Chapter III
BetrayalTell me why did you betray me
Why did you do the things you've done
Tell me why did you betray me
Destroyed my life with so much fun
L'ame immortelle – Betrayal
September 1971
Nachdem Narcissa das Haus verließ, erstarb das Leben darin völlig. Meinen Eltern begannen mich zu ignorieren, zu vergessen, zu übersehen. Selbst die nächtlichen Besuche meines Helden verringerten sich zunehmend, bis sie schließlich ganz zum erliegen kamen und ich es fast schon vermisste, es mir wünschte, bot es doch Aufmerksamkeit. Im gleichen Maße wie man mich übersah, sehnte ich mich nach Anerkenntnis und Anteilnahme, versuchte diese zu erlangen, rebellierte und randalierte.
Nichts schien mir zu glücken, zerstörte ich die Möbel im Wohnzimmer, zückte meine Mutter lediglich ihren Zauberstab und reparierte den Schaden mit einem leise gemurmelten Spruch ohne mich überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Schrie, tobte und wütete ich, verschwanden die Hausbewohner so lange, bis ich mich wieder beruhigte und einmal mehr glaubte, versagt zu haben. Verletzte ich mich selber, schnitt, biss oder ritzte mich, blickte mich mein Vater mit abwesenden Augen kühl an und orderte einen Heilmagier, der mich rasch wieder gesund pflegte. Nichts schien meine Eltern zu ärgern, nichts sie zu nerven oder zu bewegen. Ich kam mir wie ein unbeachtetes Möbelstück vor, einen Gegenstand, den man sich zulegte und dann wieder vergaß. Selbst der Kontakt zu Sirius verebbte, da mein Elan schwand und ich mich nur in meinem Zimmer verkroch.
Völlig in meiner selbstgewählten Isolation aufgegangen, bemerkte ich zuerst nicht, dass zunehmende Getuschel im Haushalt, hörte ich nicht, wie meine Tür aufgerissen wurde und meine ach so geliebte Schwester hineinstürmte um mich wild zu umarmen und für mich zusammenhangslose Worte zu reden. Erst nach und nach begriff ich, was sie mit mitteilen wollte und ein überrascher Ausdruck erschien auf meinem blassen, eingefallenen Gesicht.
Ich war also nach Hogwarts eingeladen wurden und sollte dort zur Schule gehen, welch interessante Wendung des Schicksals.
Mit einem Mal schien es, als ob meine Eltern mich wieder entdeckten, musste ich die nächsten Tage damit zubringen, mir Umhänge anfertigen zu lassen und meinen eigenen Zauberstab auszusuchen. Es war recht amüsant, auch wenn mich die plötzliche Aufmerksamkeit fast erschreckte und abstieß. Im Mittelpunkt zu stehen, war mir einfach unangenehm und die damit verbundenen Aufgaben bedrückten mich immer mehr, so dass ich mich kaum noch auf Hogwarts freuen konnte. Zumindest die Aussicht mit Sirius zusammen dorthin zu gelangen, ließ mich ruhig die Anweisungen meiner Erzieher befolgen und fast demütig ihre Ratschläge annehmen. Innerlich zählte ich die Tage, die Stunden, die Sekunden bis ich aus dem elterlichen Haushalt fliehen und endlich meine Freiheit genießen konnte. Mit jedem Augenblick erschien mir das familiäre Anwesen bösartiger und feindlicher gesonnen mit seinen dunklen Ecken, verwinkelten Gängen und furchteinflößenden Gemälden. Und vor allem mit all den bösen Erinnerungen an meine Schmach, meine Niederlage und meinen Untergang. All dem wollte ich entrinnen und die Zauberschule erschien mit wie der Garten Eden, voller Früchte und süßlich, fast himmlisch. Es sollte mein Heilland werden, mein Neuanfang, meine Zufluchtstätte.
Endlich war der Tag gekommen an dem ich mein neues Leben anfangen konnte, mit vor Glück weit aufgerissenen Augen stand ich auf dem Bahnhof in London und bestaunte den riesigen Hogwartsexpress, Zeichen des Aufbruches in eine unbekannte Ära. Um mich herum wuselten Kinder mit ihren Eltern, flogen Koffer förmlich durch die Gegend und kam es ständig zu Unfällen. Doch das alles interessierte mich nicht, zu sehr war ich darauf fixiert die Zeit voranzutreiben, bis der Zug abfahren würde und ich erlöst sei.
An meiner Hand hielt ich Sirius, der ebenfalls mit offenen Mund auf das Geschehen starrte und scheinbar völlig fasziniert von seiner Umgebung war.
Meine Eltern waren letztendlich diejenigen, die uns aus unserer Trance rissen und dazu ermutigten endlich einzusteigen. Mit einer kurzen Umarmung verabschiedete ich mich von ihnen und stieg ohne irgendwelche Sehnsuchtsgedanken in unser Gefährt ein. Zum Glück fanden wir rasch ein leeres Abteil und machten es uns gemütlich. Ich holte mein Lieblingskissen hervor und begann leicht zu dösen, allzu anstrengend war die Ankunft in London und der Aufbruch nach Hogwarts gewesen und die Schlaflosigkeit der vergangenen Nächte forderte ihre Tribut. Nur langsam bemerkte ich das Öffnen der Abteiltür und das Erklingen einer jugendlichen, melodischen Stimme, die fragte, ob bei uns noch ein Platz frei wäre. Ich schaffte es schließlich meine Augen zu öffnen und starrte auf einen zersausten Jungen in unserem Alter, der bereits dabei war seinen Koffer zu verstauen und sich neben Sirius zu setzen. Neugierig beobachtete ich den Neuankömmling, bis dieser wieder das Wort ergriff.
„Hallo, entschuldigt, ich hab vergessen mich vorzustellen. James Potter!" Er nickte uns beiden zu, schenkte aber meinem Cousin deutlich mehr Aufmerksamkeit als mir und ich sah die verschwörerischen Blicke, die die beiden wechselten ohne zu verstehen, worum es ging.
Meine Erziehung siegte dennoch und ich streckte diesem James die Hand aus.
„Bellatrix Black und meinen Cousin Sirius müsstest du bereits kennengelernt haben!" sagte ich mit freundlicher Stimme, waren die Potters doch ebenso wie die Blacks eine angesehene Reinblutsfamilie. Ein leichtes Lachen entwich dem Munde meines besten Freundes und ich blickte ihn verwirrt an, eh mich eine düstere Ahnung packte. Just in diesem Augenblick krabbelte etwas Glitschige über meinen Rücken und ließ mich aufquietschen, mich winden und nach dem Eindringling greifen. Sofort setzte das Gelächter der beiden Jungen ein und steigerte sich mit meinen Bemühungen meinen Peiniger loszuwerden. Meine Ohren schalten von ihrem höhnischen Lachen und meine Gelenke taten von den Verrenkungen weh, aber schlussendlich gelang es mir die Ursache des Übels hervorzuziehen. Zwischen meinen Fingern befand sich eine hässliche, schwarze, glitschige Made, die sich nun ihrerseits umherwand und mich bösartig in den Finger biss, so dass ich erneut aufschrie. Dies amüsierte meinen beiden Reisebegleiter dermaßen, dass sie sich bald auf den Boden kugelten und kaum mehr zur Vernunft zu bekommen waren. Eine unbeschreibliche Wut breitete sich in meinem Inneren aus und mit mäßig unterdrücktem Jähzorn fauchte ich die beiden an.
„Wer von euch Dummköpfen war die, das ist wirklich geschmacklos. Habt ihr euer Hirn zum Frühstück verspeist?" zischte ich und schaute beide mit todbringenden Augen an. Leider brachte mein Ausbruch nicht den gewünschten Erfolg, sondern führte dazu, dass die beiden wieder losprusteten und ich mir dumm und einfältig vorkam. Fast traurig starrte ich Sirius an und konnte nicht verstehen, wie ausgerechnet er mir so etwas antun konnte. Immerhin hatten wir uns ewige Freundschaft geschworen, doch nun verspürte ich den Pfeil der Eifersucht sich in mein Herz brennen und ich konnte kaum meine Tränen zurückhalten.
„Bist du nun zufrieden?" flüsterte ich ihm zu und erst jetzt schien er zu bemerken, was er mir damit angetan hatte. Seine hübschen Augen verdunkelten sich und er blickte fast reuevoll, demütig drein.
„Oh Madame versteht wohl keine Scherze, wie überaus schade!" erklang in diesem Moment die Stimme Potters und riss meinen Cousin aus seiner scheinbaren Entschuldigungslaune, erwiderte er mit harscher Stimme: „Du kennst Bella halt noch nicht, sie ist wohl die humorloseste Person die ich kenne."
„Du solltest ihr das dringen beibringen, Sirius, immerhin eignet sie sich perfekt als Opfer für unsere Streiche!" meinte James daraufhin lachend und schlug diesem Verräter fast liebevoll auf die Schulter. Ich glaubte mich übergeben zu müssen und mit entsetztem Blick starrte ich auf Sirius' Ring, der sich giftgrün verfärbt hatte. Auch seine Augen glitten in die Richtung und ein spöttisches Lächeln erschien auf seinen engelsgleichen Zügen.
„Arme Bella, wer wird denn gleich eifersüchtig sein. Aber wie du bereits sagtest, Hogwarts ist ein Neubeginn für uns. Und ich denke gar nicht, daran mich weiter mit meiner Familie abzugeben!"
Meine Augen weiteten sich bei diesen Worten, verstand ich sie keineswegs und fühlte mich verraten, erneut gedemütigt und erniedrigt von der einzigsten Person, der ich vertraute.
Langsam, unendlich langsam erhob ich mich aus meinem Sitz, schritt vor Sirius und ließ meine Handfläche auf sein Gesicht sausen.
„Bastard!" hörte ich mich fauchen, mit unnatürlich hoher, quietschender Stimme, die selbst mir in den Ohren weh tat. Daraufhin drehte ich mich um und trat aus dem Abteil, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich daran, die Augen schließend, wünschend der Tag wäre nie angebrochen.
Lautlose Tränen strömten über meine Wangen, verschleierte meine Sicht, erleichterten mein zerrissenes Herz. Ich konnte nicht erfassen, wieso sich mein Stern auf einmal verdunkelt hatte, was ihn dazu trieb, mich zu hassen. Ich versagte mir den Blick auf den Ring, fürchtete ich dort die Wahrheit zu sehen, die mich endgültig zerbrochen hätte.
Ruhigen Schrittes entfernte ich mich, bis ich ein weiteres leeres Abteil fand, mich hineinbegab, die Tür schloss und schließlich auf den Polstern zusammensank. Nun konnte ich weinen, schreien und toben, mich zusammenkugeln und selbst bemitleiden.
Ja, es war ein Neuanfang nach Hogwarts zu reisen, einer, den ich nun hasste, der mir keine Freiheit, nur noch mehr Fesseln und Leid brachte.
Mein Stern war gesunken, mein Lebensinhalt erloschen, mir blieb nur noch die Dunkelheit meiner Seele und der immer größer werdende Wunsch nach Rache für meine Qualen.
Niemand würde Bellatrix Black von nun an verletzen, ohne gebührend dafür zu bezahlen, dass schwor ich mir in meinen dunkelsten Stunden, in der die Landschaft vorbeiraste, lachende Kinderstimmen aus den Nebenräumen erklangen und Melodien den Zug erhellten.
Niemand würde mich mehr demütigen oder quälen. Niemand mich zerreißen. Niemand würde jemals mehr mein Herz zum Strahlen bringen und meine Seele dem Licht zuführen. Ich war ein Kind der Dunkelheit und ergab mich völlig in dem Nichts der Finsternis.
