besser. Wenigstens hatten wir jetzt jemand, an den wir uns mit dem Problem wenden konnten.

„So, ich würde sagen, wir legen uns alle jetzt mal schlafen, damit wir morgen zeitig weiterkönnen. Die Reiter sind immer noch nahe. Wir halten immer abwechselnd Wache. Pippin, Merry und Sam, Idril und Éolind danach und ich die letzte Wache. Ihr wacht immer etwa drei Stunden, bevor ihr die nächste Wache weckt. Gute Nacht!", sagte Aragorn plötzlich bestimmt, wickelte sich in seinen Mantel ein und legte sich hin. Idril und ich taten es ihm gleich.

Die Nacht war nicht mehr jung und wir waren schnell eingeschlafen.