7. Kapitel
Ich wachte auf. Die Vögel sangen und die Blätter der Linde vor meinem Fenster rauschten in einer leisen Brise. Ich lag im Bett.
‚Oh nein. Gleich muss ich wieder in die Schule. Da drauf hann ich jetzt echt null Bock. Wieso hat der Wecker net geklingelt? Mama rastet aus, wenn ich verschlafen hab...'
Ich schlug die Augen auf und erblickte statt der posterbedeckten Decke meines Zimmers eine aus hellem Holz, die reich mit elbischen Schnitzereien verziert war. Meine Erinnerungen kehrten schlagartig zurück. Ich war nicht daheim, sondern in Mittelerde, in Bruchtal. Ich setzte mich auf. Ich fühlte mich gut. Ausgeschlafen. Ich stand auf und blickte mich um. Ich trug ein schneeweißes, langes Nachthemd ohne irgendeine Verzierung, das mir jedoch sehr gut stand, wie ich in dem großen Spiegel, der in einer Ecke stand sehen konnte.
Das Zimmer war hell und hatte blaue Wände und war mit hellen Holzmöbeln ausgestattet. Wirklich wunderschön. In einer Ecke stand ein großer Schrank. Vielleicht war da ja was zum Anziehen drin, ich konnte ja schlecht im Nachthemd durch Elronds Haus laufen - und wenn es ein noch so schönes Nachthemd war...
Ich öffnete neugierig die Schranktür. Jemand hatte tatsächlich den ganzen Schrank vollgestopft mit Klamotten, alle ungefähr in meiner Größe. Darunter waren wunderschöne elbische Kleider, die ich wirklich zu gerne gleich anprobiert hätte.
Schließlich entschied ich mich jedoch für ein hellblaues, das im Gegensatz zu manchen anderen sehr einfach war. Es war allerdings schmal geschnitten und ich sah wirklich gut darin aus. Ich legte es aufs Bett. Vielleicht gab es ja auch irgendwo ein Bad hier. Ich hatte mich immerhin seit über einer Woche nicht geduscht und elbisches Haar wird zwar nicht so schnell fettig, doch hatte sich ziemlicher Dreck darin angesammelt, obwohl ich meine Haare eigentlich immer geflochten getragen hatte. Ich stank auch nicht wirklich, denn Elben stinken einfach nicht, das ist so, aber unangenehm war es trotzdem.
Von dem Zimmer gingen zwei Türen ab. Eine musste wohl auf einen Gang oder in das nächste Zimmer führen und die andere führte hoffentlich zu einem Bad. Ich probierte wahllos eine aus. Bingo! Ein weißgefliester Raum, mit einem Traum von einer Badewanne und unzähligen Seifen. Anscheinend hatte der gute Elrond schon vorausgesehen, dass ich mich nach dem Aufwachen erst mal waschen wollen würde und die Wanne mit heißem Wasser füllen lassen, das allerdings mittlerweile nur noch lauwarm war.
Eine dreiviertel Stunde später war ich gewaschen, getrocknet, gekämmt und angezogen und ging durch die zweite Tür. Dahinter lag tatsächlich ein Gang, von dem noch einige andere Türen abgingen. Ich stand ziemlich am Ende und musste so nicht lange überlegen, welche Richtung ich nehmen sollte.
Der Gang endete in einer Wendeltreppe nach unten, welche wieder auf einen Gang führte. Dieser Gang kreuzte sich mit einem anderen. Ich wählte willkürlich einen Weg aus und ging weiter.
Viele Gänge und Treppen und Entscheidungen später begegnete ich endlich einem jungen Elbenmädchen, noch jünger sogar als ich, das aus einem Zimmer heraustrat.
„Entschuldigung? Kannst du mir vielleicht sagen, wie ich die anderen finde?", fragte ich inzwischen leicht genervt. Wieso musste dieses Haus, nein, dieser Palast so groß sein? „Welche and... oh, ich verstehe! Ihr müsst Idril sein, von der alle sprechen!" „Genau."Ja, ja, schlaues Mädchen. „Aber kannst du mir vielleicht meine Frage beantworten, wie ich meine Gefährten finde?" Ich war langsam echt gereizt. „Oh, sie kamen gestern Nacht nach Euch an. Ihr hättet sie wohl noch gesehen, denn es war nicht spät. Doch Ihr wart so müde, dass man Euch in Euer Zimmer tragen musste. Ihr findet sie jetzt in der großen Halle beim Frühstück.", plapperte sie munter drauflos. „Und wo ist diese Halle?" „Kommt. Ich führe Euch hin. Ich wollte sowieso gerade frühstücken gehen. Ich bin übrigens Mirenithil!" Damit drehte sie sich um und ging los und ich folgte ihr so schnell ich konnte.
Einige Augenblicke später befanden wir uns tatsächlich in einer großen Halle. Hier stand eine riesige Tafel an der eine Menge Elben saßen. Ich sah mich nach meinen Gefährten um und entdeckte sie schließlich neben Herrn Elrond persönlich, den man sofort erkannte, weil er auf einem erhöhten Stuhl saß. Sie hatten mir sogar einen Stuhl zwischen Éo und den Hobbits freigehalten.
Und sie hatten uns nicht bemerkt. Mirenithil verabschiedete sich und setzte sich zu einer Freundin, die ihr heftig zuwinkte. Ich näherte mich ihnen von hinten. Die Hobbits lachten und scherzten und griffen kräftig zu. Éolind unterhielt sich leise mit Aragorn und Elrond. „Guten Morgen, Éo. Na, gut geschlafen?" „IDRIL!!!", schrie sie, so dass die Elben im ganzen Saal aufschauten und sogar die Hobbits mit dem Essen aufhörten, sprang auf und fiel mir um den Hals. „Ist gut, Éo... ist ja gut..." Sie beruhigte sich wieder und wir setzten uns. Nacheinander wünschten mir die Hobbits, Aragorn, Elrond und eine sehr hübsche, dunkelhaarige Elbe, die auf seiner anderen Seite saß einen guten Morgen. Ich bemerkte plötzlich, wie hungrig ich war und probierte den wunderbaren Honig, der in einem Glas auf dem Tisch stand. Ich habe Honig schon immer geliebt, aber dieser hier war der beste, den ich je gegessen hatte.
Danach hörte ich mir von Éo, Pippin und Merry an, was passiert war, nachdem ich mit Frodo weggaloppiert war. Sie hatten sich alle versteckt und die schwarzen Reiter waren einfach an ihnen vorbeigeritten, ohne sie zu bemerken. Sie waren zu fixiert auf uns gewesen. Danach erzählte ich meine Geschichte und die anderen hörten gut zu. „Wie geht's eigentlich Frodo? Und wo ist überhaupt Sam??", fragte ich dann. „Och, Frodo geht es gar nicht so schlecht. Elrond sagte, er wäre zwar vergiftet gewesen, aber du hättest ihn anscheinend schon größtenteils geheilt... Sam ist natürlich bei ihm, wo sonst?", meinte Pippin fröhlich und holte sich noch eine Scheibe Brot. Ich schaute mich fragend nach Elrond um. Er lächelte. „Ja. Du hast Frodo auf eurem rasanten Ritt tatsächlich geholfen. Du warst mächtig genug, das böse Gift der Nazgûl zu vertreiben. Er schien nur zu schlafen, als ich ihn letzte Nacht ansah. Doch deine Tat hat auch deine Kräfte aufgezehrt. Man musste dich gestern auf dein Zimmer tragen, so müde warst du. Ich bin froh, dich wieder bei uns zu sehen." Ich sah ihn nur erstaunt an. Aragorn mischte sich ein. „Glorfindel und ich haben beide schon auf unserer Reise bemerkt, dass du große Macht verliehen bekamst. Irgendwie musst du es geschafft haben, Frodo mit dieser Macht zu heilen. Er wäre ohne dich vielleicht gestorben..."
ICH? Ich sollte Frodo geheilt haben??? Ich konnte das alles kaum glauben. „Oh man... wow... ähm... k-kann ich... kann ich ihn vielleicht... ähm... sehen???" „Das ahnte ich. Gleich nach dem Frühstück führen wir dich zu ihm. Er wird bereits aufgewacht sein. „Ah." Leicht enttäuscht blickte ich auf meinen Teller. Elrond sah so aus, als hätte er vor, noch dort sitzen zu bleiben, bis auch der letzte der Elben im Saal mit dem Frühstück fertig war. Na ja, musste er wahrscheinlich auch.
„Warte, ich werde dich hinführen. Ich bin schon lange fertig mit Essen...", sagte die Frau neben Elrond plötzlich. „Ada?" Elrond zog eine Augenbraue hoch, nickte jedoch schließlich. „Ja, geht nur. Aber ich will dich, Idril und deine Freundin Éolind später noch einmal sprechen. Sagen wir, um zehn Uhr auf der Terrasse?" „Gut." Damit zogen wir los. Die Hobbits rannten uns, die letzten Bissen hinunterschluckend, hinterher.
Die junge Frau stellte sich unterwegs als Arwen, Elronds Tochter vor. Hatte ich den Namen nicht schon mal irgendwo gehört? Mir fiel außerdem auf, dass sie älter zu sein schien, als ich sie eingeschätzt hatte. Sie wirkte ziemlich jung, nicht älter als fünfundzwanzig, und doch war sie wohl weit über tausend Jahre alt.
Bald blieben wir vor einer Tür stehen. Die Hobbits und Éolind keuchten leise. Arwen klopfte leise an und öffnete dann die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten. Frodo saß aufgerichtet in seinem Bett, das viel zu groß für ihn zu sein schien und Sam saß daneben auf einem kleinen Stuhl. Beide schienen in eine angeregte Unterhaltung vertieft, verstummten aber, als sie uns bemerkten. Sie waren wirklich glücklich, uns zu sehen und fielen uns nacheinander um den Hals. Na ja, was mich und Éo betraf und Arwen, die sie zwar nicht kannten, aber trotzdem nicht ausließen, konnten sie höchstens den Bauch umklammern. Frodo wirkte genauso quicklebendig wie Sam und überhaupt nicht krank.
„Weißt du, gestern hängst du noch in meinen Armen und ich hatte Angst, du wärst tot und jetzt scheint es dir ja richtig gut zu gehen" Frodo wurde sofort wieder etwas ruhiger. „Jaaaa, ich fühlte mich auch wie tot. Alles war dunkel und schreckliche Stimmen riefen mich und flüsterten mir ins Ohr. Doch plötzlich wurde es mir wieder warm und hell um mich und die Stimmen erstarben und ich hörte deine Stimme, die mir zuredete: ‚Gib nicht auf, Frodo, gib nicht auf! Komm zurück, ich bin da!' Warmes Licht schien mich zu umgeben und dann wachte ich hier auf und Sam war bei mir und war froh und erzählte mir, dass du mich hergebracht hättest..."
Ich wäre am liebsten nur noch rumgehüpft, so glücklich war ich. Frodo war gesund! Wir waren alle in Bruchtal und die schwarzen Reiter erstmal weg vom Fenster. Alles schien wieder gut.
Einige Stunden waren vergangen, obwohl es mir schien wie zehn Minuten, als ein dunkelhaariger Elb das Zimmer betrat. Wohl ein Diener. „Herr Elrond und Herr Mithrandir fragen nach Frau Idril und Frau Éolind." „Echt? Schon so spät?!", rief Idril erstaunt, die fröhlich mit den Hobbits über die Qualität von Erdbeeren geredet hatte. Wir waren gerade erst zu dem Schluss gekommen, dass die Erdbeeren in Bruchtal weit besser und frischer schmeckten als die in unserer Welt, doch Idril behauptete steif und fest, dass die Erdebeeren in ihrem Garten daheim diese hier um Längen schlugen. Dann warf Sam ein, dass keine Erdbeeren welcher Welt auch immer die im Garten von Beutelsend schlagen konnten... Ich konnte da nicht mitreden, weil wir daheim nur einen ganz winzigen Garten haben, in dem keine Erdbeeren wachsen. Dazu ist es in Großbritannien zu kalt. Allerdings hatte ich mal in Südfrankreich Erdbeeren von einem Straßenhändler gegessen und die waren wirklich lecker gewesen...
Na ja, jetzt mussten wir diese Diskussion erstmal unterbrechen, weil Idril und ich zu Elrond mussten und diesem anderen Kerl dessen Name mit M anfing, wer auch immer das war.
Der Elb führte uns in eine Bibliothek. Elrond saß in einem hohen Sessel, doch als er uns sah, stand er auf. Hinter einem Regal trat ein alter Mann hervor. Er hatte graue Haare und einen grauen Bart und trug einen grauen Mantel. Überhaupt schien alles an ihm grau und oft benutzt, außer seinem spitzen Hut, der zwar auch ziemlich abgetragen, aber dunkelblau war. Elrond wandte sich ihm zu. „Mithrandir, das sind Idril und Éolind. Idril, Éolind, das ist Mithrandir, wie wir Elben ihn nennen. Bei den Menschen heißt er Gandalf, der Graue. Eigentlich hat er viele Namen..." „Du bist also Gandalf! Die Hobbits sprachen von dir.", rief Idril erfreut. Gandalf lächelte nur. „Der Zauberer.", meinte ich mit leichtem Sarkasmus, den aber niemand zu bemerken schien. Jetzt war ich echt gespannt. Gandalf lächelte wieder in seinen Bart hinein, doch seine Augen schienen neugierig zu blitzen. „Wir haben euch hergerufen, um zu erfahren, wo ihr herkommt, wie ihr hergekommen seid und vor allem warum ihr hier seid. Aragorn sagte mir, er hätte euch das Versprechen gegeben, nichts zu erzählen. Deshalb frage ich euch selbst und hoffe, ihr werdet mir vertrauen. Ich werde euch so gut helfen, wie es in meiner Macht und meinem Wissen steht."
Ja, ich vertraute diesem Gandalf. Er erinnerte mich an jemanden. Jemanden, den ich sehr gut kannte und von dem ich wusste, dass ich ihm trauen konnte. Immer.
Idril erzählte ihre Geschichte zuerst. Sie fing bei ihrem alten Leben an und kam schließlich zu dem Blitzschlag und dann zu unserer Reise.
Dann erzählte ich von meinem eigenen Leben. Ich erwähnte scheinbar beiläufig, dass ich eine Hexe war. Eine Hexe, die auf einer Schule ausgebildet wurde. Gandalf merkte sofort auf. „Eine Hexe? Unmöglich... aber erzähl weiter!" Das tat ich auch und schloss schließlich bei meinem Treffen mit Idril. Den Rest kannten sie ja schon.
„Was ich gerne wissen würde ist, was mit J.R.R. Tolkien war, als er hier herkam. Aragorn sagte, einen Elb dieses Namens hätte er vor vielen Jahren einmal getroffen." „Jaaaa...ich erinnere mich."antwortete Elrond. „Er wohnte hier in Bruchtal und eines Tages verschwand er und keiner in Mittelerde sah ihn je wieder. Aber es gibt einige Aufzeichnungen, die er uns hinterließ. Zum Beispiel war er der erste, der anfing, die Geschichte der Elben in Mittelerde aufzuschreiben Er brachte diese Arbeit allerdings nie zu Ende und sie wurde von Bilbo, Frodos Onkel fortgeführt, als dieser hierher kam. Bedauerlicherweise trafen sich die beiden nie. Sie hätten gut zueinander gepasst... Ich dachte bisher nicht daran, dass seine und eure Geschichte zusammenhängen könnte, doch nun..." Er ging zu einem der vielen voll gestopften Bücherregale und zog zielstrebig einige verstaubte, in dunkles Leder gebundene Bücher heraus, die er auf einen kleinen Tisch legte. Wir alle beugten uns interessiert darüber. Ich schlug eines auf. Es war in einer schwungvollen, schönen Schrift geschrieben, die ich nicht kannte. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen.
„Ich kann es nicht lesen. Elbisch, nehme ich an...", sagte ich resigniert. „Warte, ich will's versuchen. Ich wollte sowieso wissen, ob ich jetzt, wo ich eine Elbin bin, das Sindarin verstehe..."Vorsichtig nahm Idril mir das Buch aus der Hand und schlug eine Seite auf. Gandalf, Elrond und ich beobachteten sie gespannt. „Hey, ich verstehe es echt! Es ist ein wenig so, als wäre man lange Zeit im Ausland gewesen und würde dann wieder Deutsch reden, weißt du..." „Na los, les schon vor!", drängte ich ungeduldig.
Idril räusperte sich und fing an, zuerst langsam, dann jedoch immer flüssiger vorzulesen. „Von Beren und Lúthien. Niedergeschrieben von John Ronald Reul Tolkien, Reisender... Hey, die Geschichte kenne ich!" „Hm? Woher denn das? Hat Aragorn sie euch erzählt?" „Mir hat er sie eines Abends erzählt. Aber da war Idril nicht bei uns...", warf ich ein. „Ohhh, ganz einfach."sagte sie. „Tolkien hat sie bei uns in einem Buch mit dem Namen ‚Das Silmarillion' veröffentlicht. In diesem Buch stehen alle Geschichten über die Valar und die Entstehung von Mittelerde und den Elben..."
„Ja, Aragorn erwähnte etwas in dieser Richtung...", meinte Gandalf schließlich in das kurze Schweigen hinein, das nach Idrils Worten entstanden war. „Gut, die Frage, wieso ihr so viel über unsere Welt wisst, scheint geklärt."schloss Elrond sich an. „Wir wissen zwar nicht, woher mein alter Freund wusste, was in dieser Zeit geschehen würde, doch dieses Geheimnis werden wir jetzt und hier nicht lüften können und deshalb ist es sinnlos, heute Abend darüber nachzudenken. Was mich noch wundert ist, wieso ihr hier seid. Es ist kein Zufall, dessen bin ich mir sicher... Wisst ihr, ich habe dazu eine Theorie..."
Er drehte sich um und ging langsam in eine der hintersten und dunkelsten Ecken der Bibliothek. Idril und ich folgten ihm neugierig. In dieser Ecke standen keine Bücher, sondern handgeschriebene Pergamentrollen. Und diesmal brauchte Elrond auch eine Weile, bis er die richtige gefunden zu haben schien.
Wir kehrten zu Gandalf zurück.
„Hier ist sie. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie noch habe, denn sie ist sehr alt. Einige tausend Jahre - sie stammt noch aus der Zeit, bevor Feanor Valinor verließ und Galadriel noch ein junges Elbenmädchen war. Feanor, der größte der Elben selbst schrieb sie, nachdem er einen merkwürdigen Traum hatte, eine Vision. Ich lese vor."
Er räusperte sich noch einmal, blickte würdevoller denn je zuvor in die Runde, als ob er sich absichern wollte, dass wir die Ehre, die uns zuteil wurde auch wirklich begriffen hatten und setzte dann an. „Die Sprache ist Quenya. Ich übersetzte nur die Ausschnitte, die euch betreffen. Es ist nämlich nicht gerade leicht, müsst ihr wissen. Die alten Elben hatten eine sehr, sagen wir blumige Ausdrucksweise... ‚Eine Frau erschien mir. Sie war schöner als alle, die ich je zuvor gesehen hatte. Ihre dunklen Augen glitzerten im Licht der Sterne, die noch heller zu leuchten schienen, als sie es sonst taten'... jetzt wird eine Weile die Schönheit dieser Frau beschrieben. Ah, hier geht es weiter: ‚Und sie erhob ihre Stimme zu mir und sprach: ‚ In ferner Zukunft, Feanor, wenn das Volk der Elben endgültig aus dem Osten zu schwinden beginnt, wird das Dunkle die Nachfahren deiner Söhne und Geschwister erneut bedrohen. Es wird Krieg geben und großes Unheil kann über Menschen und Elben kommen, wenn das Böse nicht vertrieben werden kann. Das Schicksal wird abhängen von wenigen Personen, die mehr Leid zu ertragen haben werden als jeder andere, ob Mensch, Elb oder Zwerg. Zu ihrer Hilfe werden die Valar vier junge Wesen aus einer anderen Welt schicken, jeder mit einer besonderen Fähigkeit ausgestattet und sie werden Luft, Wasser, Erde und Feuer verkörpern. Nur mit ihrer Hilfe kann Mittelerde gerettet werden und von ihnen wird letztendlich das Schicksal aller, die dort wandeln abhängen. Schmerz werden sie ertragen müssen und die Rückkehr in ihre Heimat wird ihnen nicht gewiss sein. Auch ist es nicht gewiss, dass sie sich dem Guten zuwenden und dem Bösen widerstehen können. Nichts ist gewiss. Große Macht wohnt in ihnen, die sich bei jedem von ihnen auf seine eigene Art, früher oder später, entfaltet. Luft, Wasser, Erde und Feuer, Feanor, Feuergeist. Das Schicksal hängt von ihnen ab...' Die Stimme wird schwächer und das Bild verblasst. Ich erwache schweißgebadet. Ich schrieb dies nieder, um den Betroffenen zu helfen, sollte die Prophezeiung sich tatsächlich einst erfüllen. Die Valar mögen mit dir sein, der du dies liest...' Das war es. Ich denke, wir wissen nun was geschehen ist. Doch... ihr seid nur zu zweit. Was ist mit dem dritten und dem vierten Kind?"
Ich konnte es nicht unterdrücken, bei dem Begriff „Kind"leicht die Stirn zu runzeln. Ich konnte dieses Wort im Zusammenhang mit mir einfach nicht ausstehen... Aber im Moment waren andere Dinge wichtiger. Es schien, als hätten wir endlich den Grund für unser Hier sein entdeckt...! Wer Numero drei war, war mir natürlich klar. „Harry." „Hm?"
Drei leicht verwirrt schauende Gesichter wendeten sich mir zu. Nur Idril wusste von ihm. „Harry ist ein Schulfreund von mir. Er musste im gleichen Augenblick wie ich diesen Trank schlucken und deshalb nahm ich bisher an, dass er hier auch irgendwo ist..." Ein neuer, schrecklicher Gedanke kam mir. Der Trank war eindeutig giftig gewesen. Idril wäre ja eigentlich auch durch den Blitzschlag gestorben. Was, wenn Harry nicht auserwählt und somit tatsächlich gestorben war...?
Gandalf schien meine Gedanken zu lesen. Er legte mir die Hand auf die Schulter, was irgendwie beruhigend wirkte. „Ja, das nehme ich auch an. Ich denke nicht, dass das alles aus Zufall geschehen ist. Dass euch dreien gleichzeitig diese Unfälle passierten, während wir hier tatsächlich vor einem sehr ernsten Problem stehen... Die Valar haben euch auserwählt. Dich und Idril und diesen Herri. Sie würden niemanden umsonst sterben lassen. Das liegt nicht in ihrer Art..." Klar, das war logisch. Er musste einfach leben. „Und du wirst ihn finden, das verspreche ich dir." Ich konnte nicht wissen, dass Harry zur selben Zeit etwas Ähnliches von einem gewissen Hauptmann gesagt bekam.
„Was mich noch interessieren würde ist, wer von uns nun welches Element verkörpert...", meinte ich nach kurzer Zeit nachdenklich. Elrond lächelte. „Nun, ein berechtigte Frage, wie ich zugeben muss. Über dich, Éolind, bin ich mir noch nicht im Klaren, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass du, Idril, das Wasser verkörperst. Schnell und ungestüm kannst du sein, doch auch ruhig. Deine Augen sind blau und glitzern wie ein schneller Bach in der Sonne und in deiner Stimme klingt das Rauschen der Wellen..." Wow, waren diese Elben poetisch. Gandalf und ich warfen uns vielsagende Blicke zu, doch Idril schien das alles vollkommen normal zu finden. Na ja, sie war ja auch eine Elbin. Das sagt alles.
„Doch, was ist mit dem vierten Kind?", fragte Idril plötzlich dazwischen. Klar, das war noch eine extrem wichtige Frage. „Wir müssen es finden! Wenn er oder sie dem Bösen in die Hände fällt... Ihr habt doch alle gehört, was Feanor schrieb. ‚Auch ist es nicht gewiss, ob sie sich dem Guten zuwenden und dem Bösen widerstehen können. Nichts ist gewiss.'" Idril hatte Recht. Betroffenheit machte sich auf unseren Gesichtern breit.
Viel gab es nicht mehr zu sagen. Jede von uns beiden, Idril und ich, musste das Besprochene erst einmal verdauen. Wir verabschiedeten uns und gingen unter verschiedenen Vorwänden auf unsere Zimmer.
Ich wachte auf. Die Vögel sangen und die Blätter der Linde vor meinem Fenster rauschten in einer leisen Brise. Ich lag im Bett.
‚Oh nein. Gleich muss ich wieder in die Schule. Da drauf hann ich jetzt echt null Bock. Wieso hat der Wecker net geklingelt? Mama rastet aus, wenn ich verschlafen hab...'
Ich schlug die Augen auf und erblickte statt der posterbedeckten Decke meines Zimmers eine aus hellem Holz, die reich mit elbischen Schnitzereien verziert war. Meine Erinnerungen kehrten schlagartig zurück. Ich war nicht daheim, sondern in Mittelerde, in Bruchtal. Ich setzte mich auf. Ich fühlte mich gut. Ausgeschlafen. Ich stand auf und blickte mich um. Ich trug ein schneeweißes, langes Nachthemd ohne irgendeine Verzierung, das mir jedoch sehr gut stand, wie ich in dem großen Spiegel, der in einer Ecke stand sehen konnte.
Das Zimmer war hell und hatte blaue Wände und war mit hellen Holzmöbeln ausgestattet. Wirklich wunderschön. In einer Ecke stand ein großer Schrank. Vielleicht war da ja was zum Anziehen drin, ich konnte ja schlecht im Nachthemd durch Elronds Haus laufen - und wenn es ein noch so schönes Nachthemd war...
Ich öffnete neugierig die Schranktür. Jemand hatte tatsächlich den ganzen Schrank vollgestopft mit Klamotten, alle ungefähr in meiner Größe. Darunter waren wunderschöne elbische Kleider, die ich wirklich zu gerne gleich anprobiert hätte.
Schließlich entschied ich mich jedoch für ein hellblaues, das im Gegensatz zu manchen anderen sehr einfach war. Es war allerdings schmal geschnitten und ich sah wirklich gut darin aus. Ich legte es aufs Bett. Vielleicht gab es ja auch irgendwo ein Bad hier. Ich hatte mich immerhin seit über einer Woche nicht geduscht und elbisches Haar wird zwar nicht so schnell fettig, doch hatte sich ziemlicher Dreck darin angesammelt, obwohl ich meine Haare eigentlich immer geflochten getragen hatte. Ich stank auch nicht wirklich, denn Elben stinken einfach nicht, das ist so, aber unangenehm war es trotzdem.
Von dem Zimmer gingen zwei Türen ab. Eine musste wohl auf einen Gang oder in das nächste Zimmer führen und die andere führte hoffentlich zu einem Bad. Ich probierte wahllos eine aus. Bingo! Ein weißgefliester Raum, mit einem Traum von einer Badewanne und unzähligen Seifen. Anscheinend hatte der gute Elrond schon vorausgesehen, dass ich mich nach dem Aufwachen erst mal waschen wollen würde und die Wanne mit heißem Wasser füllen lassen, das allerdings mittlerweile nur noch lauwarm war.
Eine dreiviertel Stunde später war ich gewaschen, getrocknet, gekämmt und angezogen und ging durch die zweite Tür. Dahinter lag tatsächlich ein Gang, von dem noch einige andere Türen abgingen. Ich stand ziemlich am Ende und musste so nicht lange überlegen, welche Richtung ich nehmen sollte.
Der Gang endete in einer Wendeltreppe nach unten, welche wieder auf einen Gang führte. Dieser Gang kreuzte sich mit einem anderen. Ich wählte willkürlich einen Weg aus und ging weiter.
Viele Gänge und Treppen und Entscheidungen später begegnete ich endlich einem jungen Elbenmädchen, noch jünger sogar als ich, das aus einem Zimmer heraustrat.
„Entschuldigung? Kannst du mir vielleicht sagen, wie ich die anderen finde?", fragte ich inzwischen leicht genervt. Wieso musste dieses Haus, nein, dieser Palast so groß sein? „Welche and... oh, ich verstehe! Ihr müsst Idril sein, von der alle sprechen!" „Genau."Ja, ja, schlaues Mädchen. „Aber kannst du mir vielleicht meine Frage beantworten, wie ich meine Gefährten finde?" Ich war langsam echt gereizt. „Oh, sie kamen gestern Nacht nach Euch an. Ihr hättet sie wohl noch gesehen, denn es war nicht spät. Doch Ihr wart so müde, dass man Euch in Euer Zimmer tragen musste. Ihr findet sie jetzt in der großen Halle beim Frühstück.", plapperte sie munter drauflos. „Und wo ist diese Halle?" „Kommt. Ich führe Euch hin. Ich wollte sowieso gerade frühstücken gehen. Ich bin übrigens Mirenithil!" Damit drehte sie sich um und ging los und ich folgte ihr so schnell ich konnte.
Einige Augenblicke später befanden wir uns tatsächlich in einer großen Halle. Hier stand eine riesige Tafel an der eine Menge Elben saßen. Ich sah mich nach meinen Gefährten um und entdeckte sie schließlich neben Herrn Elrond persönlich, den man sofort erkannte, weil er auf einem erhöhten Stuhl saß. Sie hatten mir sogar einen Stuhl zwischen Éo und den Hobbits freigehalten.
Und sie hatten uns nicht bemerkt. Mirenithil verabschiedete sich und setzte sich zu einer Freundin, die ihr heftig zuwinkte. Ich näherte mich ihnen von hinten. Die Hobbits lachten und scherzten und griffen kräftig zu. Éolind unterhielt sich leise mit Aragorn und Elrond. „Guten Morgen, Éo. Na, gut geschlafen?" „IDRIL!!!", schrie sie, so dass die Elben im ganzen Saal aufschauten und sogar die Hobbits mit dem Essen aufhörten, sprang auf und fiel mir um den Hals. „Ist gut, Éo... ist ja gut..." Sie beruhigte sich wieder und wir setzten uns. Nacheinander wünschten mir die Hobbits, Aragorn, Elrond und eine sehr hübsche, dunkelhaarige Elbe, die auf seiner anderen Seite saß einen guten Morgen. Ich bemerkte plötzlich, wie hungrig ich war und probierte den wunderbaren Honig, der in einem Glas auf dem Tisch stand. Ich habe Honig schon immer geliebt, aber dieser hier war der beste, den ich je gegessen hatte.
Danach hörte ich mir von Éo, Pippin und Merry an, was passiert war, nachdem ich mit Frodo weggaloppiert war. Sie hatten sich alle versteckt und die schwarzen Reiter waren einfach an ihnen vorbeigeritten, ohne sie zu bemerken. Sie waren zu fixiert auf uns gewesen. Danach erzählte ich meine Geschichte und die anderen hörten gut zu. „Wie geht's eigentlich Frodo? Und wo ist überhaupt Sam??", fragte ich dann. „Och, Frodo geht es gar nicht so schlecht. Elrond sagte, er wäre zwar vergiftet gewesen, aber du hättest ihn anscheinend schon größtenteils geheilt... Sam ist natürlich bei ihm, wo sonst?", meinte Pippin fröhlich und holte sich noch eine Scheibe Brot. Ich schaute mich fragend nach Elrond um. Er lächelte. „Ja. Du hast Frodo auf eurem rasanten Ritt tatsächlich geholfen. Du warst mächtig genug, das böse Gift der Nazgûl zu vertreiben. Er schien nur zu schlafen, als ich ihn letzte Nacht ansah. Doch deine Tat hat auch deine Kräfte aufgezehrt. Man musste dich gestern auf dein Zimmer tragen, so müde warst du. Ich bin froh, dich wieder bei uns zu sehen." Ich sah ihn nur erstaunt an. Aragorn mischte sich ein. „Glorfindel und ich haben beide schon auf unserer Reise bemerkt, dass du große Macht verliehen bekamst. Irgendwie musst du es geschafft haben, Frodo mit dieser Macht zu heilen. Er wäre ohne dich vielleicht gestorben..."
ICH? Ich sollte Frodo geheilt haben??? Ich konnte das alles kaum glauben. „Oh man... wow... ähm... k-kann ich... kann ich ihn vielleicht... ähm... sehen???" „Das ahnte ich. Gleich nach dem Frühstück führen wir dich zu ihm. Er wird bereits aufgewacht sein. „Ah." Leicht enttäuscht blickte ich auf meinen Teller. Elrond sah so aus, als hätte er vor, noch dort sitzen zu bleiben, bis auch der letzte der Elben im Saal mit dem Frühstück fertig war. Na ja, musste er wahrscheinlich auch.
„Warte, ich werde dich hinführen. Ich bin schon lange fertig mit Essen...", sagte die Frau neben Elrond plötzlich. „Ada?" Elrond zog eine Augenbraue hoch, nickte jedoch schließlich. „Ja, geht nur. Aber ich will dich, Idril und deine Freundin Éolind später noch einmal sprechen. Sagen wir, um zehn Uhr auf der Terrasse?" „Gut." Damit zogen wir los. Die Hobbits rannten uns, die letzten Bissen hinunterschluckend, hinterher.
Die junge Frau stellte sich unterwegs als Arwen, Elronds Tochter vor. Hatte ich den Namen nicht schon mal irgendwo gehört? Mir fiel außerdem auf, dass sie älter zu sein schien, als ich sie eingeschätzt hatte. Sie wirkte ziemlich jung, nicht älter als fünfundzwanzig, und doch war sie wohl weit über tausend Jahre alt.
Bald blieben wir vor einer Tür stehen. Die Hobbits und Éolind keuchten leise. Arwen klopfte leise an und öffnete dann die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten. Frodo saß aufgerichtet in seinem Bett, das viel zu groß für ihn zu sein schien und Sam saß daneben auf einem kleinen Stuhl. Beide schienen in eine angeregte Unterhaltung vertieft, verstummten aber, als sie uns bemerkten. Sie waren wirklich glücklich, uns zu sehen und fielen uns nacheinander um den Hals. Na ja, was mich und Éo betraf und Arwen, die sie zwar nicht kannten, aber trotzdem nicht ausließen, konnten sie höchstens den Bauch umklammern. Frodo wirkte genauso quicklebendig wie Sam und überhaupt nicht krank.
„Weißt du, gestern hängst du noch in meinen Armen und ich hatte Angst, du wärst tot und jetzt scheint es dir ja richtig gut zu gehen" Frodo wurde sofort wieder etwas ruhiger. „Jaaaa, ich fühlte mich auch wie tot. Alles war dunkel und schreckliche Stimmen riefen mich und flüsterten mir ins Ohr. Doch plötzlich wurde es mir wieder warm und hell um mich und die Stimmen erstarben und ich hörte deine Stimme, die mir zuredete: ‚Gib nicht auf, Frodo, gib nicht auf! Komm zurück, ich bin da!' Warmes Licht schien mich zu umgeben und dann wachte ich hier auf und Sam war bei mir und war froh und erzählte mir, dass du mich hergebracht hättest..."
Ich wäre am liebsten nur noch rumgehüpft, so glücklich war ich. Frodo war gesund! Wir waren alle in Bruchtal und die schwarzen Reiter erstmal weg vom Fenster. Alles schien wieder gut.
Einige Stunden waren vergangen, obwohl es mir schien wie zehn Minuten, als ein dunkelhaariger Elb das Zimmer betrat. Wohl ein Diener. „Herr Elrond und Herr Mithrandir fragen nach Frau Idril und Frau Éolind." „Echt? Schon so spät?!", rief Idril erstaunt, die fröhlich mit den Hobbits über die Qualität von Erdbeeren geredet hatte. Wir waren gerade erst zu dem Schluss gekommen, dass die Erdbeeren in Bruchtal weit besser und frischer schmeckten als die in unserer Welt, doch Idril behauptete steif und fest, dass die Erdebeeren in ihrem Garten daheim diese hier um Längen schlugen. Dann warf Sam ein, dass keine Erdbeeren welcher Welt auch immer die im Garten von Beutelsend schlagen konnten... Ich konnte da nicht mitreden, weil wir daheim nur einen ganz winzigen Garten haben, in dem keine Erdbeeren wachsen. Dazu ist es in Großbritannien zu kalt. Allerdings hatte ich mal in Südfrankreich Erdbeeren von einem Straßenhändler gegessen und die waren wirklich lecker gewesen...
Na ja, jetzt mussten wir diese Diskussion erstmal unterbrechen, weil Idril und ich zu Elrond mussten und diesem anderen Kerl dessen Name mit M anfing, wer auch immer das war.
Der Elb führte uns in eine Bibliothek. Elrond saß in einem hohen Sessel, doch als er uns sah, stand er auf. Hinter einem Regal trat ein alter Mann hervor. Er hatte graue Haare und einen grauen Bart und trug einen grauen Mantel. Überhaupt schien alles an ihm grau und oft benutzt, außer seinem spitzen Hut, der zwar auch ziemlich abgetragen, aber dunkelblau war. Elrond wandte sich ihm zu. „Mithrandir, das sind Idril und Éolind. Idril, Éolind, das ist Mithrandir, wie wir Elben ihn nennen. Bei den Menschen heißt er Gandalf, der Graue. Eigentlich hat er viele Namen..." „Du bist also Gandalf! Die Hobbits sprachen von dir.", rief Idril erfreut. Gandalf lächelte nur. „Der Zauberer.", meinte ich mit leichtem Sarkasmus, den aber niemand zu bemerken schien. Jetzt war ich echt gespannt. Gandalf lächelte wieder in seinen Bart hinein, doch seine Augen schienen neugierig zu blitzen. „Wir haben euch hergerufen, um zu erfahren, wo ihr herkommt, wie ihr hergekommen seid und vor allem warum ihr hier seid. Aragorn sagte mir, er hätte euch das Versprechen gegeben, nichts zu erzählen. Deshalb frage ich euch selbst und hoffe, ihr werdet mir vertrauen. Ich werde euch so gut helfen, wie es in meiner Macht und meinem Wissen steht."
Ja, ich vertraute diesem Gandalf. Er erinnerte mich an jemanden. Jemanden, den ich sehr gut kannte und von dem ich wusste, dass ich ihm trauen konnte. Immer.
Idril erzählte ihre Geschichte zuerst. Sie fing bei ihrem alten Leben an und kam schließlich zu dem Blitzschlag und dann zu unserer Reise.
Dann erzählte ich von meinem eigenen Leben. Ich erwähnte scheinbar beiläufig, dass ich eine Hexe war. Eine Hexe, die auf einer Schule ausgebildet wurde. Gandalf merkte sofort auf. „Eine Hexe? Unmöglich... aber erzähl weiter!" Das tat ich auch und schloss schließlich bei meinem Treffen mit Idril. Den Rest kannten sie ja schon.
„Was ich gerne wissen würde ist, was mit J.R.R. Tolkien war, als er hier herkam. Aragorn sagte, einen Elb dieses Namens hätte er vor vielen Jahren einmal getroffen." „Jaaaa...ich erinnere mich."antwortete Elrond. „Er wohnte hier in Bruchtal und eines Tages verschwand er und keiner in Mittelerde sah ihn je wieder. Aber es gibt einige Aufzeichnungen, die er uns hinterließ. Zum Beispiel war er der erste, der anfing, die Geschichte der Elben in Mittelerde aufzuschreiben Er brachte diese Arbeit allerdings nie zu Ende und sie wurde von Bilbo, Frodos Onkel fortgeführt, als dieser hierher kam. Bedauerlicherweise trafen sich die beiden nie. Sie hätten gut zueinander gepasst... Ich dachte bisher nicht daran, dass seine und eure Geschichte zusammenhängen könnte, doch nun..." Er ging zu einem der vielen voll gestopften Bücherregale und zog zielstrebig einige verstaubte, in dunkles Leder gebundene Bücher heraus, die er auf einen kleinen Tisch legte. Wir alle beugten uns interessiert darüber. Ich schlug eines auf. Es war in einer schwungvollen, schönen Schrift geschrieben, die ich nicht kannte. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen.
„Ich kann es nicht lesen. Elbisch, nehme ich an...", sagte ich resigniert. „Warte, ich will's versuchen. Ich wollte sowieso wissen, ob ich jetzt, wo ich eine Elbin bin, das Sindarin verstehe..."Vorsichtig nahm Idril mir das Buch aus der Hand und schlug eine Seite auf. Gandalf, Elrond und ich beobachteten sie gespannt. „Hey, ich verstehe es echt! Es ist ein wenig so, als wäre man lange Zeit im Ausland gewesen und würde dann wieder Deutsch reden, weißt du..." „Na los, les schon vor!", drängte ich ungeduldig.
Idril räusperte sich und fing an, zuerst langsam, dann jedoch immer flüssiger vorzulesen. „Von Beren und Lúthien. Niedergeschrieben von John Ronald Reul Tolkien, Reisender... Hey, die Geschichte kenne ich!" „Hm? Woher denn das? Hat Aragorn sie euch erzählt?" „Mir hat er sie eines Abends erzählt. Aber da war Idril nicht bei uns...", warf ich ein. „Ohhh, ganz einfach."sagte sie. „Tolkien hat sie bei uns in einem Buch mit dem Namen ‚Das Silmarillion' veröffentlicht. In diesem Buch stehen alle Geschichten über die Valar und die Entstehung von Mittelerde und den Elben..."
„Ja, Aragorn erwähnte etwas in dieser Richtung...", meinte Gandalf schließlich in das kurze Schweigen hinein, das nach Idrils Worten entstanden war. „Gut, die Frage, wieso ihr so viel über unsere Welt wisst, scheint geklärt."schloss Elrond sich an. „Wir wissen zwar nicht, woher mein alter Freund wusste, was in dieser Zeit geschehen würde, doch dieses Geheimnis werden wir jetzt und hier nicht lüften können und deshalb ist es sinnlos, heute Abend darüber nachzudenken. Was mich noch wundert ist, wieso ihr hier seid. Es ist kein Zufall, dessen bin ich mir sicher... Wisst ihr, ich habe dazu eine Theorie..."
Er drehte sich um und ging langsam in eine der hintersten und dunkelsten Ecken der Bibliothek. Idril und ich folgten ihm neugierig. In dieser Ecke standen keine Bücher, sondern handgeschriebene Pergamentrollen. Und diesmal brauchte Elrond auch eine Weile, bis er die richtige gefunden zu haben schien.
Wir kehrten zu Gandalf zurück.
„Hier ist sie. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie noch habe, denn sie ist sehr alt. Einige tausend Jahre - sie stammt noch aus der Zeit, bevor Feanor Valinor verließ und Galadriel noch ein junges Elbenmädchen war. Feanor, der größte der Elben selbst schrieb sie, nachdem er einen merkwürdigen Traum hatte, eine Vision. Ich lese vor."
Er räusperte sich noch einmal, blickte würdevoller denn je zuvor in die Runde, als ob er sich absichern wollte, dass wir die Ehre, die uns zuteil wurde auch wirklich begriffen hatten und setzte dann an. „Die Sprache ist Quenya. Ich übersetzte nur die Ausschnitte, die euch betreffen. Es ist nämlich nicht gerade leicht, müsst ihr wissen. Die alten Elben hatten eine sehr, sagen wir blumige Ausdrucksweise... ‚Eine Frau erschien mir. Sie war schöner als alle, die ich je zuvor gesehen hatte. Ihre dunklen Augen glitzerten im Licht der Sterne, die noch heller zu leuchten schienen, als sie es sonst taten'... jetzt wird eine Weile die Schönheit dieser Frau beschrieben. Ah, hier geht es weiter: ‚Und sie erhob ihre Stimme zu mir und sprach: ‚ In ferner Zukunft, Feanor, wenn das Volk der Elben endgültig aus dem Osten zu schwinden beginnt, wird das Dunkle die Nachfahren deiner Söhne und Geschwister erneut bedrohen. Es wird Krieg geben und großes Unheil kann über Menschen und Elben kommen, wenn das Böse nicht vertrieben werden kann. Das Schicksal wird abhängen von wenigen Personen, die mehr Leid zu ertragen haben werden als jeder andere, ob Mensch, Elb oder Zwerg. Zu ihrer Hilfe werden die Valar vier junge Wesen aus einer anderen Welt schicken, jeder mit einer besonderen Fähigkeit ausgestattet und sie werden Luft, Wasser, Erde und Feuer verkörpern. Nur mit ihrer Hilfe kann Mittelerde gerettet werden und von ihnen wird letztendlich das Schicksal aller, die dort wandeln abhängen. Schmerz werden sie ertragen müssen und die Rückkehr in ihre Heimat wird ihnen nicht gewiss sein. Auch ist es nicht gewiss, dass sie sich dem Guten zuwenden und dem Bösen widerstehen können. Nichts ist gewiss. Große Macht wohnt in ihnen, die sich bei jedem von ihnen auf seine eigene Art, früher oder später, entfaltet. Luft, Wasser, Erde und Feuer, Feanor, Feuergeist. Das Schicksal hängt von ihnen ab...' Die Stimme wird schwächer und das Bild verblasst. Ich erwache schweißgebadet. Ich schrieb dies nieder, um den Betroffenen zu helfen, sollte die Prophezeiung sich tatsächlich einst erfüllen. Die Valar mögen mit dir sein, der du dies liest...' Das war es. Ich denke, wir wissen nun was geschehen ist. Doch... ihr seid nur zu zweit. Was ist mit dem dritten und dem vierten Kind?"
Ich konnte es nicht unterdrücken, bei dem Begriff „Kind"leicht die Stirn zu runzeln. Ich konnte dieses Wort im Zusammenhang mit mir einfach nicht ausstehen... Aber im Moment waren andere Dinge wichtiger. Es schien, als hätten wir endlich den Grund für unser Hier sein entdeckt...! Wer Numero drei war, war mir natürlich klar. „Harry." „Hm?"
Drei leicht verwirrt schauende Gesichter wendeten sich mir zu. Nur Idril wusste von ihm. „Harry ist ein Schulfreund von mir. Er musste im gleichen Augenblick wie ich diesen Trank schlucken und deshalb nahm ich bisher an, dass er hier auch irgendwo ist..." Ein neuer, schrecklicher Gedanke kam mir. Der Trank war eindeutig giftig gewesen. Idril wäre ja eigentlich auch durch den Blitzschlag gestorben. Was, wenn Harry nicht auserwählt und somit tatsächlich gestorben war...?
Gandalf schien meine Gedanken zu lesen. Er legte mir die Hand auf die Schulter, was irgendwie beruhigend wirkte. „Ja, das nehme ich auch an. Ich denke nicht, dass das alles aus Zufall geschehen ist. Dass euch dreien gleichzeitig diese Unfälle passierten, während wir hier tatsächlich vor einem sehr ernsten Problem stehen... Die Valar haben euch auserwählt. Dich und Idril und diesen Herri. Sie würden niemanden umsonst sterben lassen. Das liegt nicht in ihrer Art..." Klar, das war logisch. Er musste einfach leben. „Und du wirst ihn finden, das verspreche ich dir." Ich konnte nicht wissen, dass Harry zur selben Zeit etwas Ähnliches von einem gewissen Hauptmann gesagt bekam.
„Was mich noch interessieren würde ist, wer von uns nun welches Element verkörpert...", meinte ich nach kurzer Zeit nachdenklich. Elrond lächelte. „Nun, ein berechtigte Frage, wie ich zugeben muss. Über dich, Éolind, bin ich mir noch nicht im Klaren, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass du, Idril, das Wasser verkörperst. Schnell und ungestüm kannst du sein, doch auch ruhig. Deine Augen sind blau und glitzern wie ein schneller Bach in der Sonne und in deiner Stimme klingt das Rauschen der Wellen..." Wow, waren diese Elben poetisch. Gandalf und ich warfen uns vielsagende Blicke zu, doch Idril schien das alles vollkommen normal zu finden. Na ja, sie war ja auch eine Elbin. Das sagt alles.
„Doch, was ist mit dem vierten Kind?", fragte Idril plötzlich dazwischen. Klar, das war noch eine extrem wichtige Frage. „Wir müssen es finden! Wenn er oder sie dem Bösen in die Hände fällt... Ihr habt doch alle gehört, was Feanor schrieb. ‚Auch ist es nicht gewiss, ob sie sich dem Guten zuwenden und dem Bösen widerstehen können. Nichts ist gewiss.'" Idril hatte Recht. Betroffenheit machte sich auf unseren Gesichtern breit.
Viel gab es nicht mehr zu sagen. Jede von uns beiden, Idril und ich, musste das Besprochene erst einmal verdauen. Wir verabschiedeten uns und gingen unter verschiedenen Vorwänden auf unsere Zimmer.
