Disclaimer: Die Welt von „Ai no Kusabi" gehört nicht mir, sondern Rieko Yoshihara Sie möge es mir verzeihen, dass ich mir Iason und Raoul vorläufig ausgeliehen habe.
Teil: 11
Genre: Ai no Kusabi
Rating: PG18-Slash
Pairing: IasonxRaoul
Kommentar: Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat. Aber dafür gibt es den letzten Teil in wenigen Tagen. :)
11. Die junge Elite
„Raoul!", diese befehlende Stimme und der plötzlich auftretende stechende Schmerz in seiner Hand ließen ihn aus seiner Ohnmacht auftauchen, wie ein Ertrinkender nochmals die Wasseroberfläche durchbricht bevor ihn die Wellen endgültig in die Tiefe hinabreißen.
Er konnte kaum klar sehen und ein qualvolles Stöhnen kam über seine Lippen. Iason hatte sich über ihn gebeugt. Raoul wollte gerade den Mund öffnen, als der andere ihm mit einem Kopfschütteln und einem Finger auf den Lippen gebot zu schweigen.
Seine Augen fielen von alleine wieder zu, aber es war wieder dieser ekelhafte Schmerz in seiner Hand, der ihn davor abhielt ohnmächtig zu werden.
„Du brichst mir die Finger.", protestierte Raoul keuchend als er endlich realisierte, dass es Iason war, der ihm die Schmerzen zufügte.
Er befand sich noch immer auf der Terrasse und sein Kopf lag auf Iasons Schoß, während Morqua, der junge Arzt mit dem Raoul Bekanntschaft gemacht hatte, mit einem recht hilflosen Gesichtsausdruck neben ihm kniete.
Iason beachtete Raouls Einwände erst gar nicht und hielt die Hand noch immer in einem unerbittlich festen Griff, der seine Finger und Knöchel aufs Unangenehmste zusammen presste. „Nicht reden."
„Und bleiben Sie ruhig liegen, die Ärzte kommen gleich.", schaltete sich Morqua ein. „Alleine kann ich da nichts machen."
„Warum blutest du eigentlich immer, wenn ich dich treffe?", versuchte Iason die Situation herunterzuspielen, in dem er an ihr erstes Aufeinandertreffen erinnerte.
„Vielleicht solltest du die Blutung besser stillen bevor du weiterredest.", entgegnete Raoul und erntete dafür wieder einen schmerzhaften Druck an seiner Hand. Raoul konnte fühlen, wie mit jedem Herzschlag mehr und mehr Blut aus seinem Körper rann. Ein normaler Mensch wäre vermutlich längst bewusstlos und nahe dem Tode. Nur seine körpereigenen Opiate bewahrten ihn vor den wirklich großen Schmerzen.
Er bemerkte wie die beiden anderen einen sorgenvollen Blick tauschten. Dann sah ihm Iason in seine Augen: „Sag mir wie ich eine Blutung stillen soll, wenn deine gesamte Bauchdecke aufgerissen ist.", in der Stimme hörte man eine kleine Spur von Verzweiflung.
„WAS?" Raoul wollte sich aufrichten, aber erstens ließen das die Schmerzen nicht zu und zweitens drückte ihn Iason mühelos zurück. Mehr noch der Blondie hielt sein Kinn fest.
„Nicht hinsehen.", meinte er und strich Raoul über die Lippen.
Raoul spürte die Panik in sich aufsteigen, dass es ihn so übel erwischt hatte… Er versuchte langsamer zu atmen, aber es wurde immer schwerer. Ihm war als ob ein Gewicht auf seinem Brustkorb lastete.
Morqua bemerkte seine zunehmenden Schwierigkeiten. „Ihre Brusthöhle füllt sich mit Blut, deshalb haben Sie die Schwierigkeiten."
„Das wollte ich eigentlich gar nicht wissen.", gab Raoul zurück. „Was ist eigentlich mit Shiron geschehen?", wandte er sich Iason zu.
„Tot.", kam die knappe Antwort.
„Was du?"
„Ja."
„Schade.", flüsterte Raoul und war versucht, wieder die Augen zu schließen. Dieses Mal war es eine heftige Ohrfeige, die ihn zurückbrachte. Und bevor Iason auch noch ein zweites Mal zuschlagen musste, wurde die Tür zur Terrasse geöffnet und ein Ärzteteam eilte ihnen entgegen.
Er hörte wie Morqua das Team zu sich rief und gleich die ersten Anweisungen hab. Raoul vernahm auch die aufgeregten Schreie des Entsetzens der anderen Partygäste.
„Master!" Die Stimme von Kyle, seinem treuen Pet, der jetzt auch zu ihnen stieß, war das letzte, das er wahrnahm, denn die Welt um ihn herum versank immer mehr in der Schwärze.
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Raoul schlug mit einem Seufzen die Augen auf und runzelte daraufhin die Stirn. Nein, das war nicht sein Schlafzimmer, aber auch nicht ein Krankenzimmer in der Klink. Vorsichtig setzte er sich auf. Einige Stücke der Einrichtung erkannte er wieder, aber trotzdem wusste er nicht, wo er sich hier befand.
Mit einer Hand strich er sich über die Wange. Das letzte woran er sich erinnern konnte war, dass Iason ihm eine Ohrfeige gegeben hatte. Und das sonderbare Gefühl in seiner eigenen Blutlache zu liegen. Den Rücken und die Beine feucht von der Körperflüssigkeit und die davon verklebten Hände.
Anscheinend waren die Mediziner noch rechtzeitig eingetroffen. Raoul schlug das Bettlaken zurück und betrachtete seinen Unterleib. Außer, dass die Haut heller war als an seinem übrigen Körper, zeugten keine Spuren mehr von seiner Verletzung. Doch er fühlte sie noch, konnte die Wundränder mit dem Finger nachfahren... wie ein fernes Echo, längst vergangen, aber dennoch präsent. Das musste wohl an den Schmerzmitteln liegen, die nicht selten die Sinne auf diese Art und Weise verwirrten.
Langsam erhob er sich aus dem Bett und da er nichts gefunden hatte um sich anzuziehen, tappte Raoul nackt aus dem Zimmer. Die Hand hatte er dabei an der Wand aufgestützt, denn er bemerkte, wie schwach er noch war. Kein Wunder hatte er doch bestimmt mehrere Wochen in Stasis gelegen, damit sein Körper sich regenerieren konnte.
Nach wenigen Metern betrat er eine geräumige Halle, die von Sonnenlicht geflutet war, dass durch die großen Glasfenster an der Wand schien, aber nicht blendete sondern vielmehr alles in ein angenehmes goldenes Licht tauchte.
Überwältigt von der Ansammlung von Gemälden und Skulpturen blieb er stehen. So hatte er sich immer seine Wohnung vorgestellt, aber er hatte nie über den nötigen Platz für so eine umfassende Kunstsammlung verfügt.
Plötzlich hörte Raoul hinter sich Schritte. Schritte, die ihm nur allzu vertraut waren. Iason legte ihm eine Robe um die Schultern: „Gut, dass du wieder wach bist." Sanft drückten sich weiche Lippen an seinen Hals. „Sie haben gesagt, dass du heute aufwachen würdest."
Der andere schien genau zu wissen, dass Raoul noch etwas schwach war, deshalb schlang er die Arme um seine Körpermitte und zog ihn näher an sich heran.
Raoul wandte den Kopf, um einen zärtlichen Kuss zu empfangen.
„Du hast mir das Leben gerettet." Iasons Kopf ruhte auf Raouls Schulter.
„Ich weiß nicht, ob ich das nochmals machen würde.", behauptete er, halb im Ernst. „Wo bin ich hier überhaupt?"
Iason lachte daraufhin leise auf: „Das ist deine neue Wohnung im Eos Tower. Während du in Stasis warst, habe ich Fay und Katze herumgescheucht, damit sie hier alles einrichten. Dein Pet hat auch mitgeholfen, aber ich verstehe nicht, was du an ihm findest. Oder gefallen dir seit neuestem melancholisch veranlagte Pets?"
„Nein, eigentlich nicht." Raoul runzelte die Stirn, ‚Kyle und melancholisch?'. Aufgedreht, shoppingsüchtig und von Zeit zu Zeit hysterisch, das waren Adjektive, die eher Kyles Naturell entsprachen. Aber er beschloss, dass er sich damit später befassen konnte.
Gemeinsam betraten sie die Halle und gestützt von Iason näherte er sich dem besagten Furniture. „Gut gemacht Fay.", lobte Raoul und meinte es auch so. Fay hatte wirklich seinen Geschmack getroffen.
„Oh Master!" Die Freude in der Stimme des Jungen klang ehrlich und er strahlte über das ganze Gesicht. „Ich habe auch etwas zu Essen gemacht, die Ärzte haben mir einen Diätplan gegeben. Ihr müsst noch etwas aufpassen…."
„Er redet immer so viel, wenn er aufgeregt ist.", meinte Raoul beiläufig zu Iason und setzte sich, wobei er in die Ärmel der Robe schlüpfte und sie vorne zuband.
„Das habe ich auch schon gemerkt. Fay war ein paar Tage bei mir und hat Katze Kochunterricht gegeben."
„Nun, das war auch dringend nötig.", murmelte Raoul und dachte an das letzte Produkt von Katzes mangelhaften Kochkünsten.
„Wie lange war ich… war ich weg?", fragte er dann nach einem Moment.
„Zwei Monate."
„Oh." Das erschütterte ihn. „So lange?"
Iason nickte: „Aber in dieser Zeit hat sich viel getan. Vieles hat sich verändert." Er lächelte und beugte herüber um Raoul die Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. „Mit deiner Hilfe… Die meisten der Progs haben noch am gleichen Abend Selbstmord begangen, aber einige sitzen jetzt noch im Gefängnis."
„Mehr Arbeit für mich, was?" Raoul verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln. Dann ergriff er die Hand des Blondie und küsste sie. Ihre Blicke begegneten sich. Vielleicht war doch mehr zwischen ihnen als nur pure körperliche Anziehungskraft.
Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, stürmte Kyle mit Adiss zusammen ins Zimmer. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Master!" Kyle kniete vor Raoul nieder und umklammerte seine Knie. In den Augen glitzerten Tränen. „Bitte verkauft mich nicht."
„Ach Kyle. Wieso das denn?", flüsterte Raoul und strich dem Jungen über die haselnussbraunen Haare. Das schien mittlerweile Kyle neuer Tick zu sein, immer Angst haben zu müssen, dass Raoul in verkaufen würde. Wobei dem Pet für so eine Aktion immer mehr Gründe einfielen als Raoul selbst, der eigentlich völlig zufrieden mit dem Jungen war.
„Hätte ich besser auf Shiron aufgepasst, dann… dann…"
„Beruhig dich. Das war nun wirklich nicht deine Schuld." Raoul hob das Kinn des Pets an und fuhr mit dem Daumen über die roten Lippen. „Nein, ich werde dich nicht verkaufen.", versicherte er.
Kyle war so erleichtert, dass er sich förmlich in Raouls Arme warf, welcher zwar überrascht war, dann aber lächelte und dem Pet den Rücken streichelte und beschloss ihm diese Disziplinlosigkeit nachzusehen. Aber es wäre an der Zeit ein neues Pet zu erwerben, Kyle war jetzt dreizehn Monate in seinem Haushalt, so war es nun einmal üblich. Doch er konnte Kyle nicht einfach in ein Auktionshaus bringen und ihn an den nächsten Besitzer zu verkaufen. Das brachte er nicht über sich.
Da kam ihm ein Gedanke. „Iason schuldet mir einen Gefallen. Vielleicht kann er dich auf dem Schwarzmarkt beschäftigen, wenn es an der Zeit ist.", schlug Raoul vor und schob Kyle von sich, während er Iason mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
Der andere Blondie zuckte nur mit den Schultern und kraulte Adiss hinter den Ohren, der er sich auf Iasons Schoß gemütlich gemacht hatte und einen leises wohlgefälliges Knurren von sich hören ließ.
„Würdet Ihr das tun?", flüsterte Kyle und Raoul nickte.
„Vielen Dank." Die Stimme des Pets war von den vielen Tränen heiser. Kyle richtete sich auf und legte seine Lippen auf die von Raoul. Doch so schnell wie die Berührung stattgefunden hatte, so schnell zog er sich auch wieder zurück und half Fay damit das Essen aufzutragen.
Raoul wollte den Mund öffnen um etwas zu sagen, aber ihm fiel nichts dazu ein. Sein Pet hatte ihn geküsst! Das war genauso unerhört und unmöglich, wie wenn die beiden Monde Amois plötzlich auf den Planeten stürzen würden.
Iason neben ihm schüttelte den Kopf und murmelte etwas von Raouls Affinität zu Untergebenen und Mongrels und dass es ihm nie passieren würde, dass seine Pets ihn küssen...
„Pass auf, was du da sagst.", meinte Raoul und lehnte sich zurück, während er den anderen Blondie betrachtete, der noch immer den Welpen streichelte.
Raoul streckte die Hand aus und wollte Adiss über den Kopf streicheln, aber dieser bleckte die Zähne.
„Undankbares Biest.", zischte er. Da war man zwei Monate nicht da und der Hund vergaß, wer sein Herrchen war.
Iason lachte: „Na dann kann ich ihn ja mitnehmen."
„Nein, Kyle wäre untröstlich." Der Junge hing an dem Welpen. „Aber ich kann dir einen Neuen machen.", bot Raoul an.
Nach dem Essen betrachtete er den Ausblick, der sich ihm darbot. Die gesamte Längsseite der Halle bestand nur aus einer einzigen Glasfront. Seine neue Wohnung war so gelegen, dass er am Horizont sogar den Ozean ausmachen konnte.
„Es ist wunderschön, nicht?... Raoul?"
Erst jetzt bemerkte Raoul, dass ihm die Augen zugefallen waren. „Ja, wunderschön.", murmelte er schläfrig und lehnte sich zurück. Mit einem Mal fühlte er sich wieder so schwach.
Iason hatte dies bemerkt und hob ihn hoch.
„Was machst du da?", protestierte Raoul, aber Iason küsste nur seine Stirn und trug ihn ins Schlafzimmer.
Erst als ihn Iason auf das Bett legte, öffnete er wieder die Augen. Iason verharrte regungslos über ihn gebeugt. Die Berührungen der hellblonden Haarspitzen auf Raouls Haut fühlten sich an wie die zarten Schläge von Schmetterlingsflügel.
Schließlich ergriff er selbst die Initiative. Er zog Iason mit einer Hand näher zu sich heran und küsste ihn, stieß erbarmungslos mit der Zunge in die feuchte Höhle. Iason war um nichts verlegen und erwiderte den Kuss genauso leidenschaftlich.
Danach sank Raoul mit einem zufriedenen und auch schläfrigen Lächeln wieder in die Kissen.
„Ist noch etwas?", erkundigte sich Iason.
„Eine Kleinigkeit vielleicht...", meinte Raoul und deutete mit dem Kinn auf seine unteren Körperregionen.
Sein Gegenüber hatte verstanden. „Ah ja." Iason schnaubte auf und zog die Augenbrauen nach oben: „Das nennst du eine Kleinigkeit?"
Aber Iason erwartete gar keine Antwort. Er legte sein Obergewand ab, so dass er nur noch den engen Bodysuit trug und kniete sich über Raoul. Während er den Knoten an der Vorderseite der Robe löste, sah er Raoul wieder mit einem Blick an, für den dieser alles geben würde: Hellblaue Augen, die voller Leidenschaft und Verlangen waren.
Iason verteilte federleichte Küsse auf seinem Bauch. „Tut es noch weh?"
„Nein.", seine Stimme war bereits jetzt nur noch ein heiseres Wispern. Nur zu gern hätte er die Augen geschlossen um sich so ganz auf die Berührungen auf seiner Haut zu konzentrieren, aber stattdessen beobachtete er, wie Iason noch weiter hinabrutschte. Der Blondie umschloss Raouls Erektion mit einer Hand und massierte sie mit leichtem Druck. Während er sich so langsam nach oben arbeitete und dann die empfindsame Spitze streifte, warf Iason die Haare zurück und blickte zu Raoul hinauf. Nur um feststellen, dass dieser ihn ebenfalls mit vor Lust glühenden Augen ansah.
Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen und sie hielten einander die ganze Zeit mit ihren Blicken fest. Und Raoul wollte auch den Blick nicht abwenden, zu erregend war es Iason zuzusehen, wie er immer wieder die Zunge hervorschnellen ließ und über sein Glied leckte.
Es war unumstritten der erotischste Anblick überhaupt zu verfolgen, wie sein eigenes Fleisch immer mehr in der feuchten Höhle von Iasons Kehle verschwand.
Der Höhepunkt schließlich kam schnell und hart und hatte eine bittere Süße. Es war nicht jene tiefgehende und alles erschütternde Erfahrung, sondern ehe eine zeitweilige Erlösung und Befreiung, die ihn benebelt und angenehm schläfrig zurückließ.
Raoul bemerkte noch wie sich Iason zurückzog, ihn zudeckte und sich selbst wieder ankleidete.
„Ich sage Fay, er soll dich schlafen lassen. Angenehme Träume Raoul."
Er nickte nur und es bestand für ihn kein Zweifel, dass er sehr angenehme Träume über eine bestimmte Person haben würde.
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Vier Wochen später blickte Raoul von seinem Schreibtisch auf und stieß einen leisen Fluch aus. Jetzt war es wieder soweit! Er musste wieder in die untersten Ebenen des Gebäudes gehen, dort wo die Verräter auf ihre Strafe warteten.
Er schloss die Augen und lehnte sich in seinem Sessel zurück. So verharrte er noch einige Augenblicke, dann öffnete er die unterste Schublade des Tisches.
Das schwarze Kästchen, das dort stand, war so etwas wie sein persönlicher Alptraum. Darin enthalten waren Medikamente, die er jedes Mal einnehmen musste, wenn er seine telepathischen Fähigkeiten einsetzte.
Jedes mal, wenn er einen Blondie modifizierte und so in dessen Leben eingriff, ihnen die Erinnerungen nahm und sie zu unselbstständigen Wesen machte, dann war es ihm als ob auch er jedes Mal etwas verlieren würde.
Raoul öffnete den Deckel und mit geübten Handgriffen zog er die Spritze auf, dann schob er seinen Ärmel nach oben und verabreichte sich das Mittel.
Nach einem Eingriff hatte er zwar immer noch leichte Kopfschmerzen, aber diese waren kein Vergleich zu den Schmerzen, die ihn heimgesucht hatten, als er damals völlig ohne Schutz in Asturs Geist eingedrungen war.
Heute würde er den letzten Prog modifizieren und Raoul hoffte inständig, dass dieses Thema dann endlich zu den Akten gelegt werden konnte.
Die Progs hatten großen Schaden angerichtet und erst jetzt drei Monate danach, hatten er und Iason das ganze System wieder einigermaßen unter ihrer Kontrolle.
Insgeheim wusste er auch, warum er sie so sehr verachtete, ja sogar hasste. Nur weil es solche Menschen gab, war er dazu gezwungen von seinen Fähigkeiten Gebrauch zu machen, sich dadurch jedes Mal in Lebensgefahr zu begeben.
Raoul hatte die Zelle erreicht. Zwei Sicherheitskräfte standen davor und musterten ihn mit nervösem Blick. Er konnte ihre Angst spüren also lächelte er leicht um sie zu beruhigen und nickte ihnen zu.
Sie öffneten die schwere Stahltür und ließen ihn eintreten.
Man hatte den Blondie bereits auf der Liege festgeschnallt und jetzt wo der Verurteilte merkte, dass er nicht mehr alleine war, wehrte sich gegen die Fesseln.
Raouls Gesicht zeigte keine Regung. Er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Er legte eine Hand auf die Stirn des Blondie: „Du weißt, das hat keinen Zweck.", raunte er dem Liegenden zu.
Der Unglückliche wusste dies tatsächlich. Raoul sah es in den blaugrauen Augen, die ihn mit einem Ausdruck voller Angst und tödlicher Gewissheit anstarrten.
Der Blondie öffnete den Mund um noch etwas zu sagen, aber seine Stimmbänder waren gelähmt worden. Etwas was Raoul nach seinem ersten ‚Einsatz' gefordert hatte, die Schreie des Verurteilten waren mehrere Minuten lang durch die kleine Kammer geschallt und hatten ihn so beinahe selbst um den Verstand gebracht.
Eine halbe Stunde später richtete er sich auf und sah auf den Blondie hinab. Der würde noch einige Tage bewusstlos bleiben, dann würde er aufwachen und sich an nichts mehr erinnern.
Raoul fuhr wieder mit dem Fahrstuhl in sein Büro. Das war der unangenehme Teil seiner Arbeit, aber Raoul wusste auch, dass er der einzige war, der eben jene Arbeit erledigen konnte.
Er gab es zwar nicht zu, aber manchmal in der Nacht wachte er auf, weil er in seinen Träumen die Gesichter der Blondies sah, die ihm ausgeliefert auf der Liege festgeschnallt waren.
Was wäre wenn er einmal jemanden modifizieren müsste, den er kannte? So jemand wie Iason... Raoul würde es nicht ertragen können, diese hellblauen Augen zu sehen, wenn sie ihn stumm anflehten gnädig zu sein.
‚Gnädig sein', Raoul schloss die Augen. Selbst wenn er es wollte, er konnte kein Mitleid haben, denn er hatte gar keine andere Wahl als den Todesengel zu spielen. Das war seine Aufgabe, dafür war er geschaffen worden.
Er setzte sich in seinen Stuhl und streckte sich. Der Nacken tat ihm weh und er versuchte die angespannten Muskeln zu lockern.
Die Ruhe in seinem Büro war geradezu Balsam für seine Sinne, die immer auf das Äußerste beansprucht wurden, wenn er seine telepathischen Fähigkeiten einsetzte.
Deshalb reagierte er auch entsprechend ungehalten, als ihm ein Signalton einen Besucher anmeldete, obwohl er seine Untergebenen angewiesen hatte ihn nicht zu stören.
Raoul hieb mit der Faust auf den Knopf in der Konsole des Schreibtisches und die Tür öffnete sich. „Ich wollte nicht gestört werden.", begrüßte er den Besucher ziemlich eisig.
„Nun ja...", bei dem Klang von Iasons tiefer Stimme sah er auf, das war noch etwas, was sich sehr wohltuend auf ihn auswirkte. Der Blondie verriegelte die Türe: „...ich dachte, du könntest etwas Ablenkung gebrauchen." Das laszive und herausfordernde Lächeln hätte bei einem Pet einfach nur anziehend gewirkt. Einen Blondie so lächeln zu sehen, war schlicht umwerfend.
Mittlerweile waren Iason und Raoul Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Zu anfangs war Raoul mehr als dagegen gewesen, dass irgendjemand außer ihnen wusste, was sie manchmal in der Mittagspause und in den Abenden hinter verschlossenen Türen trieben. Aber wenn ständig vier Pets und zwei Furniture um einen herumschwirrten, war es auch kein Wunder, dass es schon bald die ersten Gerüchte gab.
Iason hingegen störte es wenig, er hatte sich ja noch nie um Ansehen und seinen Ruf gekümmert.
Und in der Regel konnte Raoul ihm auch einfach nicht widerstehen. So wie jetzt, als der eindrucksvolle Blondie an seiner Tür stand. Die Augen leicht zusammengekniffen und eine Hand an die Hüfte gelegt.
Doch heute war kein Tag wie jeder andere. Er brauchte jetzt im seine Ruhe. Raoul lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich durch die Haare. Dann schüttelte er leicht den Kopf.
Iason lächelte wissend und kam zu ihm herüber. Er trat hinter Raouls Stuhl und strich ihm die blonden Strähnen aus dem Gesicht. „Ich habe auch nicht viel Zeit.", meinte er und begann Raouls Nacken zu massieren „Ist das besser?"
Raoul schloss genießerisch die Augen und entspannte sich unter den festen Berührungen.
„Gestern Nacht... hat es dir gefallen?", erkundigte sich der Blondie hinter ihm nach ein paar Minuten.
„Sonderbare Frage Iason, dir etwa nicht?" Raoul und zwei andere Blondies waren bei Iason eingeladen gewesen. Was als Abendessen und einem ernsten Gespräch über die aktuellen Beziehungen zu den Randplaneten begonnen hatte, war angeheizt von den Darbietungen der Pets und dem schweren Rotwein in einer Orgie im Schlafzimmer geendet. Raoul wunderte sich noch immer, wie vier Blondies auf dem Bett Platz gefunden hatten.
Am Morgen war er mit leichten Kopfschmerzen und schmerzenden Gliedmaßen aufgewacht, Iason hatte seinen Kopf auf Raouls Bauch gebettet und den beiden Blondies zugesehen, die auf der anderen Seite des Bettes die Aktivitäten der Nacht fortsetzten.
Statt Iasons Antwort abzuwarten, sprach Raoul weiter: „Das ist wohl die neue Elite, vor fünfzig Jahren hätte es Jupiter wahrscheinlich noch nicht toleriert."
„Sie hat wohl auch keine andere Wahl… Was sollte sie auch dagegen tun? Alle Blondies beseitigen?", entgegnete Iason.
„Du bist zu leichtfertig, Iason."
„Und du bist nicht mehr der rebellische Raoul, den ich an der Akademie kennen gelernt habe."
Raoul schwieg zunächst, diese Worte trafen ihn mehr als er es zugeben wollte. Obwohl er nur allzu genau wusste, wie wahr sie doch waren.
„Ja… da hast du recht.", murmelte er.
Nachdem er wieder alleine war, erhob sich Raoul und trat zum Fenster. Iason hatte recht: Es war paradox. Er selbst war zum Beschützer und Bewahrer ihres gesellschaftlichen Systems geworden. Er war es, der Verräter und Abweichler aus dem Verkehr zog.
Raoul fragte sich unwillkürlich, was passiert wäre, wenn er sich damals umgebracht hätte. An jenem Abend, als er die Wahrheit über sich und Iason herausgefunden hatte.
Er hob den Kopf und am Horizont konnte er die Umrisse der Akademie erkennen. Damals... Was war er damals optimistisch gewesen. Was hatte er einmal zu Iason gesagt: „Ich will...nicht Jupiter." Und was war daraus geworden... Iasons war Jupiters Sohn, handelte in dessen Namen. Er selbst war zum obersten Handlanger des Computers geworden.
Fortsetzung folgt...
