Als Juri am nächsten Tag zur Schule fuhr, packte sie ihren Fußball zwischen ihren Schulsachen in ihren großen Ranzen und holte, als sie hinausging, ihr Fahrrad aus der Garage. Als sie damit um die Ecke gefahren war, so dass man sie nicht mehr aus den Fenstern des Hauses sah, stellte sie ihr Fahrrad ab und lief zur Schule. Dort angekommen sah sie an der großen Uhr, dass es noch etwas Zeit bis zur ersten Stunde war.
Und was macht man, wenn man auf etwas warten muss und sonst nichts zu tun hat? Fragte sie sich in Gedanken. Richtig! Fußball spielen!
Sie holte den Ball aus ihrer Schultasche und fing sofort an, damit zu kicken. Sie ließ den Ball auf ihren Füssen, dann auf ihrem Kopf und schließlich auf den Oberschenkeln tanzen, ohne dass er einmal den Boden berührte. Die Mädchen, die währenddessen zur Schule gekommen waren, staunten über die Fußballspielerin. Es kam selten vor, dass man auf dem Schulhof auch nur irgendetwas spielte … und dann auch noch Fußball? Nach einer Weile bildete sich ein großer Kreis von Schülerinnen um Juri, die sie alle angafften wie einen Entertainer in einer Show. Nur waren die Mädchen nicht gerade begeistert; die Gesichter, die auf Juri blicken, trugen erstaunte, entsetzte aber auch wütende Blicke.
„Wer ist denn das?", fragte Yumiko, der Captain der Schulvolleyballmannschaft. „Gehört die in eure Klasse, Katsura?"
„Ja, das ist unsere NEUE", antwortete Katsura verächtlich.
Juri aber kümmerte sich einen Deut über ihre „Zuschauer" und hörte nicht eher auf zu spielen, bis der Gong zur ersten Stunde ertönte. Dann steckte sie den Ball in den Ranzen zurück und lief in das Schulgebäude – mit den anderen Mädchen, die sich – so pflichtbewusst wie sie waren – nach dem Gong direkt umgedreht und sich auf den Weg zum Unterricht gemacht hatten.
Dann ging es wie gewohnt weiter. Katsura machte gerne Blödsinn und wurde ständig ermahnt; auch eine Andere mit langen braunen Haaren namens Julia störte oft den Unterricht. Aber sonst ging es streng und diszipliniert zu. Toki und Amy, ein Mädchen mit kurzen, schwarzen Haaren, machten am meisten mit und benahmen sich stets erwachsen. Es war seltsam, dass ausgerechnet Julia Amys Freundin war. In Kunst war Jacko die Beste – ein Mädchen mit einem braunen Pferdeschwanz und braunen Augen. Sie machte einen freundlichen und gepflegten Eindruck. Dann gab es noch Jenny, ein sehr hübsches Mädchen mit blonden Haaren, blauen Augen und den ersten weiblichen Formen – selbst in diesem Alter! Viele Jungs aus den anderen Schulen ließen sogar ihre Mittagspause sausen um zur Furano – Schule und somit zu Jenny zu fahren und um ihr den Hof zu machen. Jennys Freundinnen waren Eugenia und Marina – zwei Mädchen, die nicht unterschiedlicher sein konnten. Eugenia schaute immer wütend drein und trug ihre Uniform mit ausgerissenen Ärmeln, aus denen muskulöse Oberarme hervorschauten. Sie benahm sich zu allen Mädchen kühl und abweisend und legte sich gerne mit jedermann an. Marina aber trug schon jetzt Schminke, Schmuck und große Kreolen und toupierte sich ihre langen braunen Locken. Juri fand sie gab viel zu früh auf ihr Äußeres Acht. Und das Schlusslicht bildeten die Zwillinge Becky und Betty, die im Unterricht immer im Chor antworteten, auch wenn die Lehrerin nur eine von ihnen aufrief. Die anderen fanden es immer wahnsinnig lustig. Doch so sehr sie sich voneinander unterschieden, so hatten sie doch eins gemeinsam: den Hass auf und die Verachtung für die bekloppte Fußballerin, die neu in ihre Klasse gekommen war…
In den Pausen sauste Juri direkt zum Schulhof um ihrem Spiel nachzugehen. Sie übte nicht nur Ballbehalten, sondern auch Dribblings, Tore schießen und spielte gerne die Bäume auf dem Schulhof aus. Doch auch wenn sie nach wie vor dabei wie ein Weltwunder bestaunt wurde, so hütete sich auch nur Eine davor, zu fragen, ob sie nicht mitspielen durfte…
Und so ging es immer weiter, bis Juri feststellte, dass sie schon eine Woche auf der Schule war. Abgesehen davon, dass Eugenia schon den dritten Verehrer von Jenny verprügelt hatte und Julia, der geborene Pechvogel, schon das fünfte Mal von ihrem Stuhl gefallen war, so war immer noch alles gleich. Juri wurde immer noch von den anderen ignoriert; seit Toki an ihrem Schultag mit ihr gesprochen hatte, hatte niemand mehr mit ihr geredet. Aber Juri spielte nach wie vor vor dem Unterricht und in den Pausen Fußball – und nach wie vor ohne Erfolg. So geht das nicht, dachte sie, da kann ich spielen bis ich schwarz werde und niemand wird auch nur den Ball mit dem Fuß berühren wollen. Ich muss mir was Anderes überlegen! Und als ihre zweite Schulwoche in Furora zu Ende ging, kam ihr eine Idee…
Jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag hatte Toki Jiujitsu- Kampfsporttraining. Und auch an diesem Dienstagnachmittag war sie nach der Schule zu dem Fitnesscenter gegangen, wo es – neben ihrer Kampfsportschule – noch einen Raum mit Fitnessgeräten, eine Badminton – Halle und einen Platz für die Aerobic- Kurse gab. Und wie sonst immer zog sich Toki in der Umkleide um, traf in ihrer Trainingshalle ihre Freunde vom Jiujitsu und wartete auf ihren Trainer. Wie gewöhnlich traf er auch ein, doch dieses Mal hatte er jemand anderen im Schlepptau.
„So, alle mal hergehört!", rief der Trainer, „ich möchte euch jemanden vorstellen. Dieses Mädchen will sich bei uns einschreiben und macht heute mit um zu sehen, wie bei uns der Hase läuft."
Toki sah sich das Mädchen genauer an und dann stockte ihr der Atem…
„Es freut mich sehr, dass ich hier mitmachen kann", sagte Juri, „mein Name ist Juri Wakabayashi."
Das Training begann wie immer mit einem Aufwärmprogramm. Es stellte sich heraus, dass die Kondition der Neuen richtig gut war, sogar noch besser als vieler der Mitglieder. Und in ihrer Geschicklichkeit war sie ohnehin nicht zu überbieten. Der Trainer staunte alle Bauklötze, die Mitglieder kriegten ihren Mund kaum zu … aber Toki schaute immer nur wütend auf Juri. Warum muss sie ausgerechnet hier auftauchen, fragte sie sich. Als es weiter ging, brachte der Trainer den Mitgliedern wie üblich Moves bei, wie man sich am besten verteidigen konnte. Juri lernte wie jeder Anfänger die Grundstellung und die typischen Bewegungen im Jiujitsu und der Trainer kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: Das Mädchen kapierte schnell und führte alles so leicht und präzise aus, als würde sie jeden Tag Kampfsport machen. Besonders beeindruckt waren alle, als Juri den Flugkick schaffte – etwas, was sogar einige der Gürtelträger nicht konnten.
„Sag mal, Juri, hast du schon mal Kampfsport gemacht?", fragte der Trainer.
„Noch nie", war die Antwort.
„Und wie kommt es, dass du alles, was ich dir zeige, so perfekt nachmachen kannst, so als wärest du eine prima Kampfsportlerin?" –
- „Ich denke mal, dass kommt davon, dass ich schon seit Ewigkeiten und für mein Leben gern Fußball spiele!"
Bei diesen Worten nickte der Trainer; er hatte es verstanden. Die Mitglieder lachten: Fußball, also wirklich! Toki aber wurde erst recht wütend. Jetzt weiß ich, was du vorhast, du falsche Schlange, dachte sie, du willst mir zeigen, dass man Fußball und andere Sportarten gut miteinander verknüpfen kann … du willst mir sagen, dass ich sogar noch besser Jiujitzu machen kann, wenn ich Fußball spiele … aber daraus wird nichts! Da kannst du lange warten; ich spiele kein Fußball!
Zum Entsetzen des Trainers und zu Tokis Erleichterung tauchte Juri nicht mehr zum Training auf. Dennoch besuchte Juri einen Tag nach ihrem Probetraining an der Kampfsportschule den Tanzkurs, in dem auch Jacko eingeschrieben war. Auch diese war entsetzt, als sie das „Fußballmädchen" in dem Kurs auftraf und auch hier folgte die Kursleiterin begeistert Juris Geschicklichkeit und weichen Bewegungen.
„Das ist klasse, Juri, mach weiter so!", lobte sie, „du führst sogar die Schritte, die für eine Anfängerin eigentlich zu schwierig sind, mit so einer Leichtigkeit aus; das habe ich selten erlebt! Woher kannst du das?"
„Wissen Sie", antwortete Juri, „das geht einem automatisch in Fleisch und Blut über, wenn man lernt, wie man die Gegner im Fußball ausspielt."
Katsura ging am Donnerstagnachmittag ziemlich schlechtgelaunt zum Volleyballtraining. Sie spielte nicht in der Furora – Schulmannschaft, sondern für die Jidôin - Schule. Es lag daran, dass ihre Mutter mal die Mannschaft trainiert hatte und es ihr großer Wunsch gewesen war, dass ihre Töchter- Katsura und ihre beiden älteren Schwestern Schizuka und Kaori – in der Mannschaft spielten. Doch leider war die Mutter vor einem Jahr gestorben. Seitdem sorgte die beste Freundin der verstorbenen Frau Yagisawa für ihre Töchter. Doch dafür musste sie von früh bis spät arbeiten, so dass der Haushalt an den Mädchen hängen blieb. So waren die 13jährige Kaori und ihre 2 Jahre jüngere Schwester schnell diszipliniert und erwachsen geworden. Anders Katsura. Sie mochte die Haushaltsarbeiten nicht und noch weniger mochte sie es, dass ihre Schwestern sie bevormundeten und wie ein Baby behandelten. Natürlich verstand sie es, dass sie ihre Schwestern und ihre neue Ziehmutter nach Möglichkeit unterstützen sollte, aber ihr verging die Lust und Entschlossenheit immer, wenn ihre Schwestern sich wegen jeder Kleinigkeit aufregten und sich eher wie ihre Mütter aufspielten. So wie heute… Katsura hatte heute verschlafen und es somit nicht mehr geschafft, ihr Zimmer aufzuräumen. Also hieß es für sie – wie Kaori sagte - kurz und knapp: Du räumst dein Zimmer auf und gehst dann erst zum Volleyballtraining! Und es kam wie es kommen musste: Katsura verwendete alle Zeit zum Aufräumen, die sie für das Fertigmachen zum Training brauchte und war somit spät dran. Als sie endlich außer Atem und mit hochrotem Kopf an der Volleyballhalle der Jidôin –Schule ankam, hatte das Training schon vor einer halben Stunde angefangen.
„Argh, Kaori, du blöde, blöde, blöde, blöde, blöde, blöde Gans!" Katsura stampfte mit dem Fuß auf.
Als sie die Halle betrat, sah sie, wie die Mädchen am Platz das Stellen und Schmettern übten und die neue Trainerin hier und da Verbesserungsvorschläge einwarf. Katsura schlich so unbemerkt wie möglich an ihr vorbei, zog sich um und ging auf Zehenspitzen auf das Feld. Sie hoffte, dort unbemerkt aufzutauchen und mitzuspielen, als wäre nichts gewesen, jedoch…
„KATSURA YAGISAWA!"
Katsura zuckte zusammen und fragte ziemlich kleinlaut: „Ja, Frau Tomoto?"
„Komm SOFORT hierher!"
Mit einem verlegenen Lächeln und so langsam es ging, schlich Katsura zur Trainerin.
„30 Minuten zu spät!", sagte diese zornig.
„Ach, wirklich?", fragte Katsura, „Ich auch!"
„Dummkopf! DU bist 30 Minuten zu spät habe ich gemeint!", rief Frau Tomoto, „was fällt dir ein? Immer bist du zu spät und heute auch noch eine halbe Stunde! Wie erklärst du das?"
„Hat Ihnen Kaori nichts erzählt?"
„Nein, was hat sie mir nicht erzählt?"
„Das ich mein Zimmer aufräumen musste!"
Das ist ja … so eine dumme Ausrede habe ich noch nicht gehört!", erboste sich die Trainerin, „dafür läufst du 10 Runden um die Halle – und das in 3 Minuten!"
Auch das noch, gerade wo ich den ganzen Weg zum Training gelaufen war, dachte Katsura. Sie warf Kaori, die sie triumphierend lächelnd anschaute, einen bösen Blick zu, sah zufällig auf die Spielerin, die neben Kaori stand … und erstarrte. Auch das noch! Was macht DIE denn hier? Denn neben Kaori stand niemand geringerer als diese Neue, die gerade versuchte, die Bälle, die die Mädchen von der anderen Seite des Netzes rüberspielten, anzunehmen.
„Was macht die denn hier, Frau Tomoto?", fragte Katsura, als sie an der Trainerbank vorbei kam.
„Hast du nicht gehört? 10 Runden in 3 Minuten!"
„Ist ja schon gut, aber was macht das Mädchen hier?"
„Sie ist neu in der Mannschaft und jetzt mach hin, sonst läufst du gleich noch mal 10 Runden!"
Heute war echt nicht Katsuras Tag. Ausgerechnet die sollte jetzt immer mit ihr trainieren und spielen? Das konnte ja heiter werden! Aber was wollte so ein Fußballfreak wie die da in einer Volleyballmannschaft? Wenn man versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden, kann man sich nicht konzentrieren und so spielte Katsura heute ausgesprochen schlecht. Sie konnte keinen der Bälle annehmen und bekam sie ständig ins Gesicht. Die Trainerin tobte. Anders Juri: Obwohl sie, wie sie betont hatte, noch nie zuvor Volleyball gespielt hatte, konnte sie fast jeden Ball annehmen. Genzo hatte ihr schließlich oft gezeigt, wie man die Bälle hielt und das war nichts Anderes. Und auch wenn sie die verschiedenen Volleyballtechniken noch nicht richtig beherrschte, so war sie sehr geschickt und flink auf den Beinen.
„Du bist ziemlich gut, dafür dass du noch nie Volleyball gespielt hast", sagte Frau Tomoto zu Juri in der Pause, „du machst bestimmt noch einen anderen Sport, oder?"
„Ja!", nickte Juri, „Fußball!"
So ging es in den nächsten Tagen immer weiter … jeden Tag bekam ein anderes Mädchen aus der Klasse Besuch in seinem Sportkurs von Juri. Und immer wieder beeindruckte Juri die Trainer mit ihrem Können und betonte, dass dies alles von ihrem Fußballspiel kam. Bei Eugenias Rugbytraining bekam Juri den Ball, überlief gekonnt die ganze Mannschaft und erzielte somit einen Touchdown. Eugenia war wütend: Nicht nur, dass es diese Fußballspinnerin gewagt hatte, hier aufzutauchen, sie musste auch noch einen Touchdown erzielen und so leicht an ihrer Mannschaft vorbeikommen! Das schaffte sonst immer nur Eugenia selbst. In Marinas Leichtathletikkurs wurde 100- Meter – Lauf geübt und Juri lief so schnell, so dass dem Trainer, der die Zeit stoppte, vor Überraschung die Stoppuhr aus der Hand gefallen war. Juri erklärte ihm, dass es im Fußball wichtig war, einen guten Antritt zu haben und das ging nur, wenn man schnell war und eine gute Kondition besaß. Und beim Training von Jennys Turnmannschaft schaffte Juri sogar auf Anhieb einen Salto, der begeistert bejubelt und beklatscht wurde (außer von Jenny natürlich, die Juri lediglich kühle Blicke zuwarf) – Juri hatte sich diese Turnbewegungen automatisch angeeignet, als sie gelernt hatte, einen Fallrückzieher auszuführen.
Juri besuchte auch natürlich den Club, in dem Amy Tennis spielte und richtete es so ein, dass sie mit Amys Trainer auf den Platz durfte, bevor diese dran war. Amy war zwar, wie alle anderen Mädchen, entsetzt, die Neue zu sehen, aber auch sehr erstaunt darüber, dass diese sehr schnell und geschickt war, auch wenn sie – was für eine Anfängerin natürlich logisch war – noch nicht richtig mit dem Schläger umgehen konnte.
„Du hast ein fantastisches Reaktionsvermögen!", meinte der Trainer.
„Das muss man haben, wenn man im Fußball gut sein will", sagte Juri.
Selbst beim Schwimmtraining konnte Juri ihre Fußballkenntnisse prima auf den Sport übertragen und die Zwillinge, die dort wöchentlich Synchronschwimmen trainierten, waren Zeuge, wie gut sie schwamm. Natürlich: die Kraft in den Beinen, die vom Fußballspielen kamen, brachte Juri den Vorteil, sich besonders gut im Wasser abzustoßen und ohne überflüssige Bewegungen schnell und weit zu schwimmen…
Als Julia am nächsten Tag Training in der Skihalle hatte, beschloss die Trainerin Schlittschuh laufen zu üben. Und sie stellte ein Mädchen vor, das heute probeweise mitmachen und sich dann entscheiden sollte, ob sie im Wintersportclub mitmachen wollte. Es war natürlich Juri und natürlich war auch Julia wütend darüber. Juri schien eine tolle Schlittschuhläuferin zu sein – ihre Bewegungen waren leicht und fließend. Dabei stellte sie sich einfach vor, sie würde mit einem Ball am Fuß ein paar gegnerische Spieler austricksen und so klappten die Bewegungen mit den Schlittschuhen einwandfrei. Julias Trainerin konnte nicht glauben, dass Juri vorher nur ein paar Mal Schlittschuh gelaufen war. „Achte genau auf ihre Beinarbeit, Julia", sagte diese, „genauso musst du es das nächste Mal machen!"
So war es kein Wunder, dass diese Worte noch am nächsten Tag in Julias Kopf herum spukten und sie nur noch wütender werden ließen. Sie, Julia, die schon seit einer Ewigkeit im Wintersportverein war, sollte schlechter Schlittschuh laufen, als diese Anfängerin? Das war schon ein starkes Stück! Warum war diese Neue überhaupt da angekommen? Diese Angeberin, dachte sie sich, sie wollte zeigen, dass sie alles besser kann als ich, sonst nichts! So kam es, dass Julia mit hochrotem Kopf in das Klassenzimmer stürmte und voller Zorn ihre Tasche auf ihren Platz schleuderte. Amy, die neben ihr saß, fuhr erschrocken hoch, aber alle anderen schauten auch auf. Es schien als wäre Juri als einzige der Mädchen noch nicht anwesend – zweifelsohne kickte die wieder einmal auf dem Schulhof.
„Was hat dich denn gebissen?", fragte Katsura.
„Grr, argh, diese Neue…", schimpfte Julia.
„Wie bitte? Diese Neue hat dich gebissen?" Katsura zwinkerte mit den Augen und die anderen lachten.
„Lacht nur!", rief Julia, „wenn ihr an meiner Stelle wärt, dann würdet ihr kaum lachen! Stellt euch vor: gestern kam die Neue zu meinem Wintersport – Training und gab mit ihrem Können voll an. Ich sage euch, die hat es eiskalt geplant und es lange vorher geübt, damit die bei mir ankommen und zeigen konnte wie gut sie es kann – um dann zu sagen das kommt von ihrem blöden Fußball! Das nervt vielleicht, ich sage es euch!"
Abrupt hörte das Lachen auf und alle starrten Julia stattdessen wie paralysiert an.
„Was … hast du … gerade gesagt?" Jenny war die Erste, die dieses lange Schweigen brach. „Sie war auch bei dir?"
„Ja! Bei dir etwa auch?" fragte Julia und Jenny nickte.
„Nicht zu fassen!" Katsura ballte die Faust. „Zuerst nervt sie mich und dann auch noch euch!"
„Sie war auch in meinem Tanzkurs!", fügte Jacko hinzu.
„Und bei unserem Schwimmtraining", sagten die Zwillinge im Chor.
So erfuhren sie, dass sie alle „Besuch" von Juri hatten und dass all ihre Trainer die Neue wegen ihrem Können gelobt hatten … und dass sie immer betont hatte, dies käme vom Fußball. Als sie es alle erfahren haben, brach ein Tumult aus …
„So eine gemeine Kuh!"
„Was fällt ihr ein?"
„Meint ihr wirklich, sie hat vorher geübt und dann gelogen, dass es alles vom Fußball kommt?"
„Klar, was sonst! Sie hat es extra gemacht, damit wir bei unseren Trainern alt aussehen!"
„Stimmt, wie meine Trainerin ankam mit ‚Nimm dir mal ein Beispiel an ihr' und so…"
„Wenn sie gleich kommt, sage ich ihr, was ich von ihr halte!"
„Ist ja schon gut, hört endlich auf!" Die vernünftige Toki versuchte wieder einmal Ruhe in das Geschehen zu bringen. „Es bringt nichts, wenn wir sie angreifen. Das gehört sich nicht. Ich werde als Klassensprecherin mit ihr reden und sie fragen, was sie mit dieser Aktion bezweckt hat!"
„Und bring ihr bei, dass sie uns mit ihrem Fußballtick in Ruhe lassen soll", knurrte es aus Eugenias Ecke, „sonst bekommt sie es mit mir zu tun!"
In diesem Moment klingelte es und Juri kam gutgelaunt und mit geröteten Wangen ins Klassenzimmer. Toki schaffte es, ihr gerade noch „Ich muss in der Pause mit dir reden!" zuzuraunen, bevor Frau Miyokawa hinein kam und mit ihrem Matheunterricht begann. Juri stutzte: Was hatte Toki denn mit ihr zu besprechen?
In der ersten Pause ging die Klassensprecherin, als alle aus der Klasse gegangen waren, direkt auf Juri zu und fragte: „Kannst du mir bitte verraten, was das soll?"
„Was habe ich denn gemacht?" Juri schaute Toki verwirrt an.
„Ganz einfach: Du bist zum Sportkurs von jedem aus der Klasse gegangen und hast dich wer weiß wie aufgeführt! All unsere Trainer waren so begeistert von dir…und die Anderen denken, du hast die Sportarten mit Sicherheit schon einmal gemacht! Und auch ich glaube das so langsam – es ist unwahrscheinlich, dass man direkt am Anfang SO gut ist – und dann noch überall! Du hast gelogen, dass du noch nie im Leben einen anderen Sport gemacht hast, außer Fußball! Aber das Beste ist, dass unsere Trainer dir geglaubt haben. Das war echt fies von dir!"
Und deswegen wolltest du mit mir reden?" Juri sah verwundert auf die Klassensprecherin und brach dann in schallendes Gelächter aus. „Vielleicht glaubst du es mir nicht, aber ich habe nie gelogen. Ich hatte Recht als ich sagte, ich hatte noch nie zuvor Jiujitzu gemacht oder Volleyball gespielt oder sonst was. Und ich habe ganz bestimmt nicht vorher trainiert, wie sollte ich auch? Ich habe noch nie im Leben etwas anderes gemacht, außer Fußball zu spielen. Und daher kommen, wie ich schon sagte, meine Fähigkeiten!"
„Und warum warst du dann beim Training von uns allen?"
„Na ja, als du sagtest, ihr spielt hier in der Stadt und erst recht nicht in dieser Mädchenschule Fußball, dann wollte ich zeigen, dass es sich durchaus lohnt, es wenigstens mal zu versuchen", erklärte Juri, „du sagtest auch, die Mädchen machen gerne Sport und ich wollte euch beweisen, dass man ihren Sport und Fußball durchaus miteinander verknüpfen kann. Nein, sogar noch mehr: Durch Fußball kann man auch jeden anderen Sport locker machen. Und umgekehrt kann man die Fähigkeiten, die man sich beim anderen Sport aneignet, prima auf den Fußball übertragen! Und auch sonst macht es Spaß und ist der beste Sport überhaupt! Und nicht umsonst der Beliebteste der Welt!"
„Nun halt doch hier keine albernen Predigten!", rief plötzlich jemand von der Tür aus: Katsura kam gerade – dicht gefolgt von den Anderen - in das Zimmer, „leg doch endlich mal eine andere Platte auf!"
„Ich habe gesagt, ich rede alleine mit ihr", sagte Toki zu den Mädchen, „ihr mischt euch da nicht ein!"
Aber Juri entgegnete: „Ist schon gut, Toki!" und zu Katsura gewandt: „Mag ja sein, dass ich euch auf die Nerven gehe, aber ihr mochtet mich doch von Anfang an nicht! Dabei ist eure Meinung und die der Stadt doch nichts weiter als ein dummes Vorurteil! Fußball kann schön sein und erst recht, weil man durch ihn jeden anderen Sport machen kann! Ich glaube nicht, dass du als Volleyballspielerin auch gleichzeitig gut tanzen oder schwimmen kannst!"
Katsura aber konterte: „Ach ja, und als Fußballspielerin kann ich auch nicht Volleyball spielen! Dann würde ich nur durcheinander kommen und fortan nur noch mit den Füssen Volleyball spielen wollen – wenn auch unbewusst! Und abgesehen von den Punktverlusten kann ich mir kaum ausmalen, was passiert, wenn ich meine Teamkameraden k. o. kicke!"
Alle lachten und am lautesten von allen – Juri. „Aber du hast doch gesehen, wie ich bei euch gespielt habe, obwohl ich noch nie zuvor Volleyball gemacht habe! Und ich habe dich beim Training beobachtet; du warst sehr flink und konntest immer schnell reagieren. Weißt du, was du für eine tolle Fußballspielerin mit diesen Fähigkeiten werden könntest?"
„Und was ist, wenn sie das gar nicht werden WILL?" fragte Amy.
„Ich will sie ja nicht zwingen. Keinen von euch. Aber ihr könntet doch wenigstens einmal spielen und dann entscheiden. ob es euch gefällt oder nicht! Ich finde es nur traurig, dass ihr alle so schlecht von einem Sport denkt, von dem ihr noch nichts wisst. Und ich kann einfach nicht den Grund dafür erkennen!"
„Das geht dich nichts an!", zischte Marina.
„Wir mögen keinen Fußball und wir wollen nichts damit zu tun haben!", brüllten die Zwillinge.
„Und wenn du es nicht verstehen willst, kann ich gerne nach helfen!" Eugenia schwenkte drohend mit der Faust.
„Fußball und Mädchen passen zusammen wie Zwiebeln und Eiskaffee!", schloss Jacko, „vor allem in DIESER Stadt!"
So ging es noch eine Weile weiter. Toki drehte sich zu Juri um und sagte: „Eigentlich wollte ich das Ganze alleine mit dir besprechen, aber sie haben schon recht: Wieso kannst du nicht einfach akzeptieren, dass wir deinen Fußball nicht mögen?"
„Ihr könnt mich doch auch nicht akzeptieren, weil ich Fußball MAG!"
„Das ist nicht wahr!" fiel ihr Katsura ins Wort, aber Juri fragte: „Und was war mit dem Neandertaler und der Zeitreise?"
„Mag sein, dass wir am Anfang gemein zu dir waren, Juri und dafür habe ich mich bei dir entschuldigt", sagte Toki bestimmt, „aber dass du uns auch noch in unseren verschiedenen Vereinen besucht und dich mit deinem Fußballtick aufgespielt hast, das ging zu weit! Und das nur, weil du zeigen wolltest, dass man, wenn man Fußball spielt, auch jeden anderen Sport praktizieren kann? Aber das hättest du auch einfacher haben können! Für mich wirkte das Ganze wie Angabe, nichts weiter!"
Nun war Juri endgültig geschlagen. Ihr letzter Plan hatte nicht geklappt. Und ausgerechnet Toki, die Einzige, die nett zu ihr gewesen war, hatte ihr einen Riegel vorgeschoben. Warum konnte selbst die vernünftige und einsichtige Toki nicht erkennen, wie sinnvoll es war, Fußball zu spielen und dass Juri die Mädchen ohne böse Hintergedanken besucht hatte? Und auch wenn es ihr schwer fiel, so zu denken, so musste sie letztendlich aufgeben. Diese Mädchen KONNTE sie einfach nicht zum Spielen bekehren; sie würden es immer als ein Angriff auf sich selbst sehen.
Juri hatte Tränen in den Augen, als sie seufzte und sagte: „Na, gut. Meinetwegen. Ich finde es nach wie vor schade, dass ihr einfach stur bei eurer Meinung bleibt ohne vielleicht nachzudenken, ob es besser wäre, diese fallen zu lassen … und das sollen die klugen und begabten Furora – Schülerinnen sein? Aber lassen wir das! Ich verspreche euch, ich mache nichts mehr um euch zum Spielen zu bringen und zu zeigen, wie toll Fußball ist!"
In diesem Moment klingelte es erneut und die Mädchen nahmen alle Platz ein.
Doch jemand hatte sich die ganze Zeit nicht an diesem Streitgespräch beteiligt. Jemand sagte kein Wort, weil ihr diese Neue auf einmal Leid tat und schaute von ihrem Platz aus nur traurig auf Juri.
