Reunion

Kapitel 2

Caligo Lux


Snape wurde von einem Poltern auf dem Gang geweckt. Jemand schlug mit Fäusten gegen die Tür des Nachbarzimmers.

"Mach sofort auf, Cal, ich weiß, dass du nicht allein bist!"

Snape stöhnte und rieb sich die Stirn. Am besten, er verließ Salem morgen früh sofort nach dem Frühstück. Schon der Dumbledore-Klon war Grund genug, so schnell als möglich die Flucht zu ergreifen, aber dieses eifersüchtelnde Schwulenpärchen war die Pest. Wie bitte sollte man bei so einem Theater mitten in der Nacht schlafen?

Die Nachbartür wurde aufgerissen und die zwar gedämpften, aber dafür umso wütender klingenden Stimmen der beiden jungen Männer debattierten.

Der Zaubertränkemeister glitt aus dem Bett, schlich im Dunkeln zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Wenn diese beiden Idioten ihm schon den Schlaf raubten, dann wollte er als Entschädigung wenigstens zusehen, wie sie sich die Köpfe einschlugen.

Im Fackellicht des Ganges stand wie erwartet Larren und gestikulierte wild.

„Was bitte soll ich denn sonst denken, wenn du den Raum sogar magisch abschottest?"

"Dass ich meine Ruhe will?"

Nur in nachtgrüner Shorts trat Cal einen Schritt auf den Blonden zu. Snapes Blick wanderte über den Körper des dunkelhaarigen Mannes. Er sah durchtrainiert aus. Feine, unaufdringliche Muskelpartien formten Oberköper und Beine zu einer athletischen Figur, und bei dem Gedanken, wie dieser Körper gänzlich ohne Kleidung aussehen mochte, begann sich Snapes Atem zu beschleunigen. Cals linken Oberarm zierte das Tattoo einer Schlange, die sich anscheinend, genau konnte Snape es aus seinem seitlichen Blickwinkel nicht erkennen, von der Schulter aus weiter nach vorne zur Brust des Mannes wand. Faszinierend. Alles in allem kein Wunder, dass der Blonde so misstrauisch war – er an Larrens Stelle würde Cal in seinem Hogwarts-Kerker einsperren und den Rest der Welt notfalls mit Gewalt von dieser adonisgleichen Erscheinung abschotten. Snape runzelte die Stirn. Was kamen ihm denn da für Fantasien? Seine Übermüdung hatte schon zu geistiger Verwirrung geführt, na toll, hoffentlich legten die beiden Hähne auf dem Gang ihren Streit schnell bei, so dass er weiterschlafen konnte.

„Warum schließt du mich aus, Cal? … Moment mal, schau mich an. Deine Augen sind …", Larren zog das Gesicht seines Freundes näher an sich heran, „rot! Du hast dir wieder eine von deinen Phiolen rein gezogen!"

Cal machte sich von ihm los und wich zurück.

„Und wenn? Das Zeugs hilft mir beim Vergessen."

„Beim Verdrängen meinst du wohl. Wann erzählst du mir endlich, was dich quält? Das ist doch keine Basis für eine Beziehung, verdammt!"

„Dann mach doch Schluss!"

„Ist es das, was du willst? Brauchst du freie Bahn für wen-auch-immer?"

Cal lachte.

„Womit wir wieder beim Thema wären, was? Larren, ich bin müde, lass mich einfach in Ruhe, ja?"

Mit einem wütenden Blick wandte sich der Blonde zum Gehen, doch er sah noch einmal über seine Schulter, bevor er über den Gang im Dunkeln verschwand, und sein Ton war bissig:

„Pass lieber auf, Drogenkonsum schadet der Heilkraft."

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Er sah den grellen, grünen Blitz auf sich zukommen, und dann …

„Nicht bewegen", flüsterte eine Stimme an seinem Ohr. Snape fühlte eine Hand auf seiner Stirn. Wärme breitete sich in seinem Körper aus und die Schmerzen ließen nach. Die Schmerzen ließen nach? War er denn nicht TOT? Aber …

Er öffnete die Augen und sah um sich herum nur Dunkelheit. Und den Schatten einer Gestalt, die sich über ihm auflöste.

Ein Zischen weckte ihn. Severus Snape blinzelte ins Sonnenlicht, das durch einen Spalt der Vorhänge – natürlich – genau zu ihm aufs Kopfkissen fiel. Das Zischen erklang erneut. Eine Schlange? Hier im Raum? Snape stand auf und folgte dem Geräusch zum Fenster. Gerade noch sah er eine schwarze Kobra durch den Spalt zwischen den leicht geöffneten Rahmen davon gleiten und über den Sims nach nebenan ins Nachbarzimmer verschwinden.

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"Ah, Professor Snape, willkommen an unserer kleinen Frühstückstafel! Setzen Sie sich, setzen Sie sich … Haben Sie gut geschlafen?"

Direktor Drakon strahlte ihn mit einer solchen Guten-Laune-Miene an, dass Snape schlagartig schlecht wurde. Er sandte dem Alten einen seiner bösesten Blicke, doch der klopfte unbeeindruckt neben sich auf den freien Stuhl:

"Essen Sie erstmal was, und anschließend kann Caligo Ihnen etwas gegen Ihren Kater geben."

"Ich habe keinen Kater", zischte Snape und setzte sich betont elegant auf den ihm angebotenen Platz.

Drakon schien ihn entweder nicht gehört zu haben oder die Gereiztheit in seiner Stimme zu ignorieren, denn er schenkte ihm bereits ein und flötete dabei:

„Tee, lieber Professor?"

Snape ließ seine Hand zur Tasse vorschnellen, bevor eines der Zuckerstückchen aus der Hand des Direktors hineinfallen konnte, und murmelte mit einem missgelaunten Unterton:

"Danke."

Während er an der Tasse nippte, ließ der Zaubertränkemeister seinen Blick in die Runde schweifen. Am Tisch saßen noch zwei junge Hexen und Larren, der ihn abschätzig musterte. Der Stuhl neben Larren war frei.

"Darf ich Ihnen meine Assistenten vorstellen? Das sind Flieder, Rose, Larren und … ähm … wo bleibt denn bloß Caligo?"

"Guten Morgen, Direktor! Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, aber ich hatte noch eine Besprechung …"

Larren setzte mit einem Knall seine Tasse auf dem Tisch ab und drehte sich zu Cal um. Der trat – in Snapes Augen in seiner schwarzen Lederhose und dem schwarzen, engen Rolli atemberaubend gut aussehend – zu ihnen an den Tisch und setzte sich neben Larren. Ein paar Strähnen seiner noch nassen Haare fielen ihm ins Gesicht. Er strich sie sich hinters Ohr und schaute in die Runde. Als sich ihre Blicke trafen, atmete Snape scharf ein. Das konnte doch nicht wahr sein! Diese leuchtend grünen Augen sahen aus … wie die von Potter!

Drakon nickte Cal milde zu, der den Blick Snapes mit dezenter Neugier, aber ohne sichtbares Anzeichen eines Wiedererkennens erwiderte.

"Unser Gast hier, Professor Snape, reist im Auftrag der englischen Zaubereischule Hogwarts. Die Leiterin, Minerva McGonogall, eine …", Drakons Stimme bekam einen noch sanfteren Klang, der Snape die Nackenhaare in die Höhe trieb, „… sehr gute und langjährige Freundin von mir, sucht einen Lehrer für das neue Fach Heilkunde."

"Dann sind Sie also ein Headhunter, Professor?", fragte der dunkelhaarige Zauberer und griff dabei nach der Teekanne. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, schenkte er sich ein.

Snape musterte Cal. Irrte er sich? Konnte das überhaupt Potter sein – der nach dem Krieg spurlos verschwundene und deshalb tot geglaubte Held der Zaubererwelt? Der Besieger des Dunklen Lords? Indiz waren diese Augen. Aber es war weder die Narbe an der Stirn zu sehen, noch trug er Brille, noch passten Stimme, Stil oder gar Statur … wobei Potter das letzte Mal, als sie in der alles entscheidenden Schlacht Seite an Seite gekämpft hatten, mit seinen 17 Jahren noch fast ein Kind gewesen war. Körperbau, Frisur und Garderobe waren also nicht unbedingt aussagekräftig. Blieb das Fehlen der Narbe …

„Professor?", wiederholte Cal und riss ihn aus seinen Gedanken.

"Headhunter …? In der Tat, das könnte man so sagen, Mr. …"

„Lux, Caligo Lux."

Der junge Mann senkte kurz die Wimpern, um ihm mit einem Augenaufschlag ein Lächeln über den Tisch zu senden. Snapes Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde. Flirtete dieser Mann gerade mit ihm? Etwas, das sich sein Freund wohl auch fragte, denn Larren blickte prüfend zwischen Cal und Snape hin und her, um in ein hasserfülltes Anstarren des Zaubertränkemeisters zu verfallen.

"Am besten, Caligo führt Sie nach dem Frühstück ein wenig herum und zeigt Ihnen unsere Laboratorien, Professor", schaltete sich Drakon mit einem Augenzwinkern ein.

Larren schob seinen Stuhl zurück, stand auf und verließ wortlos den Raum.

TBC