Kapitel 24

Wir wandten uns nach Norden. Der Anduin glitzerte in der fahlen Wintersonne, die nur hier und da durch eine dicke Wokendecke hindurchblickte. Fünf Tage waren wir nun schon zu dritt unterwegs und in der Ferne hörten wir bereits das beständige Rauschen des Rauros. Éolind und Suilion versuchten ein fröhliches Gespräch anzufangen, doch auch das verebbte bald und so herrschte wieder drückende Stille. Ein scharfer Wind wehte von Süden, ließ unsere Haare flattern und Fuindaes Schweif peitschte unruhig hin und her. Ein einsamer Vogel schrie am Ufer. Ansonsten war es still, zu still. Ich fröstelte und ging näher neben dem schwarzen Pferd, das ebenfalls unruhig schnaubte. Éolind und Suilion blickten um sich. Wir mussten einen Umweg machen, um zum den oberen Anduin zu gelangen, da wir wegen Fuindae, nicht einfach mit Seilen die Felsen neben dem riesigen Wasserfall erklimmen konnten. Wir gingen also nach Westen und liefen in einem Bogen, der stetig aufwärts führte. Das obere Ufer des Anduin ist Baum bestanden. Dieser kleine Wald ist wohl etwa zwei hundert Meter breit und zieht sich das Ufer entlang. Wir durchquerten ihn Richtung Osten.

Die Kronen der Bäume wiegten sich im Wind und die Blätter schienen in einer unbekannten Sprache zu wispern, nur durchbrochen von dem gleichmäßigen Stampfen des Pferdes. Und dann, ganz plötzlich stieg Fuindae. Er stieß ein helles Wiehern aus und seine Vorderhufe schlugen gefährlich durch die Luft. In einem Augenblick hatte ich die Lage erfasst. Das riesige Pferd war von einem schwarz gefiederten Pfeil in die Seite getroffen worden. Suilion klammerte sich an seiner Mähne fest und konnte sich so halten, doch Éolind rutschte vom Pferd und fiel hart auf den trockenen Waldboden. Sie schrie gequält auf. Ich wich knapp einem weiteren Pfeil aus dem Gebüsch aus und eilte zu ihr. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt und sie umklammerte krampfhaft ihren linken Arm. Wer auch immer dort im Gebüsch lauerte, sie würde uns keine große Hilfe darstellen. Ich sage ihr schnell einige beruhigende Worte, die allerdings nicht viel zu helfen schienen, dann sprang ich auf, das Schwert gezogen. Dann sah ich zu Suilion der sich immer noch an den Hals des de steigenden Pferdes und abzurutschen drohte.

„Suilion! Wirf dich nach vorne! Das Pferd fällt sonst auf dich!", kreischte ich, denn der verschreckte Fuindae machte inzwischen Anstalten, nach hinten umzukippen.

Orks strömten nun aus dem dichten Gebüsch. Es waren nur ihrer drei, doch sie waren um einiges größer als die, die ich bereits kannte und kräftiger und außerdem verfügten sie über schwere Rüstungen und riesige Krummsäbel. Suilion saß noch auf dem Pferd und hatte alle Hände voll zu tun, es zu beruhigen, Éolind hatte sich anscheinend den Arm gebrochen und saß stöhnend auf dem Waldboden, also blieb nur ich uns zu verteidigen. Den ersten Ork, der mich erreichte, schaffe ich durch pures Glück und Schnelligkeit mit einem schnellen Schwerthieb zu töten, doch die beiden anderen griffen gleichzeitig an und es wurde eng für mich. Ich drehte mich rasend schnell um mich selbst, mein Schwert umher wirbelnd. So konnte ich den einen schwer an der Schulter verletzen und wandte mich dem anderen zu. Wild schlug ich mit dem Schwert auf ihn ein, doch er parierte den Hieb mühelos. Mein eigener Schwung hätte mich beinahe zu fall gebracht und für den Bruchteil einer Sekunde war mein Schwertarm merkwürdig taub.

Er hob seine eigene Waffe, um mir den Kopf vom Körper zu trennen. In diesem Moment, als er den Arm hob, entdeckte ich einen kleinen Spalt zwischen Rüstung und Helm. Blitzschnell stieß ich zu. Der Ork kreischte in den Hals getroffen auf und viel nach hinten. Ich hatte Glück, mein Schwert noch rechtzeitig wieder ziehen zu können, denn der andere hatte sich inzwischen wieder erhoben. Allerdings hatte er den schweren Eisenhelm verloren und ich köpfte ihn mit einem schnellen Hieb. Einen Moment stand ich keuchend über den Leichen; dunkles Blut tränkte den Waldboden.

Angewiedert wandte ich mich ab. Langsam schafften wir es den immer noch verschreckten Fuindae zu beruhigend und Suilion rutschte erschöpft und erleichtert von seinem Rücken. „Dass ein so großes Tier sich so erschrecken kann wegen ein paar nahenden Orks…", murmelte ich.

Sorgfältig wischte ich das blutige Schwert an dem Wams eines Orks ab bis es wieder glänzte und steckte es zurück in die Scheide. Dann wandte mich zu Éolind um, die mich aus Schreckensgeweiteten Augen ansah. Als hätte ich das nicht bemerkt, beugte ich mich zu ihr herunter und befühlte ihren Arm.

„Ich glaube, er ist gebrochen…", flüsterte sie kaum hörbar und versuchte Tränen zurückzuhalten.

„Éolind, kannst du dich nicht selbst heilen?", fragte Suilion und sah sie eindringlich an. Im war anzusehen, dass er so schnell wie möglich von diesem Ort wegwollte.

Sie schaute auf. Nach ihrem Gesichtsausruck zu urteilen, musste ihr der Arm höllisch Schmerzen bereiten. „Ja", sagte sie nach einer kurzen Pause. „Ja, ich denke schon, aber es braucht Zeit…"

„Wir haben keine Zeit.", erwiderte ich bitter. „Hier scheint es von diesen Riesenorks zu wimmeln. Wir müssen weiter, aus diesem Wald heraus. Erst dann sind wir halbwegs sicher. „Suilion, du und Éolind steigt wieder auf Fuindae, ich laufe. Na los!"

Mit vereinten Kräften halfen ich und Suilion Éolind auf das Pferd, dann schwang sich der Elb etwas widerwillig hinter sie, sodass er sie halten können würde, sollte sie rutschen. Dann stapfte ich entschlossen los in die Richtung, von der ich glaubte, dass es Norden war. Es stellte sich bald heraus, dass es die falsche war, nämlich Osten. Jemand hatte einen Pfad platt getrampelt, dem wir nun folgten. Wenigstens schafften wir es, den Orks aus dem Weg zu gehen. Plötzlich lichtete sich der Wald jedoch und der Anduin lag vor uns. Kleine graue Boote lagen am grasbewachsenen Ufer und zwischen den ersten Bäumen des Waldrandes lagen einige kleine Rucksäcke. Wir hatten die Gefährten gefunden.

Ich zählte schnell die Rucksäcke, doch es waren nur ihrer sechs. Natürlich, Gandalf hatte sie wohl noch nicht wieder gefunden. Aber zwei fehlten noch immer. Fuindae kam mit Suilion und Éo hinter mir aus dem Gebüsch gestapft. Sie überblickten die Lage schnell.

„Sieh dort auf dem Fluss!", rief Éo plötzlich und ich schaute auf. Tatsächlich, dort auf dem Anduin ein einsames Boot auf das andere Ufer zu und darin saß- ein Hobbit.

Es daurte nur wenie Augenblicke, bis ich ihn erkannt hatte.

„Das ist Sam.", wisperte ich und ließ von den Rucksäcken ab.

„Was tut er denn da?", fragte Suilion verwirrt und starrte angestrengt zu dem kleinen Boot hinüber.

Eine Entscheidung war fällig. Ich warf einen letzten Blick zu dem Boot mit dem Hobbit herüber, dann drehte ich mich zu den anderen beiden um. „Die anderen Gefährten müssen noch irgendwo dort im Wald sein. Am Besten ihr wartet hier und versucht, nicht von Orks überrascht zu werden und kümmert euch um Éos Arm und um Fuindae.

Die Gefährten werden schon irgendwann zu ihrem Gepäck und den Booten zurückkehren. Ich kümmere mich um Sam."

Bevor sie irgendetwas erwidern konnten war ich in den Fluss gerannt und fing an mit schnellen Zügen zu schwimmen. Ich bin keine schlechte Schwimmerin und trotz der Last auf meinem Rücken hatte ich das Boot bald erreicht. Sam redete mit jemandem. Ich fasste den Rand des Bootes und blieb daran hängen, wodurch sich das kleine Gefährt zur Seite neigte. Sam schrie auf. Doch war da nicht noch jemand im Boot? Ich war mir ziemlich sicher, was los war. „Samweis Gamdschie und Frodo Beutlin, könntet ihr mir bitte helfen?", keifte ich und schnappte nach Luft.

„Herr Frodo, das- das ist Frau Idril…", keuchte ersterer und vier Hände packten mich und zogen mich ins Boot.