Kapitel 25

Fassungslos blickten wir Idril hinterher, wie sie mit schnellen Zügen auf das Boot zu schwamm und dann anscheinend irgendwie hineinkam. Keiner sagte ein Wort. Erst nach einigen Minuten stand Suilion auf und begann die Rucksäcke zu durchsuchen.

„Was machst du da?", fragte ich ihn, leicht verwirrt.

„Irgendwas für deinen Arm", antwortete er knapp. Ich fragte nicht weiter. Ich stand noch unter Schock. Ein Teil von mir wollte aufstehen- den Schmerz im Arm spürte ich sowieso nicht mehr- Idril hinterher schwimmen, nach ihr rufen, nur irgendetwas versuchen, um sie aufzuhalten. Doch ich bewegte mich nicht von der Stelle. Idril war fort. Die Gemeinschaft entzweite sich wieder.. Und am Ende, am Ende würde ich wieder allein sein. Allein vor einem übermächtigen Feind, der hundertmal größer und stärker war als Sauron: Der Einsamkeit. Einsamkeit, die niemals abließ auf ihrer Jagd nach einem, die die Seele zerfraß und den Verstand lähmte, bis man zusammenbrach, hilflos dürstend, nach irgendjemandem, egal wem, der sich einem annahm, einem Freund und sei es nur ein noch so geringer.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als es im Gebüsch laut knackste. Im nächsten Augenblick hatte Su seinen Bogen und einen Pfeil gezogen, ihn auf den Angreifer gerichtet. Uns stand nun ein hagerer, düster wirkender Mann mit Schwert, ein zweiter mit langem blonden Haar, der ebenfalls einen Bogen in der Hand hielt und sich als Elb entpuppte und einem Zwerg mit einer Axt gegenüber, die genauso verdutzt wirkten wie wir. Die beiden Elben starrten sich in die Augen, die Bogen schussbereit aufeinander gerichtet, der Mensch und der Zwerg standen hinter dem Blonden, der der schnellste gewesen war, ihre Waffen kampfbereit. Sie kamen mir bekannt vor, seltsam bekannt, vor allem der Mensch.

Es dauerte eine Sekunden bis es bei mir einrastete. „Aragorn!", kreischte ich, die anscheinend von keinem der drei bemerkt worden war, und die Männer zuckten allesamt aufgeschreckt zusammen. Ich wollte aufspringen, doch der Schmerz in meinem Arm brannte höllisch auf bei der geringsten Bewegung und ich fiel aufstöhnend zurück auf die feuchte Erde.

Ich spürte, wie vier überraschte Augenpaare nun auf mir lagen.

„É- Éolind…", sagte Aragorn schließlich leise. „Ich glaube, eine Entschuldigung ist angebracht…"

Die Drei steckten leicht verlegen ihre Waffen zurück, nur Silion senkte seinen Bogen gegebenenfalls etwas.

Auch Legolas und Gimli, die ich ja nur in Elronds Haus flüchtig kennen gelernt hatte, schienen mich nun zu erkennen.

„Das ist Suilion.", stellte ich vor. „ich traf ihn im Fangorn. Suilion, senke deinen Bogen. das sind Aragorn, Legolas und Gimli, ein Teil der Gefährten, die wir gesucht haben."

Erleichtert ah ich, wie er kurz nickte und seine Waffe dann herunternahm.

Ich wandte mich wieder den drei Gefährten zu, die immer noch standen. „Setzt euch doch ruft die anderen, wo immer sie auch stecken mögen, dann erzählen wir Reisegeschichten."

Ich bemerkte, wie Mensch, Elb und Zwerg sich für mich undeutbare Blicke zuwarfen. Auch Suilion hatte es gesehen. „Was ist?", hake er nach.

„Es gibt keine anderen, die wir nun rufen könnten.", antwortete Streicher leise und kummervoll. „Frodo und Sam- ich weiß nicht wo sie sind. Pippin und Merry wurden anscheinend von Orks entführt, auch wo sie nun sind wissen wir nicht. Boromir verstarb erst vor wenigen Augenblicken, von vielen Orkpfeilen durchbort. Er kämpfte gegen sie, um die Hobbits zu retten, doch er scheiterte. Gandalf fiel bereits an der Brücke in Moria, der Zwergenstadt. Und Idril - sein Kopf sank noch tiefer- Idril fiel mit ihm."

„Nein!", rief ich. „Sie ist nicht tot. Seht ihr dieses Boot? Erst vor wenigen Minuten hat sie uns verlassen, ist in den Fluss gerannt und hin geschwommen und hineingeklettert. Sie ist alles, doch nicht tot. Ich weiß nicht, was in Moria geschah, doch sie müssen es irgendwie überlebt haben."

„Dann ist Gandalf ja vielleicht auch…", brachte Gimli sichtlich verwirrt heraus.

Seine Worte blieben unbeantwortet im Raum stehen. Ich hatte tausend Fragen, die sich in mir aufdrängten, doch ich spürte, dass dies nicht der rechte Augenblick war, um sie zu stellen.

Aragorn, Suilion und Gimli trugen Boromirs Leiche herbei, während Legolas sich um meinen Arm kümmerte. Ich schrie auf, als er den Bruch in die Richtige Stellung brachte. Der Schmerz war unerträglich, ich wollte mir die Seele aus dem Leib schreien, oder gleich sterben, e schien mich innerlich zu zerreißen. Doch mit eienm Mal war es vorbei. Durch wässrige Augen beobachtete ich, wie Legolas einige lange Blätter um einen Holzstab und meinen Arm wickelte. Erst nach einigen Minuten ging es mir besser.

Die vier hatten nun die Leiche des großen Kriegers in eines der Boote am Ufer gebettet, mit seinen Waffen und einem großen Horn auf dem Schoß und schickten es den Fluss hinter. Ich hatte Boromir kaum gekannt, trotzdem brannten mir Tränen in den Augenwinkeln.

Wir verfolgten die Orks, die Uruk-hai, die unsere Freunde mit sich schleppten. Seit vielen Stunden waren wir nun schon unterwegs. Ich kroch beinahe nur noch vorwärts, währen Aragorn, Legolas, Suilion und Gimli in dieser Reihenfolge schon bestimmt zwanzig Meter vor mir waren und immer wieder ungeduldig zurückblickten und auf mich warten mussten. Doch selbst den Elben war die Anstrengung anzusehen, von mir gar nicht zu reden. Nie in meinem Leben hatte ich mir so sehr ein Pferd gewünscht, zumindest so lange ich mich zurückerinnern konnte, was freilich nicht sehr lange war.

Außerdem nagten Schuldgefühle an mir. Die anderen wären um einiges schneller gewesen, hätten sie mich nicht dabei gehabt.

Mein Arm brannte täglich, doch Legolas' Heilkünste hatten sehr geholfen.

Trotzdem gab ich nicht auf, was allerdings vielleicht nur an Legolas und Su lag, die mich ständig munterten, weiter zu gehen. Ich war mir nicht mehr sicher, wie oft mir schon versichert worden war, dass dies der letzte Tag sein sollte. Und Aragorn steckte uns alle mit seinem Mut und seiner unaufhörlichen Willenskraft an, selbst mich. Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass ich ohne meine Gefährten schon vor einer Ewigkeit aufgegeben hätte.

Oft wünschte ich mir, ich hätte den guten Fuindae noch bei mir. Doch wir hatten das Pferd vor dem Aufbruch noch frei gelassen, da Aragorn uns überzeugen konnte, dass ein einzelnes Pferd nicht viel helfen würde, da der Reiter immer wieder auf die anderen warten müsste und wir mit Fuindae auch unsere einzige Chance vertun würde, nicht aufzufallen. So sandten wir ihn gegen Westen und ich war mir sicher, dass er klug genug war, den Weg durch Rohan zu finden.

Es wurde Abend und schließlich Nacht. Es war der zweite Sonnenuntergang, seit wir losgelaufen waren. Die anderen waren fest überzeugt, dass wir kein Feuer machen sollten, damit niemand uns sähe. Ich bedauerte dies, da mir ein wenig kühl war und die Nacht stockfinster.

Wir setzten uns auf die Decken und legten unser Gepäck ab. Als ich mich jedoch fallen ließ, piekste mich etwas in den Bauch und aufgeschreckt sah ich nach. Es war ein ziemlich unscheinbarer Holzstab, aber irgendetwas Besonderes schien von ihm auszugehen ließ mich spüren, dass er mehr war. Viel mehr. Schnell zog ich ihn aus meinem Gürtel. Niemand beachtete mich. Su erzählte dem neugierigen, baumfanatischen Legolas von seinen Wochen im Fangorn, Aragorn saß nachdenklich und schweigsam da und rauchte seine Pfeife und Gimli schnarchte bereits und ich saß nun da, wog den Holzstab bedächtig in den Händen und durchforstete mein Hirn. Ich wusste, dass dieser Stab einst sehr wichtig für mich geworden war, dass ich ihn gehütet hatte wie einen Schatz ... dass er mir vieles erleichtert hatte…

Ein Wort erschien in meinem Gedächtnis, stand vor meinen Augen. Ich nahm den Stab in die rechte Hand, rief laut „Incendio!" Ein Grasbüschel ging in Flammen auf. Die beiden Elben und der Mensch sahen mich aufgeschreckt und überrascht an.

Ich wusste nicht was ich sagen soll, doch Aragorn sagte schnell ein paar Wörter auf Elbisch und Su und Legolas beruhigten sich. Zweiter hatte schnell eine Decke auf die kleine Flamme geworfen und ein leises Zischen war zu hören.

Ich hatte kurz aufgekeucht. Ich wusste nicht, woher das Wort gekommen war. Zuerst war ich erschrocken über diese Macht, die in dem geheimnisvollen Stab anscheinend ruhte, dann fragte ich mich nur noch, woher ich nur wusste wie sie zu gebrauchen war?

Ich hatte keinerlei Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend, doch ich hatte mich überzeug, dass ich aus Rohan stammen müsste. Die rohanischen Händler in Minas Tirith hatten fast alle helles Haar und helle Haut und blaue Augen gehabt, genau wie ich.

Ich konnte es nicht erwaten, einmal mehr dieses Land zu durchstreifen, denn ich war fest überzeugt, dass ich hier vielleicht meine Vergangenheit finden könnte. Ich sehnte mich nach der Vertrautheit und der Geborgenheit einer Familie. Nun, vielleicht würde ich meine Eltern ja in Edoras finden, sollte ich einst dorthin gelangen, Edoras, der Hauptstadt dieses weiten Landes, das ich beinahe schon als meine Heimat betrachtete. Ich fragte mich eienn Augenblick, ob ich Suilion und die anderen verlassen würde, hätte ich die Möglichkeit, mein Familie in Edoras zu finden, doch ich wischte diesen Gedanken schnell beiseite und versuchte mich auf das Gespräch der anderen zu konzentrieren. Etwas sagte mir, würde ich diese Gedanken weiterverfolge würden nur neue Fragen und neuer Schmerz zum aufleben kommen.

„So kann es nicht weitergehen!", sagte Streicher gerade. „So werden wir die Uruks niemals einholen können. Wir sind zu langsam." Ungeduld schwang in seiner Stimme.

Legolas, Su und der inzwischen aufgewachte Gimli blickten nur stumm zu Boden, genau wie ich. Wir alle wussten, dass es an mir lag, doch niemand wollte es laut sagen.

„ich bin eben nur ein Mensch!", rief ich da. „Ich bin mehr eine Heilerin, denn eine Kriegerin. Ich habe alles gegeben, was ich kann, schneller ging es nicht und nun, nun bin ich am Ende meiner Kräfte angelangt. Mein Arm ist immer noch nicht richtig verheilt und ich werde nicht mehr lange so weiterlaufen können, um ehrlich zu sein", fügte ich bitter hinzu.

Aragorn erwiderte zunächst nichts. Er wusste, dass ich die Wahrheit sagte, genau wie er.

„Und wenn…" begann da Suilion und zögerte einen Moment, bevor er weiter sprach." Wenn Éolind einfach zurückbleiben würde und wir weitereilen? Dann könnten wir die Orks doch noch einholen und Éolind würde so schnell wie sie kann nachkommen. Wenn wir – das heißt falls wir die Orks je eingeholt haben, warten wir auf sie."

Die anderen Blickten auf und Hoffnung schimmerte in ihren Augen. Ich schluckte unbehaglich, den der Gedanke, allein in der Wildnis zurückzubleiben mit einem halbverheilten Arm behagte mir nicht besonders, sagte jedoch nichts.

„Das ist keine schlechte Idee…", murmelte Aragon, die Pfeife im Mundwinkel.

Gimli, der Zwerg, der bisher geschwiegen hatte, erhob schließlich energisch Einspruch. „Aber wir können sie doch nicht einfach alleine zurücklassen! Orks könnten kommen und was weiß ich noch alles!"

Ich blickte ihn böse an, denn seine Worte hatten meinen Stolz angekratzt. „Ja könnten sie, doch vergesst nicht, Herr Zwerg, dass ich eine Zauberin bin, wie ich eben bewiesen habe und die Orks werden davor Respekt haben müssen…"

Ich war mir dieser Sache längst nicht halb so sicher, wie ich tat, doch irgendetwas sagte mir, das Merry und Pippin alle Hilfe brauchten, die sie kriegen konnten.

Ich würde nicht zulassen, dass sich auch nur einer von ihnen mit mir aufhalten würde, das war mir eben klar geworden.

Sowohl Legolas als auch Aragorn sprachen am Ende gegen die Idee, mich alleine zurück zu lassen. Nur Suilion blickte mich nachdenklich von der Seite an, als bräuchte er etwas länger als die anderen um zu überlegen, ob ich es schaffen könnte.

Trotzdem konnten sie ihn überzeugen und so war am Ende beschlossen, dass sie mich nicht gehen lassen würden, ehe sich nicht eine bessere Möglichkeit bot.

Unzufrieden legte ich mich zum schlafen nieder du ich ahnte nicht, wie schnell diese Möglichkeit doch kommen sollte.