AMM- Kapitel 34- Idrils Kummer

Viele Tage vergingen, Abend folgte auf Morgen und auf den Abend folgte die Nacht. Noch immer war ich den Häusern der Heilung. Es dauerte einige Zeit bis ich wieder aufstehen dufte. Oft fiel ich ins Fieber zurück und nachts plagten mich düstere Träume, aus denen ich schweißgebadet erwachte.

Doch schließlich erlaubte man es mir, in die Gärten hinauszugehen und ich genas schneller. Ich traf Faramir wieder und er erzählte mir von seiner Zeit mit Eltaithir. Er erzählte, lange Zeit habe er gedacht, dieser sei tot und er war erstaunt als ich ihm unsere gemeinsame Geschichte erzählte. Er war ein ernster, doch freundlicher Mann und ich verstand bald, dass die Soldaten ihn als Hauptmann verehrten.

Später lernte ich auch Éowyn von Rohan kennen. Éowyn war stolz und mutig, doch ich mochte sie nicht besonders, obgleich mir später oft gesagt wurde, wir hätten viele Gemeinsamkeiten. Doch sie erzählte mir von Éolinds Leben in Rohan. Dies zu erfahren machte mich traurig. Éolind schien dort wahrhaft glücklich gewesen zu sein.

Nun, ich hatte keine Heimat, doch irgendwie… ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht. Mir gefiel das Leben auf reisen, mit all seinen gefahren, auch wenn ich mich oft nach Frieden gesehnt hatte.

Die Gärten dieser Häuser waren übrigens wunderschön. Es wuchsen viele mir unbekannte Blumen und fremdartige Bäume hier und man hatte einen guten Ausblick über die Stadt und die Ebene. Ich verbrachte bald immer mehr Zeit alleine hier, da meine Freunde die meiste Zeit beschäftigt waren und halfen, wo Hilfe benötigt wurde und Feanor noch immer als Soldat im Dienste der Stadt stand.

Oft sehnte ich mich danach, Frodo und Sam wieder zu sehen. Ich hatte die beiden auf unserer gemeinsamen Reise ins Herz geschlossen und noch immer schämte und verfluchte ich mich für mein Versagen. Ich hatte sie verloren. Ich, der einzige Schutz, den sie abgesehen von ihrem Mut und ihrer Willenskraft hatten. Éolind hatte natürlich versucht mich zu beruhigen. Natürlich.

Ich erinnerte mich genau ihrer Worte: „Idril, es war nicht deine Schuld. Jeder andere an deiner Stelle wäre einfach nur froh, überlebt zu haben."

Ja. Ich hatte überlebt. Und es war mehr als knapp gewesen. Als ich in Ithilien angekommen war, war ich nur noch ein Schatten meiner selbst gewesen und hatte keine Hoffnung merh gehabt, jemals wieder Frieden finden zu können. Ich hatte drei Tage und drei Nächte lang nichts gegessen und kaum getrunken, keinen Schlaf gefunden, ich war beinahe wahnsinnig vor Selbstverachtung, Schmerz und Erschöpfung und Faramirs Männer hatten eine ganze Weile gebraucht, um mich wieder auf die Beine zu bringen. Ich war mir sicher, dass ein Mensch diese Strapazen nicht überlebt hätte.

In dieser Zeit in der Höhle hinter dem Wasserfall, hatte ich oft darüber nachgedacht, wie es diese Menschenkrieger wohl schafften, so zäh und tapfer zu sein, obwohl sie doch so schwach gebaut waren. Und ihre Leben waren so kurz! Was lohnte es sich, so tapfer fürs überleben zu kämpfen, um nur wenige Jahrzehnte später vom Alter bezwungen dahinzusiechen und schwach zu sterben? Ich verstand das nicht, warum die Menschen vonAnfang an so gestraft waren.

Erst viele Jahre später sollte ich verstehen, dass der Tod der Menschen nicht unbedingt eine Strafe darstellt.

Eines Tages überbrachte mir jedoch Suilion mir eine Nachricht. Ich war froh in zu sehen, denn tagelang hatte ich kaum etwas von den anderen gehört, außer von Eltaithir, der mich mindestens einmal am Tag besuchte. Suilion hatte sich verändert, er war ernster geworden, wirkte erwachsener, vielleicht lag das an dem forschen Blick der dunklen Augen, vielleicht an den vielen neuen Kratzern, von denen einige ihre Narben hinterlassen sollten.

Nun, wir redeten nicht lange, denn er war nicht sehr gesprächig, obwohl er sich ebenfalls zu freuen schien, mich zu sehen. Doch erzählte er mir vor allem von einem Rat in dem kleinen Zelt vor der Stadt. Es war beschlossen worden, in eine Schlacht gegen Sauron zu ziehen und ihn heraus zu fordern, um sein Auge von den beiden Hobbits abzuwenden, die nun sein Land durchquerten.

Ich seufzte. Hätte ich nicht versagt, wäre auch das vielleicht nicht nötig gewesen.

Natürlich sprang ich sofort auf, verlangte mitziehen zu dürfen. Doch Suilion antwortet nicht schaute mich nur mit seinen unergründlichen dunklen Augen an. Dann stand er ebenfalls auf und umfasste mit sanftem Druck meine Schultern.

„Idril", sagte er leise. „Ich weiß, wie sehr es dich verlangt wieder zu kämpfen, denn es scheint in deiner Natur zu liegen. Aber verstehe doch! Du hast bereits genug geleistet und bist mehrmals nur knapp dem Tod entronnen, reicht dir das denn nicht? Nun ist es an anderen, zu kämpfen."

Ich sah ihn unglücklich an, widersprach jedoch nicht. Suilion hatte etwas, das einen sofort überzeugte. Vielleicht war es diese tiefe Ernsthaftigkeit in seinen Augen, vielleicht diese feste, doch sanfte Stimme, vielleicht die Eindringlichkeit, mit der er sprach.

„Aber, was ist denn mit euch?", fragte ich schließlich leise. „Werdet ihr gehen?"

„Nun, Èolind wird nicht kämpfen wollen, doch fragte man sie, würde sie natürlich gehen, wie sie nun einmal ist. Feanor zieht mit den gleiche Freuden in den Kampf wie du, denn auch sein Herz sehnt sich danach, Mittelerde zu verteidigen und Ruhm zu erlangen, also schätze ich, seine Entscheidung liegt dir am offenstem…"

Ich wollte kurz protestieren, schließlich fand ich dies alles maßlos übertrieben, unterließ es jedoch. Ich wusste, dass er im Endeffekt Recht behielt.

Er lächelte kurz, doch humorlos. „Ich für meinen Teil habe genug gekämpft. Ich wünsche mir nichts, als zum Fangorn zurück zu kehren, der meine Heimat ist, vielleicht den Düsterwald zu besuchen, Lothlórien zu sehen. Doch wenn mein Schwert und mein Bogen gebraucht werden, werde ich zur Stelle sein. Du aber brauchst Ruhe, denn noch bist du nicht geheilt."

Und mit diesen Worten schenkte er mir ein letztes freundliches Lächeln, drehte sich um und verschwand in der Tür.

Traurig blickte ich ihm hinterher.

Nun also sollte es in die letzte Schlacht gehen. Und ich würde nicht dabei sein, sondern hier sitzen und tatenlos zusehen müssen, wie meine Freunde im Kampf ihr Leben gaben. Mir war, als würde mich die bloße Vorstellung umbringen.

Bereits am nächsten Tag kamen Feanor und Éolind zu mir. Ihnen folgten Pippin und Merry. Das Wiedersehen mit den Hobbit war freudig und unbeschwert. Wir erinnerten uns an unseres ersten Treffen kurz vor Bree, als mir Frodo ganz und gar nicht trauen wollte und für eine Weile waren wir eine fröhliche Gesellschaft und es gab viele Scherze und Lachen. Und doch ging mir das kurze Gespräch mit Suilion nicht ganz aus dem Sinn.

„Werdet ihr ziehen?", fragte ich schließlich nach einer ganzen Weile unverblühmt. „Ihr wisst schon, in die Schlacht."
Einen Moment warfen Éolind und Feanor sich kurze Blicke zu, als hätten sie gehofft, ich würde dieses Thema nicht anschneiden.

Sie wandte sich mir zu und schenkte mir ein krampfhaftes Lächeln. „Das wissen wir noch nicht.", sagte sie leise. An ihrem Blick konnte ich ablesen, dass sie sich kaum etwas sehnlicher wünschte, als nicht kämpfen zu müssen, doch dass eine Entscheidung längst gefällt war. Éolind würde ihren Freunden folgen. Und Feanor kannte ich, wie Suilion so treffend festgestellt hatte, gut genug um seine Einstellung zu kennen.

Doch dann bemerkte ich mit Erstaunen, dass seine Miene versteinert blieb.

„Nein", sagte er schließlich „das wissen wir tatsächlich noch nicht." Fragend blickte ich ihn an, doch er war schon zum Fenster getreten und blickte nachdenklich hinaus.

Als die vier einige Zeit später gegangen waren, fragte ich mich, ob Éolind und Feanor über dieses Thema gestritten hatten.

Die Heerschau fand einige Tage später statt, während denen nur Legolas und Gimli mich einmal mit den Hobbits besuchen kamen. Natürlich war es gut, zu fünft über alte Zeiten zu plaudern, doch langsam sehnte ich mich danach, wieder selbst etwas zu erleben.

Ich wollte wieder reisen, über die Ebene jagen wie früher, mit nichts als einem Ziel vor Augen und dem Willen, den nächsten Tag noch zu erleben.

Legolas berichtete mir, dass er Feanor und Éolind tatsächlich streiten gehört hätte. Es sah aus, als wollte Suilion ziehen, denn obwohl er das töten eigentlich hasste, war er überzeugt, dass Gondor ihn brauchen würde und Éolind wollte bleiben, denn sie verabscheute diesen Krieg und hieß den Plan der Heerführer nicht gut, doch mein Geliebter war unentschlossen, zwischen seinem feurigen Geist, der ihn nach Osten in den Krieg zog und seinem Herzen, dass ihn rief, hier bei mir zu weilen. Dies alles verwunderte mich zu diesem Zeitpunkt recht und ich nahm es ihnen übel, dass sie nicht mit mir darüber redeten.

Doch als ich darüber nachdachte, da wurde mir klar, dass es im Endeffekt von Feanor abhing, was geschehen würde und damit auch von mir.

Legolas schien sich allerdings recht gut mit Suilion angefreundet zu haben. Der Elb, der mir nun nicht viel älter erschien als ich selbst, erzählte, dass sie ausgemacht hätten, sie würden einander ihre Heimat zeigen, sollte irgendwann einmal Frieden herrschen. Nun, dies alles verwunderte mich nicht weiter, denn die beiden waren einander im Geiste ähnlich, wenn auch Legolas Grünblatt oft offener und freundlicher schien als der dunkle Suilion.

Der Tag verging schnell, doch abends saß ich noch lange auf der niedrigen Mauer im Garten. Über mir leuchteten hell und klar die Sterne Yavannas. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte dort oben sein. Frei sein und still auf die Welt hinab blicken ohne jede Sorge und Menshen und Elben ihrem Schicksal überlassen. Nun, es war ein Traum, dich ein schöner Traum.

Dann jedoch dachte ich an Eltaithir. Eltaithir, das Blitzzeichen. Diesen Name hatte er sich nach der kaum erkennbaren Narbe auf seiner Stirn gegeben.

Nun, auch für mich war er ein Zeichen. Er war derjenige, der mir Hoffnung gegeben hatte, der mein Leben einmal wie ein Blitz erhellte und ebenso schnell wieder erloschen war, als ich ihn in Minas Tirith verließ. Doch das Feuer, dass der Blitz in angesteckt hatte, brannte noch. Und wie.

In diesem Moment wünschte ich mir, ihn wieder zu sehen. Ich wünschte mir, er möge niemals in diese Schlacht ziehen, denn etwas sagte mir, er würde nicht zurückkehren. Ich weiß nicht ob es ein Zeichen der Valar war oder eine Vision, als ich so dasaß und die Sterne betrachtete, ich wusste es einfach.

Er würde nicht zurückkommen.

Niemals.

Er kam alleine, am Abend vor dem Auszug des Heeres. Ich war wieder im Garten und saß unter einem knorrigen, alten Baum. Ich las ein Buch, das mir eine der Heilfrauen gegeben hatte, das mich jedoch nicht sonderlich interessierte.

Als ich ihn kommen hörte, klappte ich es zu, legte es beiseite und blickte ihm ruhig entgegen.

Im schwachen Licht wirkte sein Gesicht weiß wie Schnee in den Bergen und seien Augen funkelten im Licht der Sterne.

Schnell stand ich auf und er trat nahe an mich heran, sodass ich seine Hand greifen konnte, Sie war ganz kühl. Lange Zeit standen wir uns so gegenüber, ohne ein Wort zu sagen, genossen die Stille um uns und in uns. Es gibt Augenblicke, da braucht man keine Worte, denn ich wusste, weshalb er gekommen war.

„Es ist lange her.", sagte ich schließlich leise. „Und es war nur ein Kuss, nicht mehr. Du brauchst dich mir gegenüber… nicht auf irgendeine Art verpflichtet zu fühlen…"

Ich erschrak selbst darüber, wie brüchig meine eigene Stimme klang und wie kühl meine Worte.

„Liebst du mich?" Er sah mich traurig an.

Ich nickte und lächelte schwach. „Natürlich."

Wieder herrschte Schweigen und langsam überkam ich Verzweiflung. Ich wusste er würde im Endeffekt doch gehen. Ich liebte ihn so sehr, so sehr. Wie konnte ich ohne ihn leben? Ich wusste es nicht. Und irgendwann brach es einfach aus mir heraus, ein leises, brüchiges Flehen, eine einfache Bitte von jemandem, dem sie alles bedeutet.

„Ich bitte dich, geh nicht. Dieser Kampf ist aussichtslos und… ich kann mich nicht schon wieder von der trennen. Nicht jetzt, wo endlich Friede zu sein scheint, wenigstens ein bisschen. Ich liebe dich, Eltaithir, ist das denn nichts wert? So lange waren wir getrennt und nun da wir uns sehen, da gehst du schon wider…?"
Ich spürte, dass Tränen in meine Augenwinkeln traten und drückte sie mühsam herunter. Nicht weinen jetzt, bloß nicht weinen!

Er schien ruhig zu bleiben, doch in seinen Augen sah ich, wie aufgewühlt er innerlich sein musste.

„Idril…", sagte er leise, es war nur ein Wispern, sanft wie ein Windhauch. „Idril, Mädchen, du weißt nicht, wie gerne ich bleiben würde. Ich liebe dich so sehr und ich möchte ich nicht von dir trennen, auf keinen Fall. Ich liebe dich wirklich, so wahr die Sterne am Himmel stehen. Und doch… muss ich gehen, am Ende, muss ich doch gehen. Wir wurde gerufen, um den Gefährten bei zu stehen und Mittelerde vor dem Untergang zu retten, auch wenn ich nicht weiß, woher ich kam. Vielleicht wurde ich damals einfach aus Aules Feuer geboren, vielleicht gibt es ein Lben davor, an dass ich mich nicht erinnern kann. Dies alles bleibt mir verborgen, denn das wissen nur die Vala. Doch ich kann das alles nicht im Stich lassen nun, denn es ist mein Schicksal, das die Vala mir vorsahen und außerdem… würde ich mir niemals verzeihen."

Bitter blickte er zu Boden.

Ich schluckte. Ich konnte es nicht glauben, nicht fassen. Mir war schwindlig, wie damals, als ich hatte erkennen müssen, dass ich Frodo und Sam verloren hatte. Eltaithir würde gehen.

„Ja", flüsterte ich schließlich. „Ja, du musst gehen. Ich habe versagt, als ich nicht hätte versagten dürfen…Nun darfst du nicht auch noch aufgeben."

Er sah mir in die Augen. Himmel, diese Augen. Ich sah das Feuer in ihnen, seine Leidenschaft, sein unbändiger Lebenswille.

„Du hast nicht versagt, Melisse. Du bist später umgekehrt als alle anderen, Frodo und Sam ausgenommen. Bis an die Grenze des schwarzen Landes bist du vorgedrungen und du hast den Weg zurück geschafft. Es gibt niemanden hier, der dich nicht bewundern würde, für das was du getan hast…"
Ich antwortete zunächst nicht, sondern blickte hinauf zu den Sternen, wie um innerlich Kraft zu sammeln. Dies war unser letzter Abend. Ich wusste nicht, ob ich ihn jemals wieder sehen würde. In mir schien es zu brennen, ein Feuer das mich innerlich verzerrte und dessen Glut jedem Blick seiner Augen heißer und wütender wurde.

„Küss mich", wisperte ich. „Küss ich nun, auf das wir uns niemals vergessen werden, in Leben oder Tod… auf das Feuer und Wasser ein letztes Mal vereint sein mögen, bevor sie für immer scheiden müssen… "

Ich wusste später nicht, warum ich das gesagt hatte, die Worte erschienen einfach in mir und ich sprach sie aus.

Fenaor sah mich einen Augenblick an und Verwunderung stand in seinen Augen, dann trat er näher zu mir und berührte mit sinn Lippen die meinen.

Ich brannte. Ich vergaß wo wir waren, vergaß meinen Namen, was geschehen war. Ich vergaß alles. Da waren nur noch wir beide und die Sterne über uns, der Wind in meinen Haaren und Gewändern und seine Hände auf meinen Wangen. Es war ein Augenblick für die Ewigkeit und ich wusste, in mir würde er ewig leben.

So, das wars erst mal wieder…

Beim schreiben hatte ich einfach das Verlangen, noch ein bisschen Romantik in die Sache zu bringen, im Nachhinein, beim Korrigieren hab ich noch einmal versucht deutlicher zu machen, dass die Freunde ihre Vergangenheit nun wirklich voll und ganz vergessen haben.

Viele Kapitel sinds auch nicht mehr, bis die Entscheidung naht… und damit das Ende.

Ich überlege allerdings im Moment, ob ich es nicht noch zu einer kleinen Fortsetzung wagen soll… ich hätte im moment echt lust dazu, obwohl ich eigentlich noch anderweitig genug zu schreiben hätte.

Ich würd auch sehr gerne vielleicht mal nen comic dazu zeichnen, zumindest zu ein paar szenen, zB die Ankunft in ME und die ersten Begegnungen…

Naja, mal schaun.

Vielen Dank noch mal für alle reviews,

ich hab mich über jedes sehr gefreut.

Gruß +

kathi