Chapter 1
Ihr buschiges, braunes Haar wurde vom Wind verweht, als sie den Wagen auf die Absperrung zuschob. Sechs mal hatte sie es nun schon getan, doch die roten Flecken auf ihren Wangen waren trotzdem da. Erst als sie sich sicher war, dass kein Aufprall mehr kommen würde, öffnete Hermine Granger die Augen. Es war ein gutes Gefühl, wieder in den Zug zu steigen, schließlich würde es ihr letztes Mal sein. Hermine trug ihre Koffer bis zum Ende des Zugs. Dann stand sie davor. Natürlich war ihr diese Abteiltür bekannt, natürlich. Schon zwei Mal war sie darin gesessen, doch diesmal war es etwas völlig anderes. Diesmal war sie Schulsprecher. Hermine betastete noch einmal kurz das Abzeichen auf ihrer Brust um sicher zu gehen, dass das alles wahr war. Sie stieß die Tür zum Abteil auf, und pötzlich kam ihr darin alles bunter, schöner vor als in den anderen Abteilen, obwohl das Schwachsinn war. Totaler Schwachsinn. Hermine war die erste, kein Wunder, sie war ziemlich früh dran gewesen. Doch trotzdem war ihr schon völlig klar, mit wem sie das Abteil teilen würde. Mit den Vertrauensschülern. Mit Ginny. Ihr wurde etwas anders zu Mute, als sie an ihre Freundin denken musste, schließlich hatte es fett in der Zeitung gestanden: Skandal! Familie Weasley auf dem Muggelbahnhof King´s Cross überfallen und mit Gedächnisschwundzauber belegt. Hoffentlich ging es Ginny wieder besser. Sie war bestimmt noch ziemlich verwirrt, ganz abgesehen von Ron. Ihr Freund war schon in den Ferien etwas merkwürdig gewesen, hatte drei Wochen im St. Mungos gelegen, bis sein Gedächnis zum großen Teil wiedergekehrt war. Die Weasleys hatten Glück gehabt. Es war kein schwerer Fluch belegt, trotzdem machte sie sich Sorgen. Ginny, Ginny jedoch war schon nach einem Tag entlassen worden, sie wurde anscheinend nicht getroffen.
Doch nicht nur die Vertrauensschüler trudelten nach und nach ein, sondern auch ein gewisser Slytherinjunge, mit dem Hermine sich den Posten teilen müssen würde. Als wäre er der Herr des abteils, schritt er zu seinem Platz und und stellte sein Gepäck ab. Hermine verdrehte die augen und sah sich um. Die Vertrauensschüler hatten alle auf ihren Sitzen Platz genommen, nur Hermine stand noch. "Malfoy. Du könntest uns auch ruhig mal begrüßen, es ist schließlich nicht so, dass du der einzige Mensch auf Erden bist!", fuhr Hermine ihn an. Draco hob die Augenbrauen. "Granger. Ein Schlammblut, dass es mal wieder nicht schafft, den Mund zu halten. Tz, tz. Aber leider hast du ja recht. Trotzdem, wie du sicher weißt-" Er schritt ans andere Ende des Abteils und blickte Hermine kühl an, "gibt es einen kleinen Unterschied zwischen denjenigen, denen das Zaubererblut weitergegeben wurde, und denen, die die Macht der Zauberei erst erlernen mussten." Er schmunzelte. "Erzähl keinen Unsinn, Malfoy. Du musst das wirklich nicht tun. Du musst dir wirklich nicht immer so toll vorkommen, obwohl du´s gar nicht bist. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden ist, dass mein Gehirn noch nicht vom Haarspray eingegangen ist." Er schwieg, ging nicht auf ihre Provokation ein. Dann öffnete sch sein Mund langsam und er erwiderte: "Ich frage mich, wieso Hogwarts es immer noch für eine Ehre hält, Schlammblüter als Schulsprecher einzustellen." Hermine merkte, wie bei dem Wort Schlammblut langsam die Tränen in ihr aufstiegen, doch sie unterdrückte sie wütend. Verdammt, sie schaffte es immer noch nicht, einfach darüber zu stehen. "Du denkst wohl, du hast mehr Grips als ich, hm? Nun ja, nur weil dein Kopf größer ist als meiner-" Genau in dem Moment wurde die abteiltür aufgestoßen und eine hechelnde Ginny Weasley trat ein. Hermine verstummte, strahlte Ginny aber dann an. "Gin! Wie geht es dir? Ist wieder alles okay?" Malfoy lachte nur verächtlich, doch Ginny ließ sich einfach mit einem Nicken auf ihren Sitz sinken. Hermine runzelte die Stirn. Ihre Freundin war verändert, aber schließlich hatte sie auch eine anstrengende Zeit hinter sich. "Nun sieh mal einer an!", dröhnte wieder die bekannt spöttische Stimme durch´s Abteil und Hermine fuhr herum. Ihre Augen blitzten Malfoy wütend an. "Was!"
"Ein Idiot kommt selten allein. Weasley."
"Malfoy.", Ginnys Stimme klang fest, aber doch verletzlich. "Was willst du?" Draco schmunzelte und ließ sich fallen. "Nichts. Ich habe schon mitbekommen, dass Weasleys oft etwas voreilig sind, und will dir doch keine Unannehmlichkeiten bereiten, noch bevor wir in Hogwarts sind." Ginny schnaufte verächtlich. "Klar!", ihre Stimme klang ironisch, aber da war noch mehr. Wollte sie sich selbst nicht glauben? Hermine verstand gar nichtsmehr und war froh, aus dem abteil schlüpfen zu können, als sie Süßigkeitenhexe mit ihren Wägelchen daherzuckelte. Was verdammt noch mal, war los mit Ginny? War Ron auch so sehr verändert? A propos, sie hatte ihre Freunde noch gar nicht gesehen! Hermine drängte sich an der Hexe vorbei, durch den Gang, einen Blick in jedes Abteil werfend. Schließlich hatte sie es gefunden. In dem Abteil saßen nur Lavender, Harry, Ron und Neville, doch trotzdem musste Hermine breit grinsen. Es kam ihr schon fast vor wie ihr 3. Zuhause, neben ihrer Wohnung in London und Hogwarts. Sie schob die Tür auf und ließ sich auf den Sitz neben Neville plumpsen. "Hey!"
"Hermine!"
"Whoah, du siehst gut aus. Naja, natürlich etwas gestresst und verschwitzt und-"
"Oh, danke, Ron!", sie grinste ihn an und streckte die Zunge raus. Natürlich meinte er es nicht ernst. "Wie geht es euch? Ron scheint ja schon wieder ganz der alte zu sein... Harry?" Harry lächelte matt, er hatte seine Ferien wieder bei den Dursleys verbracht, da er nach seinem 17. Geburtstag so schnell keine wohnung gefunden hatte, und die Weasleys nicht belästigen wollte, obwohl Hermine sich vorstellen konnte, dass Molly sich eher gefreut hätte.
Hermine schluckte. "Und Ginny?" Ron riss die Augen auf. "Aber du hast sie doch eben getroffen, oder?"
"Jaah. Aber irgentwie war sie so... verändert!" Ron kniff leicht die Augen zusammen und Lavender erwiderte: "Naja, wahrscheinlich ist sie noch etwas erledigt von der Geschichte am Bahnhof, oder?" Der rothaarige Junge sah sie leicht verwundert an. "Was war denn? Hab ich was verpasst?" Man hatte dem Gedächnis der Weasleys nur so weit auf die Sprünge geholfen, dass sie sich an ihr Leben bis zum Fluch erinnern konnten. "Vergiss es, Ron!", Lavender kniff ihm in die Wange und legte ihre Beine auf seinen Schoß. Anscheinend hatte Ron sich da irgentwie falsch erinnert, schätzte Hermine, jedenfalls sah es sehr vertraut aus. Sie merkte, wie sie leicht rot anlief und einen kleinen Stich fühlte. Ach Quatsch, sie war doch nicht eifersüchtig auf Lavender. "Ich weiß nicht, ob das alles war. Naja, was laber ich da. Natürlich kann es sein." Harry lachte auf. "Und kann es vielleicht auch sein, dass du etwas durcheinander bist?" Hermine schnaufte gespielt beleidigt und sah Neville an. "Und du?"
Ginny sah Hermine sehnsüchtig nach. Sie sah, aus dem Augenwinkel heraus, wie Malfoy auf die Toilette verschwand, und sah ihre Chance. Sie schlüpfte schnel hinterher. "Malfoy!" Er fuhr herum und sah sie kühl an. "Weasley. Hast du nicht eigentlich eine Aufgabe?" Sie ignorierte seine Frage und blickte ihn bittend an. "Wieso machst du das mit mir? Ich kann das nicht!" Malfoy lachte auf. "Natürlich kannst du. Du willst nur nicht!" Er sah sich um. Schließlich wäre es zu einer peinlichen Situation gekommen, hätte man ihn mit der Blutsverräterin zusammen gesehen. "Komm mit!", er zerrte sie nach, in eine der Klokabinen. "Lass mich los!", fauchte sie. "Das hier sind die Männertoiletten. Ich kann her nicht rein!"
"Ach, und wieso geht es dann?" Ginny schenkte ihm ein herablassendes Lächeln. "Komm dir nicht immer so lustig vor. Bah, hier stinkt´s! Seit ihr Männer nicht in der Lage, gepflegt euer Geschäft zu erledigen?" Malfoy kniff die Augen zusammen. "Sei ruhig, Weasley. Nun, wieso meinst du, du könntest deine Aufgabe nicht erledigen?" Ginny wurde fest gegen die Wand gedrückt und stöhnte vor Schmerz auf. "Lass das, Malfoy. Du weißt genau, wieso ich nicht kann. Harry ist mein Freund! Der beste Freund meines Bruders. Und ich werde ihn ganz sicher nicht verraten!", zischte sie. Malfoy lachte nochmals auf. Doch, dass wirst du. Das wirst du ganz sicher." Ginny riss sich los. "Nein, verdammt, ich bin keine verfluchte Todesserin! So etwas kannst du von mir nicht erwarten! Wieso tust du mir das an?"
"Wieso? Wieso? Zähl doch mal Eins und Eins zusammen!", er drückte Ginny ein zweites Mal gegen die Wand, jetzt war er ihr so nahe, dass sch ihre Nasenspitzen fast berührten. Dann fuhr er langsam fort: "Jetzt geh und erledige deine Aufgabe!"
"Malfoy, verdammt! Ich kann nicht! Ich bin Vertrauensschülerin!"
"Ach, und was bin ich?" Sie schnaufte, und wohlte grade die Tür öffnen, als es sie siededendheiß durchfuhr. "Na super. Toll. Und was mach ich jetzt. Hä? Wie soll ich jetzt wieder hier raus? Scheiße, eigentlich müsste ich mir sogar selbst Punke abziehen. Argh!" Malfoy lachte schämisch, während Ginny mit hochrotem Kopf die Türe öffnete. Sie drehte sich nochmal um. "Was denken die denn jetzt von uns? Ich mein, wir beide zusammen auf einer Toilette..." Malfoys Lachen erstarb. "Raus mit dir! Muss doch niemand wissen!" Ginny quetschte sich aus der Tür und marschierte mit hochrotem Kopf zum Ausgang. "Hey, Weasley, hast du das Lesen verlernt oder haben sie im St. Mungos nur vergessen, dir die Fähigkeit wieder einzusetzen?" In Ginny quollen die Tränen hoch, doch sie lief einfach schnell weiter. Draußen angelangt, atmete sie als erstes einmal tief aus...