12. Kapitel
Ich erwachte zitternd und schweißgebadet. Ich hatte geträumt. Ein Traum von einem Elben, der von Orks ausgepeitscht wurde. Ich hatte das Blut über seinen Rücken fließen sehen. Ich hatte die Orks schreien und johlen gehört. Ich hatte auch das Stöhnen des gefolterten Elben gehört und ich fühlte beinahe den Schmerz, den er bei jedem Hieb erfuhr. Blut floss aus seinen Mundwinkeln. Und dann hatte er aufgesehen. Direkt in meine Augen und ich hatte etwas bemerkt. Eine schmale Narbe zwischen den Strähnen von dunklem Haar, das von getrocknetem Blut und Schmutz verklebt war. Ich kannte diese Narbe. Tausendmal hatte ich sie gesehen. Und ich erkannte diesen flehenden Blick in seinen Augen, obwohl er kein Wort sagte. Und dann, dann zuckte er ein letztes Mal zusammen, als der Ork hinter ihm die Peitsche erneut auf seinen Rücken herabsausen ließ und sein Kopf fiel zurück auf den Pfahl und seine Augen schlossen sich. Der Elb war tot.
Ich hatte ihn erkannt. Doch ich wusste, genauso wie er es wusste, dass ich ihm nicht helfen konnte.
Ich zog mich an und ging zum Frühstück. Im Speisesaal setzte mich schweigend neben Idril. Sie begrüßte mich fröhlich. Ich erwiderte ein kurzes „Morgen"in alle Richtungen und nahm mir ein Brot. Keiner schien wirklich zu registrieren, was mit mir los war. Ich war froh, dass niemand Fragen stellte. Idril fing an, aufgeregt von der bevorstehenden Reise zu reden. Die Reise. Wir sollten in einigen Tagen aufbrechen.
Doch ich hatte einen anderen Plan gefasst. Ich musste Harry suchen und ihn retten, falls er noch am Leben war. Ich hatte ihn sterben sehen. Ich trauerte. Doch die Hoffnung verließ mich nicht. Ich spürte, dass seine Geschichte noch nicht zu Ende war. Ich würde Elrond um ein Pferd und Verpflegung für einige Tage bitten. Ich wollte sofort los. Ich musste mich beeilen oder es würde zu spät sein, Harry zu retten. Ich konnte mich nicht mit den anderen Gefährten aufhalten. Der Ring würde Nazgûl und Orks anziehen, wie eine Lampe die Fliegen. Alleine war ich schneller. Spätestens morgen früh würde ich von hier fortreiten. Der Entschluss stand. Ich sagte Elrond nach dem Frühstück, dass ich ihn in einer wichtigen Angelegenheit sprechen müsste.
„Ich würde sagen, wir ziehen uns in die Bibliothek zurück", meinte er, als ich geendet hatte. „Allein.", fügte er mit einem Seitenblick auf Idril, Aragorn und die Hobbits hinzu, die inzwischen neugierig näher getreten waren. Leise murrend zogen sie sich auf ihre Plätze zurück. Elrond und ich verließen den Saal und gingen wieder in die Bibliothek.
Ich erzählte Elrond von meinem Traum. Er las die Trauer gepaart mit anscheinend aussichtsloser, doch stetiger Hoffnung in meinen Augen. Er verstand mich. Ich wusste, er würde mich gehen lassen. „Ich weiß, dass du gehen musst. Sorge dich aber nicht um Idril und deine anderen Freunde. Sie wissen sich ihrer zu erwehren. Ich gebe dir ein schnelles Pferd, Waffen und Proviant und was du sonst noch für deine Reise brauchst. Doch ich lasse nicht zu, dass du allein reitest. Elben aus meinem Volk werden dich auf deinem Weg begleiten." Das hatte ich erwartet. Doch ich hatte mir nun mal in den Kopf gesetzt, allein zu gehen, und wäre es noch so gefährlich und unvernünftig. Aber ich wusste, es brächte nichts, Elrond jetzt zu widersprechen. Ich würde einen Weg finden. „Lass uns zurück in die Halle gehen. Ich werde jemanden rufen, der dir die Ställe zeigt, so dass du dir ein Pferd aussuchen kannst. Man wird dir auch zu essen und zu trinken geben. Morgen früh kannst du aufbrechen. Im Morgengrauen." Ich nickte nur und wir standen auf und verließen den Raum. Elrond rief eine Dienerin, die mich zu den Pferden führen sollte.
Bald standen wir an einer großen Wiese, die nicht eingezäunt war. Das Mädchen pfiff leise und ein helles Wiehern aus der Ferne antwortete. Nach wenigen Sekunden kam eine kleine Pferdeherde über den Hügel gerast, direkt auf uns zu. Ich war beeindruckt. Die Pferde hielten direkt vor unserer Nase an. Die Dienerin, die mir ihren Namen nicht gesagt hatte, seufzte verträumt. „Ohhh, ich hätte ja sooo gerne auch ein Pferd... Sie sind sooo schön..."Ich grinste. Sie erinnerte mich an Parvati Patil. Die war der gleiche Typ, nett, tierliebend und pferdeverrückt...
Ich verstand nicht wirklich viel von Pferden, aber ich sah gleich, dass diese edle und schnelle Tiere waren. Ich wusste nicht, ob man mir die Fähigkeit zu reiten gegeben hatte, so wie Idril mit dem Schwert kämpfen konnte. Aber warum auch nicht? Irgendwas musste ja auch ich können.
Eines der Tier trat auf mich zu. Es war größer als die anderen. Mir fiel auf, dass es das einzige der Pferde war, das schwarz war. Logisch. Schwarz war eher die Farbe des Bösen und der Dunkelheit. Nicht gerade Elbenstil. Außerdem war das Tier x ziemlich riesig. Es hatte dunkle, kluge Augen. Meine Entscheidung war gefallen. „Ich nehme ihn hier.", sagte ich bestimmt zu dem Mädchen. Sie sah mich zwar an, als ob ich verrückt geworden wäre, sagte jedoch dann nur: "Das ist Fuindae."
Ich hatte ja eigentlich ein ruhiges, unauffälliges, schnelles Pferd gesucht. Fuindae war genau das Gegenteil.
Ich legte den Kopf an seinen Hals und er schnaubte wieder zufrieden. Das Mädchen sah mich entsetzt an. Vielleicht durfte man das nicht? Schnell trat ich einen Schritt von dem Hengst weg. Täuschte ich mich oder war da etwa so etwas wie ein kleines, verschmitztes Lächeln in seinen Augen? Dann drehte er sich um und galoppierte zurück über den Hügel, den anderen Pferden hinterher, die längst wieder verschwunden waren, nachdem sie anscheinend gemerkt hatten, dass ich mich für Fuindae entschieden hatte.
Wir gingen zurück ins Haus. Dort traf ich Elrond wieder. „Und, hast du ein Pferd gefunden, das dir gefällt?", fragte er höflich. „Ja. Ich habe mich für den schwarzen Fuindae entschieden. Doch was bedeutet dieser Name eigentlich?", fragte ich nachdenklich. Ich konnte kaum übersehen, wie Elrond tief schluckte und auf einmal ziemlich besorgt dreinblickte. „Sein Name bedeutet Nachtschatten. Er ist kein Elbenpferd, wie der Rest der Herde, sondern stammt aus Rohan. Elbenpferde sind niemals schwarz. Es gilt als unheilsvolle Farbe. Um ehrlich zu sein, kann ich nicht verstehen, warum du ausgerechnet Fuindae gewählt hast. Er ist riesig und auffällig. Außerdem duldet er weder Zaum noch Sattel und nur sehr wenige Reiter. Er ist schnell, doch auch sehr wild und ungestüm. Du wirst es nicht leicht mit ihm haben. Überleg es dir lieber noch einmal. Du könntest auch Lanil nehmen. Sie ist klein und hübsch und ruhig wie ein Fels." „Ich habe mich bereits entschieden.", sagte ich bestimmt. „Da war etwas in seinen Augen. Etwas wie ein Lächeln. Er ist ein kluges Tier." Elrond gab seufzend nach und nickte nur.
In dieser Nacht ging ich nicht schlafen. Das heißt, ich zog mich schon kurz nachdem es dunkel geworden war auf mein Zimmer zurück und sagte allen, ich wäre hundemüde. In Wirklichkeit richtete ich meine Sachen für den Aufbruch. Ich würde nicht bis zum Morgen warten. Ich würde in der Nacht gehen, wenn alle schliefen. Allein, bis auf Fuindae.
Einige Stunden verbrachte ich lesend auf meinem Bett, in eine der hinterlassenen Geschichten von John R. R. Tolkien vertieft. Eine Geschichte über einen Mensch namens Eärendil und eine Elbin namens Elwing. Nach Elronds Aussagen war sie sogar wahr. Ich hatte diese Geschichten, die ich mir aus Elronds Bücherei auslieh, zu lieben gelernt. Tolkien schrieb einfach klasse. Schließlich schlug ich das Buch jedoch zu. Ich hatte entschlossen, es mitzunehmen. Das war Diebstahl, aber ich konnte es Elrond ja irgendwann zurückgeben, wenn ich ihn wieder sah. Falls ich ihn wieder sah.
Ich zog mein Kleid aus und ging zum Schrank. Ich brauchte etwas Praktisches, womit ich reiten konnte. Ich fand schließlich eine schmal geschnittene, weiche, braune Lederhose, einen kurzen Waffenrock, ein weites Hemd, in das ich vorne einen Knoten machte, damit es nicht zu weit war und Lederstiefel. Das sah gar nicht so schlecht aus. Meine Haare band ich mir mit einigen Bändern hoch, so dass sie mir beim Reiten nicht ins Gesicht fliegen konnten. Außerdem legte ich den grauen Elbenumhang um, den der Herr von Bruchtal mir gegeben hatte. Er war mir etwas zu groß, so dass ich mich prima darin einhüllen konnte. Den Proviant, das Buch, ein Seil und den Rest meiner Habseligkeiten, wie meinen Stab, packte ich in einen Lederbeutel, den ich mir über den Rücken hängen konnte. Dann gürtete ich mir ein Schwert und zwei kleine Messer um, die Elrond mir gegeben hatte. Er wusste, dass ich mich besser mit dem Zauberstab wehren konnte, falls nötig, aber man weiß ja nie...
Ich ging hinüber zur Tür. Dabei kam ich an einem großen Spiegel vorbei. Erstaunt blieb ich stehen und sah mich an. Nichts war mehr zu sehen von Hermione Granger aus Hogwarts. Was ich sah, war eine ausgerüstete, kriegerische Jugendliche mit ernstem Blick, entschlossener Miene und leuchtend blauen Augen. Ich riss mich los. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Ich wollte nicht eingeholt werden und in dieser Nacht noch ein gutes Stück zurücklegen.
Ich öffnete die Tür so leise wie möglich. Der Gang war dunkel und still. Es musste lange nach Mitternacht sein. Ich schlich mich leise in den Stall. Die Pferde standen jetzt drinnen, in gepflegten Holzverschlägen. Ich brauchte eine Weile, bis ich meinen Fuindae fand. Ja, er war jetzt mein Fuindae. Elrond hatte ihn mir geschenkt. Wieso auch immer... Der Hengst schien sichtlich froh, mich zu sehen. Ich nahm ein leichtes Seilhalfter und legte es ihm schnell an. Dann führte ich ihn aus der Box, legte den Strick des Halfters über seinen Hals. Ich wusste, er würde so stehen bleiben. Ich wusste es einfach. Jetzt brauchte ich nur noch so etwas wie richtiges Zaumzeug und einen Sattel. Wie ich ihm das anlegen würde, darüber konnte ich mir Gedanken machen, wenn es soweit war. Ich durchsuchte den gesamten Stall und fand nichts. Es schien so, als würde die Elben ohne Sattel reiten. Ich hatte keine Zeit, noch länger zu suchen. Ich musste wohl so auf Fuindae reiten und hoffen dass er gute Gänge hatte. In einer Ecke des Stalles stand eine kleine Truhe. Ich ging hin und stieg darauf. Fuindae schien zu wissen, was ich vorhatte und stellte sich neben mich, so dass ich mich auf seinen Rücken angeln konnte. Das war ja gar nicht so schwer! „O.k., Großer, lauf. Ähm... aber ich kann nicht so toll reiten, weißt du. Also ras nicht gleich los, ja?" Wie zur Bestätigung nickte das Pferd mit dem Kopf. Ich hatte in leisen kehligen Lauten gesprochen. Wieso? War das... war das etwa... neeiiinnn, oder? Das konnte nicht sein. Obwohl... Harry konnte ja schließlich auch mit Schlangen sprechen. Vielleicht konnte ich es mit Pferden... ach Quatsch! Woher denn? Na ja, immerhin konnte ich hier in Mittelerde noch eine ganze Menge anderer Dinge tun, die ich vorher nie für möglich gehalten hätte... Na ja, ich würde später noch genug Zeit haben, das genauer zu untersuchen. Jetzt musste ich erst mal los.
Kaum waren wir auf dm großen Innenhof, fiel Fuindae in einen bequemen Trab. Ich konnte anscheinend tatsächlich reiten. Nach einigen Minuten saß ich ziemlich sicher. Schließlich kamen wir an der Wache vorbei. Ich zupfte leicht am Strick und Fuindae fiel erst in den Schritt und hielt dann an. „Ich... ich konnte nicht schlafen!", rief ich dem Elben zu. „In einer Stunde bin ich zurück." Der Elb nickte und ich ritt weiter. Kaum war ich außer Hörweite, atmete ich erleichtert auf.
„Fuindae? Lauf los! Ich hoffe du weißt, wo wir hinmüssen. Elrond sagte, nach meiner Beschreibung sei Harry vermutlich in Minas Morgul. Dorthin reiten wir!"Ich hatte wieder in derselben kehligen Sprache gesprochen und nun war ich mir sicher, dass es die der Pferde war. Denn Fuindae wendete kurz den Kopf, um mich spielerisch anzuschnauben, dann sprang er los, als wolle er mir zeigen wie schnell er war. Ich beugte mich tief auf seinen Hals. Nun wusste ich, was Elrond gemeint hatte. So rasten wir dahin, ohne dass mein Freund je müde zu werden schien und bis der Tag graute, hatten wir ein gutes Stück zurückgelegt.
Ich erwachte zitternd und schweißgebadet. Ich hatte geträumt. Ein Traum von einem Elben, der von Orks ausgepeitscht wurde. Ich hatte das Blut über seinen Rücken fließen sehen. Ich hatte die Orks schreien und johlen gehört. Ich hatte auch das Stöhnen des gefolterten Elben gehört und ich fühlte beinahe den Schmerz, den er bei jedem Hieb erfuhr. Blut floss aus seinen Mundwinkeln. Und dann hatte er aufgesehen. Direkt in meine Augen und ich hatte etwas bemerkt. Eine schmale Narbe zwischen den Strähnen von dunklem Haar, das von getrocknetem Blut und Schmutz verklebt war. Ich kannte diese Narbe. Tausendmal hatte ich sie gesehen. Und ich erkannte diesen flehenden Blick in seinen Augen, obwohl er kein Wort sagte. Und dann, dann zuckte er ein letztes Mal zusammen, als der Ork hinter ihm die Peitsche erneut auf seinen Rücken herabsausen ließ und sein Kopf fiel zurück auf den Pfahl und seine Augen schlossen sich. Der Elb war tot.
Ich hatte ihn erkannt. Doch ich wusste, genauso wie er es wusste, dass ich ihm nicht helfen konnte.
Ich zog mich an und ging zum Frühstück. Im Speisesaal setzte mich schweigend neben Idril. Sie begrüßte mich fröhlich. Ich erwiderte ein kurzes „Morgen"in alle Richtungen und nahm mir ein Brot. Keiner schien wirklich zu registrieren, was mit mir los war. Ich war froh, dass niemand Fragen stellte. Idril fing an, aufgeregt von der bevorstehenden Reise zu reden. Die Reise. Wir sollten in einigen Tagen aufbrechen.
Doch ich hatte einen anderen Plan gefasst. Ich musste Harry suchen und ihn retten, falls er noch am Leben war. Ich hatte ihn sterben sehen. Ich trauerte. Doch die Hoffnung verließ mich nicht. Ich spürte, dass seine Geschichte noch nicht zu Ende war. Ich würde Elrond um ein Pferd und Verpflegung für einige Tage bitten. Ich wollte sofort los. Ich musste mich beeilen oder es würde zu spät sein, Harry zu retten. Ich konnte mich nicht mit den anderen Gefährten aufhalten. Der Ring würde Nazgûl und Orks anziehen, wie eine Lampe die Fliegen. Alleine war ich schneller. Spätestens morgen früh würde ich von hier fortreiten. Der Entschluss stand. Ich sagte Elrond nach dem Frühstück, dass ich ihn in einer wichtigen Angelegenheit sprechen müsste.
„Ich würde sagen, wir ziehen uns in die Bibliothek zurück", meinte er, als ich geendet hatte. „Allein.", fügte er mit einem Seitenblick auf Idril, Aragorn und die Hobbits hinzu, die inzwischen neugierig näher getreten waren. Leise murrend zogen sie sich auf ihre Plätze zurück. Elrond und ich verließen den Saal und gingen wieder in die Bibliothek.
Ich erzählte Elrond von meinem Traum. Er las die Trauer gepaart mit anscheinend aussichtsloser, doch stetiger Hoffnung in meinen Augen. Er verstand mich. Ich wusste, er würde mich gehen lassen. „Ich weiß, dass du gehen musst. Sorge dich aber nicht um Idril und deine anderen Freunde. Sie wissen sich ihrer zu erwehren. Ich gebe dir ein schnelles Pferd, Waffen und Proviant und was du sonst noch für deine Reise brauchst. Doch ich lasse nicht zu, dass du allein reitest. Elben aus meinem Volk werden dich auf deinem Weg begleiten." Das hatte ich erwartet. Doch ich hatte mir nun mal in den Kopf gesetzt, allein zu gehen, und wäre es noch so gefährlich und unvernünftig. Aber ich wusste, es brächte nichts, Elrond jetzt zu widersprechen. Ich würde einen Weg finden. „Lass uns zurück in die Halle gehen. Ich werde jemanden rufen, der dir die Ställe zeigt, so dass du dir ein Pferd aussuchen kannst. Man wird dir auch zu essen und zu trinken geben. Morgen früh kannst du aufbrechen. Im Morgengrauen." Ich nickte nur und wir standen auf und verließen den Raum. Elrond rief eine Dienerin, die mich zu den Pferden führen sollte.
Bald standen wir an einer großen Wiese, die nicht eingezäunt war. Das Mädchen pfiff leise und ein helles Wiehern aus der Ferne antwortete. Nach wenigen Sekunden kam eine kleine Pferdeherde über den Hügel gerast, direkt auf uns zu. Ich war beeindruckt. Die Pferde hielten direkt vor unserer Nase an. Die Dienerin, die mir ihren Namen nicht gesagt hatte, seufzte verträumt. „Ohhh, ich hätte ja sooo gerne auch ein Pferd... Sie sind sooo schön..."Ich grinste. Sie erinnerte mich an Parvati Patil. Die war der gleiche Typ, nett, tierliebend und pferdeverrückt...
Ich verstand nicht wirklich viel von Pferden, aber ich sah gleich, dass diese edle und schnelle Tiere waren. Ich wusste nicht, ob man mir die Fähigkeit zu reiten gegeben hatte, so wie Idril mit dem Schwert kämpfen konnte. Aber warum auch nicht? Irgendwas musste ja auch ich können.
Eines der Tier trat auf mich zu. Es war größer als die anderen. Mir fiel auf, dass es das einzige der Pferde war, das schwarz war. Logisch. Schwarz war eher die Farbe des Bösen und der Dunkelheit. Nicht gerade Elbenstil. Außerdem war das Tier x ziemlich riesig. Es hatte dunkle, kluge Augen. Meine Entscheidung war gefallen. „Ich nehme ihn hier.", sagte ich bestimmt zu dem Mädchen. Sie sah mich zwar an, als ob ich verrückt geworden wäre, sagte jedoch dann nur: "Das ist Fuindae."
Ich hatte ja eigentlich ein ruhiges, unauffälliges, schnelles Pferd gesucht. Fuindae war genau das Gegenteil.
Ich legte den Kopf an seinen Hals und er schnaubte wieder zufrieden. Das Mädchen sah mich entsetzt an. Vielleicht durfte man das nicht? Schnell trat ich einen Schritt von dem Hengst weg. Täuschte ich mich oder war da etwa so etwas wie ein kleines, verschmitztes Lächeln in seinen Augen? Dann drehte er sich um und galoppierte zurück über den Hügel, den anderen Pferden hinterher, die längst wieder verschwunden waren, nachdem sie anscheinend gemerkt hatten, dass ich mich für Fuindae entschieden hatte.
Wir gingen zurück ins Haus. Dort traf ich Elrond wieder. „Und, hast du ein Pferd gefunden, das dir gefällt?", fragte er höflich. „Ja. Ich habe mich für den schwarzen Fuindae entschieden. Doch was bedeutet dieser Name eigentlich?", fragte ich nachdenklich. Ich konnte kaum übersehen, wie Elrond tief schluckte und auf einmal ziemlich besorgt dreinblickte. „Sein Name bedeutet Nachtschatten. Er ist kein Elbenpferd, wie der Rest der Herde, sondern stammt aus Rohan. Elbenpferde sind niemals schwarz. Es gilt als unheilsvolle Farbe. Um ehrlich zu sein, kann ich nicht verstehen, warum du ausgerechnet Fuindae gewählt hast. Er ist riesig und auffällig. Außerdem duldet er weder Zaum noch Sattel und nur sehr wenige Reiter. Er ist schnell, doch auch sehr wild und ungestüm. Du wirst es nicht leicht mit ihm haben. Überleg es dir lieber noch einmal. Du könntest auch Lanil nehmen. Sie ist klein und hübsch und ruhig wie ein Fels." „Ich habe mich bereits entschieden.", sagte ich bestimmt. „Da war etwas in seinen Augen. Etwas wie ein Lächeln. Er ist ein kluges Tier." Elrond gab seufzend nach und nickte nur.
In dieser Nacht ging ich nicht schlafen. Das heißt, ich zog mich schon kurz nachdem es dunkel geworden war auf mein Zimmer zurück und sagte allen, ich wäre hundemüde. In Wirklichkeit richtete ich meine Sachen für den Aufbruch. Ich würde nicht bis zum Morgen warten. Ich würde in der Nacht gehen, wenn alle schliefen. Allein, bis auf Fuindae.
Einige Stunden verbrachte ich lesend auf meinem Bett, in eine der hinterlassenen Geschichten von John R. R. Tolkien vertieft. Eine Geschichte über einen Mensch namens Eärendil und eine Elbin namens Elwing. Nach Elronds Aussagen war sie sogar wahr. Ich hatte diese Geschichten, die ich mir aus Elronds Bücherei auslieh, zu lieben gelernt. Tolkien schrieb einfach klasse. Schließlich schlug ich das Buch jedoch zu. Ich hatte entschlossen, es mitzunehmen. Das war Diebstahl, aber ich konnte es Elrond ja irgendwann zurückgeben, wenn ich ihn wieder sah. Falls ich ihn wieder sah.
Ich zog mein Kleid aus und ging zum Schrank. Ich brauchte etwas Praktisches, womit ich reiten konnte. Ich fand schließlich eine schmal geschnittene, weiche, braune Lederhose, einen kurzen Waffenrock, ein weites Hemd, in das ich vorne einen Knoten machte, damit es nicht zu weit war und Lederstiefel. Das sah gar nicht so schlecht aus. Meine Haare band ich mir mit einigen Bändern hoch, so dass sie mir beim Reiten nicht ins Gesicht fliegen konnten. Außerdem legte ich den grauen Elbenumhang um, den der Herr von Bruchtal mir gegeben hatte. Er war mir etwas zu groß, so dass ich mich prima darin einhüllen konnte. Den Proviant, das Buch, ein Seil und den Rest meiner Habseligkeiten, wie meinen Stab, packte ich in einen Lederbeutel, den ich mir über den Rücken hängen konnte. Dann gürtete ich mir ein Schwert und zwei kleine Messer um, die Elrond mir gegeben hatte. Er wusste, dass ich mich besser mit dem Zauberstab wehren konnte, falls nötig, aber man weiß ja nie...
Ich ging hinüber zur Tür. Dabei kam ich an einem großen Spiegel vorbei. Erstaunt blieb ich stehen und sah mich an. Nichts war mehr zu sehen von Hermione Granger aus Hogwarts. Was ich sah, war eine ausgerüstete, kriegerische Jugendliche mit ernstem Blick, entschlossener Miene und leuchtend blauen Augen. Ich riss mich los. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Ich wollte nicht eingeholt werden und in dieser Nacht noch ein gutes Stück zurücklegen.
Ich öffnete die Tür so leise wie möglich. Der Gang war dunkel und still. Es musste lange nach Mitternacht sein. Ich schlich mich leise in den Stall. Die Pferde standen jetzt drinnen, in gepflegten Holzverschlägen. Ich brauchte eine Weile, bis ich meinen Fuindae fand. Ja, er war jetzt mein Fuindae. Elrond hatte ihn mir geschenkt. Wieso auch immer... Der Hengst schien sichtlich froh, mich zu sehen. Ich nahm ein leichtes Seilhalfter und legte es ihm schnell an. Dann führte ich ihn aus der Box, legte den Strick des Halfters über seinen Hals. Ich wusste, er würde so stehen bleiben. Ich wusste es einfach. Jetzt brauchte ich nur noch so etwas wie richtiges Zaumzeug und einen Sattel. Wie ich ihm das anlegen würde, darüber konnte ich mir Gedanken machen, wenn es soweit war. Ich durchsuchte den gesamten Stall und fand nichts. Es schien so, als würde die Elben ohne Sattel reiten. Ich hatte keine Zeit, noch länger zu suchen. Ich musste wohl so auf Fuindae reiten und hoffen dass er gute Gänge hatte. In einer Ecke des Stalles stand eine kleine Truhe. Ich ging hin und stieg darauf. Fuindae schien zu wissen, was ich vorhatte und stellte sich neben mich, so dass ich mich auf seinen Rücken angeln konnte. Das war ja gar nicht so schwer! „O.k., Großer, lauf. Ähm... aber ich kann nicht so toll reiten, weißt du. Also ras nicht gleich los, ja?" Wie zur Bestätigung nickte das Pferd mit dem Kopf. Ich hatte in leisen kehligen Lauten gesprochen. Wieso? War das... war das etwa... neeiiinnn, oder? Das konnte nicht sein. Obwohl... Harry konnte ja schließlich auch mit Schlangen sprechen. Vielleicht konnte ich es mit Pferden... ach Quatsch! Woher denn? Na ja, immerhin konnte ich hier in Mittelerde noch eine ganze Menge anderer Dinge tun, die ich vorher nie für möglich gehalten hätte... Na ja, ich würde später noch genug Zeit haben, das genauer zu untersuchen. Jetzt musste ich erst mal los.
Kaum waren wir auf dm großen Innenhof, fiel Fuindae in einen bequemen Trab. Ich konnte anscheinend tatsächlich reiten. Nach einigen Minuten saß ich ziemlich sicher. Schließlich kamen wir an der Wache vorbei. Ich zupfte leicht am Strick und Fuindae fiel erst in den Schritt und hielt dann an. „Ich... ich konnte nicht schlafen!", rief ich dem Elben zu. „In einer Stunde bin ich zurück." Der Elb nickte und ich ritt weiter. Kaum war ich außer Hörweite, atmete ich erleichtert auf.
„Fuindae? Lauf los! Ich hoffe du weißt, wo wir hinmüssen. Elrond sagte, nach meiner Beschreibung sei Harry vermutlich in Minas Morgul. Dorthin reiten wir!"Ich hatte wieder in derselben kehligen Sprache gesprochen und nun war ich mir sicher, dass es die der Pferde war. Denn Fuindae wendete kurz den Kopf, um mich spielerisch anzuschnauben, dann sprang er los, als wolle er mir zeigen wie schnell er war. Ich beugte mich tief auf seinen Hals. Nun wusste ich, was Elrond gemeint hatte. So rasten wir dahin, ohne dass mein Freund je müde zu werden schien und bis der Tag graute, hatten wir ein gutes Stück zurückgelegt.
