8. Kapitel

„Wir sind da!", rief Faramir.

Es war Mittag und die Sonne stand hoch. Wir waren in der letzten Zeit durch eine schöne Gegend geritten, mit Büschen und Bäumen und saftigem Gras bewachsen. Nun führte er uns über einen schmalen steinigen Pfad in eine geräumige Höhle, deren Eingang gut hinter einem hohen Wasserfall verborgen lag. Das herunterfallende Wasser glitzerte in der Sonne und wirkte wie ein dichter Schleier. Die Höhle war tatsächlich riesig. Man sah deutlich, dass viele Soldaten hier ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Ein großer, bärtiger Mann kam uns entgegen. „Herr Faramir! Gut, dass Ihr kommt!" Die beiden schienen sich trotz der höflichen Anrede gut zu kennen. Sie fielen sich in die Arme.

Dann wandte Faramir sich uns zu. Ich bemerkte, dass drei oder vier von unserer Gruppe, die ältesten, bereits hier gewesen sein mussten. Sie sahen sich nicht wie wir anderen neugierig um, sondern fingen bereits damit an, ihr Gepäck in die dafür bestimmten Ecken zu stellen und winkten alten Kameraden zu, die fröhlich zurückgrüßten.

„Das ist Grimbart", sagte Faramir nun und Grimbart grinste uns fröhlich zu. Schien ein rauer, aber netter Kerl zu sein. „Er beaufsichtigt dieses Lager, wenn ich abwesend bin."Wir nickten.

„Doch sag, Faramir. Wieso seid ihr nur so wenige? Mehr sollten kommen. Und was macht dieser Elb bei euch?"Grimbarts tiefe Stimme war ernster geworden, beinahe unfreundlich, als er mir bei seinen letzten Worten einen Seitenblick zuwarf. Ich fand ihn gleich nicht mehr ganz so nett... „Ein Hinterhalt von Orks aus Mordor. Sie schienen zu wissen, dass wir kommen würden. Doch darüber reden wir später. Der Elb hier ist übrigens Eltaithir. Er ist kein Gefangener, wenn du das meinst."Soso. Faramir hatte es also auch bemerkt. „Er schloss sich uns schon in Minas Tirith an. Er hat sein Gedächtnis verloren, der Arme." „Ach, hat er?"Grimbart hatte sein Misstrauen noch nicht überwunden und zeigte das allzu deutlich.

In diesem Moment schaltete sich eine andere Stimme hinter mir ein. „Er ist ein sehr guter Bogenschütze. Nur wenige sah ich mit dieser Perfektion schießen. Ohne ihn... wären wir bei dem Hinterhalt gefallen, wie viele unserer Gefährten. Wir misstrauen ihm nicht." Alle drehten sich erstaunt nach dem Sprecher um. Es war Alandil.

Grimbart wandte sich an mich. Wie nett. „Ist es wahr, was dieser junge Soldat soeben sagte?" Mein Gefühl sagte mir, dass dies nicht der richtige Augenblick für Bescheidenheit war. Ich meine, ich hatte ja schon ein paar Orks getroffen... „Ja, Herr." „Dann entschuldige ich mich hiermit bei Euch. Es war unrecht von mir, so vorschnell zu urteilen. Ich bin froh, Euch hier zu haben, denn Elben sind bekanntlich rechtschaffene und gute Krieger." Ich nickte nur. Dann wies man uns Lagerplätze in einer Ecke der Höhle zu. Eine Matratze aus trockenem Gras und eine Decke. Das war's. Na ja, ich hatte schon schlechtere Schlafplätze gehabt. Ein Schrank unter einer Treppe ist auch nicht grade die Präsidentensuite...

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Ich wachte davon auf, dass ich heftig geschüttelt wurde und blinzelte müde. Die Sonne schien noch nicht durch die vielen kleinen Ritzen, die die Höhle sonst erhellten. Sie waren in der Nacht durch Fackeln ersetzt worden. Ich hatte höchstens drei oder vier Stunden geschlafen, nachdem wir bis spät in die Nacht mit anderen Soldaten gegessen und Geschichten erzählt, andere gehört, Witze gemacht und über andere gelacht hatten und dann todmüde ins Bett gegangen waren.

Es war Alandil, der mich so brutal aus meinen Träumen riss. „Mhmmm... wassisss...", nuschelte ich. „Wach... endlich... auf!", sagte Alandil bestimmt und schüttelte mich noch fester. „Die Posten haben Haradrim vom Süden kommend gesehen!" Ich war sofort hellwach. „Feinde? Mist!"

Ich hatte, wie alle anderen, in meinen Klamotten geschlafen und war dementsprechend schnell aufgestanden, da ich mich nicht noch in eine Rüstung zwängen musste, wie alle anderen Soldaten.

Ich ging hinüber zu Faramir, der natürlich als erstes geweckt worden war. „Wie viele?", fragte er gerade einen übermüdet aussehenden, dreckigen Mann. „Nur etwa hundert! Ich konnte sie kaum noch richtig zählen, denn sie waren schon zu nahe." „Was ist mit deinen neun Gefährten, die bei dir waren?" „Alle tot. Die Haradrim haben Späher vorausgeschickt, die unser Lager entdeckt haben. Ich war gerade jagen, weil unsere Vorräte langsam aufgebraucht waren und so sahen sie mich nicht."

Ich ging wieder rüber zu meinem Lagerplatz, um mein Schwert (ich nahm es immer mit, obwohl ich kaum etwas damit anfangen konnte) und natürlich meinen Bogen und Köcher zu holen. Es gab in der Höhle auch ein Waffenlager, das erbeutete Waffen und überzählige Waffen gefallener Soldaten beinhaltete. Ich suchte mir einige neue Pfeile, denn die der Orks waren wirklich nicht besonders gut. Die zweite Schlacht in meinem Leben bahnte sich an.

Etwa eine halbe Stunde später. Die Sonne ging leuchtend am Horizont auf. Doch kein Mitglied unserer kleinen Armee hatte die Zeit, dieses wunderschöne Schauspiel zu bewundern.

Ich lauerte hinter einem großen Felsen, den Bogen bereit. Neben mir kniete Alandil, ebenfalls einen Pfeil und Bogen zum Schießen bereithaltend. Er war kein großartiger Schütze, doch auch nicht schlecht. Wir blieben jetzt immer zusammen und er war mir ein treuer Freund. Unter uns führte ein Abhang steil in ein schmales, steiniges Tal hinab. Auf beiden Seiten hatten sich die Soldaten Gondors postiert, immer zu zweit oder zu dritt beisammen. Wir bildeten einen Hinterhalt, ein schlauer Schachzug Faramirs. Unser Standpunkt war jedoch nicht allzu weit von Minas Morgul entfernt und wir hofften inständig, nicht entdeckt zu werden. Dann wären wir verloren gewesen. Doch es gab einfach keinen besseren Ort für diesen Hinterhalt in der Nähe.

In etwa zwanzig Metern Entfernung hörte ich plötzlich ein leises Pfeifen, ähnlich dem eines kleinen Vogels. „Das Signal." „Ach, was. Das war doch nur ein Vogel." „Natürlich sollte es so klingen. Aber ich sage dir, es war das Signal...!" „Du hast bessere Ohren als ich. Gib es weiter. Die nächsten Beiden liegen hinter diesem Geröllhaufen da drüben." Ich spitzte meine Lippen und bekam auch tatsächlich einen leisen, aber klaren Ton hin, der dem, den wir gehört hatten ähnelte.

Plötzlich richtete ich mich leicht auf. „Was hörst du?" „Trommeln. Leise Trommeln in der Ferne." „Die Haradrim. Sie sind hier...", flüsterte Alandil. „Wie weit noch?" „Etwa eine Meile. Vielleicht auch eine viertel Meile mehr oder weniger. Und... da ist noch ein anderes Geräusch. Eine Art Stampfen. Stampfen von schweren, unglaublich schweren Füßen... So etwas habe ich noch nie gehört...", murmelte ich. Ich war absolut verwirrt. Es klang wie ein Elefant. Nur schwerer. Viel schwerer. „Jetzt hör ich es auch. Da! Da sind sie!", zischte Alandil plötzlich.

Riesige Wesen kamen das Tal hinauf. Wie Elefanten sahen sie aus, doch drei- oder viermal so groß! Und jeder von ihnen hatte einen Wehrturm auf dem breiten Rücken. Und da waren auch die Trommeln. Sie schlugen einen gleichmäßigen Takt, in dem die rot-schwarz gekleideten Fußsoldaten marschierten. Es war Furcht einflößend. Bald waren sie auf unserer Höhe. Ich hörte ein zweites leises Pfeifen, das ich sofort weitergab. Das Zeichen zum Angriff! Wir standen auf und stellten uns so, dass unsere Bögen gerade auf beiden Seiten an dem Felsen vorbeischauten. Ich spannte den Bogen, zielte und ließ los. Die Sehne surrte leise. Ein Fußsoldat in der vordersten Reihe brach zusammen. Der Zug stockte. Und dann, dann brach das Chaos aus. Neben mir wurden andere Pfeile von den Sehnen gelassen. Die Haradrim waren offensichtlich verwirrt. Sie liefen durcheinander, hier und da brach einer von ihnen zusammen. Die Bogenschützen auf den riesigen Elefanten konnten nichts anderes tun, als auf die Felsen zu zielen und zu beobachten, wie ihre Leute fielen. Ich ließ mehr Pfeile von der Sehne. Und tötete weiter.

Alandil hatte mittlerweile auf die großen Tiere gezielt. Die Menschen traf er sowieso nicht. Keine schlechte Idee. Es würde einen großen Vorteil bringen, wenn wir die Viecher los wären, die mir nicht besonders sympathisch waren, um ehrlich zu sein und die jetzt kopflos hin und her liefen. Ihre dicken Häute waren mit Pfeilen gespickt und das Chaos, das überall herrschte, schien sie total verrückt werden zu lassen. Kein gutes Kampftraining...

Doch es brachte nichts, die Elefantenhaut (ich nannte die Viecher einfach so, weil ich ihren richtigen Namen nicht kannte) mit Pfeilen zu spicken. Sie war viel zu dick. Aber kurz hinter dem Kopf des Elefanten saß jeweils eine Art Führer, der sein Tier mit Seilen unter Kontrolle hielt.

Ich legte den Pfeil an und zielte genau auf das Herz des Menschen. Ich traf ihn in den Hals und war leicht enttäuscht. Na ja, auf jeden Fall kippte der Kerl und fiel, an den Schnüren reißend von seinem Elefant. Der Elefant stöhnte schmerzhaft auf und ließ den Kopf zur Seite hängen. Offensichtlich waren die Schnüre an scharfen Stangen im weichen Maul befestigt gewesen und daher musste das Reißen daran ziemlich schmerzhaft sein. Der Elefant ging in die Knie und stürzte dann. Auch andere Schützen waren nach meinem Beispiel auf die Idee gekommen, die Elefantenführer abzuschießen. Es stand gut für uns. Doch dann wendete sich das Blatt abrupt. Orks strömten das Tal hinauf. Orks mit einer dunklen Flagge, auf der ein gespenstisch weißer Mond prangte. Und es waren viele. Hunderte. Zu viele.

„Oh nein.", flüsterte Alandil entsetzt. "Das ist unser Ende. Die können wir niemals alle besiegen!" „Noch ist die Zeit nicht gekommen, die Hoffnung aufzugeben, mein Freund", sagte ich leise. „Lass uns kämpfen und mögen die Valar mit uns sein."

Die Orks kamen auf Ideen, die die Haradrim noch nicht gehabt hatten. Sie verfolgten einfach die Pfeile, die auf sie niederprasselten. Wir schossen verzweifelt weiter. Nicht weit von uns waren die ersten Orks auf zwei oder drei unserer Kameraden gestoßen. Zehn Orks gegen zwei Soldaten. Gleich darauf hörten wir die Schreie sterbender Menschen hinter dem Felsen und das Triumphgebrüll von Orks. Ich erschoss alle, die hinter dem Felsen hervorkamen, mit wenigen Pfeilen. Doch immer mehr Orks kletterten die Seite des Tals hinauf und immer weniger Pfeile schossen hinter den Felsen hervor. Es war aussichtslos. Auch uns waren sie gefährlich nahe gekommen. Sie hatten uns bemerkt und unseren Felsen umstellt. Meinem Freund und mir blieb nur eins: Wir steckten die Bögen weg und zogen unsere Schwerter.

„Ein Elb!", knurrte jetzt der größte von ihnen. Wohl so etwas wie ein Hauptmann. „Nehmt ihn mit! Tötet den anderen!"

Dem Befehl wurde sofort Folge geleistet. Sie liefen auf uns zu. Zwei von ihnen schafften es bald, mich an den Armen zu packen und mir ein dreckiges Stück Stoff über das Gesicht zu ziehen. Ich konnte mich nicht einmal mit dem Schwert richtig wehren. Dann gab mir jemand einen saftigen Hieb mit irgendetwas Hartem auf den Hinterkopf. Mir wurde schwindlig. Mein Kopf brummte und ich war plötzlich... so... müde...

Das letzte, was ich hörte, war Alandils letzter, schmerzvoller Aufschrei. Wir hatten verloren.

(A/N: hähähä... ab hier wird's nicht mehr nett... zu Lily rüberschiel)